Ansprachen von H. Sant Kirpal Singh Ji Maharaj Baron Frary von Blomberg André ZaouiMajid Movaghar Professor Anton Antweiler Diese Ansprachen wurden anlässlich der ersten Europäischen Konferenz der „Weltgemeinschaft der Religionen“ vom 16. - 22. Februar 1966 in Paris gehalten Ansprache von S. H. Sant Kirpal Singh Ji
Maharaj Präsident der „Weltgemeinschaft der Religionen“ auf der Regional-Konferenz der Religionen abgehalten in Paris vom 16. - 22. Februar 1966. Liebe Brüder und Schwestern, Es ist das erste Mal, daß der Schauplatz der
„Weltgemeinschaft der Religionen“ für ihre Konferenz auf diese Seite des Globus
verlegt wurde. Wir hatten bisher drei Konferenzen in Indien. So ist diese, wie
ihr wißt, eine vierte dieser Art. Der Gedanke, solche Konferenzen abzuhalten,
ist nicht neu; weder in Indien noch hier im Westen. Solche Konferenzen dienen
einem sehr nützlichen Zweck. Sie bieten uns eine Gelegenheit, zusammenzusitzen,
und die wesentlichsten Dinge des Lebens zu erwägen - Dinge, von denen das
Wohlergehen der Menschheit auf allen Gebieten des Lebens abhängt: materiell,
moralisch und spirituell. ‘Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel
vollkommen ist’, war die Ermahnung des Friedensfürsten Jesus von Nazareth. Sein
Aufruf war universaler Natur, an den Menschen gerichtet, und gilt heute genau
so wie vor 2000 Jahren, und er wird als ein Hauptprinzip auch für zukünftige
Zeiten dienen. Solche erleuchteten Seelen leben im Zeitlosen, während sie in
der Zeit für alle Zeiten sprechen. Die Zeit ist in der Tat etwas Endloses. Sie hat
weder Anfang noch Ende. Wir leben in der Zeit, teilen sie auf in Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft mit endlosen Unterteilungen. In der Unendlichkeit gibt es
kein Zählen der Zeit. Sie ist etwas Ewiges und Unteilbares, etwas, das in sich
selbst vollständig ist und das Gesamte eines Seins umfaßt - den Geist im
Menschen. Sie ist eine ewige Wahrheit, die wir zu lernen und zu verstehen
haben, und der wir uns angleichen müssen, bis sie selbst die Fasern unsers
Seins durchdringt. Wie ihr wißt, nimmt der Mensch den höchsten Platz in
Gottes Schöpfung ein. Er wird als die Krone aller geschaffenene Dinge
bezeichnet. In dem unermeßlichen Universum ist sein Platz dem von Gott am
nächsten. Selbst Engel und Götter wurden dazu ausersehen, Gottes Werk, dem
Menschen, dienlich zu sein. Gott schuf den Menschen Ihm zum Bilde und stattete
ihn mit dem Atem Seines eigenen Lebens aus. Er hat unendliche Liebe für Seine
Kinder, die wir schwerlich erkennen. Sie ist unermeßlich groß und geht weit
über unsere kühnsten Vorstellungen hinaus. Er hat uns diese wunderschöne Erde
gegeben, um auf ihr zu leben, und versorgte uns mit zahlosen Gaben von
unschätzbarem Wert, um unseren Bedürfnissen zu genügen, den Bedürfnissen des
sterblichen Körpers, den wahrhaftigen Tempel Gottes, der uns gegeben wurde, um
Ihn darin anzubeten und zu verherrlichen. ‘Wisset ihr nicht, daß ihr der Tempel Gottes seid’,
sagen die Evangelien. Es ist Gottes eigene Kunde durch Seine Propheten und
Messiah’s, die uns seit undenklichene Zeiten wiederholt wird. Aber so seltsam
es auch scheint, neigen wir dazu, sie immer wieder zu vergessen, trotz unserer
besten Bemühungen, es nicht dahin kommen zu lassen; und ständig finden wir uns
äußerlich herumirrend, weit weg von Gottes Tempel. Und wenn wir uns in der Wildnis
der Welt verlieren, kommt Gott im Gewand der Heiligen und Seher, um uns an
unser reiches Erbe zu erinnern, das nun ein verlorenenes Gebiet für uns ist. Es war
viel, daß der Mensch Gott gleich gemacht ward vorher; Aber
das Gott zum Menschen ward, viel mehr. (John
Donne) Sagte nicht Christus, daß er
gekommen war, um nach den verlorenen Schafen zu suchen? ‘Denn des Menschen Sohn
ist kommen, zu suchen und selig zu machen, das verloren war.’ (Lukas) In der Tat sprechen alle
heiligen Menschen Gottes, wie sie durch den heiligen Geist bewegt werden. ‘Die
Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst, ... sondern,
wie mich mein Vater gelehret hat, so rede ich.’ (Johannes) Die Gotteskraft wirkt immer
über und durch einen menschlichen Pol, man nenne ihn, wie man will; denn der
Mensch ist notwendigerweise der Lehrer des Menschen, und zwar auf der
spirituellen Ebene. Guru Nanak sagte: ‘Ich sage nichts aus mir selbst, sondern
wie Gott mich zu tun heißt.’ Religion, wie auch immer ihre
Benennung sein mag, hat einen zweifachen Aspekt: ‘Apara’ und ‘Para’. ‘Apara’
oder der äußere Aspekt der Religion befaßt sich mit der gewissenhaften und
genauen Ausführung der Riten und Rituale, strenger Übereinstimmung mit den
Formen und Formalitäten, zeremonieller Verehrung wie das Opferbringen vor
Idolen und Standbildern, neben einer Menge anderer Dinge, um z. B. die
verschiedenen Naturkräfte versöhnlich zu stimmen; Ängste, wirkliche oder
eingebildete, zu lindern; Begünstigungen der einen oder anderen Art zu
erlangen; Wagnisse und Gefahren zu umgehen, oder Krankheiten und
Verdrießlichkeiten im Leben abzuwehren. Kurzum, in diese Kategorie fällt alles
Tun, welches das Gemüt mit äußeren Bestrebungen auf der Sinnesebene
beschäftigt. Sie dienen auch einem nützlichen Zweck, denn sie halten die
Gemütskraft für eine Weile tätig und bis zu einem gewissen Grade in
ehrfürchtiger Zurückhaltung, in der Hoffnung, göttliche Hilfe zu erlangen, oder
aus Furcht, sich den göttlichen Zorn zuzuziehen, entsprechend der mentalen
Vorstellung des Betreffenden. Dann kommt ‘Para’ oder der innere Aspekt der
Religion. Er befaßt sich mit der altehrwürdigen Weisheit des Jenseits, wie das
Wort ‘Para’ anzeigt - einer Weisheit, die weit über den Bereich des Gemüts und
der Sinne liegt und aus dem inneren Menschen oder dem Geist im Menschen geboren
und mit ihrm verbunden ist. Es ist ein Wissen im wahrsten Sinne des Wortes. Es
ist nicht von den Sinnen abhängig und ohne sie vollendet. Es ist das Wissen,
durch dessen Kenntnis man allwissend wird, denn es bleibt dann nichts übrig,
das es noch zu wissen gäbe. ‘Welches ist das Wissen, durch das alles andere
bekannt wird, so man es hat?’, war die Hauptfrage der Menschheit durch die
Jahrhunderte hindurch. Es ist kurzum die Spiritualität, oder die Wissenschaft
der Seele; ich werde gleich darauf zurückkommen. Zwischen diesen beiden
Aspekten der Religion liegt noch etwas anderes - die Kenntnis und Praxis der
höheren Werte des Lebens, der moralischen Werte, wenn man sie so nennen will.
Sie bilden eine dazwischenliegende, aber doch wesentliche Stufe, denn ohne sie
können wir unmöglich zur Spiritualität gelangen. Ethisches Leben ist ein
Sprungbrett zur Spiritualität. Wir können nicht die Segnungen des spirituellen
Lebens haben, ohne erst einen moralischen Hintergrund praktiziert und erworben
zu haben. Es würde nicht verkehrt sein zu sagen, daß beide, die ethische und
die spirtuelle Seite, dicht nebeneinander laufen, denn sie ergänzen einander
und keines schließt das andere aus. Das Menschliche im Menschen kann nicht zum
Übermenschlichen werden, solange nicht der Geist von all dem beschränkenden
Beiwerk des Gemüts und der Materie befreit wird, in das er zur Sicherheit des
Kronjuwels von unschützbarem Wert so eng gewickelt und eingeschachtelt ist. Nun, alle Religionen sind
einer Meinung im Verkünden der höheren Werte des Lebens, denn alle sprechen von
der Notwendigkeit, die Haupttugenden der Liebe, Wahrheit, Barmherzigkeit,
Selbstloses Dienen und Opfern zu praktizieren. Und in der Tat gehen alle
Tugenden von der Liebe aus und sind gewissermaßen nur vielerlei
Widerspielgelungen der Liebe, der Quelle und dem Urspung von allem, das edel
und gut ist. Liebe ist das wahre Wesen Gottes. Es ist in Seiner Liebe, in der
wir leben, uns bewegen und unser Sein haben. Und da Gott den Menschen nach
Seinem Ebenbild geschaffen hat und ihm Seinen eigenen Lebensodem einflößte, wie
schon gesagt, ist die Seele oder der Geist nichts als ein Tropfen vom Meer der
Liebe. Liebe ist darum in Gott, und im Menchen eingeboren, und wir können uns
unmöglich von der Liebe trennen, denn das Leben und Licht Gottes hängen an dem
göttlichen Prinzip der Liebe. Hier ergibt sich die Frage -
wenn Gott Liebe ist und wir ebenfalls eine lebendige Verkörperung der Liebe
sind, und Liebe das Bindglied zwischen Gott und Mensch ist, warum es dann
soviel Elend gibt, das wir in und um uns in der Welt sehen, in der wir immer in
einem Zustand fortgesetzter Angst leben, einander mißtrauen, und hilflos und
hoffnunglos wie Spreu von den Winden und Wassern des Lebens hin- und
hergeworfen werden. Der Fehler liegt ganz offensichtlich an uns, nirgendwo
sonst, denn trotz all unserer lauten und vernehmlichen Reden, langatmigen
Bekenntnisse und Beteuerungen, den so vielen ersten Predigten von Kanzeln und
Rednerbühnen haben wir nicht versucht, tief genug in den Tiefen unserer Seele
zu graben, die unter der schweren Last von Gemüt und Materie erstickt, und
immer mit dem Gemüt zusammen durch die Sinnesorgane in die Sinnesobjekte der
äußeren Welt gleitet. Da wir von dem anmaßenden Ego besessen sind, wurde
Besitzergreifen zur Besessenheit bei uns, und aus Mangel an praktisch
erfahrenen Adepten - gottverwirklichte oder theozentrische Heilige - die uns
praktisch auf dem Pfad der Liebe führen, sind wir nicht in der Lage, den
eiseren Vorhang hinter den Augen zu durchdringen und die dahinterliegenden
astralen und kauslaen Bereiche zu betreten, der Großen Wirklichkeit oder
Gotteskraft gegenüberzustehen, und den Grundlosen Urgrund zu erkennen, welcher
bewirkte, daß alles von Ihm ausgeht, und der als die materielle und wirksame
Ursache aller Lebenserscheinungen, physisch oder metaphysische, verantwortlich
ist. Auch die Schriften können uns kein richtiges Verstehen der wirklichen Lage
vermitteln, zufolge ihres altertümlichen Wortlauts und der sich
widerstreitenden Anmerkungen, Nebenbedeutungen und Textverbesserungen durch
Schriftkundige, die aber in der inneren praktischen Erfahrung der Gottheit
nicht bewandert sind, wie die ursprünglichen Autoren der Schriften es waren.
Darüber hinaus pflegten jene Meister ihre Erfahrungen in Form von Aphorismen
niederzuschreiben, die Erklärungen auf bloßer Verstandesebene nicht zulassen.
Daher auch hier die Notwendigket eines kompetenten lebenden Meisters, der die
direkte und praktische Erfahrung seines eigenen Selbst und Gottes hat und mit
der esoterischen Bedeutung der früheren Schriften wohlvertraut ist. Spiritualität ist im Grunde
genommen die Wissenschaft der Seele. Es ist die Wissenschaft aller
Wissenschaften und hat in diesem wissenschaftlichen Zeitalter auf eine
wissenschaftliche Weise dargeboten und praktiziert zu werden, wenn sie als
gültige Münze des Gotttesreiches in der Welt kursieren soll. „Gott ist Geist,
und die, welche Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“.
Er kannn nicht in den von Menschen geschaffenen Tempeln, Synagogen, Kirchen,
Moscheen und Gurdawaras angebetet werden, sondern nur im heiligen Tempel des
menschlichen Körpers, dafür bestimmt und von Gott selbst erschaffen; und in den
Er den heiligen Geist gesetzt hat, den wahren Tröster, den unfehlbaren Führer,
den nie versagenden Freund, der uns auf dem Pfad der Rechtschaffenheit und
Redlichkeit leuchtet, wie der Psalmist sagt: ‘Dein Wort ist meines Fußes
Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.’ (Psalm 119, 105). Der Absolute Gott ist eine
Abstraktion, den keiner mit den Augen des Fleisches gesehen hat, noch wird Ihn
je einer so sehen. ‘Die Augen, welche den Herrn schauen’ (Gott in seiner
Ursprünglichen Offenbarung - das heilige Wort, das durch das Licht und den Ton
Gottes gekennzeichnet ist), sagte Guru Nanak, ‘sind anders als die Augen, die
gewöhnt sind, die sterbliche Welt der Farben und Formen zu sehen.’ Christus
nannte es das ‘Einfältige Auge’ - ‘Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn dein
Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.’ (Matth. 6,22). Bei
den Hindus ist es als ‘Divya-chakshu’ bekannt, und die Moslems nennen es
‘Nukti-i-Sweda’. Wenn wir die Schriften der Weltreligionen studieren, finden
wir gleichlautende Hinweise auf die beiden Attribute, nämlich das Licht Gottes,
denn Gott wir als der Vater des Lichts beschrieben, Swayum jyoti,
Nooran-ala-Noor, das alles nur bildlich gesprochen ist, um das unpersönliche
und unsterbliche Licht zu bezeichnenen, welches schattenlos und unerschaffen
ist, die erste Offenbarung des Gottseins Gottes, und über das alle auf gleiche
Weise gesprochen haben: Moses, Zoroaster, Buddha, Christus, Mohammed, Kabir,
Nanak und andere nach ihnen, wie Soamiji Maharaj und mein geliebter Meister
Sawan Singh Ji, und die es alle tatsächlich in sich selbst gesehen und
verwirklicht haben und es ihren Anhängern, jedem zur gegebenen Zeit,
offenbarten. Wiederum gehen vom Zentrum dieses inneren Lichtes Ströme
himmlischer Musik aus, von denen mannigfach gesprochen wird als von Sruti, Naad
oder Udgit, Sarosha, das heilige Wort oder der heilige Geist, Saut oder Samma,
Shabd oder Naam. Es ist ‘die Stimme der Stille’, denn in der tiefen Stille der
Seele, der Seele selbst wird sie hörbar. Der hörbare Lebensstrom wohnt jedem
empfindenden Wesen inne, und keine Sprache kann seine melodischen Symphonien
beschreiben. Wenn er durch die Gnade eines Meister-Heiligen offenbart wird, hat
er ihn mit den Seelenströmen verbunden, wo sie mit einem Mal über das
Körperbewußtsein erhoben werden. Nur einer, der Gott verwirklicht hat, kann das
tun, kein anderer, wie gelehrt und intelligent er auch immer sein mag: ‘Aber selig sind eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören. Wahrlich, ich sage euch: viele Propheten und Gerechte haben begehrt, zu sehen, das ihr sehet, und haben’s nicht gesehen, und zu hören, das ihr höret, und haben’s nicht gehöret.’ (Matth.
13, 16-17) Somit sehen wir, daß jeder
Wahrheitssucher es berühren, erreichen und damit Verbindung haben kann, und
dies nicht nur für sein eigenes Wohl, sondern für das der ganzen Menschheit. Es
ist das einzige Heilmittel gegen alles Leiden in der Welt: die sozialen,
religiösen, politischen und nationalen, die uns bedrängen und unsere bloße
Existenz bedrohen. Je mehr wir von dem „Wort“ lernen und uns mit ihm verbinden,
desto mehr Oasen lebenserneuernden Wassers werden im dürren Wüstensand der Zeit
entstehen und diese werden die Kräfte des Bösen wirksam neutralisieren, und wir
werden wahrlich den Himmel auf Erden haben, um den wir täglich, nein, stündlich
beten, aber in der Tat sehen, daß der so sehr begehrte und eifrig gesuchte
Himmel uns entweder flieht, oder wir wohl oder übel aus ihm vertrieben werden.
Und warum dieser ganze beklagenswerte Zustand? Es ist, weil wir nicht nur die
Orientierung, sondern auch den Halt an der rettenden Lebensschnur in uns
verloren haben und uns nun vergebens bemühen, dem Zug nach unten zu
widerstehen, indem wir uns an Strauchwerk und Sandbänken festhalten. Ihr alle seid wirklich mein
eigenes Selbst in so vielen verschiedenen Formen, und ich habe die Summe und
Substanz von allem, was ich bisher gelernt und zu den Füßen meines Meisters
praktiziert habe, zu eurem Nutzen vor euch ausgebreitet. Es ist die Essenz
aller Religionen und sie liefert eine weitere gemeinsame Grundlage, wo sich
alle Religionen begegnen können. Wo alle Philosophien enden, dort fängt die
wahre Religion an. Wir müssen darum lernen,
alle Propheten, alle Religionen und alle heiligen Schriften der Welt zu achten,
denn sie sind nichts als vielerlei Blumen aus dem Garten Gottes mit lieblichen
Wohlgeruch. Wir sind wirklich gesegnet, eine solch reiche und mannigfaltige
Erbschaft zu haben, auf die wir stolz sein können. Alles, dessen es sonst
bedarf, ist, sie unparteiisch zu studieren und zu versuchen, die grundlegenden
Lehren von der Ebene der Seele aus durch tatsächliche Erfahrung zu verstehen
und nicht nur vom Hörensagen oder auf das Zeugnis anderer hin. Selbst Sehen
heißt glauben, während Gefühle, Empfindungen und Schlußfolgerungen alle dem
Irrtum unterliegen. Darum sollten wir versuchen, die innere Stimme in uns mit
unseren eigenen Ohren zu hören und das innere Licht Gottes mit unseren eigenen
Augen zu sehen, was besser ist, als unseren Glauben in Schein-Propheten oder
falsche Propheten zu setzen, vor denen Christus in unmißverständlichen Worten
gewarnt hat. Und dies alles können wir tun, während wir in unseren
verschiedenen Religionsgemeinschaften verbleiben. Durch Verbindung mit dem
heiligen Wort können wir uns über die engen Grenzen von Stand, Rasse und Glaubensanschauungen
erheben und alle rassischen, nationalen und territorialen Schranken
übersteigen, und die Wirklichkeit von Angesicht zu Angesicht sehen, um dann zum
Kosmischen und überkosmischen Bewußtsein zu gelangen. Nun, hinsichtlich der
Vereinigung der Seele mit der Überseele. In diesem Zusammenhang hören wir vom
heiligen Johannes vom Kreuz: Die Seele kann nicht die göttliche Vereinigung
erlangen, bis sie nicht der Leibe der geschaffenen Wesen entsagt hat. Spiritualität ist im Grunde
genommen eine praktische Wissenschaft und einer, der nach Wahrheit oder Gott
sucht, muß ernsthaft im Laboratorium des Gemüts arbeiten, und den Prozeß der
Umkehr mittels Selbstanalyse lernen, der mit den Tod im Leben oder dem
freiwilligen Tod vor dem tatsächlichen Tod verwandt ist. ‘Lerne zu sterben,
damit du zu leben beginnen kannst’. Solange man dieses Leben nicht verliert,
kann man nicht das ewige Leben haben. Obgleich diese ganze Sache sehr schwierig
zu sein scheint, ist sie es jedoch nicht. Die Weisen und Seher zeugen davon:
‘Ich sterbe täglich’, sagte der heilige Paulus, und von Kabir wissen wir, daß
er zu jeder beliebigen Zeit sterbe, wie er sagte, so, was einer getan hat, kann
auch ein anderer tun, vorausgesetzt, er hat die recht Hilfe und Führung. Jeder
Heilige hat eine Vergangenheit und jeder Sünder eine Zukunft. Der Erfolg in
dieser Hinsicht, wie schon hervorgehoben, hängt von der Kompetenz eines
lebenden Meisters ab, der, indem er seinen eigenen Lebensimpuls überträgt, eine
tatsächliche Erfahrung des inneren Sehens und Hörens geben kann, selbst wenn es
auf der unterste Stufe ist, denn die innere Erfahrung wird immer entsprechend
der Empfänglichkeit des Einzelnene gewährt. Wir sind alle Glieder der
großen Menschenfamilie. Wir sind innerlich und äußerlich gleich nach unserer
ganzen Anlage und Konstitution, auf der Ebene des Körpers und der Seele, da wir
verkörperte Seelen, sind. Wir sind eins als Anbeter der Großen Kraft, genannt
Gott, die mit so vielen Namen beschrieben wird. Dies sind die wesentlichen
Übereinstimmungen, die den Verschiedenheiten der Formen und Farben je nach den
geographischen und ethnologischen Bedingungen, unter denen wir leben,
zugrundeliegen, ungeachtet der verschiedenen Religionsgemeinschaften, denen wir
unsere Treue schulden. Die Unterschiede, welcher Art auch immer, sind nur
äusserlich und berühren nicht den eigentllichen Zweck des Lebens - die
Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis. Die wesentlichen Übereinstimmungen liegen
bereits in uns. Sie brauchen darum nicht erst von irgendwo im Äußeren nach innen umgepflanzt zu werden. Wenn wir
erst einmal diese grundätzlichen Übereinstimmungen erkennen und das ‘Selbst’ im
Innern verwirklichen, verwirklichen wir Gott. Menschenwerk mag schwierig sein,
aber Gottes Werk ist es nicht. Auf meinen Reisen nach dem
Westen wurde ich oft gefragt: „Wie können wir in diesem Atomzeitalter Frieden
haben?“ und ich habe immer erwidert, daß wir versuchen sollten, nach dem zu
leben, was unsere heiligen Schriften sagen. Es ist der einzige Weg, durch den
wir den Ängsten und Schrecken der Kriege entgehen können; Kriege, die im Namen
der Religion gekämpft werden - Kreuzzüge und ‘jehads’; Kriege, um gewisse
Ideologien einzuführen oder zu verwerfen, und beschönigend Freiheitskriege bei
den einen und Verteidigungskriege bei den anderen genannt, ohne daß die beiden
Parteien genau wüßten, wovon oder gegen wen. Zuzeiten wundert man sich aber den
wahnwitzigen Wettlauf in der schrecklichen Kriegsrüstung, die Stapelung
nuklearer Waffen, Atombomben, Hydrogenbomben, Wurfgeschosse und Raketen. Wozu
all diese zerstörerischen Vorsorgemaßnahmen, und warum? Wir befinden uns in
einem sehr belastenden Wettlauf gegen die Zeit, und wenn wir dem nicht im Namen
Gottes Halt gebieten, den wir alle verehren, wie wir vorgeben, können wir die
über uns schwebende große Vernichtung, die uns droht, nicht aufhalten. Bevor ich ende, muß ich dem
französischen Land und seiner Bevölkerung meine bescheidene und tiefempfundene
Anerkennung zollen. Es ist ein Land großer Menschen mit einem entschlossenen
Willen, das tapfer gegen Armut und Hunger, Tyrannei und Gewaltherrschaft
gekämpft hat, und der Welt Beispiele in sozialer Gerechtigkeit gab, die auf den
nun weltbekannten Grundsätzen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
aufgebaut sind. Paris hat seit Jahrhunderten den kriegsführenden Völkern der
Welt einen Boden bereitgestellt, auf dem sie sich einigen konnten. Hier, an
diesem historischen Ort, wurde eine ganze Reihe von Friedensverträgen von
internationaler Bedeutung unterzeichnet. Verträge, die den Siebenjährigen Krieg
(1768), den Krieg der Amerikanischen Unabhängigkeit (1789), die Napoleonischen
Kriege (1814 und 1815) und den Krimkrieg (1856) abgeschlossen hatten. Hier war
auch die Friedenskonferenz nach dem Ersten Weltkrieg abgehalten worden, die zu
dem Vertrag von Versailles (1919/1920) geführt hat, und auch die
Friedenskonferenz von 1946 beim Abschluß des Zweiten Weltkrieges. Paris nahm seine
bescheidenen Anfang von einer Befestigungsinsel an der Seine, die von einem
kleinen keltischen Stamm, als Parisi bekannt, bevölkert war, und ist heute ein
Hauptzentrum europäischer Zivilisation und Kultur. Die Stadt ist berühmt für
ihre mehr als zwei Dutzend Nationalmuseen mit dem Louvre, der eine der
schönsten Gemäldegalerien der Welt birgt. Sie hat über 100 religiöse Bauten
verschiedener Religionsgemeinschaften und Nationalitäten, die den Geist der
Toleranz und des guten Willens unter den Glaubensrichtugen veranschaulichen.
Ich bin davon überzeugt, daß diese Konferenz, die in einer ideell gesunden
Umgebung wie dieser abgehalten wird, viel zur Förderung des Friedens auf der
Welt beiträgt und die Völker einander näherbringt; dabei alle
Reibungsmöglichkeiten, zumindest im Namen der Religionen, ausmerzt, die im
Grunde genommen eins und nur eine sind. Laßt uns die Würde des Menschen als
Mensch anerkennen und als Glieder der großen Familie Gottes auf dieser Erde in
liebender Freundschaft und wohlwollender Einstellung miteinander leben. Ich danke Ihnen herzlich für
das geduldige Zuhören, und im Namen Gottes wünsche ich Ihnen alles, das gut und
edel im Leben ist. Meinen nochmaligen Dank. Kirpal
Singh |