Mit dem Meister durch Mitteleuropa

ein Bericht über
die Reise des großen Meisters
durch Mitteleuropa
vom 26. August bis 11. September 1972
im Rahmen Seiner 3. Weltreise

Dies ist ein Bericht über die Reise des Meisters durch Mitteleuropa im Rahmen Seiner dritten Weltreise.
Es ist kein Versuch, diese Tage der physischen Gegenwart des Meisters objektiv zu schildern, sondern es können viel mehr nur ganz persönliche Eindrücke wiedergegeben werden. So bitte ich um Verständnis dafür, wenn selbst die Aufzeichnungen über die Gespräche des Meisters persönlich gefärbt sind, denn natürlich kann hier nur ein ganz kleiner Teil Seier Worte wiedergegeben werden. Und jeder wird das im Gedächtnis behalten haben, was ihn persönlich am meisten beeindruckt hat.

Am Ende der zwei Wochen - am Abend, bevor der Meister nach England weiterreiste, sagte ein Satsangi:
„Wir alle haben bei der Initiation ein Kapital in die Hand bekommen. Aber wie haben wir bisher damit gearbeitet? Statt es zu vermehren, haben wir es eher vergeudet. Der Meister ist jetzt gekommen, um es wieder aufzubessern. Nun ist es unsere Aufgabe, von heute an damit zu arbeiten und es zu vermehren.“

Gyani Ji, ein Schüler Meister Sawan Singhs, der zu den engsten Mitarbeitern des Meisters gehört und der Ihn acuh jetzt auf Seiner Weltreise begleitet, hat die Bedeutung der physischen Gegenwart des lebenden Meisters mit folgenden Worten umrissen:

Diese Tage, in denen wir mit dem Meister zusammen sein dürfen, sind eine sehr kostbare Gelegenheit. Der Meister ist gekommen, um uns den Wein der Spiritualität zu bringen. Er hat so viel davon zu geben, daß Er damit ständig unsere Schale füllen kann. Aber damit der Wein hineinfließen kann, ist es notwendig, vorher das Gefäß leer zu machen. In dem Maße, wie wir unser Gefäß leer gemacht haben, wird es von der Gande des Meisters, die Er in diesen Tagen im Überfluß ausgießt, angefüllt werden.“

Die letzten zwei Wochen vor der Ankunft des Meisters waren sehr turbulent gewesen. Die Nachricht von Seinem Kommen war erst spät bei Frau Fitting eingetroffen, und so waren noch bis zur letzten Minute Vorbereitungen zu treffen. Dank meiner Aufgabe als Berichterstatterin hatte ich das große Glück, Frau Fitting nach Frankfurt begleiten zu dürfen, um den Meister und Seine Party dort am Flughafen zu begrüßen und dann zusammen mit Ihm nach Köln weiterzufliegen, der eigentlichen ersten Station des Meisters auf Seiner Weltreise.

Nach der letzten Nachricht aus Indien war der voraussichtliche Ankunftstermin der 27. August. Die Maschine mußte dann ziemlich früh am Morgn eintreffen, so daß Frau Fitting und ich am 26. Abends nach Franfurt fahren mußten, um am nächsten Morgen rechtzeitig am Flughafen sein zu können. Trotz aller Planung riet uns Frau Fitting, immer auf Änderungen gefaßt zu sein; wir würden immer geprüft, auch in unvorhergesehenen Situationen.
So war unsere Überraschung nicht allzu groß, als am 25. August nachmittags ein Anruf von Frau Fitting kam: „Soeben Telegramm aus Indien erhalten. Der Meister trifft schon morgen früh in Frankfurt ein. Bitte seien Sie mit Ihrem Bruder in einer halben Stunde in Bonn! Wir müssen noch heute abend nach Frankfurt fahren, und vorher müssen alle Gruppen von der Änderung informiert werden.“

Das hieß also: alle Vortragssäle, Hotels, Flugkarten usw. umbestellen! Nach vielen Telefonaten, Telegrammsendungen und anderen dringenden Erlediungen konnten wir schließlich abends den Zug nach Frankfurt nehmen. An diesem Abend war ich noch verhältnismäßig ruhig. Erst, als wir dann am nächsten Morgen auf dem Weg zum Flughafen waren und schon von weitem die landenden Flugzeuge sehen konnten, machte sich allmählich eine innere Unruhe in mir bemerkbar. Ich kannte die äußere Erscheinung des Meisters nur von Fotos her und aus Erzählungen Initiierter, die Ihn entweder auf einer seiner früheren Reisen in Deutschland oder aber im Ashram in Indien gesehen hatten. Und nun sollte ich Ihm in wenigen Minuten direkt in die Augen schauen! - Wir sprachen nicht viel auf dieser Fahrt, und ich merkte, daß Frau Fitting sehr ernst wurde, obwohl sie meist nur über die nächstliegenden organisatorischen Dinge sprach. Ich hatte deutlich das Gefühl, daß die Atmosphäre um uns mehr geladen wurde, je näher die Ankunftszeit des Meisters rückte.

Als wir auf dem Flughafen ankamen, war es schon ziemlich spät, die Maschine des Meistes mußte in etwa einer halben Stunde eintreffen. Doch dann kam die zweite Änderung: Das Flugzeug hatte ein Stunde Verspätung, wie man uns an der Auskunft sagte. Es sollte eine sehr lange Stunde werden, denn es kamen immer wieder einige Minuten dazu. Schließlich war die Ankunftszeit auf 09:15 Uhr festgelegt. Da die Zeit bis zum Weiterflug nach Köln etwas knapp geworden war, wurden wir doch recht nervös, besonders als man uns um 09:15 Uhr noch von einem Ausgang zum anderen schickte und niemand uns verbindlich sagen konnte, wo die Passagiere aus Indien nun wirklich ankommen würden. Nach einigem Zögern entschieden wir uns, dem eindringlichen Rat eines Angestellten dort zu folgen und an dem Schalter für den Weiterflug nach Köln zu warten. Man ließ den Namen des Meisters über Lautprecher ausrufen, in der Hoffnung, das Personal würde Ihn und Seine Begleitung zu unserem Schalter führen, falls Er schon im Gebäude war. „Wenn die Indien-Party nicht in wenigen Minuten hier ist,“ so sagte uns ein Flugoffizier, „müssen wir ohne Sie fliegen. Wir können nicht auf Sie warten.“ Bald war die Frist abgelaufen, und wir mußten den Satsangis, die in großer Zahl in Köln am Flughafen warteten, mitteilen lassen, daß sich die Ankunft des Meisters über drei Stunden verschieben würde - das nächste Flugzeug ging erst mittags. Frau Fitting hatte jetzt nur noch die eine Sorge, den Meister so bald wie möglich zu finden, und machte sich nun allein auf die Suche, während ich am Schalter wartete. Ich wartete fast eine Stunde lang, und nun kam auch Frau Fitting nicht wieder! Ziemlich entmutigt rechnete ich kaum noch damit, daß der Meister schon im Gebäude war. Zuletzt machte ich mich auf den Weg, um nun wenigstens Frau Fitting wiederzufinden. Als ich etwa 100 Meter gegangen war, kam ich in die große Haupthalle, und plötzlich entdeckte ich dort in einiger Entfernung den Meister und Frau Fitting. Sie wandten mir den Rücken zu und gingen in die entgegengesetzte Richtung. - Dieser Augenblick hat sich mir ganz tief eingeprägt, aber es ist einfach unmöglich zu sagen, was in einem vorgeht, wenn man dem Meister zum ersten Mal gegenübersteht! - Ich nahm allen Mut zusammen und näherte mich dem Meister von hinten, blieb dann unschlüssig stehen und rief schließlich Frau Fittings Namen. Beide wandten sich um. Der Meister lächelte freundlich, als Frau Fitting mich Ihm vorstellte, und als Er hörte, ich hätte die ganze Zeit über an einer anderen Stelle gewartet, klopfte Er mir liebevoll auf die Schulter und sagte etwas, das ich in meiner Aufregung jedoch nicht verstand. Ich war so verwirrt in diesem Moment! Jetzt kamen auch die Begleiter des Meisters: Gyani Ji, Harajan Singh und Bhalla Sahib.

Gyani Ji kannte ich schon aus Erzählungen von Satsangis, die in Indien gewesen waren: Als Manager des Sawan Ashrams kümmert er sich vor allem um die Durchführung der einzelnen Programme und nimmt auch sonst dem Meister soviel Arbeit ab, wie irgend möglich. Harjaran vertrat während der Reise Bibiji, indem er für das leibliche Wohl des Meisters sorgte, und Bhallaji erledigte die unterwegs anfallende Korrespondenz.

Wir setzten uns zusammen mit dem Meister in ein Flughafen-Café, und nachdem wir für den Meister und uns Tee bestellt hatten, erzählte Frau Fitting ganz kurz, wie sie den Meister gefunden hatte: Sie hatte von weitem einen weißen Turban gesehen und bald darauf erkannte sie Gyani Ji, der seinerseits auf der Suche nach Frau Fitting war. Er führte sie dann zum Meister, der zusammen mit Harjaran und Bhalla an einem der Ausgänge stand.

Auf dem Weg zur Halle, in der ich und Frau Fitting von weitem entdeckte, erzählt der Meister ihr, daß am Flughafen von Delhi Tausende von Schülern zusammengekommen waren, um vor seiner Abreise noch einen letzten Satsang mit Ihm zu haben. Er hatte zwei Stunden zu ihnen gesprochen, bis Er dann schließlich mit einem Wagen zum wartenden Flugzeug gefahren wurde. (Die Maschine war in Japan eingesetzt worden und war mit über zwei Stunden in Delhi eingetroffen.) - So hatte die Verspätung für die indischen Schüler den Sinn gehabt, daß sie noch einmal mit dem Meister zusammensein konnten, und für uns sicher den, uns in Geduld zu üben. - Der Meister hatte dazu gesagt: „Gott hat es so gewollt.“

In diesen wenigen Stunden, in denen wir mit dem Meister im Frankfurter Flughafengebäude warteten, erfuhr ich, daß man aus jeder kleinen Geste des Meisters lernen kann. - In einem Buch des Meisters hatte ich einmal gelesen: „Ihre Botschaft lebt in jedem kleinen Wort und in jeder kleinen Geste.“ - Der Meister gab ein lebendiges Beispiel dafür.

Eine Lektion war die, in weltlichen Dingen genauso wachsam zu sein wie auf spirituellem Gebiet und immer an das Nächstliegende zu denken: Die Bezahlung wurde in diesem Café an einer bestimmten Kasse geregelt und nicht, wie sonst üblich, beim Kellner. Da Frau Fitting zusammen mit Gyani Ji für kurze Zeit wegging, hatte ich die Bezahlung zu regeln, und es war mir sehr peinlich, daß der Meister mir zeigen mußte, wo die Kasse war, während ich noch verzweifelt nach einem Kellner Ausschau hielt. Genauso verwirrt war ich dann, als der Meister Sein Portemonnaie hervorholte und mir eine Geldnote geben wollte zur Bezahlung. - In völliger Unkenntnis der wahren Größe des Meisters neigen wir leicht dazu, Ihn mit einem Schleier vager Vorstellungen zu umgeben, und so verwirrte mich zunächst Seine Nüchternheit in den einfachsten weltlichen Angelegenheiten. Nach einer Weile kam Frau Fitting zurück, und wir gingen mit dem Meister in den Warteraum für unsere Maschine nach Köln. - Hier konnte ich die zweite Lektion lernen, deren wirkliche Bedeutung ich höchstens ein wenig ahnen konnte: die unendliche Demut des Meisters. Nach dem langen Flug von Delhi mußte der Meiser hungrig sein, und so besorgten wir einige Sandwiches. Aber Er nahm nichts. Wir sollten zuerst auch etwas haben. Er nahm erst davon, als wir alle aus Seiner Hand ein Brot erhalten hatten. Auch den Becher Tee, den wir Ihm brachten, ließ der Meister stehen. Er winkte freundlich ab. Wir waren ratlos und so fragten wir Harcharan, der ständig um den Meister ist, was der Meister wünsche. Er ging ein wenig um Ihn herum, bis er Ihm in die Augen blicken konnte. Dann sagt er, der Meister wünsche, daß wir auch etwas zu trinken hätten. Es war aber unmöglich, für uns alle Tee in den Warteraum zu bringen, und so nahm der Meister Seinen Becher, teilte den Tee in drei Teile und gab Frau Fitting und mir davon. Frau Fitting und ich sahen uns nur sprachlos an - man konnte diese Liebe des Meisters einfach nicht begreifen! Seine Ausstrahlung war so gewaltig, daß ich nur mit großer Mühe meine Beherrschung bewahren konnte, ich war einfach überwältigt davon.

Auch aus dem Beispiel der Schüler des Meisters konnte man so viel lernen. Mit welcher Ehrfurcht hatte Harcharanji dem Meister in die Augen geschaut, um Seinen Wunsch zu erfahren! - Solche „kleinen“ Begebenheiten können einem sehr schnell den eigenen Maßstab zurechtrücken, und ich merkte, wie sehr ich noch am Anfang stand.

Inzwischen war es Mittag geworden, und wir gingen mit dem Meister zu unserem Flugzeug, das uns nach Köln bringen sollte, wo viele Satsangis seit mehr als drei Stunden auf den Meister warteten. - Wir waren sechs Personen, und es stellte sich heraus, daß diese Maschine, für die wir erst vor einer Stunde gebucht hatten, gerade noch sechs Plätze frei hatte! - Wir flogen bei herrlichem Sonnenschein, und es war ein erhabenes Gefühl, mit dem Meister im Flugzeug über der strahlend weißen Wolkendecke zu fliegen. Ein Herr neben mir schaute immer wieder zum Meister und Seinen Begleitern hinüber und erklärte mir dann, daß die indischen Herren Sikhs seien, was er an der weißen Farbe ihres Turbans erkannte, und daß sie daher in Indien sehr angesehen sein müßten.

Nach etwa 15 Minuten landete die Maschine in Köln-Bonn. Auf dem Weg zum Ausgang, wo die Satsangis warteten, ging der Meister ziemlich schnell vor uns her, ohne darauf zu achten, ob wir nachkamen. Der Moment, als er dann nach draußen kam und die Satsangis schweigend begrüßte, wird wohl allen, die dabei waren unvergeßlich sein. Der Meister ging langsam an allen vorbei und sah ihnen in die Augen, so wie ein Vater, der nach langer Zeit seine Kinder wiedersieht. „Die Liebe geht über die Augen, und die stille Sprache der Augen ist oft beredter, als tausend Worte.“ - Jeder spüte wohl in diesem Augenblick die tiefe Bedeutung dieser Worte des Meisters.

Nach einigen wenigen sehr liebevollen Begrüßungsworten stieg der Meister dann schließlich in das Auto ein, das Ihn zum „Dom-Hotel“ brachte, wo Er in den nächsten zwei Tagen wohnen würde.

Der erste Satsang an diesem Tag sollte um 16:30 Uhr im Konferenzsaal des Hotels stattfinden. - An diesen Satsangs, die in den jeweiligen Hotels des Meisters gehalten wurden, nahmen hauptsächlich Initiierte teil, während die Vorträge auch noch den Zweck hatten, die Mission des Meisters in die Öffentlichkeit zu tragen.

Kurz vor dem Satsang waren einige von uns im Zimmer von Frau Fitting, als auf einmal Gyani Ji hereinkam und uns fragte, ob wir für einige Minuten zum Meister kommen wollten. Und ob wir wollten! So gingen wir ganz leise hinüber und setzten uns in einem Halbkreis auf den Boden. Nach einer Weile kam der Meister aus dem Nebenzimmer herein. Er war so herzlich und liebevoll! Auf Seinen Wunsch stellte Frau Fitting Ihm alle einzeln vor. Bei einem der Lieben, der schon mehrmals im Ashram gewesen war, fügte sie hinzu: Herr Soundso, den der Meister ja sicher wiedererkenne. Der Meiser wandte sich darauf hin an den Herrn und fragte ihn: „Erkennen Sie mich wieder?“ - Dabei lachte Er herzlich. Er hat so viel Humor! Dannn fragte Er uns , ob wir alle englisch verstünden. Einer der Lieben sagte, es täte ihm so leid, daß er die Sprache des Meisters nicht verstünde, worauf der Meister entgegnete: „Der Meister spricht eine andere Sprache, die jeder verstehen kann. Seine Sprache geht über die Augen.“ Während des folgenden Gesprächs schaute Er fast ununterborchen diesen Herrn an, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht initiiert war.

Der Meister sprach über den Pfad der Meister, die Notwendigkeit, uns über den Körper zu erheben und dadurch aus der Welt der Täuschung hinauszukommen. Er sagte, der menschliche Körper sei die goldene Gelegenheit, unser wahres Selbst zu erkennen und uns auf den Weg zurück zu unserer wahren Heimat zu begeben. Er sprach etwa eine Viertelstunde zu uns. Welche Gnade war es, so vor Ihm sitzen und in Sein strahlendes Gesicht schauen zu dürfen! Der Zauber, der von Ihm ausgeht, ist einfach unbeschreiblich.

Schließlich war es schon fast 17:00 Uhr, und so ging der Meister hinunter in den Konferenzraum, wo ungefähr 150 Satsangis auf Ihn warteten. Die meisten von ihnen hatten schon längere Zeit meditiert, und es herrschte vollkommenes Schweigen, als der Meister eintrat. Alle erhoben sich und der Meister sah ihnen liebevoll in die Augen, während Er nach vorn ging.

Er begann Seine Ansprache, indem Er die Lieben, die zum Teil noch nicht am Flughafen hatten sein können, noch einmal begrüßte:

Einige von Ihnen habe ich schon bei meiner letzen Weltreise 1963 gesehen, andere sind inzwischen neu dazugekommen. Sofern ihr noch nicht im Ashram wart, sehe ich euch heute zum ersten Mal. Diejenigen, die eine zeitlang im Ashram waren, sind etwas besser zurückgekommen.

Der Meister sagte dann, Er habe eigentlich schon im letzten Jahr kommen wollen:

Aber Mutter Natur hatte mir eine Rechnung geschickt, die
zuerst beglichen werden mußte.

In diesem Jahr hatte der Meister zunächst Seine Ärzte befragt, ob sie Ihm zu der Reise raten könnten, Sie rieten ihm zum gegenwärtign Zeitpunkt davon ab. Der Meister hatte sich dann dennoch entschieden zu kommen.

Ich mußte kommen, denn die Bande der liebenden Herzen 
waren stärker als alle Vorsicht der Ärzte. Eure Liebe hat 
mich hierher gezogen.

Der Meister übermittelte uns dann die Grüße von Taiji.

Es ist das erste Mal in ihrem Leben, daß sie vom Meister 
getrennt ist. Sie ist zurückgeblieben, um während der 
Abwesenheit des Meisters die Arbeit im Ashram 
weiterzuführen. Sie hat dieses Opfer aus Liebe zu euch 
auf sich genommen.

Als sie die Auskunft der Ärzte hörte, hatte sie zum Meister gesagt, daß Er gehen müsse, da Seine Kinder im Westen Ihn brauchten. - Dann fuhr der Meister fort:

Ich bin kein Redner. Was ich euch sagen möchte, sage ich euch in einem Gespräch von Herz zu Herz. Die Wahrheit ist sehr einfach. Der Mensch ist eins. Er wurde von Gott geschaffen. Gott hat alle Menschen mit den gleichen Vorrechten ausgestattet. So gibt es in Wahrheit keine Unterschiede, kein „hoch“ und kein „niedrig“. Wir sind alle gleich. Kann es irgendeinen Zweifel hierüber geben? Der Mensch nimmt den höchten Rang in der Schöpfung ein. Wir sind glücklich, indem wir den menschlichen Körper haben, denn er ist die goldene Gelegenheit, darin zu Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis zu gelangen. Alle Meister, die in der Vergangenheit kamen, haben gesagt: Der menschliche Körper ist der wahre Tempel Gottes. So müssen wir Gott in uns suchen.

Der Meister sagte dann, daß wir diese Wahrheit vergessen hätten. Wir hätten uns so sehr mit der Welt identifiziert, mit unserem Körper und allem, was zu ihm gehört, daß wir glaubten, wir seien der Körper. - Die Seele hat sich an das Gemüt gebunden, das Gemüt an die Sinne und die Sinne an die äußeren Freuden. So treiben wir hilflos im Meer des Lebens umher und wissen nicht, wer wir wirklich sind. Der Meister hat bei der Initiation unser inneres Auge geöffnet, Er hat uns dem Weg gezeigt, der aus dieser Welt der Täuschung hinausführt. Jeder von uns hat ein Kapital in die Hand bekommen, der eine mehr, der andere weniger. - Dieses Kapital muß entwickelt werden.

Und nochmals wies der Meister auf die Einheit hin, die Einheit der Menschen und die der Satsangis im besonderen, da sie die wahren Brüder und Schwestern in Gott sind. - Wir sollten alle das gleiche Ziel vor Augen haben und uns gegenseitig in der Sache des Meisters bestärken.

Ihr solltet zusammenarbeiten. Ihr habt Frau Fitting, die 
hier die Arbeit leitet. Ich bin glücklich, sie zu haben. 
Ihr solltet mit ihr zusammenarbeiten. Ihr könnt klüger 
werden, wenn ihr ihren Ratschlägen folgt. Sie vereint die Satsangis.

Und schließlich:

Ich habe mich gefreut, euch nach so langer Zeit wiederzusehen. Wir hatten ein Gespräch von Herz zu Herz. Nur ein Drittel von dem, was ich euch gelehrt habe, habe ich durch Worte gelehrt, zwei Dirttel lernt man über die Augen - durch die Ausstrahlung und durch Empfänglichkeit. Gott segne euch alle.

Als der Meister geendet hatte, rührte sich niemand im Saale, niemand wollte sich schon von Ihm trennen.

Auch der Meister blieb sitzen und sah lange schweigend durch die Reihen der Satsangis. In dieser vollkommenen Stille, die mehrere Minuten währte, war die Atmosphäre ganz stark geladen mit Seiner Ausstrahlung. Der Meister schaute auf uns, und wir schauten auf Ihn. Es blieb da kein Raum mehr für irgendwelche äußeren Gedanken. - Nach einer Weile unterbrach der Meister die Stille mit den Worten:

Ihr lernt mehr durch die Ausstrahlung. Wenn euer Gemüt 
still ist, beginnt die Stille zu sprechen.

Auf Seinem Weg zur Tür ging der Meister sehr langsam durch die Reihen der Satsangis und blieb oft stehen, um den Lieben in die Augen zu schauen. - Er unterließ dies nie während der ganzen Reise. Ich konnte dabei oft beobachten, daß es nichts zu bedeuten hatte, ob man gerade nah beim Meister stand oder in einiger Entfernung von Ihm: Der Meister sah im ganzen kaum einzelnen Satsangis in die Augen. Oft sprach Er einen an, der überhaupt nicht darauf gefaßt war. Und ich konnte bei mir selbst feststellen, daß, wenn immer ich auch nur den leisesten Wunsch hatte, jetzt möchte der Meister auch mir einen Blick schenken, Er ganz bestimmt gerade dann in eine andere Richtung sah. Was hatte das zu bedeuten?

Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer kam mir folgender Gedanke:

Der Blick des Meisters ist eine große Gnade. Sobald man seinen eigenen Willen mit hineinbringt, ist das Gefäß nicht mehr rein, man ist dann nicht mehr offen für das, was Er uns geben will. Wir wußten, daß diese Tage sehr kostbar waren und sehr kurz, und so entstand manchmal der Wunsch, „so viel Liebe wie möglich“ vom Meister aufzufangen, besser wäre es wahrscheinlich gewesen, so viel Hingabe wie möglich zu entwickeln. Wenn wir die Liebe des Meisters für uns persönlich wollen, heißt das dann nicht, daß der Meister unser Ego lieben soll, unser Gemüt? Aber der Meister liebt in Wahrheit unsere Seele, unser höheres Selbst. Wenn Er auf die vielen Schleier des Gemüts schauen würde, was bliebe dann Liebenswertes an uns? - Der Meister sagte: „Wir sind eins.“ - So kam mir der Gedanke, daß ich mich eigentlich genauso freuen sollte, wenn der Meister jemand anderem Seinen Blick schenkt, wie wenn ich es selbst wäre.

Der nächste Morgen, Sonntag, der 27. August, begann mit einem Satsang um 09:00 Uhr. Der Meister sprach über die Notwendigkeit, die Tagebücher regelmäßig zu führen und der Meditation regelmäßige Zeit zu widmen. Er wies dabei auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Selbstanalyse durch das Tagebuch und den spirituellen Fortschritt hin. Mit Hilfe des Tagebuches werden wir mit der Zeit mehr und mehr Herr über unsere Gedanken werden und damit auch über unser Worte und Taten. Die Kontrolle über die Gedanken zusammen mit regelmäßiger und genau ausgeführter Meditation wird schließlich zu der Reinheit des Herzens führen, die notwendig ist, um spirituell fortzuschreiten.

Schon nach den wenigen Worten, die der Meister gesprochen hatte, bevor Er uns dann meditieren ließ, merkte ich, daß Seine Ausstrahlung kühlend und beruhigend auf das Gemüt wirkt. In Seiner Gegenwart werden die Dinge einfach und klar, so daß kein Raum mehr bleibt für Gefühle, verschwommene Vorstellungen oder intellektuelle Schlußfolgerungen. „Seeing is above all“ - „Sehen steht über allem.“ - Sooft ich diesen Satz auch in den Schriften gelesen hatte, noch nie hatte er so viel Gewicht gehabt, wie in der physischen Gegenwart des Meisters.

Bevor wir dann mit der Meditation begannen, gab der Meister uns mehrmals hintereinander die genauen Instruktionen, wie Er es in den folgenden Tagen immer wieder tat. - Einmal wurde er gefragt, wie man sich am besten auf die Meditation vorbereiten könnte. Er antwortete, die beste Vorbereitung sei das Gebet. Wir sollten in einer demütigen Haltung zum Meister beten, daß Er uns einen Auftrieb geben möge.

Als wir eine knappe halbe Stunde meditiert hatten, sagte der Meister: „Leave up, please.“ - „Hört nun bitte auf.“ - Anschließend fragte Er im einzelnen nach unseren Erfahrungen, das heißt, Er nannte die verschiedenen Möglichkeiten und forderte aus auf, jeweils die Hand zu heben. Der Meister machte sich nach jeder Meditation Notizen über das Ergebnis. Da sich auch auf die Frage, wer gar kein Licht gesehen habe, einzelne meldeten, erklärte der Meister die möglichen Ursachen dafür:

  1. Der Gedanke an den Atem, was zu Verkrampfungen führt und die Aufmerksamkeit teilt.
  2. Der Gedanke an die Stirn. Dadurch entsteht Spannung in der Stirn, welche Kopfschmerzen hervorrufen kann. Daher betont der Meister immer, die Aufmerksamkeit nicht direkt zwischen den Augen zu konzentrieren, sondern auf das, was vor den Augen liegt.
  3. Der Wunsch, etwas zu sehen. Wir sollten unsere ganze Hoffung in die Meisterkraft setzen. Wir sollten es der Meisterkraft überlassen, uns eine innere Erfahrung zu geben.
  4. Das Denken an den Körper unten, wodurch auch die Aufmerksamkeit geteilt ist. Deshalb sagt der Meister auch, wir sollten uns nicht mehr bewegen.
  5. Es kommt auch vor, daß jemand bei der Meditation einschläft, so daß er natürlich keine Erfahrung haben kann. Man sollte sich am besten immer dann zur Meditation setzen, wenn man frisch ist.

Nachdem das weitere Programm für diesen Tag festgelegt worden war, war dieser Morgen-Satsang beendet.

Im Zusammenhang mit der Meditation kommen mir wieder die Worte Gyani Jis in den Sinn, die er an einem Abend sagte, als einige von uns etwas haarspalterischen Überlegungen über die richtige Ausübung der Meditation anstellten:

„Meditation ist in erster Linie eine Sache der Liebe. Wenn auch die Liebe zwischen Gott und der Seele etwas viel Höheres ist, als die irdische Liebe, so kann diese uns doch oft veranschaulichen, was wir anders nur schwer verstehen: Wenn eine Braut nach ihrem Geliebten Ausschau hält, wird sie sich da Rechenschaft geben, ob sie genau nach nach vorn schaut, in welche Entfernung von ihren Augen ihr Blick gerichtet ist oder dergleichen? - Ganz sicher nicht. - Sie wird einfach voller Liebe und Sehnsucht unverwandt in die Richtung schauen, aus der Er kommen muß. Sie ist so vertieft in ihrer Erwartung des Geliebten, daß sie darüber ohne Anstrenung alles andere vergißt. - Der Weg, den der Meister lehrt, ist genauso einfach und natürlich. Es ist alles eine Sache der Liebe.“

Dann fuhr er fort:

„Eine große Hilfe liegt darin, während des Tages seine Pflichten mit voller Aufmerksamkeit zu verrichten. Der Meister gibt den wichtigen Rat, immer nur eine Sache auf einmal zu tun Die Pausen zwischen den einzelnen Beschäftigungen sollte man in liebevoller Erinnerung an den Meister verbringen. So wird die Braut in jeder freien Minute denken: Was wird mein Geliebter jetzt tun, wo hält er sich gerade auf? - Unsere Gedanken müssen den Meister anziehen, und Er wird mit tausendmal größerer Liebe an uns denken.

Durch eine solche Konzentration sollten wir auch in der Lage sein, die Wünsche, die ständig wie Ameisen aus dem Gemüt aufsteigen, hinauszuschaffen und so unser Gefäß leer zu halten. Dann wird es uns auch nicht schwerfallen, uns bei der Meditation für die Meisterkraft zu öffnen und voller Liebe nach Ihm Ausschau zu halten.“

Gyani Ji beendete seine Ausführungen, indem er sagte:
„Ein wichtiger Faktor bei allem ist natürlich die Zeit. - Man is in the make, and man making takes time. - Der Mensch ist in der Entwicklung, und die Heranbildung zum Menschen braucht Zeit. Wir sollten unser Bestes geben und unsere Hoffnung in den Meister setzen. Eine große Kraft ist das Gebet. Betet einfach: Meister, ich bin Dein schlechtes Kind. Du hast so viel Sorge meinetwegen. Ich bitte dich, reinige Du mich von meinen Fehlern, denn ich allein kann es nicht. Aber ich werde tun, was in meinen Kräften steht.
Ein solches aufrichtiges Gebet wird der Meister niemals überhören.
So wie die Mutter ihre geliebtes Kind nicht ewig auf dem Arm tragen kann, sondern ihm alle mögliche Hilfe gibt, damit es selbst laufen lernt, so will der Meister, daß wir an Seiner Hand laufen lernen, daß wir spirituell stark werden.“

Und nochmals: „Der Mensch ist in der Entwicklung, alles braucht seine Zeit.“

Der nächste Satsang an diesem Tag fand um 16:30 Uhr statt. Dieses Mal beantwortete der Meister Fragen, die nicht persönlicher Art sein sollten, sondern von allgemeinem Interesse. Als Ihn am Morgen einer der Lieben gebeten hatte, doch mehr im großen Kreis Fragen zu beantworten als in Einzelgesprächen, damit alle Satsanigs so oft und so lange wie möglch in Seiner Gegenwart sein könntn, hatte der Meister heiter und liebevoll geantwortet:

Ja, in Ordnung. Frau Fitting mag das Programm machen. Ich 
werde mich dann danach richten. - I am prepared like a 
soldier. - Ich bin bereit wie ein Soldat.

Mehrere Fragen bezogen sich auf die Meditation. Der Meister sagte dazu, daß es vor allem auf Regelmäßigkeit in den Übungen ankomme. - Es ist uns selbstverständlich, unserem Körper regelmäßig Nahrung zu geben. Die Nahrung für die Seele ist aber noch viel wichtiger als die Nahrung für den Körper. Während der Meditation sollen wir den Körper vollständig vergessen.

Wir gehören nicht in den Körper, unsere Heimat liegt 
außerhalb des Körpers.

Wenn man diese letzten Worte des Meisters hört und sich dabei unsere gegenwärtige Situation vor Augen führt - wo wir spirituell stehen - wird man sehr nachdenklich werden. „Das ABC der Spiritualität beginnt mit dem Übersteigen des Körperbewußtseins.“ - lautet ein anderer Satz des Meisters. So waren die meisten von uns nicht einmal ABC-Schützen? ...

Bei diesem Gedanken fielen mir immer die folgenden Worte Gyani Jis ein: Er war gefragt worden, warum der Meister nur so kurze Zeit in Europa bleibe im Gegensatz zu den Staaten, für die doch ein ungleich längerer Zeitraum vorgesehen war. Gyani Ji hatte geantwortet:

„Die Reise des Meisters läßt sich mit dem Start eines Flugzeuges vergleichen: Zuerst rollt die Maschine am Boden an, dann hebt sie ein wenig ab und gewinnt schließlich immer mehr an Höhe. In der gleichen Weise richtet sich auch das Reiseprogramm des Meisters nach der inneren Entwicklung der Satsangis. Der Meister bleibt an Orten am längsten, wo die Empfänglichkeit der Schüler am größten ist.“ 

Wie immer wieder aus den Schriften des Meisters hervorgeht, ist es eine notwendige Voraussetzung für den spirituellen Fortschritt, daß wir unser Lage richtig einschätzen. Auch in diesen Tagen forderte Er uns mehrmals auf:

Prüft, wo ihr steht!

Oder auch:

Kritisiert euch selbst genauso scharf, wie ihr sonst 
andere kritisiert! Schont euch nicht!

Wir befinden uns gegenwärtig in einer ständigen Selbsttäuschung. Wir haben Angst davor, uns so zu sehen, wie wir wirklich sind. Warum eigentlich? - Der Meister kennt doch ohnehin alle unsere Fehler viel, viel besser als wir selbst, und trotzdem hat Er uns angenommen. Aber Er möchte, daß wir endlich ehrlich gegen uns selbst sind, wenn wir spirituell fortschreiten wollen. Wenn wir uns das höchste Ziel gesteckt haben, müssen wir natürlich auch den höchsten Maßstab an uns anlegen.

Eine große Mystikerin hat gesagt:
„Sich in Gott sehen müssen führt zur tiefsten Verdemütigung, aber sich in Gott sehen dürfen heißt immer: der eigenen Nichtigkeit und Verwerflichkeit im Spiegel der ewigen Liebe innewerden.“

Ein Satsangi stellt dem Meister eine Frage, die sich auf eine höhere Berufsausbildung bezog. Der Meister antwortete darauf:

Wir müssen uns über unser letztes Ziel klar werden. Was wollen wir in diesem Leben erreichen? Wünschen wir eine weltliche Karriere oder spirituellen Fortschritt? Die meisten von uns treiben ständig hin und her. Einmal wollen wir die Welt, mal dies und ein ander’ Mal jenes. Wir müssen uns entscheiden An erster Stelle sollte Gott stehen, erst an zweiter Stelle die Welt. Natürlich müssen wir in der Welt das Geben und Nehmen ausgleichen, aber unsere wichtigste Aufgabe ist es, uns selbst zu erkennen und den Tod, unseren größten Feind, zu besiegen.

In seiner Antwort auf eine weitere Frage veranschaulichte der Meister, wie sich Heilige verhalten, wenn sie zu unrecht angegriffen werden:

Heilige werden oft vom Haß der unwissenden Menge vefolgt. Ein großer Heiliger wurde sogar dazu verurteilt, durch Marter zu sterben. Er wurde gefragt: ‘Was geschieht mit denen, die euch Gutes wollen? Er antwortete: ‘Sie sind hundert Mal gesegnet.’ Dann fragte man ihn: ‘Und was ist mit jenen, die euch Böses wollen?’ - ‘Sie sind tausend mal gesegnet.’ - war die Antwort des Heiligen.

Am Schluß dieses Satsangs sagte der Meister:

Der menschliche Körper ist eine goldene Gelegenheit, und 
wir haben ihn erhalten, um darin Gott zu errreichen. Wir 
haben so viel für unseren Körper und Intellekt getan. Nun 
sollten wir auch etwas für unsere Seele, für uns selbst 
tun.

Und auch heute fügte Er hinzu:

Was ich euch heute gelehrt habe, habe ich nur zu einem Drittel durch Worte gelehrt. Zwei Drittel lernt man durch die Ausstrahlung, wenn man empfänglich ist. Die Ausstrahlung wirkt ständig, gleichgültig, in welcher Entfernung sich der Schüler vom Meister befindet. Der Meister mag jenseits der sieben Meere leben und der Schüler auf der anderen Seite. - Die äußere Entfernung zählt nicht. Christus hat gesagt: ‘Wo zwei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.’

Was ist Liebe zum Meister? - Kein anderer Gedanke ist da als der an Gott. Nichts sollte zwischen dir und dem Meister stehen. Was ist ein Meister? Gott ist im Meister. Er ist im Menschen. Es ist die göttliche Ausstrahlung, die ihr durch den Meister empfangt. Empfänglichkeit ist notwendig. Es gibt Hoffnung für jeden. Jeder Heilige hat eine Vergangenheit, jeder Sünder hat eine Zukunft. Zuweilen sind Heiige direkt vom Himmel gekommen, aber ich sage euch, für jeden ist Hoffnung. Auch ich war einmal wie ihr. - Gott segne euch alle.

Genau wie am Vortag wollte auch heute nach den letzten Worten des Meisters niemand gehen. Gerade bevor sich der Meister erhob, fragte Ihn jemand laut, was jeder einzelne im Raum dachte, nnämlich ob Er noch einige Minuten schweigend bei uns bleibe. - Ich glaube, während der ganzen Reise hat der Meister uns diese Bitte nicht ein einziges Mal abgeschlagen.

Am Abend fand ein öffentlicher Vortrag des Meisters im Wallraf-Richartz-Museum statt. Ich ging schon recht früh dorthin. Unterwegs kam ich durch eine sehr belebt Straße und sprach jemanden an, um mir den Weg zum Museum sagen zu lassen. Der Herr antwortete mir zu meiner Überraschung: „Ach, wollen Sie auch heute abend zu dem Vortrag von Sant Kirpal Singh?“

Es kamen lange vor Beginn des Vortrages so viele Menschen, daß der Saal schon bald brechend voll war Gegen 19:45 Uhr waren nach polizeilichen Bestimmungen bereits fünfzig Menschen zu viel im Raum, und so konnte niemand mehr hereingelassen werden. Viele Leute, die schon am Eingang standen, mußten wieder weggeschickt werden. - Wie wir später erfuhren, kamen auch am nächsten Tag, für den nach dem ursprünlgichen Programm ein zweiter Vortrag vorgesehen war, noch sehr viele Menschen.

Als der Meister um 20:15 Uhr eintraf, erhoben sich nicht nur die Satsangis, sondern alle im Saal, und sie blieben stehen, bis Er vorn Platz genommen hatte. - Sein Podium und das Pult des Übersetzers waren dicht umringt von Jugendlichen, die sich aus Platzmangel auf die Bühne gesetzt hatten.

Während des Vortrages herrschte eine wunderbar konzentrierte Atmosphäre. - In der Gegenwart des Meisters werden selbst fremde Menschen zu einer Familie. So stark ist die vereinende Kraft, die von Ihm ausgeht. - jemand hatte einmal einen Unterschied zwischen Satsangis und jenen, die nicht initiiert sind, gemacht, un der Meister hatte geantwortet:

Die Meister machen keinen Unterschied zwischen 
Initiierten und Nichtinitiierten. Alle sind Satsangis, 
alle sind Kinder des einen Gottes.

Während der Meister sprach, hatte ich das Gefühl, daß Er gleichzeitig unendlich weit entfernt von uns ist, unbeeinflußt von allem, was um Ihn geschieht, - und doch jedem von uns viel, viel näher, als wir ahnen.

Der Meister sprach über den allgemeinen Irrtum, daß wir glauben, wir seien der Körper, den wir aber ja alle eines Tages einmal ablegen müssen.

Wir haben alle unser wahres Selbst vergessen, und die Meister sind gekommen, um uns zu zeigen, wer wir wirklich sind, und um uns in unsere wahre Heimat zurückzuführen.

Die knappen und bestimmten Gesten des Meisters unterstreichen noch die Klarheit und den Zauber Seiner einfachen Worte. In Seiner Gegenwart werden alle Dinge zurechtgerückt, alles wird klar - der Intellekt und die Gefühle sind still, so daß Seine Worte in tiefere Bewußtseinsschichten eindringen können.

Am Ende des Vortrags war alles still, niemand applaudierte. Der Meiser verabschiedete sich auf so liebevole Weise, indem Er sagte:

Dies war keine Rede, die ich ihnen gehalten habe, sondern 
ein Gespräch von Herz zu Herz. Ich danke Ihnen, daß Sie 
mir zwei Stunden lang zugehört haben.

Der Vortrag hatte etwa zwei Stunden gedauert. Als der Meister gerade ins Auto gestiegen war und man schon anfahren wollte, kam noch ein junges Mädchen an den Wagen gelaufen, so daß Er noch einmal das Fenster herunterdrehte. Sie fragte ziemlich aufgeregt, wann sie denn so schnell wie möglich die Inititation bekommen könnte. Es schien ihr so ernst damit zu sein, daß der Meister schließlich sagte, Er sei am 1. und 2. September in Stuttgart, und wenn sie wolle, könne sie dorthin kommen. Dann fuhr Er zum Hotel.

Obwohl es inzwischen 22:30 Uhr geworden war, führte Er dort noch viele persönliche Gespräche. - Fast immer, wenn man in diesen Tagen in der Zeit zwischen den Satsangs und Vorträgen an der Tür des Hotelzimmes vorbeikam, in dem der Meister gerade wohnte, konnte man dort eine größere Zahl von Satsanigs sehen, die auf ein persönliches Gespräch mit dem Meister hofften. Es waren auch viele dabei, die Ihn um die Initiation bitten wollten. Manchmal kamen so viele Menschen im Flur zusammen, daß sie gebeten werden mußten, im Erdgeschoß des Hotels zu warten, bis sie einzeln zum Meister hereingerufen würden. Da der Andrang so groß war, mußten sich einige von ihnen über mehrere Stationen der Reise hin gedulden, ehe sie an der Reihe waren. Der Meister ließ sich kaum einmal eine Ruhepause - von morgens bis spät abends war Er für Seine Kinder da. Selbst auf seinem Weg vom Konferenzraum zu Seinem Zimmer war Er dauernd dicht umringt.

Es war schön zu beobachten, wie alle, die aus dem Zimmer des Meisters herauskamen, voller Trost und zu Frieden zu sein schienen!

 

 

Berlin

Am nächsten Morgen, Montag, dem 28. August, flogen der Meister und einige Satsanigs nach Berlin. Wieder hatten wir einen ganz ruhigen Flug bei herrlichem Sonnenschein.

In Berlin war nur ein verhältnismäßig kleiner Kreis von Satsangis zusammen, da es für viele, die mit dem Auto unterwegs waren, eine zu lange und anstrengende Fahrt gewesen wäre. Im Flugzeug begleiteten etwa 30 Satsangis den Meister und Seine Party, und im Laufe des Tages kamen´noch einmal 30 dazu, die inzwischen auf anderem Wege nach Berlin gekommen waren. Der Meister wohnte hier im Palace-Hotel.

Als einige von uns in den Konferenzraum des Hotels kamen, wurden wir vor eine Prüfung gestellt, wie weit wir Toleranz und Liebe für andere hatten. Dort kam nämlich eine alte Frau auf uns zu, die ziemlich aufgebracht über den Meister sprach. Sie war durch nichts zu beruhigen und fing immer wieder von neuem an, schlecht über den Meister zu reden. Sie hatte die feste Absicht, mit Ihm persönlich zu sprechen, anscheinend sogar noch vor dem Satsang. So waren wir alle ein wenig besorgt, daß sie Unannehmlichkeiten bereiten würde.- Wie ich erst hinterher erfuhr, hate man mit Gyani Ji über den Vorfall gesprochen, und er meinte: „Sie wird keinen Ärger machen.“

Bei diesem ersten Satsang in Berlin war der Meister, wie es mir schien, von einer ganz besonderen Heiterkeit, die einfach jeden von uns anstecken mußte! Während er sprach, saßen wir in einem kleinen Halbkreis um Ihn herum.

Zu Beginn des Gesprächs erkundigte sich der Meister eingehend nach dem Schicksal der geteilten Stadt. Er erzählte, daß Er auch bei Seiner letzten Weltreise 1963 in Berlin gewesen sei und daß Er für diese Stadt besondere Anteilnahme empfinde.

Ich werde zu Gott beten für diese Stadt.

Und mehrmals sagte Er:

Bitte, übermittelt den Menschen im anderen Teil der Stadt 
meine Grüße. Sie fehlen mir sehr.

Auf Seine Frage, ob jemand aus Ostberlin anwesend sei, meldete sich ein älteres Ehepaar, das aufgrund der Neuregelung nun die Möglichkeit hatte, in den Westen zum Meister zu kommen. Noch vor einem Jahr wäre das nicht möglich gewesen. Der Meister zeigte in diesen zwei Tagen eine besondere Liebe und Fürsorge diesen beiden Menschen gegenüber. So fragte Er sie, die beide initiiert waren, nach der allgemeinen Meditation jedes Mal persönlich nach ihren Erfahrungen und war sehr erfreut, als Er das zweite Mal die glückliche Antwort des Herrn erhielt, er habe Licht gesehen.

Der Meister sagte, daß das Unwissen und die enge Sicht der Menschen schuld seien an der Uneinigkeit unter den Völkern und Nationen.

Sie trennen gewaltsam Menschen voneinander und sehen 
nicht, daß wir alle eine Familie sind.

Anschließend hatten wir wieder Gelegenheit, dem Meister Fragen zu stellen. Jemand fragte nach der genauen Bedeutung der Initiation. Der Meister antwortete:

Initiation bedeutet, seine ganze Aufmerksamkeit von außen zurückzuziehen, sie nach innen zu wenden, sich so über den Körper zu erheben und mit dem Meister innen in Verbindung zu kommen. Es ist die Initiation in die Welt des Jenseits. Es mögen Stufen dasein, aber es bedeutet das, was ich Ihnen gesagt habe. Jeder mag selbst herausfinden, wo er steht. Dann fügte Er noch hinzu: Die Initiation umfaßt zwei Aspekte, einen äußeren und einen inneren. Der erste ist das vorbereitende Studieren und Verstehen der Theorie und der zweite das Erheben ins Jenseits.

Nach einer Minute des Schweigens sagte der Meister:

Konzentration bedeutet, seine Aufmerksamkeit auf einen 
Punkt zu richten und alles andere zu vergessen. - Unsere 
Fragen, die alle aus dem Intellekt kommen, werden 
beantwortet werden, wenn wir uns über den Körper erheben. 
Geht nach innen und seht selbst.

Dabei fiel mir folgendes Bild von Meister Sawan Singh ein:

Ein Mann ist in den Brunnen gefallen, und ein anderer steht oben und bietet ihm an, ihn an einem Seil hochzuziehen. Er läßt das Seil schon hinab in den Brunnen, aber der Gefangene dort unten ruft zu ihm hoch: Sage mir bitte erst, wie es da oben aussieht, wie man sich dort fühlt und ob ich auch nicht wieder hinunterfalle, wenn ich erst einmal oben bin usw. Was wird der Mann, der oben steht, ihm antworten? - Er sagt: Ergreife das Seil und klettere herauf. Dann kann ich dir alles zeigen, und du wirst mit deinen eigenen Augen sehen, was ich dir doch nur schwer verständlich machen kann, solange du dort im Brunnen liegst. Warum erst noch Zeit verlieren?

Am Ende des Satsangs war die Atmosphäre so von der göttlichen Ausstrahlung des Meisters geladen, daß man es einfach nicht in Worten beschreiben kann. Bevor er ging, sagte Er nochmals, wir sollten den Menschen jenseits der Mauer Seine Grüße übermitteln.

Seid fröhlich, denn wir sind alle eins.

Es war inzwischen 18:00 Uhr geworden, und der Meister setzte sich nun mit einzelnen Besuchern des Satsangs zusammen, die persönliche Fragen an Ihn hatten. Ich hatte kurze Zeit mit jemandem gesprochen, und als ich wieder zum Meister hinübersah, entdeckte ich, daß die alte Frau, die am Vormittag so schlecht über den Meister gesprochen hatte, neben Ihm saß und der Meister sehr liebevoll mit ihr sprach. Sie sagte wieder zu Ihm, der Meister sei böse, worauf Er ihr mit noch größerer Liebe entgegnete: „Schau mir in die Augen. Sind meine Augen böse?“ - Ich konnte sonst nichts hören von dem Gespräch, da wir alle in einigem Abstand standen. Ich sah nur, daß die Frau ganz verändert war, geduldig zuhörte und mit friedlichem Gesichtsausdruck wieder fortging. - Dies wird mir ein unvergeßliches Beispiel dafür sein, was wahre Liebe vermag!

Schon etwa zwei Stunden später, um 20:30 Uhr, trafen wir uns erneut zum Satsang. Der Meister fragte uns, was wir wollten, Gespräch oder Meditation. Als allgemein der Wunsch nach Meditation geäußert wurde, hatte Er geantwortet:

Gut, so werde ich euch das Wasser und das Brot des Lebens 
geben. Das ist der eigentliche Zweck, für den wir 
zusammengekommen sind.

Nachdem Er wieder ganz genaue Anweisungen zur Meditation gegeben hatte, saßen wir etwa eine halbe Stunde. Er notierte anschließend wieder die Ergebnisse und sprach zum Abschluß noch einige sehr eindringliche Worte:

Entscheidet noch heute, was ihr wollt, ob Gott oder die Welt. Einmal wenden wir uns spirituellen Dingen zu, dann wieder der Welt. Wir gehen einen Schritt vor und dann wieder einen zurück. Überall graben wir kleine Löcher in den Boden, dann hören wir wieder auf und beginnen an einer neuen Stelle zu graben. Entscheidet euch heute! Wenn ihr den Weg Gottes betretet, werden euch alle anderen Dinge von selbst gegeben. Der Mensch muß mit Vertrauen den Weg weitergehen, den er einmal aufgenommen hat.

Am nächsten Morgen führte der Meister dieses Thema in einem unvergeßlichen Gespräch weiter aus. Er sprach über die Reinheit des Herzens:

Reinheit des Herzens besteht dann, wenn kein anderer Gedanke als der an Gott aufkommt. Laßt nichts zwischen euch und Gott stehen, nichts und niemanden!

Wir sollten alle ehren, mit denen wir von Gott zusammengeführt werden. Aber wir sollten wissen, daß sie uns bei der Aufgabe, uns über den Körper zu erheben, von keinerlei Hilfe sein können. Ihr müßt ganz allein gehen. Geht ganz allein zu Gott! Entscheidet euch, was ihr wollt! Ihr solltet euch bereits entschieden haben. Je mehr ihr eure Fehler ausmerzt, desto mehr werdet ihr euch von allen Bindungen lösen. Ihr werdet wunderbaren Fortschritt machen.

Ich habe euch gestern aufgefordert, euch zu entscheiden, was ihr wollt. Wie viele von euch haben es getan?- Ich fürchte, daß es nur wenige sind.

Wir suchen immer im Äußeren. Aber um Gott zu finden, müßt ihr nach innen gehen.
Der Heilige Ramanuja begegnete einmal einer Frau, die gebückt unverwandt auf den Boden schaute und offensichtlich etwas suchte. Der Heilige fragte sie, was sie denn suche. Sie antwortete, sie habe eine Nadel verloren und suche nun schon eine Stunde lang vergeblich danach. Daraufhin fragte Ramanuja sie, wo sie denn die Nadel verloren habe, worauf sie antwortete: „Herr, ich habe sie im Haus verloren.“

Wir mögen lachen über diese Geschichte, aber unser Lage ist ähnlich, da wir Gott, der in uns ist, durch äußere Handlungen zu finden hoffen. Wir müssen Gott in uns suchen. Aber um Ihn dort zu finden, müssen wir unser Herz reinigen. - Mögen wir bei einem sitzen, dessen Kleidung voller Schmutz ist? - Ganz sicher nicht. Wie können wir dann davon träumen, daß Gott bei uns sitzen will, solange wir uns nicht gereinigt haben?

Früher haben die Meister erst dann eine innere Erfahrung gegeben, wenn das Gefäß schon gereinigt war. Heute, in diesem Zeitalter, bekommen wir zuerst eine Ersthanderfahrung, die wir dann weiterentwickeln müssen.

Am Nachmittag hatten wir wieder ein Gespräch mit dem Meister in dem Er Fragen beantwortete.

In einer Seiner Antworten erklärte Er, was Kultur sei. Kultur, so sagte Er, entsteht aus selbstlosem Dienst und Wissen. Wenn wir Kultur besitzen, werden wir nur sanfte Worte und liebevolle Gedanken für andere haben. Meistens hören wir nicht richtig zu, wenn andere zu uns sprechen, und so verstehen wir sie nicht und werden aufgebracht.

Bei dieser, wie auch bei vielen anderen Antworten des Meisters mußte ich erst einmal überlegen, wo der Zusammenhang mit der gestellten Frage lag. Oft umfaßte eine Frage ein ganz allgemeines Problem, und der Meister ging auf einen ganz bestimmten Aspekt davon ein oder auch genau umgekehrt. Aber fast immer konnte man an der Reaktion der Fragenden sehen, daß der Meister ihr Problem zufriedenstellend beantwortet hatte. Ich glaube, man kann daran erkennen, daß er weniger die ausgesprochene Frage beantwortet, als vielmehr den ganzen Problemkreis, der dahinter steht. So war dies wieder eine Bestätigung dafür, daß der Meister alle unsere Gedanken genau kennt, besser als wir selbst!

Auch bei Seiner Antwort auf die nächste Frage - über Kindererziehung - sprach der Meister über die Kultur des Herzens: Er sagte, daß die heutige Erziehung und Ausbildung nur auf den Intellekt bezogen sei, daß der Kopf erzogen würde, aber nicht das Herz. Die Folgen davon seien Aggressionen, selbstische Regungen, Rachegedanken usw. Würden wir alles mehr vom Herzen aus betrachten, statt nur mit dem Kopf, könnten alle Streitigkeiten beigelegt werden, es gäbe dann keine Probleme mehr.

Ein Satsangi sagte, der Meister vergleiche in einer seiner Schriften den ergebenen Schüler mit einer Flöte, auf der der Meister Seine Melodien spielt. Dieses Bild hatte ihn sehr stark beeindruckt, und er bat den Meister, hier etwas über seine Bedeutung zu sagen.

So erklärte der Meister:

Die Flöte ist innen ganz leer. Wir müssen uns innen ganz 
leer machen, um zum Instument des Meisters zu werden, auf 
dem Er erhabene Melodien spielen kann. Das ist die 
Bedeutung dieses Bildes.

In einem anderen Zusammenhang sagte der Meister:

Seid kindlich! - Und mit einem humorvollen Lachen fügte 
Er hinzu: Kindlich, nicht kindisch! Seid einfach wie die 
Kinder! Ein Heiliger hat einmal gesagt: „Es ist eine 
Gnade, daß Gott die verborgene Wissenschaft nicht den Weltweisen enthüllt, sondern sie den kleinen Kindern (to the babies) offenbart.“

Eine der letzten Fragen an diesem Nachmittag lautete:

„In dem Buch „Godman“ spricht der Meister von zwei Wegen, den der Selbstunterwerfung und dem der spirituellen Disziplin. Welches ist der leichtere Weg und welches der schwierigere?“

Antwort:

Die völlige Selbstunterwerung ist der schwierigere Weg, die Selbstdisziplin ist einfacher. Ich will euch ein Beispiel geben, das dies veranschaulicht. Hazrat Ibrahim kaufte einmal einen Sklaven, was damals Brauch war. Er nahm den Sklaven mit sich und fragte ihn, was er essen wolle, was er anzuziehen wünsche, wo er schlafen wolle usw. Auf all diese Fragen antwortete der Sklave: „Herr, was Ihr mir geben wollt. Ich werde es nehmen.“ - Hazrat Ibrahim war so beeindruckt von der Selbstunterwerfung seines Sklaven, daß er zu Gott rief: „Herr, mein Sklave hat mehr Ergebenheit für mich als ich für Dich! Er hat mir gezeigt, was wahre Demut ist.“ - So seht ihr, was wahre Selbstunterwerfung bedeutet? Es bedeutet, keinen eigenen Willen mehr zu haben, sich mit Körper, Gemüt und Seele dem Meister zu übergeben. Der erste Schritt ist die Selbstdisziplin, der zweite die Selbstübergabe. Sie wird nach und nach erreicht, wenn ihr der Person, die ihr liebt, alles hingebt, zuletzt euch selbst.

Das Licht innen zu sehen und den Ton innen zu hören ist das beste Heilmittel. Dadurch werden wir zur Wohnstatt aller Tugenden werden.

Am Abend fand um 20:00 Uhr im Urania-Haus ein öffentlicher Vortrag des Meisters statt. Auch dieser Saal, der wie der in Köln etwa 300 Plätze hatte, war voll besetzt.
Wesentliche Worte, die mir an diesem Abend besonders im Gedächtnis blieben, waren die folgenden:

Seht zuerst, dann preist Gott. Wenn ihr vom inneren Licht 
und Ton sprecht, bevor ihr es gesehen und gehört habe, 
ist das genauso, wie wenn ein Blinder das goldene Licht 
der Sonne preist. So seht zuerst, dann singt.

Am Ende des Vortrags verabschiedete sich der Meister auf so unbeschreiblich demütige Weise! Er sagte:

Ich danke Ihnen, daß Sie mir zwei Stunden lang so 
geduldig zugehört haben. Ich hatte das Glück, Sie zu 
sehen, und Sie hatten das Glück, mich zu sehen. Aber ich 
hatte das größere Glück, da Sie nur einen vor sich 
gesehen haben und ich gleich so viele von Ihnen. - Gott 
segne Sie alle.

Ich mußte nach dem Vortrag noch auf jemanden warten und so konnte ich beobachten, daß viele Leute noch vor dem Eingang in Gruppen zusammenstanden und über den Vortrag des Meisters sprachen. Sie schienen von Ihm und von Seinen Worten stark beeindruckt zu sein. Als ich dann zum Hotel ging, lief eine Gruppe ziemlich dicht hinter mir her, und ich hörte dauernd irgendwelche Worte von ihnen, die der Meister gesagt hatte.

Am nächsten Morgen, Mittwoch, dem 30. August, fuhren der Meister und Seine Party um 09:00 Uhr zum Flughafen. Die Maschine startete um 10:15 Uhr. Nach einem wie immer ruhigen Flug bei gutem Wetter kamen wir um 11:00 Uhr in Nürnberg an. Am Ausgang warteten schon viele Satsangis, die nicht in Berlin gewesen waren. Der Meister begrüßte sie so liebevoll, als hätte Er sie sehr lange nicht mehr gesehen. Einer von ihnen fuhr Ihn dann zum „Grand Hotel“. Dort fand um 16:00 Uhr, wie es sich inzwischen eingespielt hatte, der erste Satsang statt, zu dem sich etwa 200 Menschen einfanden.

Nach einigen Begrüßungsworten beantwortete der Meister Fragen. Jemand leitete seine Frage mit den Worten ein: „Meister, ich habe eine Frage, aber sie ist so unmöglich, daß ich sie kaum zu stellen wage.“

Darauf antwortete der Meister lachend:

Stellen Sie Ihre Frage! Es gibt keine unmöglichen Fragen. 
Das Wort „unmöglich“ steht nur in den Wörterbüchern der 
Narren.

Eine der Fragen hieß:

„Wenn man auf den Pfad gestellt ist, gibt es Zeiten, in denen man wegen eines Mangels an Empfänglichkeit keinen Fortschritt macht. - Wie kann man Empfänglichkeit entwickeln?“

Der Meister antwortete darauf, daß kein fremder Gedanke zwischen uns und dem Meister stehen sollte. Wer Empfänglichkeit für den Meister entwickelt habe, werde nur das von sich geben, was auch der Meister sagen würde. Er fuhr fort:

Notwendige Voraussetzung, um Empfänglichkeit für die Meisterkraft zu entwickeln, sind: Wahrhaftigkeit, Ehrenhaftigkeit und Ahimsa - Nicht-Angreifen.
Aufgeregte Worte bleiben nicht ohne Antwort, aber schon die Gedanken bringen eine entsprechende Wirkung hervor. So können kleine Kinder mit Schlangen umgehen, ohne daß die Tiere sie beißen. Sie können sie sogar in den Mund nehmen, und die Schlange tut ihnen nichts. Das liegt daran, daß die Kinder keine Furcht haben. Sie denken nicht: „Die Schlange wird mich beißen.“ - Und das spüren die Tiere und sie beißen nicht. - oft kamen wilde Tiere zu den Heiligen und sie waren von deren liebevollen Gedanken wie verzaubert, so daß sie ihnen nichts taten. - Wenn man dagegen die Schlange töten will, nimmt das Tier diese Gedankenschwingung auf und sie wird den Menschen töten. Daran sehen wir also, welche Kraft die Gedanken haben. Wir müssen der ganzen Welt Frieden und Liebe wünschen . Die Liebe verzehrt alles außer dem Gegenstand, auf den sie gerichtet ist.

Am Abend hatten wir noch einen zweiten Satsang mit dem Meister. Im Mittelpunkt dieses Gesprächs stand das Thema: „Ihr müßt euch über den Körper erheben.“ Hier sind einige Kernsätze daraus:

Das ABC beginnt, wenn ihr euch über den Körper erhebt. 
Preist den Herrn nicht, solange ihr Ihn nicht selbst 
gesehen habt, andernfalls ist es nicht mehr wert als die 
Worte eines Blinden, der die Sonne rühmt.
Für jene, deren inneres Auge göffnet ist, ist der Körper 
der Tempel Gottes.

Gott hat den menschlichen Körper geschaffen, Er hat den Körper abgeschlossen und den Schlüssel dem Meister übergeben.
Der Meister möchte, daß ihr alle Heilige werdet. So wie ein König wünscht, daß sein Sohn nicht nur Minister wird, sondern auch König, so will der Meiste für seine Kinder nichts Geringeres als das, was er selbst erreicht hat.

Dieses Thema nahm der Meister am nächsten Morgen, nachdem er uns eine Meditation gewährt hatte, noch einmal auf: Er sagte, daß wir im Innern keinen Frieden hätten, weil wir von den Sinnen nach außen gezogen würden.

Christus sagte: „Klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Das 
Leben ist kurz. Wir müssen den besten Gebrauch davon 
machen.

Am nächsten Morgen hielt der Meister eine weitere Meditation ab und führte danach Gespräche mit einzelnen Satsangis. Am Nachmittag trafen wir uns wieder zur gewohnten Stunde, und der Meister beantwortete Fragen. Jemand stellte eine Frage zum Gebet. Die Antwort des Meisters lautete:

Das Gebet ist eine sehr starke Kraft. Was zählt, ist die 
Aufmerksamkeit und die Intensität des Gebets.

Meister Jawan Singh hatte einmal gesagt:

Das bloße Leben eines Schülers hängt vom Gebet ab. Da er 
schwach und hilflos ist, ist das Gebet die einzige Waffe 
in seinem Arsenal. Einer, der hilflos ist, sucht immer den 
Schutz einer mächtigen und kompetenten Person.

Eine Frau erklärte, sie habe immer Angst, wenn sie allein sei, worauf ihr der Meister antwortete:

Der Mensch ist niemals allein. Gott ist immer bei ihm.

Jemand sah einen Widerspruch zwischen dem Gesetz des Karmas und der Möglichkeit, unseren verstorbenen Angehörigen durch das Gebet helfen zu können.

Die Antwort des Meisters ist wieder ein wunderbares Beispiel dafür, daß Er immer von einer höheren Warte aus spricht, wo sich die scheinbaren Wiedersprüche, die aus unserem Intellekt kommen, aufheben. Wie einfach sind daher Seine Antworten auf unsere oft so komplizierten Fragen! Er sagte:

Seid regelmäßig in euren Übungen, dann wird alles andere durch Ausstrahlung und Empfänglichkeit gelöst. Eine Lampe wird zunächst einen kleinen Umkreis erhellen, dann einen größeren - in dem Maße wie man sie von den vielen Schleiern, die sie umhüllen und verdunkeln, nach und nach befreit.

Alle unsere Fragen kommen aus dem Gemüt. Wir müssen das Gemüt überwinden. In früherer Zeit war es Brauch, daß jemand erst jahrelang zu den Füßen des Meisters saß, bevor er eine Ersthanderfahrung erhielt. - Wer kann heute noch so lange warten?

Wir müssen unsere Fehler analysieren. Wir sollten uns nicht scheuen, dem Meister gegenüber offen zu sein. Wir müssen uns dem Arzt öffnen, damit er uns helfen kann.

Oft spricht der Meister so sanft und heiter, daß Er alle Traurigkeit, die manchmal aufkommt, weil Er uns so nah ist und wir so weit entfernt von Ihm, mit einigen liebevollen Worten einfach vertreibt. Er hat so viel Mitleid mit uns, daß wir uns nur an Ihn wenden müssen, um die richtige Medizin zu bekommen. - In diesen Tagen der physischen Gegenwart des Meisters konnte man merken, daß in Seiner Nähe die Traurigkeit einfach nicht lange anhält.

Der öffentliche Vortrag fand in der „Meistersingerhalle“ statt. Einige von uns gingen schon etwas früher dorthin, um für die Party des Meisters noch Plätze in der ersten Reihe zu reservieren. Als wir ankamen, sahen wir jedoch, daß vorn schon fast alles besetzt war. So fragten wir eine Dame, ob sie so freundlich sein wolle, sich in die zweite Reihe zu setzen. Sie war dazu bereit, obwohl sie, wie sie sagte, extra über eine Stunde vor Beginn des Vortrags gekommen war, „um Sant Kirpal Singh so nah wie möglich zu sehen“.

An diesem Abend kam der Meister direkt auf den spirituellen Kern der Lehre zu sprechen, ohne vorher auf soziale Fragen einzugehen, wie Er es sonst oft tat. Der ganze Vortrag behandelte nur ein Thema, nämlich die Notwendigkeit, sich von der Identifizierung mit dem Körper und der Welt zu lösen und sich über das Körperbewußtsein zu erheben.

Die Atmosphäre war sehr stark durch die Meisterkraft geladen. Ein Bild, das Er gebrauchte, um uns die Mission des Meisters zu veranschaulichen, blieb besonders in Erinnerung:

Der Meister hilft uns aus dem Gefängnis des Körpers, wie eine Henne ihrem Küken aus dem Ei heraushilft, indem sie die harte Schale von außen mühsam aufpickt, bis die Öffnung groß genug ist, daß das Kleine herausschlüpfen kann und die Sonne erblickt.

Immer wieder ruft Er an diesem Abend mit besonderer Eindringlichkeit auf, uns aus der Vergessenheit und der Bindung an das Gemüt zu erheben und uns auf den Weg zu unserem himmlischen Vater zu begeben. Und besonders klar und laut fügt er hinzu:

Gott ruft nach euch: Kommt heim, meine Kinder! Ihr seid in 
der Welt , geht aus ihr heraus und kommt zurück in die 
Heimat eures Vaters!

Diese Worte waren so geladen, daß man auf einmal begreifen konnte, sie sind eine direkte Botschaft von Gott, nicht nur an die Anwesenden, sondern an die ganze Welt. Wie wenig Ahnung haben wir doch von der Größe des Meisters!

Als wir wieder im Hotel waren, hatten wir Gelegenheit, Gyani Ji, der immer nur das sagen wird, was auch der Meister gesagt hätte, nach der Bedeutung einer etwas verschlüsselten Antwort zu fragen, die der Meister einer Dame am Nachmittag gegeben hatte. (Verschlüsselt erschien die Antwort natürlich nur uns, weil wir sie alle wenig verschieden und nicht ganz verstanden hatten.)
Die junge Frau hatte den Meister gefragt, ob sie Ihm am nächsten Morgen ihr kleines Kind bringen dürfe, um Ihn um Seinen Segen für das Kind zu bitten. Darauf hatte er ihr geantwortet:

Werden wir zu einem Juwelier gehen und ihn um Eisen 
bitten? - Ganz sicher nicht! Der Juwelier hat Juwelen und 
Gold, und so werden wir nicht nach einem geringeren Metall 
wie Eisen fragen.

Gyani Ji sagte:
„Der Meister gibt uns spirituelle Schätze, spirituelle Juwelen und Gold, doch unsere Fragen gehen oft auf ein niedrigeres Niveau, indem wir Ihn nach äußeren Dingen fragen - nach Eisen. Der Segen des Meisters ist da, er muß nicht erst durch die äußere Geste gegeben werden. Dies alles ist schon vorher karmisch festgelegt.“

Es ist ein großer Segen, einem Schüler zuhören zu dürfen, der von Liebe zum Meister erfüllt ist! Er ist wirklich „eine Lampe, die in einem weiten Umkreis leuchtet“, wenn er sich dessen auch nie bewußt sein wir, sondern sich vollkommen von der Gnade des Meisters abhängig weiß.

„Wir wissen alle nicht, welche Bürde der Meister auf sich genommen hat, um uns vom Rad der Geburten und Tode zu befreien.“ sagte Gyani Ji nach einer Weile. „Was kann einen Meister an diese Welt binden, Ihn, dessen Wohnsitz die höchsten spirituellen Regionen sind? - Er hat diese armseligen grobstofflichen Körper angenommen, allein aus Liebe und Mitleid mit seinen Kindern. Der Meister hat so viel Barmherzigkeit, daß Er das Leid Seiner Kinder anzieht und einen Teil davon selbst auf sich nimmt und Seinen Körper leiden läßt.“ Dann erzählte Gyani Ji, wie der Meister, nachdem Baba Sawan Singh Ji gegangen war, selbst auch nicht wiederkommen wollte.

Er hatte sich lange Zeit in den Dschungel zurückgezogen, bis Er eines Tages im Auftrag Seines Meisters zurückkam. Bei dem ersten Satsang, den Er hielt, waren alle Anwesenden so von Liebe zu Hazoor erfüllt, daß sie weinten. Der Meister verwandelte sich mehrmals physisch in Hazoor. - Er war wirklich eins mit Seinem Meister.

Gyani Ji erzählte dann weiter von Hazoor, dessen Schüler er war. - Als er zum ersten Mal einem Satsang beiwohnte, hatte er noch nie etwas von Naam gehört. Der Meister sprach so wundervoll von Naam, daß Gyani Ji nachher sagte: „Wenn Naam etwas so Wundervolles ist, dann gebt es mir bitte, Meister.“ - Aber es hatte dann noch etwa vier Jahre gedauert, bis er wirklich wagte, den Meister um die Initiation zu bitten. Wie eilig haben wir es dagegen oft!

 

 

Stuttgart

Am Freitag, dem 1. September, fuhr der Meister weiter nach Stuttgart, diesmal mit der Bahn, da es zwischen Nürnberg und Stuttgart keine Flugverbindung gibt. Das „Grand Hotel“ liegt so nah am Bahnhof, daß es sich nicht gelohnt hätte, mit dem Wagen hinüberzufahren. So ging der Meister den Weg zu Fuß, und etwa 30 Satsangis folgten Ihm. Viele Leute auf der Straße schauten sich um, als sie Ihn mit Seiner Familie kommen sahen! Die meisten von uns fuhren gleich mit demselben Zug, in dem gleichen Wagon wie der Meister. Während der 2 ½ stündigen Fahrt war der Gang vor dem Abteil des Meisters und seiner Party ständig „verstopft“, weil die Satsangis keine Gelegenheit ausließen, Seinen Darshan zu haben. Ich selbst hatte einen Platz im angrenzenden Abteil, und während wir über die Lehren des Meisters sprachen, hörten wir oft durch die Wand das herzhafte Lachen des Meisters und Seiner Begleiter, nachdem Er irgendetwas gesagt hatte.

In Stuttgart wohnte der Meister im „Park-Hotel“ (Wo man die Präsidenten-Suite für Ihn reserviert hatte!). Der Geschäftsführer war hier besonders zuvorkommend und tat alles, um des Meisters Aufenthalt so angenehm wie möghlich zu machen. Jemand brachte das Gepäck der Party ins Hotel. Als der Empfangschef hörte, daß es sich unter anderem um das Gepäck des Meisters handelte, rief er sofort einen Boy und trug ihm auf, es nicht direkt in das Zimmer von Sant Kirpal Singh zu bringen. - „Der große Meister soll nicht gestört werden.“ - Er sagte das in einer Art, die eine hohe Achtung vor Ihm erkennen ließ.

Am Nachmittag hatten wir im Konferenzsaal ein wunderbares Gespräch mit dem Meister. - Sowohl hier in Stuttgart als auch schon im „Grand Hotel“ in Nürnberg, standen zeitweise Hotel-Angestellte an der Tür, während der Meister sprach, oder hörten von einem Nebenraum aus zu. 

Heute sprach der Meister über das wahre Glück:

Wir müssen alle eines Tages sterben. Wir müssen den Körper und alles, was damit verbunden ist, verlassen. Gott ist vollkommmenes Glück, und das ist auch in uns verankert, es ist uns angeboren. Alle Menschen streben nach Glück, weil dies unser eigentliches Wesen ist. Es ist daher unser Recht, den Wunsch nach Glück zu haben. Kann es einen glücklichen Menschen geben? - Ja. Aber wir haben noch nicht analysiert, woher Glück eigentlich kommt. Es kommt aus unserem eigenen Selbst, weil wahres Glück in uns liegt. Wir denken, daß Glück in den äußeren Dingen zu finden sei, aber wenn uns diese Dinge weggenommen werden, sind wir unglücklich. So bindet euch an etwas Bleibendes, etwas Ewiges - das ist Gott.

Leider haben wir unser wahres Selbst vergessen. Die Meister schauen uns ins Gesicht und sehen, daß wir unglücklich sind. Wir haben uns zu Sklaven gemacht, die unter dem Gewicht der Sinne niedergebeugt sind. Ihr werdet von anderen nur so lange geliebt, wie ihr im Körper seid. Wenn ihr gestorben seid, will niemand mehr euren Körper in seinem Hause haben. - Niemand liebt euch außer dem Gottmenschen. Der Gottmensch liebt euch wirklich. Er ist Gott im Menschen und Mensch in Gott. Die Meister geben uns einen Kontakt mit der immerwährenden Freude und dem dauerhaften Frieden. Kommt! Warum bleibt ihr hier in der Welt ,die nicht eure wahre Heimat ist, und leidet?

Lebt in der Welt, aber seid nicht von der Welt. Laßt das Boot im Wasser sein, aber nicht das Wasser im Boot. Wir können erst dann wahre Liebe zu Gott haben, wenn wir Ihn sehen.

Wir sollten einander dienen.

Lord Vishnu hatte einmal alle Götter und Teufel zu einem Festmahl eingeladen. Nun saßen die Götter auf der einen Seite der Tafel und die Teufel auf der anderen. Die köstlichsten Speisen wurden aufgetragen. Lord Vishnu lud seine Gäste ein zu essen, so viel sie wollten, aber unter einer Bedingung: Sie durften, um die Speisen zum Mund zu führen, nicht den Arm krümmen. Alle waren erstaunt über diese merkwürdige Bedingung, und so sehr sie auch versuchten, eine Lösung des Problems zu finden, kam keiner von ihnen auf eine geeignete Idee. Die Teufel gingen schließlich hungrig und grollend hinaus. Die Götter berieten noch miteinander, welchen Zweck Lord Vishnu wohl mit dieser Bedingung verfolgt hatte, bis sie dann schließlich auf den Gedanken kamen, daß man sehr gut satt werden kann, indem man sich gegenseitig das Essen reicht.

Was bedeutet dieses Gleichnis?

Wenn ihr andere glücklich macht, werdet ihr selbst auch glücklich. Wir müssen anderen helfen. Liebe kennt Opfer. Ihr opfert die Interessen anderer für euch selbst. - Umgekehrt hätten wir das Paradies auf Erden. Wenn ihr jemanden lieben wollt, müßt ihr ständig an ihn denken.
Es ist ein großer Segen, in der Gegenwart eines lebenden Meisters zu sein. Dies hat, bei entsprechender Empfänglichkeit, mehr Wirkung als tausend Jahre angestrengter Bemühungen. So wie ein Parfumhändler den Duft seiner Essenzen in seier ganzen Umgebung verbreitet, ist der ganze Raum, in dem der Meister sich befindet, von Seiner Liebe erfüllt. Wenn man die Austrahlung Seiner Liebe voll entgegennimmt, ist die Wirkung davon größer als tausend Bußübungen.
Auch schlechte Gemeinschaft hat ihre Ausstrahlung. So achtet sorgfältig auf euren Umgang, weil ihr davon angesteckt werdet! Wenn ihr niemanden habt, in dessen Gegenwart eure Liebe zum Meister verstärkt wird, dann ist es besser, mit dem Meister in euch allein zu bleiben. Wir verehren die Heiligen unglücklicherweise nicht, solange sie leben, sondern erst, wenn sie gestorben sind. Wir sollten sie verehren, während sie leben!

Je mehr wir nach den einfachen Lehren der Meister leben, desto glücklicher werden wir werden.
Sind wir nicht glücklich zu nennen, daß wir hier unter der Vaterschaft Gottes zusammensitzen? - Westen und Osten sind verschiedenen Räume im Hause des Vaters.

Am Abend nach diesm unvergeßlichen Vortrag hatten wir eine Meditation. Wie immer in diesen Tagen gab Er vorher ganz genaue Anweisung in einer Art, das das Gemüt sich beruhigt. Es war bisher kein Tag vergangen, an dem wir nicht in der Gegenwart des Meisters zur Meditation sitzen durften. Was das bedeutet, wird mir erst jetzt - hinterher - richtig klar, und vielen anderen wird es ähnlich gehen.

Am nächsten Morgen fand in einem kleinen Raum des Hotels eine Initiation statt, wobei insgesamt 15 Menschen vom Meister die Ersthanderfahrung erhielten.
Leider erkennen wir zum Zeitpunkt der Initiation ihre wahre Bedeutung noch nicht und verhalten uns oft nicht in der angemessenen Weise. So wurde direkt nach der Meditation, als der Meiser noch damit beschäftigt war, die einzelnen Initiierten nach ihren Ergebnissen zu fragen, in Seiner Gegenwart so laut gesprochen, daß der Meister sich an Frau Fitting wandte, damit sie für Ruhe sorgte.

Ich erinnere mich, daß der Meister in einer Seiner Ansprachen des letzten Jahres gesagt hat:

Andere werden die Größe des Meisters immer am Verhalten 
Seiner Anhänger messen.

Und bei anderer Gelegenheit, während Seiner jetzigen Reise sagte er:

Wir sind stolz auf den Meister, aber kann Er auch stolz 
auf uns sein?

Zur gleichen Zeit - während der Initiation - saßen die anderen Satsangis im Nebenraum und meditierten. Der Meister war zwischendurch gekommen, hatte die Anweisungen gegeben und war erst später zurückgekehrt, um nach den Ergebnissen zu fragen. - Auf Wunsch des Meisters war um 15:00 Uhr eine Zusammenkunft der Gruppenbeauftragten anberaumt - unter seiner Leitung. Der Meister forderte die Gruppenbeauftragten auf, liebevoll in einer Gemeisnchaft zusammenzuarbeiten, „als kleine Räder im Maschinenwerk der Sache des Meisters“. Im Laufe des Gesprächs betonte Er mehrmals nachdrücklich die Notwendigkeit, die Schriften gründlich zu studieren. Er wiederholte hier, was er auch schon bei einem Satsang in Köln gesagt hatte:

Die Hälfte der Arbeit in Indien könnte eingespart werden, 
wenn die Lehren genau studiert würden. Ich will mich nicht 
beklagen, aber die Korrespondenz mit allen Lieben nimmt 
Tag und Nacht in Anspruch. Wir sollten bedenken, daß es 
nicht nur Deutschland gibt, sondern daß die Briefe aus der 
ganzen Welt kommen.

Am Abend fand vor etwa 700 Menschen ein öffentlicher Vortrag statt. Der Meister erklärte unter anderem, daß es zwei verschiedene Arten von Meistern gebe, die sehr unterschiedliche Aufträge von Gott hätten: Die einen, die sogenannten Avatare, kommen, um Ordnung in der Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Sie belohnen die Guten und bestrafen die Schlechten. So sorgen sie für Gerechtigkeit. - Die anderen Meister kommen mit einem ganz anderen Auftrag direkt von Gott:
Sie werden in die Welt gesandt, um die weltmüden Seelen zurück zu Gott zu bringen. So kommen die einen, um die Welt in Gang zu halten, und die anderen, um sie zu entvölkern.
Der Meister veranschaulichte Seine Worte mit einem Gleichnis.

Denkt an Gefangene: Ein guter Mensch kommt in das Gefängnis und sieht, daß die Gefangenen Hunger leiden. So veranlaßt er, daß sie zu essen bekommen. Dann kommt wieder jemand und sieht, daß die Gefangenen keine Kleidung besitzen, daß sie bloß sind, und er beschafft ihnen aus Mitleid Kleider. Ein dritter sieht, daß die Gefangenen in schmutzigen, engen Räumen untergebracht sind, und er läßt neue bauen. - Schließlich kommt jemand, der den Schlüssel zum Gefängnis besitzt; er schließt das Tor auf und sagt: Kommt heraus, ihr seid frei. Nun, welcher der vier Männer wird den Gefangenen den größten Dinest ewiesen haben? - Die äußeren Bedingungen mochten gebessert worden sein, aber solange die Tore des Gefängnisses verschlossen blieben, blieben die Menschen darin, was sie waren - Gefangene.

So kommen die Meister, um uns aus dem Gefängnis des 
Körpers herauszuführen. Sie rufen uns zu: Kommt, liebe 
Kinder, ich warte auf euch!

Noch nie hatte der Meister so deutlich auf die Agonie des Todes hingewiesen, wie an diesem Abend. Er beendete seinen Vortrag mit den Worten:

Das Thema, das ich Ihnen heute dargelegt habe, ist 
verwickelt, aber ich habe versucht, es Ihnen in klaren, 
offenen Worten nahezubringen.

Als Er sich schon erhoben hatte, um zu gehen, wandte Er sich noch einmal um, kam nach vorn und sagte:

Ich weiß, Sie möchten mich noch nicht verlassen, und ich 
möchte noch nicht von Ihnen weggehen.

Er blieb noch einen Augenblick stehen und schaute langsam durch die Reihen. Dann verabschiedete Er sich noch einmal und ging.

Stuttgart war die letzte Station des Meisters in Deutschland. Am nächsen Morgen ging es weiter nach Zürich. Für einige der Lieben bedeutete das das Ende ihres Zusammenseins mit dem Meister, und so kamen sie noch einmal mit zum Flughafen, um sich von Ihm zu verabschieden. Doch - wo ein Wille ist, da ist ist auch ein Weg! - Und so sahen wir einige von denen, die uns in Stuttgart mit so traurigem Gesicht nachgesehen hatten, in Zürich nach ein paar Stunden wieder- diesmal strahlend! „Der Meister hat geholfen, daß wir doch noch kommen konnten!“, war ihre Erklärung.

Der Flug nach Zürich dauerte nur eine halbe Stunde. Nach der Ankunft fuhren der Meister und Seine Party direkt zum Hotel „Nova-Park“.
Der „Nova-Park“ ist ein sehr großes, hypermodernes Hotel, indem man sich zunächst vorkam, als wäre man auf einen anderen Planeten versetzt. Viele von uns waren von der „sterilen Atmosphäre“ der mit grell-farbigen Kunstoffmöbeln eingerichteten Räume unangenehm berührt oder sogar bedrückt bei dem Gedanken, daß der Meister sich hier aufhalten sollte. Auf Seinem Weg zum Vortragsraum mußte der Meister immer eine Art Bar- und Dinerraum passieren, der mit popfarbenen Clubsesseln und Fernsehmonitor an jedem Tisch ausgestattet war, und wo die Menschen sich bei Barbeleuchtung und Jazz-Berieselung unterhielten. - Als der Meister das erste Mal durch diesen Raum ging, sah er sich das alles, wie es schien, interessiert aber natürlich völlig unberührt an. Wir dagegen hatten uns zunächst einmal mit dieser „weltlichen“ Atmospähre identifiziert.

In Seinem ersten Gespräch behandelte der Meister die beiden wesentlichen Aspekte des Pfades: 1) Wir müssen uns auf das Verlassen des Körpers, de Tod, vorbereiten und 2) Wir müssen Gott lieben. Er sagte, daß wir wieder wie die Kinder werden müßten.

Wir haben uns im Laufe unseres Lebens immer weiter vom ursprünglichen Bewußtsein des Kindes entfernt, indem wir uns mehr und mehr mit den äußeren Eindrücken identifiziert haben. Wir müssen den Körper und alles, was damit zusammenhängt, verlassen. Der letzte Feind, den wir zu besiegen haben, ist der Tod. Der Todeskampf ist eine schhreckliche Agonie. So sollten wir lernen, freiwillig im Leben zu sterben , uns willentlich vom Körper zurückzuziehen. Hat man diese Fähigkeit erlangt, ist der Tod kein Schreckgespenst mehr, sondern eine Freude. Seht einen Schüler des Meisters sterben! Er freut sich auf den Tod, den Moment, wo er das Gefängnis des physischen Körpers verlassen darf, um in die höheren spirituellen Bereiche aufzusteigen.

Der Meister erzählte dann eine Begebenheit aus dem Leben Buddhas. Als Prinz Gautama war dieser bei einer Fahrt durch die Stadt nacheinander mit dem Problem des Alters, der Krankheit und des Todes in Gestalt eines alten, gebrechlichen Mannes, eines im Todeskampfe liegenden Kranken und einer Verbrennungsprozession begegnet. Dieses Erlebnis hatte den Prinzen im Innersten aufgewühlt, und er wandte sich noch am selben Tage von allem weltlichen Reichtum ab und ging in die Einsamkeit, um das Mysterium des Todes zu lösen.

Unser Gemüt ist ständig mit der Frage beschäftigt, wie es glücklich werden kann, aber bei aller Suche ist es nicht glücklich.

Alles, was wir haben, auch unser erster Begleiter, der Körper, muß zum Zeitpunkt des Todes verlassen werden. Wir sollten mit Gott in Berührung kommen, aber statt dessen haben wir uns mit der Materie verbunden. Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von ganzer Seele. Gott ist Liebe, die Seele ist auch Liebe, da sie von der gleichen Substanz ist wie Gott. Der Weg zurück zu Gott führt auch über die Liebe.

Wenn ihr euch der beiden Aspekte von Naam - dem Licht und dem Ton im Innern - erfreut, werdet ihr mehr Liebe zu Gott entwickeln.

Somit ist die wichtigste Aufgabe, auf den Tod, das Verlassen des Körpers, vorbereitet zu sein, und die andere Aufgabe ist, Gott zu lieben.

Der Meister sprach manchmal sehr leise und sehr sanft, aber seine Worte waren dadurch umso eindringlicher.
Er sagte, wir sollten unsere Lebensspanne für etwas Wesentliches nutzen, und forderte uns auf, darüber nachzudenken, ob wir bisher in unserem Leben etwas Wesentliches getan hätten.

Habt ihr gelernt, euch über das Körperbewußtsein zu 
erheben?

Am nächsten Morgen gab uns der Meister erneut eine Meditation. Anschließend beantwortete er Fragen, die dem Übersetzer, Herrn Lettow, schriftlich gegeben worden waren und die er dem Meister vortrug.
Eine Frage ging dahin, ob wir die Lehre des Meistes nicht verbreiten sollten, worauf der Meister antwortete:

Wir sollten nur solchen Menschen einen Hinweis geben, die ernsthaft interessiert sind. Wir können einiges erklären, aber wir sollten „keine Perlen vor die Säue werfen“. Der Weg ist ein verborgener Weg, es ist eine verborgene Wissenschaft, und wir sollten mit niemandem über die inneren Erfahrungen sprechen. Wir sollten sorgfältig auswählen, mit wem wir über den Weg der Meister sprechen.

Eine andere Empfehlung, die ich immer gebe, ist die, immer nur eine Sache auf einmal zu tun. Zieht eine Schublade heraus und richtet eue ganze Aufmerksamkeit darauf. Dann schließt diese Schublade und zieht die nächste heraus, um wiederum eure volle Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ich empfehle euch, Biografien bedeutender Persönlichkeiten zu lesen. Ich habe, als ich jung war, etwa 300 Biografien gelesen. - Wir können viel lernen von dem Beispiel großer Menschen.
Napoleon war ein Muster für das, was ich euch eben geraten habe: Es gibt eine Anekdote, wonach er am Morgen der Schlacht von Waterloo in seinem Park spazieren ging und über Erziehungsprobleme nachdachte. Er war voll darauf konzentriert, als einer seiner Generäle eine Stunde vor Beginn der Schlacht zu ihm gestürzt kam und fragte: „Sire, was tut Ihr? In einer Stunde soll die Schlacht beginnen, und Ihr seid in Erziehungsprobleme vertieft!“ - „Nun, die Schlacht beginnt um 09:00 Uhr, und jetzt ist es 08:00 Uhr.“ - war die Antwort Napoleons.

Die nächste Frage lautete: „Wenn man Meinungsverschiedenheiten hat und überzeugt ist, daß der andere im Irrtum ist, sollte man dann versuchen, ihn umzustimmen?

Antwort:

Wenn Meinungsverschiedenheiten auftauchen, habt Kultur. Kultur bedeutet Selbstdiziplin. Versucht nicht, anderen eure Meinung aufzuzwingen. Wissen bedeutet Dienen und Mitgefühl für den anderen, dies macht wahre Kultur des Herzens aus. Gebt ein Beispiel dafür. Habt Achtung für alle ,die euch unterstellt sind, und für alle, die über und neben euch stehen.

Jemand bat den Meister, etwas über den Stand der Arbeit am Manav Kendra-Projekt und seinen Zweck zu sagen.
Der Meister antwortete, daß in Manav Kendra ein Zentrum für den Menschen entstehe. - Dieses Zentrum soll in erster Linie seiner spirituellen Entwicklung dienen. Da wir Kinder Gottes sind, bewußte Wesen, ist das erste Ziel „man making“, die Heranbildung zum Menschen. Der zweite Aspekt ist der Dienst am Menschen. So wurden zwei Krankenhäuser gebaut, Altersheime sind geplant bzw. im Bau, und Schulen werden errichtet. Weiterhin wird in Manav Kendra auf ein gesundes Leben Wert gelegt. Zu diesem Zweck werden Gemüsepflanzungen angelegt und Kühe für den Eigenbedarf an Milch gehalten. So dient dieses Projekt drei Zielen: 1) der spirituellen Entwicklung, 2) dem Dienst am Menschen und 3) dem Dienst am Land.

Der Meister wurde gefragt, ob die Menschen im Westen nicht zuerst eine andere, eine wissenschaftliche Vorbereitung brauchten, bevor sie den Weg des Meisters gehen könnten.

Er antwortete, daß der Weg für alle geeignet sei, ob sie an Gott glaubten oder nicht.

Es ist ein wissenschaftlicher Weg, der sich an den gesunden Menschenverstand richtet. Die Wissenschaft hat schon vieles erkannt und sie ist mit ihren Erkenntnissen auf dem Wege zur Religion.

Gefühle, Schlußfolgerungen usw. sind dem Irrtum unterworfen. Der Weg der Meiser ist ein Weg der praktischen Erfahrung; die Seele, die sich von außen zurückzieht und sich über den Körper erhebt, macht die gleiche Erfahrung wie beim Tod.

Wenn wir innere Erfahrung haben, werden mit der Zeit alle Fragen von selbst gelöst.

Auf dem letzten Zettel stand:

„Ich habe keine Frage. Ich habe nur das Bedürfnis, dem Meister für Seine Liebe zu danken und dafür, daß Er eine so große Last auf sich genommen hat.“

Die Antwort des Meisters war:

Es besteht kein Grund, mir zu danken. Dafür bin ich ja 
hier. Gott tut alles. Ich nehme die Gelegenheit wahr, euch 
darzulegen, was ich selbst erfahren habe. Gott sorgt für 
alles.

In Seinem öffentlichen Vortrag, der am Abend im Saal „Kaufleuten“, Zürich, stattfand, sprach der Meister ausführlich über den praktischen Weg der Selbstanalyse, den die Meister lehren, und der uns durch Ihre Führung zurück zu Gott bringt. Er sprach von dem Zauber des inneren Lichts und der inneren Musik, der tausend Mal größer ist als der der äußeren. Um äußere Musik hervorzubringen, braucht man ein Instrument, das die Schwingungen erzeugt, während die innere Musik ewig aus sich selbst ertönt. Wir müssen während des Lebens mit ihr in Verbindung kommen, indem wir lernen, im Leben zu sterben. Dies wird der „Tod im Leben“ genannt. Gott ist Licht, und das innere Licht ist tausend Mal schöner als das Licht der Welt.

 

 

Mailand

Die zweitletzte Station des Meisters innerhalb Mitteleuropas war Mailand. Der Meister verließ das Hotel „Nova-Park“ in Zürich um 09:00 Uhr, um zum Flughafen zu fahren. Er wurde von etwa 20 Satsangis begleitet. Im Flughafengebäude setzte Er sich dann wie gewöhnlich in den Aufenthaltsraum, so daß wir alle die Gelegenheit hatten, uns im Kreis um Ihn zu versammeln und schweigend Seinen Darshan zu haben. Der Flug über die Alpen war herrlich, obwohl die höchsten Berge leider von einer dichten Wolkendecke verhüllt waren.

Während des Fluges kam auf einmal ein Steward zu uns und fragte einen Satsangi, der in der Nähe des Meisters saß, sehr interssiert nach Ihm. Er stellte so viele Fragen, daß die Zeit viel zu knapp war, um sie alle zu beantworten. Wir sagten ihm, daß in Mailand ein öffentlicher Vortrag des Meisters stattfinden würde, und er versicherte, er werde dorthin gehen, wenn es ihm nur irgendwie möglich sein werde. In diesem Moment schaute sich Gyani Ji um, der zusammen mit dem Meister vor uns saß, und gab dem Steward ein Exemplar des „Man, know thyself - Mensch, erkenne dich selbst“, das dieser dankbar annahm. Der Meister kam diesmal in Begleitung von nur sechs Satsangis. Die meisten, die noch Gelegenheit hatten, sich einige Zeit freizunehmen, waren von Zürich aus direkt nach Paris gefahren. Einige kamen jedoch noch im Laufe des Nachmittags im Hotel Bristol, in dem der Meister in Mailand wohnte, an.

Um 16:00 Uhr sollte der erste Satsang stattfinden. Wegen eines persönlichen Gesprächs, um das Er kurzfristig gebeten wurde, kam der Meister eine halbe Stunde später herunter, so daß wir während dieser Zeit noch in Seinem Gedenken zusammensitzen konnten.

Während dieses ersten Satsangs, zu dem teils Initiierte, teils Interessenten kamen, war die Atmosphäre um den Meister heiter und voller Frieden. Ähnlich wie in Berlin saßen wir wie Seine Kinder um Ihn herum zu Seinen Füßen auf dem Boden, und Er sprach zu uns auf so einfache und natürliche Weise und unaussprechlich liebevoll. - Jedes Mal, wenn wir an einen neuen Ort kamen, wo Satsangis warteten, die den Meister während dieser Reise zum ersten Mal sahen, schaute Er diese erst einmal liebevoll an und sagte daß Er sich freue, sie nach einer so langen Zeit zu sehen.

Der Meister sprach über den großen Segen, den menschlichen Körper erhalten zu haben. Weiterhin sagte Er:

Wir sind von Gott dazu auserwählt, den lebenden Meister zu 
treffen, der uns mit der Gotteskraft in uns verbindet.

Nach diesem Gespräch baten Ihn viele der Lieben, persönliche Fragen stellen zu dürfen. Sie wurden freundlich gebeten, am nächsten Tag wieder ins Hotel zu kommen.

Inzwischen waren auch etwa 15 Satsangis aus Zürich eingetroffen und noch viele Initiiterte und Interessenten aus Mailand.

Am Abend fuhren wir zum Yoga-Zentrum von Mailand, um dort die öffentliche Ansprache zu hören. Wir kamen dort um 21:15 Uhr an und waren zunächst etwas betroffen: Wir mußten eine schmale Treppe hinuntersteigen, dann kamen wir in einen wenig beleuchteten Kellerraum, in dem die Menschen sehr eng zusamensaßen, die meisten von ihnen auf dem Boden. Man sah hauptsächlich junge Leute, insgesamt etwa 250. Überall wurde laut gesprochen, selbst als der Meister schon im Raum war. Die Atmosphäre unterschied sich völlig von dem bisher Erlebten.

Aber der Meister achtete nicht auf diese äußeren Dinge. Er sprach hier genauso lange wie gewöhnlich, und Seine Ausführungen hatten das gleiche Thema: Der Zweck des menschlichen Lebens ist es, sich über das Körperbewußtsein zu erheben in die Welt des Jenseits. Wir haben diesen Körper erhalten, um darin Gott zu erkennen.

Im weiteren Verlauf ging der Meister kurz auf die verschiedenen Yoga-Systeme ein. Er sagte, daß jeder Yoga seine eigene begrenzte Reichweite habe und daß allein der Surat Shabd Yoga die Seele zurück zu Gott führen könne. - Während die Yogis oft hundert Jahre benötigen, um sich über das Körperbewußtsein zu erheben, geben die Meister schon bei der erten Sitzung eine Ersthand-Erfahrung. Bei regelmäßiger Übung kann dieses Kapital schnell entwickelt werden, so daß wir nicht so lange zu warten brauchen wie bei anderen Systemen.

Liebt Gott - das ist der Weg zurück zu Gott.

Nachdem der Meister seinen Vortrag beendet hatte, wurden noch einige Fragen gestellt. Eine davon bezog sich nochmals auf den Unterschied zwischen dem Surat Shabd Yoga un dem klassischen Yoga, wie er von Patanjali gelehrt wurde.

Die Antwort des Meisters war: Der Surat Shabd Yoga beginnt schon am sechsten Chakra, das hinter und zwischen den Augen liegt. Man muß nicht erst die fünf unteren - eines nach dem anderen übersteigen. De Weg der Meister ist der natürliche Weg, den jeder gehen kann.

Ein Herr stellte sehr aufgeregt Fragen und ließ den Meister kaum noch zu Wort kommen. Doch Er antwortete ihm mit gleichbleibender Geduld, während die meisten im Raum sehr nervös wurden. Einer der Satsangis konnte nicht länger an sich halten und versuchte, den Mann zu unterbrechen und ihn daran zu hindern, weiter auf diese Weise auf den Meister einzureden. Aber der Meister wies den Satsangi zurecht, indem Er sagte: „Nein, laß ihn, er ist willkommen.“ - Es stellte sich übrigens heraus, daß dieser Herr am nächsten Tag zur Intiation kam und angenommen wurde. - So gab uns der Meister an diesem Abend wieder ein Beispiel wahrer Toleranz.

Bevor Er gehen konnte, kamen noch viele der jungen Leute mit Fragen zum Meister, die sich hauptsächlich auf die Initiation bezogen, welche für den nächsten Morgen geplant war.

Das Programm des nächsten Tages begann um 10:00 Uhr mit der Initiation, die bis 13:00 Uhr dauerte. Es wurden etwa 60 Menschen initiiert.

Am Nachmittag hatten die Satsangis Gelegenheit, dem Meister Fragen zu stellen.

Die erste Frage lautete: „Wenn man überzeugt ist, daß ein anderer im Irrtum ist, sollte man ihn korrigieren?“

Antwort:

Man sollte in einem Gespräch von Herz zu Herz seine eigene 
Meinung mit Geduld darlegen, aber man sollte nicht 
versuchen, sie jemandem aufzuzwingen. Es sollte immer in 
einer bescheidenen Weise geschehen, ohne irgendwelchen 
Nachdruck.

„Bedeutet der Körper des Meisters mehr als der anderer Menschen?“

Nein, die Meister sind auf genau die gleiche Weise geboren, wie alle anderen. Sie haben keine langen Zähne, nicht wahr? - Auf der äußeren Ebene sind sie Menschen. Die Größe eines Meisters kann nur der erkennen, der sich genauso weit entwickelt hat wie Er.
Je mehr man wächst, desto bescheidener wird man.

„Wenn wir handeln, ist es dann der Meister, der durch uns handelt, oder sind wir es?“

Wenn ihr eine Marionette in den Händen des Meisters 
geworden seid, dann ist es natürlich der Meister, der 
durch euch handelt, andernfalls? ...

Anschließend erklärte der Meister, daß Ehrlichkeit der beste Weg sei, um fortzuschreiten. Der Meister wünscht, daß wir so werden, wie Er selbst. Nicht weniger. - Er sagt diese Worte sehr leise, und wenn man sich für seine Liebe öffnet, wird man merken, wie sehr Er das wünscht:

Geht auf dem Weg ehrlich, ernsthaft und ergeben. Andernfalls könnte ihr keinen Fortschritt machen, ihr könnt dann nicht den vollen Nutzen aus dem ziehen, was ihr bekommen habt.

Wir sollten auf jeden Fall zwei Stunden täglich meditieren. Dies ist das Minimum und unsere Pflicht. Alles, was wir darüber hinaus tun, wird zur Freude Gottes sein. Ich bitte euch dringend, in Verbindung mit mir zu bleiben. Ihr solltet eure Tagebücher regelmäßig einschicken, so daß ihr Führung bekommen könnt. Wenn ihr glaubt, einen besseren Weg gefunden zu haben - ich glaube nicht, daß ihr einen besseren findet - aber wenn ihr es glaubt, dann geht ihn. Aber geht nicht allein, nehmt mich mit, weil wir alle Wahrheitssucher sind.

Und nochmals betonte der Meister, daß wir in Verbindung mit Ihm bleiben sollen. Die äußere Entfernung zwischen dem Meister und dem Schüler zählt nicht, sondern allein die Empfänglichkeit. Sie ist der einzige Maßstab. Der Schüler mag jenseits der sieben Meere leben und der Meister auf der anderen Seite. Wenn er Empfänglichkeit entwickelt hat, wird er Gott näher sein als einer, der jahrelang in der physischen Gegenwart des Meisters lebt, aber keine Empfänglichkeit hat.

Besucht den Satsang! Gott ist dort. Versäumt lieber tausend Pflichten, aber geht zum Satsang! Meditiert regelmäßig! Vergeßt die ganze Welt - wo werdet ihr das Wasser und das Brot des Lebens bekommen. Setzt regelmäßige Zeit für eure Meditation ein. Bleibt in Verbindung! - Wenn es ihre Zeit erlaubt, mag Frau Fitting zu den einzelnenen Satsanggruppen kommen, um ihnen einen Auftrieb zu geben. Gott segne euch alle!

Die letzten Worte hatte der Meister sehr eindringlich gesagt, wahrscheinlich, weil so viele neu initiiert worden waren, die vorher noch wenig von den Lehren gehört hatten. Welche Verantwortung nahm der Meister für so viele Seelen auf sich!

 

Paris

Für den Aufenthalt in Paris waren ursprünglich nur zwei Tage vorgesehen, wie für alle anderen Städte. Da aber der Meister noch während der Reise entschied, nicht nach Malta zu gehen, standen diese beiden Tage noch für Paris zur Verfügung.

So flog der Meister am Donnerstag, dem 7. September, um 10:00 Uhr von Mailand ab und erreichte ungefähr 1 ½ Stunden später Paris. Mit Ihm und seiner Party flogen diesmal elf Satsangis, und etwa 30 bis 35 weitere kamen auf dem Landweg - meist von Zürich aus - nach Paris. Zusammen mit den Pariser Satsangis waren am ersten Nachmittag etwa 100 Menschen im Hotel „Saint James et d’Albany“ auf der Rue de Rivoli zum Satsang gekommen.

Das Thema war die Bedeutung des lebenden Meisters und die Notwendigkeit, sich von den äußeren Bindungen zu befreien.

Wir müssen das Mysterium des Lebens lösen. Dieser Körper hat nur so lange einen Wert, als er vond er Seele belebt ist, der kontrollierenden Kraft, die in ihm wirkt. Sobald sich die Seele im Augenblick des Todes zurückzieht, bleibt der als leblose Materie zurück. Wir müssen den Körper verlassen. Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme. Der Körper ist unser erster Gefährte in dieser Welt, und im Laufe unseres Lebens binden wir uns mehr und mehr an die äußeren Dinge, mit denen wir durch den Körper in Berührung kommen. Wir sollten den eigentlichen Zweck verstehen, für den wir diesen Körper erhalten haben: Er ist die goldene Gelegenheit, unser wahres Selbst und Gott zu erkennen. Gott ist Liebe, und die Seele ist von der gleichen Substanz wie Gott. Alle Meister haben gesagt: Liebe Gott, den Herrn, von ganzem Herzen und mit all deiner Kraft. - Das ist der Weg zurück zu Gott.

Die Liebe zu äußeren Dingen ist keine Liebe, sondern Verhaftetsein. Löst euch von den äußeren Bindungen. Diese Welt ist nicht eure wahre Heimat. Ihr seid auch nicht der Körper, sondern der Bewohner des Körpers. Beides müssen wir einmal verlassen. So bindet eure Liebe an etwas Bleibendes, und das ist Gott. Die Meister haben Mitleid mit uns und sie zeigen uns den Weg zurück zu Gott. Sie sagen: Wir müssen das Körperbewußtsein übersteigen, wir müssen uns über die Welt der Täuschung erheben.

Die Worte des Meisters haben eine ungeheure Kraft durch ihre Wiederholung. Es ist nicht genung, die Lehren des Meisters intellektuell zu verstehen, sondern wir müssen sie wirklich zu einem Bestandteil von uns machen. Seine Worte sind geladen mit der Meisterkraft und durch ihre Wiederholung ziehen sie das zerstreute Gemüt an wie ein gewaltiger Magnet, um es auf diese Weise für Seine Ausstrahlung empfänglich zu machen. Oft erlebte ich, daß ich, ohne mir dessen sofort bewußt zu sein, in Gedanken dauernd irgendeinen Satz des Meisters wiederholte, der sich mir besonders eingeprägt hatte, und ich merkte dabei, wie eine Kraft davon ausging, die das Bewußtsein unwillkürlich zum Augenbrennpunkt lenkte, dem Simran vergleichbar. So ging es mir vor allem mit den Worten. „You must rise above body consciousness. - Ihr müßt euch über das Körperbewußtsein erheben.“ und: „God is love, and love is God, and the way back to God is also love. - Gott ist Liebe, und Liebe ist Gott, und der Weg zurück zu Gott ist auch Liebe.“

Die Lehren des Meisters sind so einfach, und so sind es auch Seine Worte und die Art, in der Er spricht. Immer wieder ist man verwundert über die völlige Übereinstimmung zwischen Seinen Worten, Seinen Gesten und der Kraft, die von Ihm ausgeht! Wie oft kamen mir in Seiner Gegenwart die Worte in den Sinn: „Kommt heim, meine Kinder, ich warte auf euch!“

Der Satsang am nächsten Vormittag begann mit einer Meditation. Auch hier gab Er ganz genaue Anweisungen in Bezug auf die richtige Art der Meditation. Er sagt, der beste Weg der Vorbereitung für die Meditation sei das Gebet.

Betet in einer bescheidenen und aufrichtigen Haltung, daß 
der Meister euch emporheben möge. Dies wird von großer 
Hilfe sein.

Nach der Meditation gab Er uns Gelegenheit, Fragen zu stellen. Jemand sagte, es sei sehr schwer, dem Meister zu glauben, wenn man bei der Initiation keine innere Erfahrung gehabt hätte, von der in den Schriften die Rede sei.

Der Meister erklärte, daß Er von niemanden blinden Glauben erwarte. Wirklich glauben bedeute, gesehen zu haben. Er erinnerte an das Ergebnis der Meditation an diesem Morgen und sagte dazu:

Wenn von 100 Menschen in diesem Raum vier nichts gesehen haben und alle übrigen eine Erfahrung des Lichts hatten, dann bedeutet das nicht, daß das, was der Meister sagte, nicht richtig ist. Wenn man keine Erfahrung hat, dann liegt das nur an irgendwelchen Fehlern, die man bei der Meditation macht. - Wie gering die Anfangserfahrung auch sein mag, sie hängt von dem Hintergrund des einzelnen ab; der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Man muß ein Kapital haben, mit dem man beginnen kann. Das Wort „Guru“ bedeutet, daß diese Person fähig ist, den Schleier zu zerreißen.

Auch hier in Paris kam die Frage auf, was Selbstunterwerfung bedeute. - Der Meister erzählte daraufhin eine Geschichte von Guru Amar Das, die ein sehr eindrucksvolles Zeugnis wahrer Selbstunterwerfung ist: Der Guru wollte prüfen, wie weit die Ergebenheit und das Vertrauen Seiner Schüler zu Ihm entwickelt war und so befahl Er eines Tages, an einem bestimmten Platz Terassen zu bauen. Als die Schüler diese Arbeit fast beendet hatten, erklärte der Meister auf einmal, Er habe sich in der Stelle geirrt und sie sollten die Terassen wieder abreißen, um sie an einer anderen Stelle wieder aufzubauen. - Dies wiederholte Er mehrere Male, bis immer mehr Seiner Schüler sagten, der Meister sei alt geworden und Sein Verstand habe offensichtlich gelitten. Und so kam es, daß schließlich nur noch ein einziger Schüler beim Bau der Terassen blieb - der Nachfolger von Guru Amar Das, Dayanand Lal. Auf die Frage, warum er nicht auch gegangen sei wie die anderen , antwortete der ergebene Schüler mit Tränen in den Augen: „Meister, Ihr seid Allweisheit, Ihr allein seid vollkommen, was immer Ihr sagt und tut ist richtig. Wie könnte ich Euch da verlassen?“

Der Meister erklärte, daß der Weg zu einer solchen Ergebenheit über die Selbstdispziplin führe, die dann nach und nach zur Selbstunterwerfung werde.

Während des Satsangs, einige Zeit nach der Meditation, hatte auf einmal eine Frau laut zu schluchzen angefangen, und selbst, als man sie nach draußen geführt hatte, hörte man noch ihr lautes Weinen. Jemand fragte nun den Meister, wie Er diese Reaktion erkläre. Der Meister antwortete darauf ganz einfach ohne der Begebenheit größere Bedeutung beizumessen, wie es schien:

Wenn jemand eine höhere Erfahrung gehabt hat, so ist dies 
eine natürliche Reaktion. Wenn du nach langer Zeit einen 
Freund wiedersiehst, wirst du aus liebe weinen.

Am Schluß wurde wie immer das weitere Programm festgelegt. Dabei sagte der Meister, wir sollten doch möglichst pünktlich kommen, da wir sonst etwas verpassen könnten. - Es waren zu diesem Satsang mehrere nach und nach einzeln hereingekommen, als der Meister schon eine Weile sprach. - Irgendwie schämte man sich in diesem Moment dem Meister gegenüber, daß es nötig war, uns auf so etwas aufmerksam zu machen.

Am Nachmittag trafen wir uns um 16:30 Uhr. - Wenn ich jetzt, nachdem die Tage in der Gegenwart des Meisters vorüber sind, daran denke, daß wir in dieser Zeit tatsächlich zwei bis drei Satsangs am Tag mit dem Meister hatten, so merke ich erst jetzt - hinterher! - wie kostbar jede einzelne Minute war. Aber leider neigt das Gemüt selbst in der Gegenwart des Meisters dazu, sich auch an so Großes nach kurzer Zeit zu gewöhnen, so daß es längst nicht jeden Augenblick, nicht einmal jede Stunde, wach genung ist, um den vollen Nutzen zu haben.
Oft, wenn ich micht auf einmal dabei ertappte, daß ich müde oder geistesabwesend war, mußte ich mein träges Gemüt erst wieder zur Aufmerksamkeit zwingen, indem ich mir die Bedeutung dieser Tage vor Augen führte und mich erinnerte, wie lange wir auf den Moment gewartet hatten, wo wir in der physischen Gegenwart des Meisters sein würden. - Eine der größten Täuschungen des Gemüts ist wohl die, daß es immer in Zeitzusammenhängen denkt und so nicht in der Lage ist, ganz in der Gegenwart zu leben, die allein von Bedeutung ist.

Der Meister erklärte uns an diesem Nachmittag die wechselseitige Beziehung zwischen der Reinigung des Gemüts und dem Fortschritt in der Meditation:

Haltet euer Haus sauber. Gott ist bereits in euch, aber Er kann sich nicht in einem Haus offenbaren, das noch voller Schmutz ist. Ihr werdet nicht erwarten, daß der Herr in einem solchen Haus wohnt ...

Gott können wir nur ganz allein treffen. Niemand kann uns dabei helfen, wir können niemanden mitnehmen. Wir müssen auch die Sinne zurücklassen.

Es gibt Tiere, die von einem einzigen Sinn besonders beherrscht werden. Die Folge davon ist, daß sie in irgendeine Falle laufen - und so müssen sie sterben. Wie aber steht es mit den Menschen, die unter der Herrschaft aller fünf Sinne stehen? Auch sie müssen sterben. So ist die Reinheit des Herzens von größter Wichtigkeit. Christus hat gesagt: „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ - Was bedeutet Reinheit? Wenn unsere ganze Aufmerksamkeit an einer einzigen Stelle konzentriert ist, so wird das Reinheit genannt.

Was wollt ihr? Welches ist die vorherrschende Leidenschaft in eurem Leben? Was ist das Ziel? Was ist das Ziel, das ihr euch für euer Leben gesteckt habt? Wir müssen dies klar entscheiden. Es ist nicht nötig, die Welt zu verlassen und in die Einsamkeit der Berge zu gehen. Wir müssen unsere Pflichten gegenüber unserer Familie und anderen Aufgaben gewissenhaft erfüllen. - Wir sind aufgrund vergangener Karmas zusammengeführt worden, aber wir müssen uns ein klares Ziel setzen. Gegenwärtig wollen wir manchmal dies, dann wieder jenes, und so graben wir ständig neue Löcher in den Boden, ohne jemals auf Wasser zu stoßen. Bevor wir nicht eine höhere Wonne erlangt haben, werden wir nicht die äußeren Vergnügungen aufgeben. Wir werden fortfahren, diese äußeren Freuden zu suchen und werden nicht glücklich werden.

Wir sind sehr unglücklich. Was ist es, durch dessen Kenntnis man für immer zufrieden ist? Christus sagte: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten.“

Unser wichtigste Aufgabe ist es, unser Haus zu reinigen. Wie können wir davon träumen, daß der König der Könige in einem schmutzigen Haus wohnen wird? Wenn ein Herz rein ist, so wid Er natürlich erscheinen. Das innere Licht ist da, um euch emporzuziehen. Gott hat die Meister in die Welt geschickt, um Seine Kinder zurückzubringen

Bringe sie zurück, denn ich möchte sie glücklich sehen! Ihr müßt von neuem geboren werden.

Am Nachmittag beantwortete der Meister wieder Fragen:

„Warum haben wir die Heimat unseres Vaters verlassen?“

Der Meister antwortete, daß dies natürlich eine sehr wichtige Frage sei, daß sie aber eher aus dem Intellekt kommt. Er fuhr fort:

Wir müssen Ihn im Innern finden, um die Antwort auf diese Frage zu erhalten. Es ist Gott, der uns hierher gesandt hat, und wenn wir unglücklich sind, wird er uns an einen Ort bringen, wo wir Trost finden. Gott ist überall. Ihr seid seine Kinder. Gott ist Liebe, und ihr seid es auch. Warum haben wird das vergessen? Die Meister bringen uns die Religion der Liebe. Vergeßt Gott nicht! Geht zurück zu Ihm! Geht in eure wahre Heimat! Gott hat die Meister zu uns gesandt. Sie nehmen sich ihrer Kinder an. Die wichtigste Frage für uns ist, wie wir Liebe zu Ihm entwickeln können. - Wir lieben unsere Familie, unsere Freunde, unser Land, unsere Religion. Jene, die Gott lieben, gehen zu Ihm zurück. Wir müssen die Geselleschaft jener suchen, die Gott lieben und nicht die derer, die die Welt lieben. Laßt alle Bücher beiseite - liebt nur Gott! Gott ist Liebe, und wir sind von der gleichen Substanz wie Gott. Liebt Gott, liebt jeden Menschen, liebt seine ganze Schöpfung! Die Heiligen bringen nur eine Religion, die Religion der Liebe.

Am Abend folgte der Meister einer Einladung des Direktors der „Moschee von Paris“. M. Boubakeur. M. Boubakeur war bereits zwei Mal im Sawan-Ashram gewesen und hatte, als er von der Weltreise des Meisters hörte, die Gelegenheit wahrgenommen, Ihn in die Moschee einzuladen. Er hieß auch alle Satsangis willkommen.

Die meisten von uns trafen schon einige Zeit vor der Ankunft des Meisters dort ein. M. Boubakeur begrüßte uns in einem Vorraum der Moschee und bat uns sehr freundlcih, dort so lange zu warten, bis der Meister komme, da es nicht anginge, daß jemand vor Ihm die Moschee betrete. Er hatte offensichtlich eine sehr hohe Achtung vor dem Meister.

Als der Meister kam, führte er Ihn und die Satsangis in einen der Innenräume der Moschee. Ich blickte erst einmal verstohlen im Raum umher, denn ich war von der kostbaren Einrichtung, die sehr fein und geschmackvoll war - nicht prunkvoll und überladen - sehr beeindruckt. Es war ein kleienr Raum mit Wandteppichen, kostbaren Leuchtern und anderen Dingen geschmückt. Gegenüber dem Eingang stand ein langer, schmaler Tisch mit Sitzbänken darum, quer zu den Stühlen, auf denen wir saßen. M. Boubakeur bat den Meister, vorn an diesem Tisch Platz zu nehmen, zusammen mit zwei weiteren mohammedanischen Würdenträgern und einigen Satsangis. Man staunte, wie herzlich und natürlich alles verlief, ohne irgenwelches Ritual, ohne Konvention. Zunächst begrüßte M. Boubakeur den Meister und dankte Ihm dafür, daß Er ihm den Wunsch erfüllt hatte, hierher zu kommen. Er erwähnte dann seinen zweimaligen Aufenthalt im Ashram in Delhi und seine Teilnahme an einer der dortigen Konferenzen der Weltgemeinschaft der Religionen, die der Meister geleitet hatte. Er sagte, es sei ein historisches Ereignis in den Annalen der Moschee, den Meister hier empfangen zu dürfen, der ein Pionier der Spiritualität unserer Zeit sei und für die Versöhnung, Freundschaft und Einigkeit aller Glaubensbekenntnisse wirke.

Als er geendet hatte, hielt der Meister eine Ansprache, von der im folgenden einige Auszüge wiedergegeben sind. Nachdem Er zunächst M. Boubakeur sehr herzlich für seine liebevollen Worte gedankt hatte, fuhr Er fort:

Wir sind alle eins. Der innere Weg ist derselbe für alle. Die Gotteskraft ist in uns und kontrolliert uns genauso wie das Universum. Wir sind nur Marionetten in seinen Händen. Die Meister sind von Zeit zu Zeit in die Welt gekommen, um diese Wahrheit neu zu beleben.

Sie sagen: Gott ist Liebe, und der Weg zurück zu Gott ist auch Liebe. Liebe Gott mit deinem ganzen Herzen und, da Gott in jedem Herzen wohnt, liebe auch deinen Bruder. Alle Uneinigkeit zwischen den Religionen entsteht nur durch die Engherzigkeit der Menschen. Sie glauben sich von Gott getrennt und sehen nicht, daß Gott in allen wirkt.

Und direkt an M. Boubakeur gewandt sagte Er:

Alle religiösen Führer sollten sich um die Einheit 
bemühen. Bringt die Welt zusammen! - Maulana Rumi hat 
gesagt:

„Wir wissen so viel über unseren Körper und den Intellekt, 
aber was wissen wir von unserem wahren Selbst?“ - und: 
„Nehmt den menschlichen Körper als die wahre Kaaba.“

Der Meister zitierte hier in der Moschee noch mehrmals die großen Moslem-Heiligen, während Er bei anderen Vorträgen, die vor allem von Christen besucht wurden, besonders häufig die Worte von Jesus Christus wiedergab. So geht Er immer liebevoll auf Seine Zuhörer ein, indem Er die Worte der ihnen am besten bekannten Menschheitslehrer anführt.

Es ist ein großer Segen, den menschlichen Körper erhalten zu haben. Gott wohnt darin und wir auch. Aber es ist bedauerlich, daß wir nicht zu Ihm sprechen können. Warum können wir es nicht? - Wir müssen uns zuerst über das Körperbewußtsein erheben.

Das Gemüt wird von lieblichen Melodien und schönene Dingen angezogen. Wenn es einmal die inneren Wonnen gekostet hat, verläßt es von selbst die äußeren Freuden. O Mensch, ziehe dich von außen zurück und gehe nach innen!

Wenn ihr Gott liebt, werden euch alle anderen Dinge zufallen. Wenn unser Wunsch, Gott wiederzufinden, groß genug ist, trifft Er Vorkehrungen, um uns zu ihm zurückzubringen.

Der Meister schloß Seine Ansprache mit den Worten:

Wir sind alle Brüder und Schwestern in Gott. Wir sind 
glücklich, daß wir zusammen sind, um die alten Lehren zu 
verstehen.

Dann wandte Er sich nochmals an M. Boubakeur, der neben Ihm saß:

Ich freue mich, daß wir dieses Gespräch miteinander 
hatten. Ich bin jetzt hierher nach Paris gekommen, wann 
werden Sie in den Ashram nach Indien kommen?

M. Boubakeur antwortete auf diese Frage: „Im Augenblick halten mich die Pflichten meines Amtes noch in Paris, aber sobald es mir wieder einmal möglich sein wird, werde ich mich freuen, zum Meister nach Indien zu kommen.“

Er fügte hinzu:

„Verehrter Scheich (Meister),
Ihr habt gesagt, daß die whre Spiritualität dort beginnt, wo die Philosophien enden. Wo die verstandesmäßigen Spekulationen aufhören, dort beginnt der Weg zu göttlichem Wissen. Ich bin davon überzeugt, daß es keinen anderen Weg gibt als den, den der Meister weist. Das göttliche Wissen ist nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern durch die innere Erfahrung und durch die Gnade eines spirituellen Führers erhebt man sich von Stufe zu Stufe bis zur göttlichen Wohnstatt. Das göttliche Wissen ist auch keine Frage des sozialen Standes oder metaphysischer Spekulationen. Um göttliches Wissen zu erlangen, braucht man einen Führer. Aber ich glaube, daß es besser ist, keinen Meister zu haben, als einen unvollendeten.“

Bei diesen Worten nickte der Meister und sagte, das sei richtig.

„Der vollendete Meister gibt uns ein lebendiges Vorbild auf allen Gebieten. Seine Reise hierher nach Paris, eine Stadt mit kultureller Tradition, die in einen weiten Umkreis ausstrahlt, ist für uns ein Ereignis. Sein Besuch war ein großer Segen, und wir bitten Gott, daß er Sein Leben noch lange erhalten möge für uns alle. Nach Seiner Weltreise wird der Meister in den Ashram zurückkehren, wo Er von vielen erwartet wird. Sobald es meine Verpflichtungen zulassen, möchte ich gern wieder dorthin kommen, wo ich so viel gelernt habe und wo ich so gern war. Ich hoffe, daß mir die Führung Gottes diesen Wunsch erfüllen wird. Ich werde an die Tür des Ashrams klopfen, um dort Frieden und Freiheit zu suchen.“ - Und der Meister fügte hinzu:

Und um ein Gespräch von Herz zu Herz zu haben. Er ist ein 
Herzensbruder. Sein Haus ist auch mein Haus. Lassen Sie 
mich ihnen danken. - Der Meister umarmte ihn dabei 
herzlich.

„Wir hätten gern ein Essen mit dem Meister gehabt,“ sagte M. Boubakeur zu Ihm, „aber leider ist die Zeit, die dem Meister für Seinen Besuch zur Verfügung steht, dafür zu kurz.“
- Der Meister entgegnete darauf lächelnd:

Wir teilen das Brot des Lebens miteinander.

Schließlich fragte M. Boubakeur Ihn, ob er Ihm die Moschee zeigen dürfe, worauf der Meister lachend zurückfragte, ob er Ihm diese „Moschee“ zeigen könne, und wies dabei auf Seine Stirn.

Nach einem Rundgang durch die herrliche Moschee, von deren Schönheit wir alle begeistert waren, begleiteten M. Boubakeur und zwei weitere mohammedanische Würdenträger den Meister und Seine Party noch bis ans Auto. Der Meister schien eine so große Liebe für M. Boubakeur zu haben, daß Er selbst, als Er sich schon im Wagen befand, noch einige liebevolle Worte mit Ihm wechselte.

Wir waren tief beeindruckt von diesem Satsang in der Moschee, hatte er doch gezeigt, wie leicht Anhänger verschiedener Glaubensrichtungen zusammensitzen und sich verstehen können, wenn dem erhabenen Beispiel eines Meisters gefolgt wird, der die allen Religionen zugrundeliegende Wahrheit selbst verwirklicht hat und sie anderen verständlich macht. - M. Boubakeur hatte auf jede Zeremonie verzichtet, und so waren selbst die äußeren Unterschiede weggefallen. Ich hatte aber beobachtet, daß der Meister beim Rundgang durch die Moschee, bei dem Er und die Satsangis sogar in die Räume geführt uwrden, die sonst nur von den Geistlichen zum Gebet betreten werden, sich den Gebräuchen anpaßte, indem Er nicht mit Schuhen auf die zum Gebet bestimmten Teppiche trat, womit Er seine Achtung gegenüber dem bezeugte, was anderen heilig ist.

Am Morgen des dritten Tages in Paris kamen wir wieder zur Meditation zusammen. Obwohl die Instruktionen des Meisters immer sehr ähnlich waren, sagte Er sie doch jedes Mal in etwas anderen Worten und fügte manchmal das eine oder andere hinzu. Dieses Mal sagte Er:

Zieht euch in die Kammer eures Herzens zurück. Eure ganze Aufmerksamkeit sollte innen sein. Wenn euer Geliebter zu euch kommt, werdet ihr euch vollständig von außen zurückziehen. Gott ist ganz allein. Er möchte, daß jeder allein zu Ihm kommt, ohne den Körper. Die Aufmerksamkeit ist der äußere Ausdruck der Seele. Ihr seid Aufmerksamkeit. Richtet eure ganze Aufmerksamkeit auf den Sitz der Seele.

Nachdem der Meister uns eine Meditation gegeben hatte, stellte jemand eine Frage in diesem Zusammenhang. Der Meister antwortete:

Ihr müßt regelmäßig meditieren, wenigsten zwei Stunden am Tag. Meditiert so lange wie möglich. Wenn ihr die Meditation regelmäßig, ernsthaft und ehrlich ausführt, werdet ihr bald keine Fragen mehr haben. Natürlich muß das Hand in Hand gehen mit der Selbstumwandlung durch das ernsthafte Führen des Tagebuches. Sendet bitte eure Tagebücher regelmäßig ein.

Am Abend hielt der Meister eine öffentliche Ansprache in der „Salle Pleyel“. Der Vortrag begann um 20:00 Uhr:

Wir haben uns hier versammelt, um über das Mysterium des Lebens nachzudenken. Wir sehen andere Menschen und haben schon oft einen von ihnen sterben gesehen. Wir haben ihre toten Körper auf unseren eigenen Schultern getragen. Wir haben gesehen, daß etwas ihren Körper verlassen hatte. Was ist es aber, was den menschlichen Körper belebt? Dieser menschliche Körper wurde im Mutterleib von Gottes Händen geschaffen, Gott lebt nicht in Tempeln aus Stein, sondern im Tempel des menschlichen Körpers. Die Heiligen, Verkörperungen Gottes, sind als Menschen in die Welt gekommen. In den Veden ist gesagt, daß in diesem Haus Gott gefunden werden kann. Wir haben den Körper und müssen ihn eines Tages verlassen.

Wir sollten sehr gründlich darüber nachdenken, welches die Kraft ist, die uns darin kontrolliert. So ist vom Menschen gesagt, daß er Gott am nächsten ist. Die Rishis haben den menschlichen Körper angenommen, um darin Gott zu erkennen. Ihr seid nicht der Körper, ihr habt den Körper!
Wir müssen mit der bewußten Kraft in Berührung kommen, wir müssen Gott erkennen. Wer sind wir? Wir sind vom gleichen Wesen wie Gott. Wir sind im menschlichen Körper gefangen und haben Gott vergessen. Wir sind mit dem Körper identifiziert. Um Gott zu erkennen, müssen wir zuerst uns selbst erkennen. Alle Heiligen haben gesagt: „Mensch, erkenne dich selbst!“- Wir beleben den Körper. Er lebt nur so lange, wie wir in ihm sind. Trotz all seiner Öffnungen können wir ihn nicht verlassen. Ihr wißt soviel über euren physischen Körper und kennt dabei euch selbst nicht. Der menschliche Körper ist ein wunderbares Haus. Solange wir nicht fähig sind, ihn nach freiem Willen zu verlassen, können wir uns selbst nicht erkennen und auch nicht Gott. Gott kann nicht durch die äußeren Sinne erkannt werden. Sehen steht über allem. Durch Selbstanalyse, indem wir uns über den Körper erheben, werden wir wahres Wissen erlangen. Ihr werdet feststellen, daß unsere Seele vom Gemüt kontrolliert wird, das seinerseits wiederum unter der Herrschaft der Sinne steht. So wird das Gemüt ständig durch die Sinne umhergetrieben. Die Frage ist nun: Wie können wir das Gemüt kontrollieren? Das Gemüt wird durch schöne Dinge und liebliche Musik angezogen. Gott hat es so eingerichtet, daß wir innen mehr Wonne erfahren können. Gott ist die Musik der Sphären und Er ist reines Licht und Schönheit. Wenn wir uns erst an diesem inneren Licht und der inneren Musik erfreuen, fallen die äußeren Bindungen von allein ab. Nur einer, der völlige Herrschaft über sich selbst erlangt hat, kann uns einen Auftrieb geben, um aufzusteigen. Dies ist das Wasser und das Brot des Lebens.

Wir haben nicht nur die beiden Augen aus Fleisch und Knochen, sondern es gibt noch ein drittes Auge, das verborgenes oder Einzelauge genannt wird. Sein Sitz ist hinter und zwischen den Augenbrauen. Mit diesem inneren Auge können wir das Licht Gottes sehen, und mit dem inneren Gehör die göttliche Musik hören. Hierher zieht sich die Seele zur Zeit des Todes zurück, bis sie den Körper schließlich ganz verläßt. Wenn die Aufmerksamkeit von außen zurückgezogen und am Augenbrennpunkt gesammelt ist, werden wir eine Erfahrung von Gott erhalten.

Wir beten: O Gott, sende jemanden zu uns, der uns befreien und ins Jenseits führen kann. Wir müssen lernen, vor dem Tod zu sterben. Maulana Rumi hat gesagt: „Die Kaaba ist in uns verborgen.“ - Und Christus sagte: „So ihr nicht von neuem geboren weredet, könnt ihr nicht in das Reich Gottes eingehen.“ - Diese zweite Geburt erlangt man zu den Füßen eines lebenden Meisters.

Dies war der letzte Abend, an dem wir mit dem Meister zusammensein konnten. Die wenigsten von uns hatten das Glück, noch mit nach England fahren zu können, wo sich der Meister in den nächsten acht Tagen aufhalten sollte. Aher kamen noch am Abend viele der Lieben, um sich vom Meister zu verabschieden. Einige von uns durften am nächsten Morgen unmittelbar vor der Abreise des Meisters kurz zu Ihm geben. Es hatte sich alles ein wenig verzögert, so daß der Meister schon im Mantel in Sein Zimmer kam, wo wir warteten. Aber trotzdem kam Er zu uns, schaute uns allen einzeln in die Augen mit einem so liebevollen Blick, daß ich ihn sicher nie vergessen werde. Er sagte die folgenden Worte zu uns, die noch einmal alle zusammenfaßten, was Er uns in diesen segensreichen Tagen gelehrt hatte:

Setzt euer ganzes Vertrauen in die Meisterkraft. Die Meisterkraft wird immer bei euch sein und euch alle Hilfe und allen Schutz gewähren. Bitte, seid ernsthaft und regelmäßig in euren Übungen und führt euer Tagebuch. Lernt, euch über das Körperbewußtsein zu erheben und werdet so Botschafter Gottes. Gott segne euch alle.

 

 

Rom

Eigentlich war der Bericht hier zu Ende. Der Meister flog von Paris aus nach England und von dort aus in die Vereinigten Staaten, wo Er sich knapp drei Monate lang aufhielt. Am 11. Dezember verließ Er die USA und flog weiter nach Mittel- und Südamerika. Nach dem ursprünglichen Programm sollte Er dort bis zum 31. Dezember acht Städte besuchen. Anschließend waren drei Wochen für Afrika vorgesehen und dann noch zwei Wochen innerhalb Asiens - für Bangkok und Malaysia - bis Er dann schließlich Anfang Februar nach Delhi zurückgekehrt wäre. Aber es kam anders ...

Am 16. Dezember traf bei Frau Fitting die Nachricht ein, daß das Reiseprogramm des Meisters in Südamerika abgebrochen würde und der Meister am 28.12. von Caracas/Venzuela aus nach Rom abfliege. Nach einem dreitägigen Aufenthalt in Rom werde Er nach Delhi zurückkehren. So bestehe für die Satsangis in Europa die Möglichkeit, Ihn in Rom noch einmal wiederzusehen.

Also auf nach Rom!

Die Nachricht wurde schnellstens überall in den Gruppen verbreitet, damit jeder noch genügend Zeit hatte, die notwendigen Vorbereitungen für die Reise zu treffen. Wie wir später in Rom sahen, war es den meisten möglich geworden, zum Meister zu kommen.

Ich flog zusammen mit einigen Satsangis aus Köln, Bonn und Düsseldorf mit einer Maschine, die um 12:35 Uhr am „Leonardo da Vinci“-Flughafen in Rom ankommen sollte, eine Viertelstunde später als die Maschine des Meisters.

Oft kam mir während des Fluges der Gedanke: Wenn wir jetzt nach vier Monaten dem Meister wieder gegenüberstehen, hatten wir uns da inzwischen sehr verändert? Konnten wir mit dem guten Gewissen zu Ihm kommen, nun wirklich aufgewacht zu sein und mit der Arbeit an uns selbst begonnen zu haben? Hatten wir uns nach besten Kräften bemüht, nach Seinen Geboten zu leben? Dann mußte ich daran denken, welche Strapazen der Meister unseretwegen auf sich genommen hatte. Er hatte das ja nur für unseren spirituellen Nutzen getan. Hatten wir Sein Geschenk angenommen und Gewinn daraus gezogen? Würden wir Ihn diesmal besser verstehen und mehr aufnehmen können? Welcher Gedanke, daß der Meister jetzt käme und sich darüber freuen könnte, daß wir ihm seit damals alle näher gekommen wären!...

Wir landeten planmäßig in Mailand, wo wir die Maschine für 40 Minuten verlassen mußten. Von hier aus dauerte der Flug noch etwa eine Stunde. Als wir in Rom gelandet waren, hielten wir sofort Ausschau nach der Maschine, mit der der Meister gekommen sein könnte. Und kaum waren wir in einen der Flughafenbusse eingestiegen, als auf einmal jemand neben uns flüsterte: „Dort vorn in den Bus ist Er gerade eingestiegen!“ Am Flughafengebäude sahen wir dann auch schon von weitem die Begleiter des Meisters. So mußte diese Maschine gerade so viel Verspätung gehabt haben, daß sie genau vor der unseren (die fünf Minuten zu früh angekommen war) landete. Schnell und ohne ein Wort zu sprechen, gingen wir vom Bus aus in das Flughafengebäude, wo wir auch schon mitten in der geräumigen Halle einen Kreis dicht gedrängter Menschen erblickten. Als wir nahe herangekommen waren, sahen wir den Meister, wie Er in der Mitte stand und schweigend Seinen Darshan gab.

In Seinem unendlich liebevollen Gesicht konnte man nicht die geringste Spur von den gewaltigen Anstrengungen erkennen, die Er gerade hinter sich hatte. Es ging nur Frieden und Heiterkeit von Ihm aus.

Als Frau Fitting sich zu uns stellte, kam Harcharan gleich zu ihr und zog sie mit nach vorn zum Meister, der, wie er sagte, schon auf sie wartete. Der Meister begrüßte sie auf eine so herzliche und liebevolle Weise, daß man es einfach nicht beschreiben kann. Er schien sich sehr zu freuen, sie wiederzusehen.

Er blieb noch einige Minuten stehen, bis Er schließlich zusammen mit Seinen Begleitern der Formalitäten wegen zum Zollschalter gehen mußte. Hier stellte sich heraus, daß erst noch Visa für den Meister und Seine Party ausgestellt werden mußten. Hier verloren wir ihn aus den Augen. So gingen wir zum Ausgang des Gebäudes, wo die meisten Satsangis auf den Meister warteten- sicher über 150! Es war ein malerisches Bild: Überall standen Gepäckstücke herum, junge Leute hatten sich auf den Boden gesetzt, eine Mutter neben mir fütterte gerade ihr weinendes Baby. Es war ganz eigenartig - mit wem man auch ein paar Worte sprach, alle hatten einen bestimmten Glanz in den Augen.

Frau Fitting erzählte nachher, daß, während sie bei der Zollabfertigung stand, einer der italienischen Zollbeamten eine ganze Weile neben ihr stand und von Zeit zu Zeit immer wieder zu ihr hinschaute. Er hatte wohl bemerkt, daß sie immer zum Meister hinübersah. Auf einmal kam er heran und fragte sie: „Ist das dort der Heilige?“ - Als sie bejahte, schwieg er einige Zeit. Nach einer Weile kam er nochmals und fragte: „Ist das Ihr Gott?“

Nach ungefähr einer halben Stunde kam der Meister heraus, um alle zu begrüßen. Anschließend fuhr Er zum Hotel Reale. Dieses Hotel hatte der Gruppenbeauftragte von Mailand ausgesucht; dieser war nun sehr erstaunt, als er hörte, daß der Meister bei Seiner letzten Weltreise 1963 in dem gleichen Hotel gewohnt hatte und in genau denselben Zimmern!

Kaum war der Meister eingetroffen, als der Flur vor Seinem Appartement auch schon von Satsangis belagert war, die Ihn alle gern sehen wollten. Sie ließen sich auch dann nicht abweisen, als sie hörten, daß der Meister sich zurückgezogen hatte, und einige gingen sogar bis in das Bad des Appartements!

Wie Gyani Ji später erzählte, hatten sie, die Begleiter des Meisters, während des 15-stündigen Fluges von Südamerika nach Rom viele Stunden geschlafen. Nur der Meister war die ganze Zeit über da gewesen. Auch hier in Rom kam Er bis in die Nacht hinein kaum zur Ruhe. Das waren also insgesamt über 24 Stunden!

Die Satsangs fanden im Konferenzsaal des Hotels statt. Sicher waren noch nie so viele Menschen auf einmal in diesem Raum gewesen, wie in diesen drei Tagen! - Als einige von uns gegen 19:30 Uhr herunterkamen, eine halbe Stunde vor Beginn des Satsangs, wurden wir vor der geschlossenen Tür von einem Hotelangestellten zurückgehalten, der uns sagte, der Saal müsse geschlossen werden, da die polizeilich zugelassene Personenzahl bereits überschritten sei. Schließlich zeigte er uns aber doch noch einen zweiten Eingang, durch den wir noch hineinkommen konnten. Drinnen war wirklich fast der letzte Quadratmeter Boden ausgenützt. Nur ca. 60 Leute konnten auf Stühlen sitzen, alle anderen saßen auf der Erde - und immer noch kamen durch den Nebeneingang pausenlos Nachzügler herein.

Als der Meister kam, war gerade noch ein schmaler Gang frei, damit Er nach vorn gehen konnte.

Da hier in Rom hauptsächlich drei Nationalitäten vertreten waren, nämlich Italiener, Deutsche und Franzosen, wurden die Reden des Meisters auch zusammengefaßt in diese drei Sprachen übersetzt.

Der Meister erklärte in Seiner ersten Ansprache, welcher Segen darin liege, den menschlichen Körper erhalten zu haben. Bedauerlicherweise gebe es aber nur sehr wenige, die diese goldene Glegenheit nutzten, um darin Gott zu erkennen. Er sagte, wir seien so sehr mit dem Körper und der Welt identifiziert, daß wir nicht merkten, wie beides einem ständigen Wandel unterworfen ist. Er veranschaulichte das an einem Bild:

Wenn ein Mann in einem Boot sitzt und dabei nur ins Wasser schaut, so sieht er nicht, daß sein Boot den Strom hinuntertreibt. Warum? Weil das Boot die gleiche Geschwindigkeit hat wie das Wasser, so denkt der Mann, beides stünde still. Blickte er einmal zum Ufer hinüber, würde er seine Lage erkennen.

So raten die Meister: O Mensch, du befindest dich in einer großen Täuschung, ob du gebildet oder ungebildet bist, ob reich oder arm. Erhebe dich aus dieser Täuschung, um fähig zu werden, diese Welt in ihrer wahren Perspektive zu erkennen.

Wir alle befinden uns in dieser Täuschung und müssen aus ihr herauskommen. Es ist nicht nur eine Sache von Worten, sondern eine der Praxis, des Erhebens über das Körperbewußtsein. Wenn ihr euch jeden Tag willentlich über den Körper erheben könnt, wo bleibt da der Tod? Es wird dann keine Toedesfurcht mehr geben, ihr werdet fröhlich gehen. So ist die wichtigste Aufgabe des Menschen, sich selbst zu erkennen, sich von außen zurückzuziehen, indem er das Gemüt unter Kontrolle bringt und sich am Sitz der Seele im Körper konzentriert. Wenn ihr euch über das Körperbewußtsein erhebt, könnt ihr die kontrollierende Kraft in euch erkennen. Diese Erfahrung können wir zu den Füßen eines lebenden Meisters haben. Warum sollten wir selbst sie nicht machen?

Wir haben uns so sehr mit den nach außen gerichteten 
Fähigkeiten identifiziert, mit dem Intellekt und unseren 
Gefühlen. Wir müssen uns darüber erheben.
Wir sind alle spirituell blind, solange unser inneres Auge 
geschlossen ist und wir das Licht Gottes nicht sehen, und 
taub, solange wir die Stimme Gottes nicht hören.

Zwei Dinge sind erforderlich:

  1. ein lebender Meister, der uns den Weg zurück zu Gott führen kann, und
  2. eine wahrhafte, reine Lebensweise.

Für den spirituellen Pfad werden Menschen der Praxis 
gebraucht.

Gegen Ende des Vortrags sagte der Meister nochmals, wir müßten uns nach innen wenden und die äußeren Bindungen aufgeben. - Wir müssen uns unserer eigentlichen Aufgabe zuwenden, uns selbst zu erkennen.

Er erzählte folgende Parabel:

In einem Dorf lebte ein einfacher Mann. Eines Tages hörten die Dorfbewohner, wie er bei seinem Morgengebet Gott dafür dankte, daß in der Nacht Diebe gekommen waren und sein Pferd gestohlen hatten. Sie wunderten sich über dieses merkwürdige Gebet und fragten den Mann, warum er Gott für eine so betrübliche Sache dankte. Er antwortete, er sei Gott dafür dankbar, daß er selbst nicht auf dem Pferd gesessen habe, während die Diebe es stahlen.

Wenn ihr an die Welt gebunden seid, werdet ihr immer wieder kommen müssen. Der menschliche Körper nimmt den höchsten Rang in der Schöpfung ein, und wir sind gesegnet, ihn zu haben. Der beste Gebrauch, den wir davon machen können, ist, Gott darin zu erkennen. Um Gott zu erkennen, müssen wir zuerst uns selbst erkennen. Es ist eine praktische Frage der Selbstananylse, und einer, der sich selbst täglich über das Körperbewußtsein erhebt, kann diese Erfahrung weitergeben.
Er ist derjenige, den wir lieben sollten, an den wir uns binden sollten.

Als Er geendet hatte, blieb der Meister noch einige Minuten bei uns sitzen. Er forderte uns auf, unsere Umgebung und den Körper eine Weile zu vergessen und nach innen zu gehen. Nach etwa fünf Minuten erhob er sich und ging.

Am nächsten Tag kamen wir um 10:00 Uhr zur gemeinsamen Meditation zusammen. Nachdem der Meister wieder die genauen Anweisungen gegeben hatte, ließ Er uns etwa 45 Minuten meditieren. Anschließend machte Er sich wie immer genaue Notizen über die Ergebnisse. Zum Schluß sprach er noch einige sehr eindringliche Worte:

Er sagte, daß unser Gemüt immer in die Welt liefe, um dort nach Glück zu suchen. Wir seien auf der Sinnesebenen wach, nach außen hin sind wir wach, während wir nach innen hin schlafen wir. Woher kommt wahres Glück? Es liegt innen , und daher müssen wir es auch innen suchen. Wir müssen unsere Richtung ändern. - der Meister zählte noch einmal die verschiedenen Erfahrungen auf, die an diesem Tag bei der Meditation gemacht wurden. Dann sagte er, wir hätten ja alle eine Erfahrung des Lichts gehabt. Nun sei es an der Zeit, diese zu entwickeln. Er sagte, es sei hohe Zeit, unsere Tage seien gezählt!

Für diesen Tag waren noch zwei Satsangs vorgesehen, einer am Nachmittag um 16:00 Uhr und der zweite abends um 20:00 Uhr. Der Meister war von morgens bis abends für uns da!

Am Nachmittag durften Fragen gestellt werden. Wie schon einmal im Sommer wurden die Satangis auch heute aufgefordert, ihre Fragen auf Zettel zu schreiben und sie vor Beginn des Satsangs einem der Übersetzer zu geben, die sie dann dem Meister vortrugen.

Eine Frage lautete:

„Ich habe oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich die Meditationszeit ins Tagebuch eintrage, da ich weiß, daß ich selbst nach vielen Jahren noch nicht in der Lage bin, meine Gedanken zu zügeln, und daher von Meditation eigenlich keine Rede sein kann. Sollte ich dann besser überhaupt keine Zeit eintragen, auch wenn ich manchmal versuche, drei Stunden hintereinander zu sitzen, ohne Herr der Gedanken zu werden?“

Der Meister antwortete darauf, man müsse sich konzentrieren; zuerst seien es vielleicht nur 5 bis 10 Minuten, dann würden es durch regelmäßige Praxis nach und nach mehr. Er sagte:

Konzentriert euch, konzentriert euch, konzentriert euch!

Jemand brachte das Problem zur Sprache, daß der Ehepartner nicht den Weg des Meisters geht und sich mit bestimmten Vorschriften des Meisters nicht einverstanden erklärt.

Darauf erwiderte der Meister:

Gott vereinigt Menschen als Auswirkung der Vergangenheit. 
Überzeugt den Partner durch euer Beispiel, aber versucht 
nicht, ihm eure Meinung aufzuzwingen.

Jemand schrieb:

„Ich finde nichts Göttliches in mir und auch nicht in anderen.“

Der Meister entgegnete:

Was das zweite betrifft - das liegt an unserer eigenen Brille, mit der wir andere sehen. Wir urteilen nach unserer eigenen begrenzten Sicht. - so sah ein Schüler Jesu selbst in seinem Meister nicht das Göttliche und er verriet ihn. - Das Göttliche in uns selbst können wir erst erkennen, wenn wir uns über das Körperbewußtsein erhoben haben.

Jemand bat um Erklärung dafür, daß Kal gleichzeitig als die negative Kraft bezeichnet wird und als die göttliche Mutter Kali. - „Wie kann uns diese Kraft ein Hindernis auf dem Weg sein?“

Die Antwort des Meisters:

Durch Kal kam die ganze Schöpfung ins Sein. Wenn Kal nicht wäre, könnten wir den Tonstrom nicht hören. Kal hat seine Macht von Gott. Er ist sehr gerecht. Aber er ist wie ein Offizier, der seine Befugnis vom König bekommen hat, der aber immer sagt: Ich befehle. Die Meister erklären dagegen: Ich gebe nur das von mir, was mein Vater mir gesagt hat. Sie handeln als Werkzeuge Gottes.

Frage:

„Ich habe in den ersten Jahren nach der Initiation verschiedene Erfahrungen gehabt. Seit zwei Jahren sehe ich nur noch selten etwas. Erst jetzt in der Gegenwart des Meisters habe ich wieder Licht gesehen. Wie ist das zu erklären?“

Antwort:

Die Ausstrahlung des Meisters hat die Erfahung wieder 
hervorgebracht. Davor muß irgendetwas falsch gewesen sein. 
Wahrscheinlich wurde das Tagebuch nicht richtig geführt.

Eine weitere Frage betraf verschiedene Begriffe im Zusammenhang mit dem kosmischen Bewußtsein.

Der Meister erklärte, in Amerika hätte Ihn jemand gebeten, etwas über das Kosmische Bewußtsein zu sagen. Er habe dem Betreffenden geantwortet, daß wir ja noch nicht einmal eine Ahnung von unserem eigenen Bewußtsein hätten und daß die Frage nach dem Kosmischen Bewußtsein hoch über unserer Reichweite läge.

Eine ähnliche Frage wurde in diesen Tagen auch an Gyani Ji gerichtet. Er hatte geantwortet, daß diese Dinge nur durch die innere Erfahrung erfaßt werden könnten und nicht durch den Intellekt.
„Intellektuelle sind so kompliziert und sie machen auch alle Dinge kompliziert. Sie wollen alles mit dem Verstand erfassen und geben ihm immer wieder neue Nahrung, statt über ihn hinaus zu gelangen. Kabir hat gesagt: ‘Lesen, Shreiben und Denken ist leicht; aber schwer ist es, das Gemüt zu überwinden.’ Wir können erst verstehen, wenn wir selbst gesehen haben:“
Im Laufe des Gesprächs hrachte Gyani Ji zwei Beispiele, die diese Dinge in ein sehr klares licht rückten:

„Jemandem auf der Verstandesebene die spirituellen Ebenen anschaulich machen zu wollen, käme der Versuch gleich, einem vierjährigen Mädchen die Vorzüge der Ehe zu erklären. Wenn es erwachsen und verheiratet ist, wird sie diese selbst erkennen.“
Das zweite Beispiel betraf noch einmal das komplizierte Denken des Intellektuellen. Er ist wie „eine Spinne, die so lange Fäden um sich spinnt, bis sie in ihrem eigenen Netz gefangen ist.“

Ein Satsangi wollte wissen, ob es möglich sei, durch Willensanstrengung bewußt zu meditieren.

Der Meister gab zur Antwort:

Meditation ist keine Meditation, wenn sie nicht bewußt 
geübt wid. Meditation i s t Bewußtsein.

Jemand fragte nach dem Grund dafür, daß der Meister ein keusches Leben vorschreibe.

Die Antwort des Meisters:

Die Liebe, die auf den Körper gerichtet ist, ist Lust und damit eine Form von Egoismus. Die Lebensflüssigkeit ist sehr wertvoll und sie sollte nicht vergeudet werden. Wenn man bei einer Lampe jeden Tag ein wenig Öl austropfen läßt , wird ihr Licht nach und nach schwächer werden. Keuschheit ist höheres Leben - wahre Keuschheit beginnt, wenn wir gelernt haben, uns über das Körperbewußtsein zu erheben. Sie ist nicht nur für den Körper eine Kraftquelle, sondern auch für den Verstand.

Das Beantworten der vielen Fragen hatte recht lange gedauert, und so blieben bis zum nächsten Satsang nur noch zwei Stunden. Aber selbst in dieser kurzen Zeitspanne war die Tür vor den Räumen des Meisters und Seiner Party meist belagert. Es gab in diesen drei Tagen kaum einmal eine Minute, in der nicht irgendjemand irgendein Anliegen an den Meister gehabt hätte. Wenn es in den Vereinigten Staaten und in Südamerika auch so war, kann man sich denken, daß der Meister dort erst recht bei Tag und Nacht kaum zur Ruhe gekommen ist, da dort überall viel mehr Satsangis zusammenkamen.

Um 20:00 Uhr begann der letzte Satsang an diesem Tag. Wie schon am Vortag angekündigt war, sollte der heutige Vortrag eine Fortsetzung des ersten sein. Der Meister sprach über die Bedeutung des Gottmenschen:

Der Absolute Gott brachte sich zuerst im Licht- und Tonprinzip zum Ausdruck. Naam oder das Wort brachte die ganze Schöpfung ins Sein. Viele sogenannte Meister sprechen von Naam, aber dies sind nichts als Worte. Der Name und das Benannte sind zweierlei. Jene sind die wahren Meister, die das Licht in euch manifestieren können. So betet ein wahrer Schüler: O Meister, gewährt uns die Verbindung mit dem Licht von Naam in uns!

Durch die Praxis von Naam werdet ihr aufhören, der Handelnde zu sein, und so wird euer Kommen und Gehen auf dieser Welt ein Ende haben. - Ein solcher Meister gibt euch die Erlösung. Naam, der Funken des Meisters wäscht die Sünden fort. Der Meister gibt euch die Verbindung, ihr müßt sie bewahren und weiterentwickeln. Es ist die große Möglichkeit unseres Zeitalters, daß wir diese Verbindung so schnell bekommen.

Was ist der Meister? Guru Nanak sagte: „Shabd ist mein 
Guru, mein Guru wohnt im Jenseits.“

Kabir und alle Heiligen sagten niemals: „Ich bin Gott.“, sondern: „Gott hat mich gesandt.“ Gott kann zum Menschen sprechen, während Er in einem Körper offenbart ist. Anders ist es nicht möglich. So ist es ein großer Segen, einen lebenden Meister zu haben.

Gott sandte den Menschensohn, um die Menschheit aus ihrem Schlaf aufzuwecken. Das verbindende Glied zwischen Gott und dem Menschen ist Shabd, das durch den Meister gegeben wird. Der Gottmensch gibt das Brot, um euren Hunger zu stillen, und das Wasser, um euren Durst zu löschen. Er hilft euch hier; und wenn ihr ins Jenseits zu gehen habt, geht Er mit euch und hilft euch auch dort.

Was sollen wir tun? - Hundertprozentig Seinen Geboten 
folgen!

Diese Verbindung bricht nicht beim Tode ab, sondern sie besteht ewig. Ich wurde euer Körper - ihr müßt meine Seele werden. Es ist ein wichtiger Schritt, Hingabe zum Meister zu entwickeln. Dazu ist es notwendig, Seinen Lehren genau zu folgen.

Der Meister wurde von Gott gesandt, um uns heimzubringen.

Nach diesen tiefgründigen und erhabenen Worten blieb alles still. Und auch, nachdem einige organisatorische Fragen bezüglich der Initiation geklärt worden waren, die am nächsten Morgen stattfinden sollte, hofften alle, daß der Meister noch eine Weile bei uns sitzen bleiben würde. Schließlich stellte auch jemand die Frage an Ihn, ob Er vielleicht noch zwei Minuten bliebe, worauf der Übersetzer diese Zeit gleich auf zehn Minuten erhöhte. „We must become silent in heart“, sagte der Meister, „Wir müssen innerlich ruhig werden.“ - Dann blieb er noch eine ganze Weile bei uns.

Als Er hinausgegegangen war, sagte jemand neben mir: „Ich wage kaum daran zu denken, daß Er morgen schon geht ...“

Am letzten Tag gewährte der Meister 40 Menschen die Initiation. Mehrmals war in den Satsangs darauf hingewiesen worden, daß die Initiation ein großes Geschenk sei, um das man nicht aus bloßer Neugier oder einem momentanen Interesse heraus bitten sollte. Es sei vielmehr erforderlich, sich genau zu prüfen, ob und wie weit man entschlossen sei, die Verpflichtung, die man dabei eingehe, vom ersten Tag an gewissenhaft zu erfüllen.

Der Meister sagt:

Die Verbindung mit Naam ist das größte Geschenk, das wir 
von einem wahren Meister erhalten können. Ihm zu begegnen, 
ist ein großer Segen, und die Initiation durch Ihn stellt 
die Krönung eines guten Schicksals dar.

Auch in Seinem Vortrag am Vorabend hatte Er mehrmals betont, daß ein ethisches Leben allein nicht vom Kreislauf der Geburten und Tode befreien kann. Nur durch die Gnade des Meisters, der uns bei der allerersten Meditation eine Erfahrung des Lichts und des Tonstromes gibt, können wir Befreiung erlangen.

In diesem Zusammenhang hatte Gyani Ji zu einem Gruppenbeauftragten gesagt:
„Wir sollten nicht darauf aus sein, möglichst schnell Leute zur Initiation zu bewegen, um größere Gruppen zu bekommen, das ist nicht der rechte Weg. Interessenten sollten sich richtig vorbereiten, was eine längere Zeit in Anspruch nimmt, sie sollten die Lehren gründlich studieren und die Satsangs regelmäßig besuchen - erst dann kann man weitersehen. Man sollte sorgfältig prüfen, die Initiation ist keine Sache der Eile.“

Während der Initiation saßen die übrigen Satsangis im Konferenzsaal zur gemeinsamen Meditation. - Wie immer hatte der Meister die genauen Anweisungen gegeben und uns aufgefordert, so lange sitzen zu bleiben, bis Er wieder komme. Die Initiation dauerte ungefähr drei Stunden und nach etwa zwei Stunden fingen die meisten an, unruhig zu werden, und einer nach dem anderen verließ den Raum. Eine große Menge stand dann vor der Tür zum Initiationsraum, aus der der Meister irgendwann kommen mußte. Schließlich kam Er heraus. Er ging sehr rasch durch die Menge hindurch zum Konferenzsaal, und alle folgten Ihm. Dort saßen inzwischen nur noch etwa 20 Satsangis. Der Meister fragte sie:

Wo sind die anderen alle? Ich habe doch gesagt, daß sie 
sitzen bleiben sollen.

Dann wandte Er sich um und ging ohne ein weiteres Wort wieder hinaus. Dabei muß Ee,nach den Worten einiger Satsangis, die in der Nähe standen, ein sehr strenges und zugleich trauriges Gesicht gehabt haben. Dies war also der offizielle Abschied vom Meister ...

Einige sagten nachher, daß sie noch nie so tief beschämt gewesen seien wie in diesem Augenblick. - Was bedeuteten uns die Anweisungen des Meisters, daß wir uns so schnell über sie hinwegsetzten?

Wenig später verließ der Meister das Hotel. Wer konnte, fuhr so schnell wie möglich zum Flughafen, um dort noch einmal Seinen Darshan zu haben.

Als ich ankam, war der Meister von einem Kreis schweigender Satsangis umgeben. - Ich konnte es zuerst nicht fassen, daß nicht der geringste Vorwurf oder auch nur Strenge mehr in Seinem Gesicht zu lesen war! - Manchmal wünscht man sich, daß der Meister strenger mit uns wäre. Aber macht einem nicht gerade Seine Güte und Geduld unsere eigene Unzulänglichkeit um so mehr bewußt? Und eigentlich liegt doch darin, daß Er uns keine Vorwürfe macht, sondern uns immer wieder verzeiht, der größte Ansporn, Ihm endlich einmal weniger Sorgen zu bereiten!

Ein Satsangi erzählte, daß er während seines Aufenthaltes im Ashram einmal sehr niedergeschlagen gewesen wäre, weil er dem Meister immer nur zur Last fiele. Die Prinzessin hatte daraufhin zu ihm gesagt: „Wir wurden dazu geboren, dem Meister zur Last zu fallen.“

Und der Meister sagt:

Ein wahrer Schüler ist ständig zerknirscht, weil er weiß, 
daß der Meister keinen Gefallen an ihm haben kann.

Nach einigen Minuten war es Zeit, daß der Meister und Seine Party in die Halle für Passagiere hinübergingen - und so war auch für die meisten Satsangis der Augenblick gekommen, wo sie sich von Ihm trennen mußten. Noch an der Paßkontrolle standen alle dicht gedrängt, um Ihn bis zum allerletzten Augenblick zu sehen.

Einige von uns hatten das Glück, schon die Bordkarten zu besitzen, die einen als Passagier ausweisen, uns so konnten wir auch die Sperre passieren und noch eine halbe Stunde länger mit dem Meister zusammensein. Als Er uns sah, wie wir keine Anstalten machten zu gehen, schien Er zunächst ein wenig verwundert und fragte dann, ob wir auch jetzt fliegen würden und woher wir kämen.

Dann ging Er voran mit Seinem nunmehr sehr kleine Gefolge von 14 Satsangis. Im Warteraum setzte Er sich erst, als Frau Fitting Ihn darum gebeten hatte, auf den einzigen noch freien Platz - und wir blieben in einigem Abstand stehen.

Selbst, wenn Er einfach nur schweigend dasaß wie jeder andere Passagier, so war es doch nicht dasselbe. Das schienen auch Fremde zu merken: Während der Wartezeit kam irgendjemand zu Frau Fitting und fragte sie, „wer das sei“. Als sie ihm die Auskunft gab, Er sei eine hohe Persönlichkeit aus Indien, fragte der Herr zurück: „Eine religiöse Persönlichkeit, nicht wahr?“

Etwas später, kurz bevor der Meister hinausging, sah ich auf einmal, wie zwei fremde junge Männer, die in der Nähe standen zu weinen anfingen, als sie vom Personal ihrer Maschine aufgefordert wurden, an Bord zu gehen.

Eigentlich hätte die Maschine des Meisters schon längst startbereit sein müssen, aber sie hatte 20 Minuten Verspätung. Jeder Vorgang, selbst die letzte Abfertigung vor dem Ausgang, die gewöhnlich ganz reibungslos verläuft, dauerte länger, so daß wir immer wieder eine Minute länger mit Ihm zusammensein konnten.

Aber schließlich war die Zeit unwiderruflich abgelaufen und, nachdem Er uns alle noch einmal voller Liebe angesehen und besonders von Frau Fitting herzlich Abschied genommen hatte, ging Er die Gangway hinunter. Wir standen noch lange oben und warteten, bis die Maschine anrollte und dann im Nebel verschwand.

Wie hatte der Meister gesagt?

Ich wurde euer Körper, nun müßt ihr meine Seele werden.

Er ist zu uns gekommen, nun müssen wir zu Ihm kommen, innen ...

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Anke Lettow

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