Berlin

Am nächsten Morgen, Montag, dem 28. August, flogen der Meister und einige Satsanigs nach Berlin. Wieder hatten wir einen ganz ruhigen Flug bei herrlichem Sonnenschein.

In Berlin war nur ein verhältnismäßig kleiner Kreis von Satsangis zusammen, da es für viele, die mit dem Auto unterwegs waren, eine zu lange und anstrengende Fahrt gewesen wäre. Im Flugzeug begleiteten etwa 30 Satsangis den Meister und Seine Party, und im Laufe des Tages kamen´noch einmal 30 dazu, die inzwischen auf anderem Wege nach Berlin gekommen waren. Der Meister wohnte hier im Palace-Hotel.

Als einige von uns in den Konferenzraum des Hotels kamen, wurden wir vor eine Prüfung gestellt, wie weit wir Toleranz und Liebe für andere hatten. Dort kam nämlich eine alte Frau auf uns zu, die ziemlich aufgebracht über den Meister sprach. Sie war durch nichts zu beruhigen und fing immer wieder von neuem an, schlecht über den Meister zu reden. Sie hatte die feste Absicht, mit Ihm persönlich zu sprechen, anscheinend sogar noch vor dem Satsang. So waren wir alle ein wenig besorgt, daß sie Unannehmlichkeiten bereiten würde.- Wie ich erst hinterher erfuhr, hate man mit Gyani Ji über den Vorfall gesprochen, und er meinte: „Sie wird keinen Ärger machen.“

Bei diesem ersten Satsang in Berlin war der Meister, wie es mir schien, von einer ganz besonderen Heiterkeit, die einfach jeden von uns anstecken mußte! Während er sprach, saßen wir in einem kleinen Halbkreis um Ihn herum.

Zu Beginn des Gesprächs erkundigte sich der Meister eingehend nach dem Schicksal der geteilten Stadt. Er erzählte, daß Er auch bei Seiner letzten Weltreise 1963 in Berlin gewesen sei und daß Er für diese Stadt besondere Anteilnahme empfinde.

Ich werde zu Gott beten für diese Stadt.

Und mehrmals sagte Er:

Bitte, übermittelt den Menschen im anderen Teil der Stadt 
meine Grüße. Sie fehlen mir sehr.

Auf Seine Frage, ob jemand aus Ostberlin anwesend sei, meldete sich ein älteres Ehepaar, das aufgrund der Neuregelung nun die Möglichkeit hatte, in den Westen zum Meister zu kommen. Noch vor einem Jahr wäre das nicht möglich gewesen. Der Meister zeigte in diesen zwei Tagen eine besondere Liebe und Fürsorge diesen beiden Menschen gegenüber. So fragte Er sie, die beide initiiert waren, nach der allgemeinen Meditation jedes Mal persönlich nach ihren Erfahrungen und war sehr erfreut, als Er das zweite Mal die glückliche Antwort des Herrn erhielt, er habe Licht gesehen.

Der Meister sagte, daß das Unwissen und die enge Sicht der Menschen schuld seien an der Uneinigkeit unter den Völkern und Nationen.

Sie trennen gewaltsam Menschen voneinander und sehen 
nicht, daß wir alle eine Familie sind.

Anschließend hatten wir wieder Gelegenheit, dem Meister Fragen zu stellen. Jemand fragte nach der genauen Bedeutung der Initiation. Der Meister antwortete:

Initiation bedeutet, seine ganze Aufmerksamkeit von außen zurückzuziehen, sie nach innen zu wenden, sich so über den Körper zu erheben und mit dem Meister innen in Verbindung zu kommen. Es ist die Initiation in die Welt des Jenseits. Es mögen Stufen dasein, aber es bedeutet das, was ich Ihnen gesagt habe. Jeder mag selbst herausfinden, wo er steht. Dann fügte Er noch hinzu: Die Initiation umfaßt zwei Aspekte, einen äußeren und einen inneren. Der erste ist das vorbereitende Studieren und Verstehen der Theorie und der zweite das Erheben ins Jenseits.

Nach einer Minute des Schweigens sagte der Meister:

Konzentration bedeutet, seine Aufmerksamkeit auf einen 
Punkt zu richten und alles andere zu vergessen. - Unsere 
Fragen, die alle aus dem Intellekt kommen, werden 
beantwortet werden, wenn wir uns über den Körper erheben. 
Geht nach innen und seht selbst.

Dabei fiel mir folgendes Bild von Meister Sawan Singh ein:

Ein Mann ist in den Brunnen gefallen, und ein anderer steht oben und bietet ihm an, ihn an einem Seil hochzuziehen. Er läßt das Seil schon hinab in den Brunnen, aber der Gefangene dort unten ruft zu ihm hoch: Sage mir bitte erst, wie es da oben aussieht, wie man sich dort fühlt und ob ich auch nicht wieder hinunterfalle, wenn ich erst einmal oben bin usw. Was wird der Mann, der oben steht, ihm antworten? - Er sagt: Ergreife das Seil und klettere herauf. Dann kann ich dir alles zeigen, und du wirst mit deinen eigenen Augen sehen, was ich dir doch nur schwer verständlich machen kann, solange du dort im Brunnen liegst. Warum erst noch Zeit verlieren?

Am Ende des Satsangs war die Atmosphäre so von der göttlichen Ausstrahlung des Meisters geladen, daß man es einfach nicht in Worten beschreiben kann. Bevor er ging, sagte Er nochmals, wir sollten den Menschen jenseits der Mauer Seine Grüße übermitteln.

Seid fröhlich, denn wir sind alle eins.

Es war inzwischen 18:00 Uhr geworden, und der Meister setzte sich nun mit einzelnen Besuchern des Satsangs zusammen, die persönliche Fragen an Ihn hatten. Ich hatte kurze Zeit mit jemandem gesprochen, und als ich wieder zum Meister hinübersah, entdeckte ich, daß die alte Frau, die am Vormittag so schlecht über den Meister gesprochen hatte, neben Ihm saß und der Meister sehr liebevoll mit ihr sprach. Sie sagte wieder zu Ihm, der Meister sei böse, worauf Er ihr mit noch größerer Liebe entgegnete: „Schau mir in die Augen. Sind meine Augen böse?“ - Ich konnte sonst nichts hören von dem Gespräch, da wir alle in einigem Abstand standen. Ich sah nur, daß die Frau ganz verändert war, geduldig zuhörte und mit friedlichem Gesichtsausdruck wieder fortging. - Dies wird mir ein unvergeßliches Beispiel dafür sein, was wahre Liebe vermag!

Schon etwa zwei Stunden später, um 20:30 Uhr, trafen wir uns erneut zum Satsang. Der Meister fragte uns, was wir wollten, Gespräch oder Meditation. Als allgemein der Wunsch nach Meditation geäußert wurde, hatte Er geantwortet:

Gut, so werde ich euch das Wasser und das Brot des Lebens 
geben. Das ist der eigentliche Zweck, für den wir 
zusammengekommen sind.

Nachdem Er wieder ganz genaue Anweisungen zur Meditation gegeben hatte, saßen wir etwa eine halbe Stunde. Er notierte anschließend wieder die Ergebnisse und sprach zum Abschluß noch einige sehr eindringliche Worte:

Entscheidet noch heute, was ihr wollt, ob Gott oder die Welt. Einmal wenden wir uns spirituellen Dingen zu, dann wieder der Welt. Wir gehen einen Schritt vor und dann wieder einen zurück. Überall graben wir kleine Löcher in den Boden, dann hören wir wieder auf und beginnen an einer neuen Stelle zu graben. Entscheidet euch heute! Wenn ihr den Weg Gottes betretet, werden euch alle anderen Dinge von selbst gegeben. Der Mensch muß mit Vertrauen den Weg weitergehen, den er einmal aufgenommen hat.

Am nächsten Morgen führte der Meister dieses Thema in einem unvergeßlichen Gespräch weiter aus. Er sprach über die Reinheit des Herzens:

Reinheit des Herzens besteht dann, wenn kein anderer Gedanke als der an Gott aufkommt. Laßt nichts zwischen euch und Gott stehen, nichts und niemanden!

Wir sollten alle ehren, mit denen wir von Gott zusammengeführt werden. Aber wir sollten wissen, daß sie uns bei der Aufgabe, uns über den Körper zu erheben, von keinerlei Hilfe sein können. Ihr müßt ganz allein gehen. Geht ganz allein zu Gott! Entscheidet euch, was ihr wollt! Ihr solltet euch bereits entschieden haben. Je mehr ihr eure Fehler ausmerzt, desto mehr werdet ihr euch von allen Bindungen lösen. Ihr werdet wunderbaren Fortschritt machen.

Ich habe euch gestern aufgefordert, euch zu entscheiden, was ihr wollt. Wie viele von euch haben es getan?- Ich fürchte, daß es nur wenige sind.

Wir suchen immer im Äußeren. Aber um Gott zu finden, müßt ihr nach innen gehen.
Der Heilige Ramanuja begegnete einmal einer Frau, die gebückt unverwandt auf den Boden schaute und offensichtlich etwas suchte. Der Heilige fragte sie, was sie denn suche. Sie antwortete, sie habe eine Nadel verloren und suche nun schon eine Stunde lang vergeblich danach. Daraufhin fragte Ramanuja sie, wo sie denn die Nadel verloren habe, worauf sie antwortete: „Herr, ich habe sie im Haus verloren.“

Wir mögen lachen über diese Geschichte, aber unser Lage ist ähnlich, da wir Gott, der in uns ist, durch äußere Handlungen zu finden hoffen. Wir müssen Gott in uns suchen. Aber um Ihn dort zu finden, müssen wir unser Herz reinigen. - Mögen wir bei einem sitzen, dessen Kleidung voller Schmutz ist? - Ganz sicher nicht. Wie können wir dann davon träumen, daß Gott bei uns sitzen will, solange wir uns nicht gereinigt haben?

Früher haben die Meister erst dann eine innere Erfahrung gegeben, wenn das Gefäß schon gereinigt war. Heute, in diesem Zeitalter, bekommen wir zuerst eine Ersthanderfahrung, die wir dann weiterentwickeln müssen.

Am Nachmittag hatten wir wieder ein Gespräch mit dem Meister in dem Er Fragen beantwortete.

In einer Seiner Antworten erklärte Er, was Kultur sei. Kultur, so sagte Er, entsteht aus selbstlosem Dienst und Wissen. Wenn wir Kultur besitzen, werden wir nur sanfte Worte und liebevolle Gedanken für andere haben. Meistens hören wir nicht richtig zu, wenn andere zu uns sprechen, und so verstehen wir sie nicht und werden aufgebracht.

Bei dieser, wie auch bei vielen anderen Antworten des Meisters mußte ich erst einmal überlegen, wo der Zusammenhang mit der gestellten Frage lag. Oft umfaßte eine Frage ein ganz allgemeines Problem, und der Meister ging auf einen ganz bestimmten Aspekt davon ein oder auch genau umgekehrt. Aber fast immer konnte man an der Reaktion der Fragenden sehen, daß der Meister ihr Problem zufriedenstellend beantwortet hatte. Ich glaube, man kann daran erkennen, daß er weniger die ausgesprochene Frage beantwortet, als vielmehr den ganzen Problemkreis, der dahinter steht. So war dies wieder eine Bestätigung dafür, daß der Meister alle unsere Gedanken genau kennt, besser als wir selbst!

Auch bei Seiner Antwort auf die nächste Frage - über Kindererziehung - sprach der Meister über die Kultur des Herzens: Er sagte, daß die heutige Erziehung und Ausbildung nur auf den Intellekt bezogen sei, daß der Kopf erzogen würde, aber nicht das Herz. Die Folgen davon seien Aggressionen, selbstische Regungen, Rachegedanken usw. Würden wir alles mehr vom Herzen aus betrachten, statt nur mit dem Kopf, könnten alle Streitigkeiten beigelegt werden, es gäbe dann keine Probleme mehr.

Ein Satsangi sagte, der Meister vergleiche in einer seiner Schriften den ergebenen Schüler mit einer Flöte, auf der der Meister Seine Melodien spielt. Dieses Bild hatte ihn sehr stark beeindruckt, und er bat den Meister, hier etwas über seine Bedeutung zu sagen.

So erklärte der Meister:

Die Flöte ist innen ganz leer. Wir müssen uns innen ganz 
leer machen, um zum Instument des Meisters zu werden, auf 
dem Er erhabene Melodien spielen kann. Das ist die 
Bedeutung dieses Bildes.

In einem anderen Zusammenhang sagte der Meister:

Seid kindlich! - Und mit einem humorvollen Lachen fügte 
Er hinzu: Kindlich, nicht kindisch! Seid einfach wie die 
Kinder! Ein Heiliger hat einmal gesagt: „Es ist eine 
Gnade, daß Gott die verborgene Wissenschaft nicht den Weltweisen enthüllt, sondern sie den kleinen Kindern (to the babies) offenbart.“

Eine der letzten Fragen an diesem Nachmittag lautete:

„In dem Buch „Godman“ spricht der Meister von zwei Wegen, den der Selbstunterwerfung und dem der spirituellen Disziplin. Welches ist der leichtere Weg und welches der schwierigere?“

Antwort:

Die völlige Selbstunterwerung ist der schwierigere Weg, die Selbstdisziplin ist einfacher. Ich will euch ein Beispiel geben, das dies veranschaulicht. Hazrat Ibrahim kaufte einmal einen Sklaven, was damals Brauch war. Er nahm den Sklaven mit sich und fragte ihn, was er essen wolle, was er anzuziehen wünsche, wo er schlafen wolle usw. Auf all diese Fragen antwortete der Sklave: „Herr, was Ihr mir geben wollt. Ich werde es nehmen.“ - Hazrat Ibrahim war so beeindruckt von der Selbstunterwerfung seines Sklaven, daß er zu Gott rief: „Herr, mein Sklave hat mehr Ergebenheit für mich als ich für Dich! Er hat mir gezeigt, was wahre Demut ist.“ - So seht ihr, was wahre Selbstunterwerfung bedeutet? Es bedeutet, keinen eigenen Willen mehr zu haben, sich mit Körper, Gemüt und Seele dem Meister zu übergeben. Der erste Schritt ist die Selbstdisziplin, der zweite die Selbstübergabe. Sie wird nach und nach erreicht, wenn ihr der Person, die ihr liebt, alles hingebt, zuletzt euch selbst.

Das Licht innen zu sehen und den Ton innen zu hören ist das beste Heilmittel. Dadurch werden wir zur Wohnstatt aller Tugenden werden.

Am Abend fand um 20:00 Uhr im Urania-Haus ein öffentlicher Vortrag des Meisters statt. Auch dieser Saal, der wie der in Köln etwa 300 Plätze hatte, war voll besetzt.
Wesentliche Worte, die mir an diesem Abend besonders im Gedächtnis blieben, waren die folgenden:

Seht zuerst, dann preist Gott. Wenn ihr vom inneren Licht 
und Ton sprecht, bevor ihr es gesehen und gehört habe, 
ist das genauso, wie wenn ein Blinder das goldene Licht 
der Sonne preist. So seht zuerst, dann singt.

Am Ende des Vortrags verabschiedete sich der Meister auf so unbeschreiblich demütige Weise! Er sagte:

Ich danke Ihnen, daß Sie mir zwei Stunden lang so 
geduldig zugehört haben. Ich hatte das Glück, Sie zu 
sehen, und Sie hatten das Glück, mich zu sehen. Aber ich 
hatte das größere Glück, da Sie nur einen vor sich 
gesehen haben und ich gleich so viele von Ihnen. - Gott 
segne Sie alle.

Ich mußte nach dem Vortrag noch auf jemanden warten und so konnte ich beobachten, daß viele Leute noch vor dem Eingang in Gruppen zusammenstanden und über den Vortrag des Meisters sprachen. Sie schienen von Ihm und von Seinen Worten stark beeindruckt zu sein. Als ich dann zum Hotel ging, lief eine Gruppe ziemlich dicht hinter mir her, und ich hörte dauernd irgendwelche Worte von ihnen, die der Meister gesagt hatte.

Am nächsten Morgen, Mittwoch, dem 30. August, fuhren der Meister und Seine Party um 09:00 Uhr zum Flughafen. Die Maschine startete um 10:15 Uhr. Nach einem wie immer ruhigen Flug bei gutem Wetter kamen wir um 11:00 Uhr in Nürnberg an. Am Ausgang warteten schon viele Satsangis, die nicht in Berlin gewesen waren. Der Meister begrüßte sie so liebevoll, als hätte Er sie sehr lange nicht mehr gesehen. Einer von ihnen fuhr Ihn dann zum „Grand Hotel“. Dort fand um 16:00 Uhr, wie es sich inzwischen eingespielt hatte, der erste Satsang statt, zu dem sich etwa 200 Menschen einfanden.

Nach einigen Begrüßungsworten beantwortete der Meister Fragen. Jemand leitete seine Frage mit den Worten ein: „Meister, ich habe eine Frage, aber sie ist so unmöglich, daß ich sie kaum zu stellen wage.“

Darauf antwortete der Meister lachend:

Stellen Sie Ihre Frage! Es gibt keine unmöglichen Fragen. 
Das Wort „unmöglich“ steht nur in den Wörterbüchern der 
Narren.

Eine der Fragen hieß:

„Wenn man auf den Pfad gestellt ist, gibt es Zeiten, in denen man wegen eines Mangels an Empfänglichkeit keinen Fortschritt macht. - Wie kann man Empfänglichkeit entwickeln?“

Der Meister antwortete darauf, daß kein fremder Gedanke zwischen uns und dem Meister stehen sollte. Wer Empfänglichkeit für den Meister entwickelt habe, werde nur das von sich geben, was auch der Meister sagen würde. Er fuhr fort:

Notwendige Voraussetzung, um Empfänglichkeit für die Meisterkraft zu entwickeln, sind: Wahrhaftigkeit, Ehrenhaftigkeit und Ahimsa - Nicht-Angreifen.
Aufgeregte Worte bleiben nicht ohne Antwort, aber schon die Gedanken bringen eine entsprechende Wirkung hervor. So können kleine Kinder mit Schlangen umgehen, ohne daß die Tiere sie beißen. Sie können sie sogar in den Mund nehmen, und die Schlange tut ihnen nichts. Das liegt daran, daß die Kinder keine Furcht haben. Sie denken nicht: „Die Schlange wird mich beißen.“ - Und das spüren die Tiere und sie beißen nicht. - oft kamen wilde Tiere zu den Heiligen und sie waren von deren liebevollen Gedanken wie verzaubert, so daß sie ihnen nichts taten. - Wenn man dagegen die Schlange töten will, nimmt das Tier diese Gedankenschwingung auf und sie wird den Menschen töten. Daran sehen wir also, welche Kraft die Gedanken haben. Wir müssen der ganzen Welt Frieden und Liebe wünschen . Die Liebe verzehrt alles außer dem Gegenstand, auf den sie gerichtet ist.

Am Abend hatten wir noch einen zweiten Satsang mit dem Meister. Im Mittelpunkt dieses Gesprächs stand das Thema: „Ihr müßt euch über den Körper erheben.“ Hier sind einige Kernsätze daraus:

Das ABC beginnt, wenn ihr euch über den Körper erhebt. 
Preist den Herrn nicht, solange ihr Ihn nicht selbst 
gesehen habt, andernfalls ist es nicht mehr wert als die 
Worte eines Blinden, der die Sonne rühmt.
Für jene, deren inneres Auge göffnet ist, ist der Körper 
der Tempel Gottes.

Gott hat den menschlichen Körper geschaffen, Er hat den Körper abgeschlossen und den Schlüssel dem Meister übergeben.
Der Meister möchte, daß ihr alle Heilige werdet. So wie ein König wünscht, daß sein Sohn nicht nur Minister wird, sondern auch König, so will der Meiste für seine Kinder nichts Geringeres als das, was er selbst erreicht hat.

Dieses Thema nahm der Meister am nächsten Morgen, nachdem er uns eine Meditation gewährt hatte, noch einmal auf: Er sagte, daß wir im Innern keinen Frieden hätten, weil wir von den Sinnen nach außen gezogen würden.

Christus sagte: „Klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Das 
Leben ist kurz. Wir müssen den besten Gebrauch davon 
machen.

Am nächsten Morgen hielt der Meister eine weitere Meditation ab und führte danach Gespräche mit einzelnen Satsangis. Am Nachmittag trafen wir uns wieder zur gewohnten Stunde, und der Meister beantwortete Fragen. Jemand stellte eine Frage zum Gebet. Die Antwort des Meisters lautete:

Das Gebet ist eine sehr starke Kraft. Was zählt, ist die 
Aufmerksamkeit und die Intensität des Gebets.

Meister Jawan Singh hatte einmal gesagt:

Das bloße Leben eines Schülers hängt vom Gebet ab. Da er 
schwach und hilflos ist, ist das Gebet die einzige Waffe 
in seinem Arsenal. Einer, der hilflos ist, sucht immer den 
Schutz einer mächtigen und kompetenten Person.

Eine Frau erklärte, sie habe immer Angst, wenn sie allein sei, worauf ihr der Meister antwortete:

Der Mensch ist niemals allein. Gott ist immer bei ihm.

Jemand sah einen Widerspruch zwischen dem Gesetz des Karmas und der Möglichkeit, unseren verstorbenen Angehörigen durch das Gebet helfen zu können.

Die Antwort des Meisters ist wieder ein wunderbares Beispiel dafür, daß Er immer von einer höheren Warte aus spricht, wo sich die scheinbaren Wiedersprüche, die aus unserem Intellekt kommen, aufheben. Wie einfach sind daher Seine Antworten auf unsere oft so komplizierten Fragen! Er sagte:

Seid regelmäßig in euren Übungen, dann wird alles andere durch Ausstrahlung und Empfänglichkeit gelöst. Eine Lampe wird zunächst einen kleinen Umkreis erhellen, dann einen größeren - in dem Maße wie man sie von den vielen Schleiern, die sie umhüllen und verdunkeln, nach und nach befreit.

Alle unsere Fragen kommen aus dem Gemüt. Wir müssen das Gemüt überwinden. In früherer Zeit war es Brauch, daß jemand erst jahrelang zu den Füßen des Meisters saß, bevor er eine Ersthanderfahrung erhielt. - Wer kann heute noch so lange warten?

Wir müssen unsere Fehler analysieren. Wir sollten uns nicht scheuen, dem Meister gegenüber offen zu sein. Wir müssen uns dem Arzt öffnen, damit er uns helfen kann.

Oft spricht der Meister so sanft und heiter, daß Er alle Traurigkeit, die manchmal aufkommt, weil Er uns so nah ist und wir so weit entfernt von Ihm, mit einigen liebevollen Worten einfach vertreibt. Er hat so viel Mitleid mit uns, daß wir uns nur an Ihn wenden müssen, um die richtige Medizin zu bekommen. - In diesen Tagen der physischen Gegenwart des Meisters konnte man merken, daß in Seiner Nähe die Traurigkeit einfach nicht lange anhält.

Der öffentliche Vortrag fand in der „Meistersingerhalle“ statt. Einige von uns gingen schon etwas früher dorthin, um für die Party des Meisters noch Plätze in der ersten Reihe zu reservieren. Als wir ankamen, sahen wir jedoch, daß vorn schon fast alles besetzt war. So fragten wir eine Dame, ob sie so freundlich sein wolle, sich in die zweite Reihe zu setzen. Sie war dazu bereit, obwohl sie, wie sie sagte, extra über eine Stunde vor Beginn des Vortrags gekommen war, „um Sant Kirpal Singh so nah wie möglich zu sehen“.

An diesem Abend kam der Meister direkt auf den spirituellen Kern der Lehre zu sprechen, ohne vorher auf soziale Fragen einzugehen, wie Er es sonst oft tat. Der ganze Vortrag behandelte nur ein Thema, nämlich die Notwendigkeit, sich von der Identifizierung mit dem Körper und der Welt zu lösen und sich über das Körperbewußtsein zu erheben.

Die Atmosphäre war sehr stark durch die Meisterkraft geladen. Ein Bild, das Er gebrauchte, um uns die Mission des Meisters zu veranschaulichen, blieb besonders in Erinnerung:

Der Meister hilft uns aus dem Gefängnis des Körpers, wie eine Henne ihrem Küken aus dem Ei heraushilft, indem sie die harte Schale von außen mühsam aufpickt, bis die Öffnung groß genug ist, daß das Kleine herausschlüpfen kann und die Sonne erblickt.

Immer wieder ruft Er an diesem Abend mit besonderer Eindringlichkeit auf, uns aus der Vergessenheit und der Bindung an das Gemüt zu erheben und uns auf den Weg zu unserem himmlischen Vater zu begeben. Und besonders klar und laut fügt er hinzu:

Gott ruft nach euch: Kommt heim, meine Kinder! Ihr seid in 
der Welt , geht aus ihr heraus und kommt zurück in die 
Heimat eures Vaters!

Diese Worte waren so geladen, daß man auf einmal begreifen konnte, sie sind eine direkte Botschaft von Gott, nicht nur an die Anwesenden, sondern an die ganze Welt. Wie wenig Ahnung haben wir doch von der Größe des Meisters!

Als wir wieder im Hotel waren, hatten wir Gelegenheit, Gyani Ji, der immer nur das sagen wird, was auch der Meister gesagt hätte, nach der Bedeutung einer etwas verschlüsselten Antwort zu fragen, die der Meister einer Dame am Nachmittag gegeben hatte. (Verschlüsselt erschien die Antwort natürlich nur uns, weil wir sie alle wenig verschieden und nicht ganz verstanden hatten.)
Die junge Frau hatte den Meister gefragt, ob sie Ihm am nächsten Morgen ihr kleines Kind bringen dürfe, um Ihn um Seinen Segen für das Kind zu bitten. Darauf hatte er ihr geantwortet:

Werden wir zu einem Juwelier gehen und ihn um Eisen 
bitten? - Ganz sicher nicht! Der Juwelier hat Juwelen und 
Gold, und so werden wir nicht nach einem geringeren Metall 
wie Eisen fragen.

Gyani Ji sagte:
„Der Meister gibt uns spirituelle Schätze, spirituelle Juwelen und Gold, doch unsere Fragen gehen oft auf ein niedrigeres Niveau, indem wir Ihn nach äußeren Dingen fragen - nach Eisen. Der Segen des Meisters ist da, er muß nicht erst durch die äußere Geste gegeben werden. Dies alles ist schon vorher karmisch festgelegt.“

Es ist ein großer Segen, einem Schüler zuhören zu dürfen, der von Liebe zum Meister erfüllt ist! Er ist wirklich „eine Lampe, die in einem weiten Umkreis leuchtet“, wenn er sich dessen auch nie bewußt sein wir, sondern sich vollkommen von der Gnade des Meisters abhängig weiß.

„Wir wissen alle nicht, welche Bürde der Meister auf sich genommen hat, um uns vom Rad der Geburten und Tode zu befreien.“ sagte Gyani Ji nach einer Weile. „Was kann einen Meister an diese Welt binden, Ihn, dessen Wohnsitz die höchsten spirituellen Regionen sind? - Er hat diese armseligen grobstofflichen Körper angenommen, allein aus Liebe und Mitleid mit seinen Kindern. Der Meister hat so viel Barmherzigkeit, daß Er das Leid Seiner Kinder anzieht und einen Teil davon selbst auf sich nimmt und Seinen Körper leiden läßt.“ Dann erzählte Gyani Ji, wie der Meister, nachdem Baba Sawan Singh Ji gegangen war, selbst auch nicht wiederkommen wollte.

Er hatte sich lange Zeit in den Dschungel zurückgezogen, bis Er eines Tages im Auftrag Seines Meisters zurückkam. Bei dem ersten Satsang, den Er hielt, waren alle Anwesenden so von Liebe zu Hazoor erfüllt, daß sie weinten. Der Meister verwandelte sich mehrmals physisch in Hazoor. - Er war wirklich eins mit Seinem Meister.

Gyani Ji erzählte dann weiter von Hazoor, dessen Schüler er war. - Als er zum ersten Mal einem Satsang beiwohnte, hatte er noch nie etwas von Naam gehört. Der Meister sprach so wundervoll von Naam, daß Gyani Ji nachher sagte: „Wenn Naam etwas so Wundervolles ist, dann gebt es mir bitte, Meister.“ - Aber es hatte dann noch etwa vier Jahre gedauert, bis er wirklich wagte, den Meister um die Initiation zu bitten. Wie eilig haben wir es dagegen oft!

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