Übersetzung aus englischen Vorlagen durch Schüler Param Sant Kirpal Singhs

GOTTESKRAFT
CHRISTUSKRAFT
MEISTERKRAFT

 

 

 

 

 

Gotteskraft – Christuskraft – Meisterkraft

 

 

Liebe Freunde,

 

am heutigen Abend, der für die Christen der heiligste ist, habe ich die große Freude, zu euch zu sprechen. Wir feiern heute in liebevollem Gedenken den Christus, der im menschlichen Pol Jesus erschien.

 

Tausende andere Menschen werden täglich in allen Städten, in allen Ländern geboren, aber kaum jemand erinnert sich ihrer Geburt und ihres Todes; doch das Leben der Meister – obwohl sie nur so wenige waren – kann nie vergessen werden.

 

Christus wurde als Jesus geboren. Jesus war das menschliche Gefäß, in dem sich die Christuskraft offenbart; und diese Christuskraft vergeht nie. Wenn diese Kraft erst einmal von uns Besitz ergreift und uns in ihre Obhut nimmt, verläßt sie uns nie mehr. Christus sagte: „... ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“ (Matth. 28,20).

 

Als ich bei meinem letzten Besuch im Jahre 1955 hier war, fragten mich die Leute: „Wann kommt Christus wieder?“ Ich fragte sie: „Hat er euch je verlassen?“ und nannte ihnen diesen Ausspruch: „Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“ Wenn er uns also nicht verlassen hat, woher kommt dann die Frage nach einer Rückkehr? Der Grund, weshalb wir diese Dinge fragen, liegt vielleicht darin, daß wir nicht tief genug in das Mysterium des Christus eingedrungen sind.

 

Was war Christus? Die Gotteskraft erscheint von Zeit zu Zeit in einem menschlichen Pol, um die Menschenkinder zu führen und ihnen den Weg zurück zu Gott zu zeigen. Die Frage ist: Wer kann uns auf den Weg zurück zu Gott stellen? Kein Menschensohn kann das; Gott allein kann uns zu Gott führen oder mit Ihm verbinden. Er hat nicht seinesgleichen: weder Bruder, Vater, noch Mutter, und jener Gott wohnt in jedem Herzen.

 

Nun, habt ihr jemals darüber nachgedacht, wer der Eine ist, der den Weg zurück zu Gott weist, und der gelegentlich von sich selbst sagt: „Ich und der Vater sind eins.“ (Joh. 10,30). „Ich bin das Licht...“ (Joh. 8,12), und „Ich bin der Weg...“ (Joh. 14,6).

 

Sämtliche Meister sagen uns, daß die menschgewordenen Meister Kinder des Lichts sind. Sie sind alle „Söhne Gottes“, und wer ihnen nachfolgt, wird Gott finden, denn er erhält eine Verbindung mit Gott. Meister kamen von Zeit zu Zeit, und äußerlich scheinen sie in jeder Hinsicht Menschen zu sein. Sie werden auf dieselbe Weise geboren, und auch ihr Körper ist in gleicher Weise gestaltet. Worin besteht dann der Unterschied zwischen einer solchen Persönlichkeit und dem Durchschnittsmenschen? Er liegt darin, daß jener ein bewußter Mitarbeiter am göttlichen Plan ist, denn er sieht, daß der Vater durch ihn wirkt.

 

Jesus fragte seine Jünger: „ ‚Wer sagt denn ihr, daß ich sei?‘ Da antwortete Simon Petrus und sprach: ‚Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!‘ “ (Matth. 16,15-16). Und Jesus sagte zu Petrus: „..., denn nicht Fleisch und Blut hat dir das geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ (Matth. 16,17).

 

Ein anderer Jünger bat: „Herr, zeige uns den Vater, so genügt uns.“ Was erwiderte Jesus? Er wurde ungehalten und fragte: „So lange ich bei euch, und du kennst mich nicht...?“ „Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut die Werke.“ Und er sagt sogar: „Wer mich sieht, der sieht den Vater; ...“ und : „... niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (vgl. Joh.14,8-10).Diese Aussagen sind der Bibel entnommen, um ihren Sinn verständlich zu machen.

 

Christus ist die Gotteskraft oder die sogenannte Meisterkraft, die als der Menschensohn erschien, der „Jesus“ genannt wurde. Während einer Ansprache, die ich im vergangenen Monat im Unity- Tempel in Los Angeles hielt, brachte ich diese Gedanken zum Ausdruck und fragte dann den Geistlichen nach seiner Meinung, die ich gern hören wollte, nicht, weil ich etwa im Zweifel war, sondern weil sich die Menschen entwickeln und zu Wahrheit erwachen.

 

Er antwortete: „Wer ist Jesus Christus? Gottes Sohn offenbarte sich dem Menschen, um ihn zu lehren und ihm den Weg und die Wahrheit und das Licht zu zeigen. Er kam, den Menschen zu zeigen, wie der Vater leben würde, wenn er ein Mensch wäre. Er war Gott im Menschen.“ Dann erklärte er: „Jesus war die transzendente Verkörperung Gottes.“ Er fuhr fort: „Was ist der Unterschied zwischen Jesus und dem Christus? Christus gab es lange vor Jesus. Jesus ist der geboren Mensch, der den Christus in sich vollkommen offenbarte; und Christus ist die göttliche Natur dieses Gottmenschen. Somit bestand Christus, der spirituelle Mensch, lange vor seiner irdischen Geburt.“

 

Versteht ihr das? Die Christuskraft, Gotteskraft oder Meisterkraft ist ein und dieselbe und offenbart sich im menschlichen Gefäß, um die Bedürfnisse der Kinder Gottes zu erfüllen – jener, die nach Gott hungern und dürsten. Es gibt Nahrung für die Hungrigen und Wasser für die Durstigen. Bedarf und Versorgung ist das Gesetz der Natur; und wo Feuer brennt, kommt Sauerstoff zu Hilfe. Wenn der Mensch in seinem Herzen nach Gott hungert, offenbart sich Gott in einem menschlichen Pol, um die Menschenkinder zu führen. „..., und niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren.“ (Matth. 11,27).

 

Wie ich schon sagte, besteht diese Christuskraft seit dem Beginn der Welt und offenbart sich von Zeit zu Zeit im menschlichen Körper der verschiedenen Meister. Wir können diese Tatsache durch das vergleichende Studium der Religionen erkennen, in denen wir die selben Darlegungen und Aussagen finden, die die Meister aller Religionsgemeinschaften verkündeten.

 

Jemand sagte mir hier bei meinem letzten Besuch, daß Christus der Höchste sei, da er gesagt habe: „Ich und der Vater sind eins.“ „Das ist richtig,“ entgegnete ich, „aber wenn andere Meister ebenfalls die gleichen Worte geäußert hätten, wofür würden Sie dann jene halten?“ Ich zitierte dann was andere Meister in ihrer Sprache zu ihrer Zeit gesagt hatten.

 

Guru Arjan (5. Guru der Sikhs) sagte: „Der Sohn und der Vater sind in der gleichen Farbe gefärbt, und der Vater und der Sohn haben das gleiche Werk aufgenommen.“ Der 10. Guru der Sikhs (Guru Gobind Singh) sagte: „Gott befahl mir: ‚Gehe hin, ich mache dich zu meinem Sohn, um die Menschenkinder zu führen.‘“

 

Noch viele andere äußerten dasselbe. Dies soll nur klarstellen, daß Christus schon da war, ehe er sich durch den sündelosen Körper der Mutter offenbarte. Wir empfinden Hochachtung vor dieser immerwährenden Christuskraft, die, bevor und nachdem sie Geburt nahm, bestand und fortbesteht. Wir empfinden Hochachtung vor der Sohnschaft, die ewig dauert und als Kraft in jedem Herzen ruht. Sie wird enthüllt, wenn uns ein menschlicher Pol begegnet, in dem sich diese Kraft offenbart, und uns eine Verbindung mit Gott gibt. Kein Menschensohn, kein menschliches Wesen ist dazu in der Lage, nur die in einem menschlichen Körper offenbarte Gotteskraft.

 

Diese menschlichen Pole sind, wenn wir ihnen begegnen, dafür zuständig, unsere Seele aus der Knechtschaft des Gemüts und der nach außen gehenden Sinne herauszuheben und uns die innere Verbindung zu gewähren. Deshalb achten wir alle menschlichen Pole, die dieser Christuskraft von Zeit zu Zeit die Geburt ermöglichen. Wir können demnach glücklich sein, daß wir an diesem gesegneten Weihnachtstag hier versammelt sind.

 

Was ist der Sinn solcher Geburtstagsfeiern? Es gilt, die Lehren der Meister zu verstehen, sie aufleben zu lassen und herauszufinden, ob wir ihnen folgen. Gesegnet seien alle Meister! Wir sind stolz auf sie! Doch es stellt sich die Frage: Sind sie auch stolz auf uns? Die wahre Geburtstagsfeier für einen großen Menschen besteht im Verstehen und Befolgen seiner Lehre.

 

 

II

 

Christus sagte: „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben.“ (entspricht Joh. 6,57, evt. 11,26 und 10,28). Christus war fähig, ewiges Leben zu geben. In den uns überlieferten Schriften sagt er von sich: „Ich bin das Brot des Lebens ... Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt ... Wer von diesem Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit.“ (Joh. 6,48-51). Gott ist Licht, Gott ist Leben, Gott ist Liebe. Was war das für ein Brot des Lebens, das er gab?

 

In einem anderen Beispiel ging Jesus an einen Brunnen, um einen Schluck Wasser zu trinken. Am Brunnen bat er eine Samariterin, die einen Krug Wasser auf dem Kopf trug, ihm etwas Wasser zum Trinken zu geben. Aus einem Minderwertigkeitskomplex heraus sagte sie: „Wie bittest du von mir zu trinken, der du ein Jude bist, und ich ein samaritisch Weib?“ Jesus antwortete: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: ‚Gib mir zu trinken!‘, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser ... Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von diesem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten.“ (Joh. 4,9-10,13-14)

 

Laßt uns etwas weiter in die Sache eindringen. Wer war Christus? (Gesegnet ist der menschliche Körper, in dem Christus erscheint.) Er verhielt sich wie ein Mensch; er verhielt sich auch wie Gott. Er benahm sich wie ein Durchschnittsmensch, und in dieser Tatsache liegt seine Größe. In seiner Gnade gab er sich auf beide Arten – als Mensch und als Gott. Johannes beschrieb Jesus so: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns ...“ (Joh. 1,14)

 

Was ist dieses WORT? Es kann als des WORT erklärt werden, daß alle Himmel geschaffen hat. Johannes sagte: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.“ (Joh. 1,1). Es ist die Ursache aller Schöpfung. In den Psalmen finden wir: „Dein Wort ist im Himmel begründet.“ (entspricht Psalm 119,89). Hierauf bezieht sich Jesus, wenn er vom Brot des Lebens spricht, das vom Himmel kommt.

 

Was ist dieses WORT, das sich im Menschenkörper „Jesus“ verkörperte und Fleisch wurde, und was ist eine äußere Offenbarung? Der Psalmist sagt: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg.“ (Psalm 119,105). Jesus erklärte ausdrücklich: „Ich bin das Licht der Welt.“ (Joh.8,12).

 

Versteht ihr nun, wie groß er war? Er war die Gotteskraft, die sich in einem menschlichen Pol offenbarte, und er schätzte diesen menschlichen Körper sehr, in dem sie sich zeigte; aber er unterschied stets zwischen dem Menschensohn und dem Gott- Vater in sich. Diese Unterscheidung traf nicht nur Jesus Christus, denn auch alle anderen Meister, unter ihnen Guru Nanak (Begründer der Sikh- Religion, 15. Jahrh.) und Kabir (Zeitgenosse Guru Nanaks; er verkündete dieselben Lehren), erklärten dieselbe Wahrheit in ihrer eigenen Sprache.

 

Da wir die Lehren der Meister nicht kennen, denken wir vielleicht, daß die Lehre Jesu die einzige Wahrheit sei. Die Wahrheit jedoch ist all- einig. Die Wahrheit ist in Licht gehüllt. Die Wahrheit ist Zusammenklang – die Musik aller Harmonien. Die Sikh- Schriften enthalten dieselbe Aussage, die ich bereits anführte: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Die Sikh- Heiligen sagten, das WORT trete in menschlicher Gestalt in Erscheinung, führe die verkörperten Seelen und gebe ihnen eine Rückverbindung zu Gott. Ich achte alle diese Menschen, in denen die Christuskraft von Zeit zu Zeit wohnte.

 

 

III

 

Ihr werdet ganz eindeutige Lehren der Meister finden. Sie lehrten vor allem, daß das höchste Ziel eines Menschen zuerst Gott sei, und als nächstes die Welt. Wir leben jedoch erst für die Welt und dann für Gott, und wir vertrauen auf Gott nur insoweit, wie wir weltliche Dinge von ihm bekommen. Wenn wir manchmal aus diesem oder jenem Grund das Gewünschte nicht erhalten, ist unser Vertrauen dahin.

 

Jesus sagte: „es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ (Joh. 3,3-4 und 6). „Das Reich Gottes kommt nicht durch äußere Gebärden, ... das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ (Luk. 17,20-21). Mit „äußeren Gebärden“ sind die Mittel gemeint, die sich auf die nach außen gehenden Kräfte beziehen. Gott ist Geist, und wir müssen ihn allein im Geiste anbeten. (siehe Joh. 4, 24). Gott wohnt nicht in Tempeln, die der Mensch schuf, sondern in dem Tempel, den Gott als menschlichen Körper geschaffen hat. Als Jesus sich in diesem, dem Tempel Menschenkörper, befand, sagte er: „Weil ich lebe, sollt auch ihr leben.“ (vgl. Joh. 11,26). Er bezog dies nicht auf den äußeren Menschensohn, den wahrnehmbaren Körper, sondern auf die Gotteskraft im Innern, die das Licht gibt und der Weg zurück zu Gott durch die Liebe ist.

 

Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde. Gott ist Allbewußtsein und Licht, und auch wir sind Kinder des Lichts. Wir sind bewußte Wesenheit, von Gemüt und Materie umgeben. Durch die Gotteskraft, die uns lenkt, werden wir im Körper gehalten. Solange diese Kraft dort ist, wirken wir im Körper; wird diese Kraft zurückgezogen, müssen wir ihn verlassen. Auf ähnliche Weise beherrscht diese Kraft das gesamte Weltall, und wenn sie zurückgezogen wird, setzt im kleinen und großen Ausmaß die Auflösung ein.

 

Es gibt einen Schöpfer dieses Universums; es entstand nicht einfach aus sich selbst. Der Schöpfer selbst ist unwandelbar und ewig, doch die von ihm geschaffene Welt ist – da aus Materie – veränderlich und unbeständig.

 

Ich würde sagen, am besten feiert man das Christfest, indem man das Leben dieses großen Erleuchteten täglich, mit jedem Atemzug, würdigt. Wir sollten die Unterweisungen und Lehren nicht vergessen, die sie uns übermittelt haben, und sollten täglich nach ihnen leben. Laßt uns diese Christuskraft in uns selbst sehen. Sie ist in jedem vorhanden und muß entwickelt werden durch die Hilfe, die man dort erhält, wo immer sich diese Kraft offenbart – ganz gleich, wie ihr sie benennt.

 

Jesus lehrte, daß wir das Reich Gottes nur erhalten können, wenn wir in das Innere des menschlichen Körpers eintreten, den wahren Tempel Gottes. (Gott ist darin die beherrschende Kraft, die uns im Körper erhält.) Die Tragweite dieser Lehren liegt darin: Solange wir im Körper sind, setzen wir uns mit den äußeren Dingen gleich. Dadurch vergessen wir unseres inneres Selbst und erliegen einer großen Täuschung. Wie können wir aus dieser Verblendung befreit werden?

 

Die Aufmerksamkeit wird als äußerer Ausdruck unserer Seele durch die nach außen gehenden Kräfte in die Welt verstreut. Zuerst müssen wir diese Aufmerksamkeit nach innen zurückziehen und uns dann über das Körperbewußtsein oberhalb der Sinne erheben. Nur dann können wir von der großen Täuschung frei werden, zu glauben, daß wir der Körper anstatt sein Bewohner seien. Nur dann können wir aus unserer Unwissenheit heraus kommen, die wir bezüglich der höheren Kraft haben, welche uns im Körper hält.

 

Was geschieht beim Sterben? Das Leben zieht sich von den Füßen aus zurück und steigt bis zur Rückseite der Augen hinauf, und dann tritt Dunkelheit ein. Noch während man lebt, kann man lernen, sich über die Sinne zu erheben und sich von der Außenwelt hinter die Augen zurückzuziehen, wo sich der Sitz der Seele im Körper befindet. Euer „Inneres Auge“ kann geöffnet werden. Ihr könnt das Licht Gottes sehen, jenes Gotteslicht, das Mensch wurde und Christuskraft, Gurukraft oder Meisterkraft genannt wird.

 

Jesus sagte zu Nikodemus: „Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ (Joh. 3,3-4 und 6). Und Nikodemus erwiderte: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er wiederum in seiner Mutterleib gehen und geboren werden?“ Jesus antwortete: „Was aus dem Fleische geboren wird, das ist Fleisch; und was aus dem Geist geboren wird, das ist Geist.“

 

Unsere erste Geburt erfolgte in den menschlichen Körper. Durch die zweite Geburt werden wir von neuem ins Jenseits geboren, wenn wir lernen, während des Lebens zu sterben. Diese Geburt wird „Geburt in Christus“, „Geburt in der Gurukraft“ oder „Geburt in der Gotteskraft“ genannt. Ihr müßt in der Gotteskraft leben und sterben. Ihr müßt in Christus, in die Gurukraft oder Gotteskraft, geboren werden. Das bloße Tragen der äußeren Abzeichen bestimmter Geistesrichtungen oder das Ausführen besonderer feierlicher Handlungen und religiösen Brauchtums läßt euch nicht in Christus geboren werden. Solche Bräuche oder Glaubenslehren können zur Vorbereitung des Bodens dienen, um in Christus geboren zu werden; doch ihr könnt diese Geburt nur erhalten, wenn ihr täglich das Kreuz auf euch nehmt. Dieses Kreuz ist der menschliche Körper.

 

Ich freute mich sehr, heute aus den Zeitungen zu erfahren, daß Papst Paul eine Pilgerreise nach Jerusalem unternimmt. Wir wissen, Jerusalem ist ein Pilgerort für alle Christen, und vielleicht ist Papst Paul der erste, der nach Jerusalem geht, um die Erinnerung wiederzubeleben. Ich laß, er will nach Jerusalem gehen, ein hölzernes Kreuz auf die Schultern nehmen und auf den Boden wandeln, auf dem Christus damals gegangen ist. Diese Dinge dienen dazu, uns an die großen Persönlichkeiten zu erinnern, die in die Welt kamen, um uns zu führen. Nur weil der Prophet Mohammed in Mekka geboren wurde, verlangt jeder Mohammedaner nach seiner „Haj“ oder Pilgerreise dorthin. Ähnlich achten wir der Geburtsorte aller anderen Meister als Gedenkstätten ihres Kommens. Wir neigen unser Haupt zu ihrer Ehre und versuch zu lernen, was diese Meister gelehrt haben. Leider werden diese Huldigungen später zu herkömmlichen und feststehenden Gemeinschaftshandlungen, und wir vergessen, daß die wahre Würdigung des Lebens eines großen Menschen darin besteht, zu begreifen, wer er war, was er verkündete. Daraus könnten wir die Lehre ziehen und versuchen, ihm nachzueifern.

 

Christus sagte unmißverständlich: „... Und niemand kennet den Vater denn nur der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren.“ (Matth. 11,27). Dieser Sohn ist das Licht Gottes, daß ewig währt. Die Sohnschaft dauert fort. Die Zusammenfassung dessen, was ich euch mitzuteilen habe, daß Christus als der Menschenkörper Jesus lebte, der sein Pol ward, und daß er in jedem Herzen wohnt. Dennoch kann er nicht allein durch Gefühle erkannt werden, durch bloße Empfindungen und Schlußfolgerungen oder indem man durch intellektuelle Bemühungen zu einer Überzeugung gelangt. Es kommt darauf an, Gott zu sehen – zu sehen, wer er ist. Christus sagte: „Ich bin das Licht der Welt.“ (Joh. 8,12). Könnt ihr dieses Licht sehen? Jesus sagte: „Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.“ (Matth. 6,22).

 

Wie können nun zwei Augen eines werden? Das ist eine sachliche Frage, die praktisch beantwortet werden, denn dies geschieht, wenn das innere Auge, das in jedem Menschen ist, geöffnet wird. Selbst ein Blinder, der außen nicht sehen kann, besitzt dieses Einzelauge, das aber geschlossen ist. Wir können diese wirkende Gotteskraft, dieses Licht, das „Christus“ genannt wird, nur sehen, wenn wir die Tore unseres Körpertempel schließen und unser Auge „einfältig“ wird. Unsere Aufmerksamkeit fließt durch die Körperöffnungen – die beiden Augen, die zwei Nasenöffnungen, die zwei Ohren, den Mund, die Ausscheidungs- und Geschlechtsorgane – in die Außenwelt und hat sich mit den Sinnen gleichgesetzt. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit von außen zurückziehen, in die Werkstätte des menschlichen Körpers eintreten, der der wahre Tempel Gottes ist, und uns zum inneren Auge erheben, wo sich der Sitz der Seele im Körper befindet. Dort liegt das zehnte Tor, an dem die Augen eins werden und wir das Licht Gottes finden. Dort sehe wir den Christus als die wirkende Kraft.

 

Dies ist ein Beispiel für das, was ich unter einen wahren Feier verstehe, nämlich das Begreifen der Meister- Persönlichkeit, ihrer Lehren und deren Befolgung.

 

Jesus sagte, daß wir das Brot des Lebens und das Wasser des Lebens brauchen. Dieses Brot und Wasser des Lebens liegt in der tatsächlichen Verbindung mit der Gotteskraft, die als Licht und „Musik der Sphären“ in Erscheinung tritt. Durch jeden menschlichen Pol, in dem die Gotteskraft offenbart wird, ist diese wirkende Gotteskraft fähig, unsere Seele – die an das Gemüt und die nach außen gehenden Kräfte gebunden ist und sich nicht von ihnen unterscheiden kann – zu erheben; sie ist befugt, das innere Auge zu öffnen, damit wir das Licht Gottes sehen, und das innere Ohr aufzutun, damit wir die Stimme Gottes hören. Das ist damit gemeint, wenn gesagt wird, daß wir in Verbindung kommen sollen mit der als Licht und Tonstrom wirkenden Gotteskraft, dem wahren Brot und Wasser des Lebens. Somit kann euch jeder Mensch, in dem sich die Gotteskraft offenbart, mit dem Brot und Wasser des Lebens verbinden.

 

Darauf beziehen sich Guru Nanak und die anderen Meister, die sagen, daß wir mit dem Besitz des menschlichen Körpers in einer glücklichen Lage seien, und daß wir ihn zu dem Zweck haben, um das Brot des Lebens und das Wasser des Lebens zu erlangen. Es ist der köstliche Trank des ewigen Lebens, denn jeder, der davon trinkt, wird niemals sterben.

 

Verbleibt in der Religionsgemeinschaft, die euch zusagt; geht aber, um das Lebensbrot und –wasser zu gewinnen, zu einem Meister, der der menschliche Pol der Gottes- oder Christuskraft ist; denn kein Menschensohn kann euch das ewige Leben geben. Die Größe des Meisters liegt nicht darin, euch zu unterweisen, wie man Gebete spricht oder bestimmte feierliche Handlungen und frommes Brauchtum ausführt – jeder kann mit etwas Übung darüber Vorträge halten – sondern in der Tatsache, daß er fähig ist, eure Seele in einer Meditationssitzung zuerst von außen zurückzuziehen und dann über die Sinne zu erheben. Euer inneres Auge wird geöffnet, und ihr seht das Licht Gottes, und euer inneres Ohr wird aufgetan, und ihr hört die Stimme Gottes; ihr bezeugt dann selbst, daß es so ist.

 

Beim vergleichenden Studium der Religionslehren werdet ihr feststellen, daß dieselbe Wahrheit von nahezu allen Meistern – natürlich in ihrer eigenen Sprache – mitgeteilt wurde. In den christlichen Schriften liest man bei Paulus: „... ich sterbe täglich.“ (1. Kor. 15,31). Andere Meister sagen: „Lernt, hundertmal am Tag zu sterben.“ Dieser „Tod“ besteht im Zurückziehen der Seele vom physischen Körper und dem Erheben ins Jenseits, das heißt in das Reich Gottes, in das ihr wiedergeboren werdet. „Laß dich’s nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden (Joh. 3,7).

 

Dies sind die Lehren, die uns die Meister von Zeit zu Zeit gebracht haben. Die Schwierigkeit jedoch, sie wirklich zu erfahren, liegt darin, daß unsere Seele unter der Herrschaft des Gemüts steht, und das Gemüt wiederum steht unter der Macht der nach außen strebenden Sinne. Wir haben uns selbst den Vergnügungen der äußeren Welt so gänzlich preisgegeben, daß wir uns mit ihnen identifizieren; und so bleiben wir zwar nach außen hin wach, schlafen aber im Innern. Ihr müßt wissen, daß uns die Gotteskraft im Körper hält, und wenn ihr diese Kraft finden wollt, müßt ihr euch nach innen kehren, bis hinter die Augen zurückziehen und fest in das Dunkel vor euch blicken. Wenn ihr fähig seid, in diesem dunklen Raum zu sehen, werdet ihr auch die wirkende Gotteskraft überall erkennen.

 

Hiermit ist gesagt, wie wir den bereits in uns befindlichen Christus erfahren können. Betretet zuerst das Laboratorium des menschlichen Körpers, den wahren Tempel Gottes, dann erhebt euch darüber, bis alles andere zurückbleibt, und tretet in das Reich Gottes ein. Es gibt so viele Wohnungen im Hause unseres Vaters. Der Makrokosmos liegt im Mikrokosmos des Menschenkörpers und besteht aus den physischen, astralen, kausalen und superkausalen Ebenen. Jenseits davon liegen die rein geistigen Ebenen, die wahre Heimat unseres Vaters.

 

Der erste Schritt beginnt also damit, daß wir uns erheben und über dem „eisernen Vorhang“ dieses physischen Körpers wiedergeboren werden. Wenn sich jemand durch eigene Kraft erheben kann, ist er gesegnet, wenn nicht ... Bedenkt, daß man selbst bei äußeren Tätigkeiten jemanden braucht, der auf diesem bestimmten Gebiet bewandert und erfahren ist! Um wieviel mehr ist es da notwendig, einen „Fachmann“ zu haben, wenn die Philosophien der Welt und die äußeren Fähigkeiten versagen! Braucht ihr nicht jemanden, der euch da hilft? Das könnt ihr selbst entscheiden.

 

In der klaren Sprache der Heiligen oder Meister wird ein Blinder nicht als jemand bezeichnet, der keine Augen im Kopf hat, sondern als jemand, dessen inneres Auge geschlossen ist. Alle, die das Licht Gottes nicht sehen, sind – verzeiht mir – blind. Wenn sie zu einem Meister kommen und er ihnen eine Meditationssitzung gibt, wird ihr inneres Auge geöffnet, und sie sehen das Licht Gottes. Bei ihrer Rückkehr sind sie Menschen mit geöffnetem inneren Auge. Ähnlich ist ein Mensch taub bis er zu einem Meister geht. Wenn ihm der Meister ein Meditationssitzung gewährt, beginnt er, die Musik der Sphären zu hören und wird bewußt.

 

Dies sind die Geschenke Gottes. Die Bedeutung des Meisters liegt in seiner Befähigung, euch das Brot und das Wasser des Lebens zu geben und euch zu helfen, wiedergeboren zu werden, d.h. das innere Auge zu öffnen, um das Licht Gottes zu sehen und das innere Ohr zu öffnen, um die Stimme Gottes zu hören.

 

Es gab wenige solcher Persönlichkeiten in der Vergangenheit, und selbst jetzt sind es nur wenige; aber die Welt ist nie ohne sie. Alle Menschen sind Kinder ihrer Meister. Dieselbe Gotteskraft oder Christuskraft wirkt seit Anbeginn der Welt und sie wirkt weiter für jene Kinder, die hungrig sind und die Wahrheit suchen. Wenn dieser Hunger und Durst in einem Menschen erwacht, trifft Gott, der in jedem Herzen wohnt, Vorkehrungen, um ihn dorthin zu bringen, wo er in der rechten Weise mit seinem eigenen Selbst verbunden werden kann. Kann dies irgendein Menschensohn zustande bringen? Nein. Nur der in ihm offenbarte Gott hat diese Macht. Eine solche Persönlichkeit bezeichnet man als Meister.

 

„Aber selig sind eure Augen, daß sie sehen, ... und eure Ohren, daß sie hören. Wahrlich ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt zu sehen, was ihr seht, und haben’s nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben’s nicht gehört.“ (Matth. 13,16-17). In den Schriften gibt es Hinweise darauf, daß unsere Augen und Ohren versiegelt sind und wir das Licht Gottes nicht sehen und die Stimme Gottes nicht hören können, bevor diese Siegel nicht aufgebrochen werden.

 

Guru Nanak, der erste Sikh- Meister, wurde gefragt: „Gott wohnt in jedem Herzen, aber wer kann Ihn sehen?“ Er antwortete: „Jene Augen, die das Licht Gottes schauen können, sind anders als die Augen aus Fleisch und Blut.“

 

Ein anderer Heiliger, Shamas Tabrez, sagte: „Wir müssen imstande sein, Gott mit unseren Augen zu sehen und Gottes Stimme mit unseren eigenen Ohren zu hören.“

 

Von allen Meistern wird der Begriff „Meister“ folgendermaßen definiert: Er ist jemand, der anderen die Musik der Sphären im Inneren hörbar machen und ihnen das Licht Gottes offenbaren kann, indem er den Schleier der Dunkelheit entfernt, der erscheint, wenn man seine Augen schließt. – Einen solchen Menschen nennt man Meister.

 

 

IV

 

Von allen Meistern wird mit Nachdruck ein Leben der Enthaltsamkeit und Beherrschung der nach außen gerichteten Sinne gefordert, wodurch man die Fähigkeit erlangt, ihren Lehren zu folgen. Jesus sagte in der Bergpredigt „Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.“ (Matth. 5,8). Alle Meister oder all jene, die sich selbst verwirklicht haben, sagten dasselbe; denn es gibt nur einen Gott und nur eine Wahrheit. (Wenn es unter uns irgendwelche Unterschiede gibt, so sind diese von Menschen geschaffen und dem Mangel an persönliche Erfahrung der Wahrheit zuzuschreiben.) Christus und andere Meister schauten die Wahrheit und konnten davon Zeugnis ablegen, und es hat sie bekümmert, daß die Menschen ihnen dennoch nicht glaubten. Die Meister sehen selbst und behaupten dann nicht nur, sie seien befähigt, uns eine tatsächliche eigene Erfahrung zu geben, sondern sie sind wirklich dazu in der Lage.

 

Ein reines Leben ist erforderlich. Ihr werdet herausfinden, daß Enthaltsamkeit Leben bedeutet und Sexualität Tod. Dieser Körper ist aus verderblicher Saat geboren, und ins Jenseits werden wir durch die unverderbliche Saat geboren. Wir sollten diese Hinweise in den Schriften prüfen, um herauszufinden, ob sie wahr sind. Der Menschenkörper ist der höchste in der ganzen Schöpfung, und wir sind gesegnet, weil wir ihn besitzen. Das höchste Ziel für uns ist, Gott zu erkennen. Gott wohnt in uns: es gibt nichts, was wir von außen hinzufügen müßten.

 

Die verschiedenen noch vorhandenen Schriften enthalten vortreffliche Berichte über die Erfahrungen der Meister; dennoch brauchen wir jemanden, der diese Erfahrungen selbst gemacht hat und fähig ist, uns auch solche zu geben und in uns zu wecken: uns das Brot des Lebens kosten und uns das Wassere des Lebens trinken zu lassen. Guru Nanak sagte: „Laßt euch nicht täuschen, weil ihr die ein oder andere Religion angenommen habt. Ihr müßt die Lehren in ihrer ursprünglichen Bedeutung befolgen.“

 

Alle religiösen Lehren fußen auf den spirituellen Erfahrungen der Meister, die von Zeit zu Zeit kamen; und die richtige Bedeutung oder das rechte Verständnis dieser Erfahrungen können wir nur von jenen erhalten, die eben diese Erfahrungen gemacht haben. Wir achten alle Meister der Vergangenheit und alle heiligen Schriften, denn sie sind Tonnen von Gold und Smaragden wert; dennoch brachen wir jemanden, der den Weg kennt und unseres innere Auge öffnen kann, damit wir das Licht Gottes sehen.

 

Das Leben Christi und allen anderen Meister zeigt beispielhaft, daß Gott an die erste Stelle zu setzen ist. Das Reich Gottes ist in euch. Ihr könnt es nicht durch äußere Gebärden erreichen. Ihr könnt es nur erlangen, wenn ihr während des Lebens lernt zu sterben; denn ihr könnt das Reich Gottes nur betreten, wenn ihr wiedergeboren werdet. Im Osten heißt es, man muß zum zweiten Mal geboren werden. Aber wiedergeboren und ein zweites Mal geboren werden läuft auf das gleiche hinaus. Die erste Geburt geschieht im physischen Körper und die zweite erfolgt ins Jenseits. Die Meister waren fähig, eine Erfahrung davon zu geben, wie man sich über das Körperbewußtsein erhebt. Sie konnten den Sinn des Mantra (Mantra = Formel bei Riten, Meditation u. magischen Handlungen, soll Wohlergehen u. Befreiung aus der Seelenwanderung bringen. Im Surat-Shabd-Yoga [Pfad der Meister] wird kein Mantra gegeben. Der Meister bezieht sich hier auf das Gayatri- Mantra, das die Priester der Hindureligion den 8 – 10jährigen Kindern geben. Ursprünglich war damit die Vermittlung einer Erfahrung des inneren Lichts verbunden.) enthüllen, der bedeutet, daß man sich über den physischen, den astralen und den kausalen Körper erheben soll, um dem Sohne des Lichts (Im Englischen: „the Son of Light – the Light of the Sun“ [nicht übertragbares Wortspiel] ) zu begegnen, um das Licht der Sonne zu sehen, das bereits in euch strahlt.

 

Wie ich schon vorhin sagte, ist Reinheit eine Vorstufe zu Gott und dasselbe gilt für die Liebe zu Gott. Fehlgeleitete Liebe, Verhaftetsein genannt, hält uns im Körper fest und ist die Ursache für unsere ständige Wiederkehr. Wir gehen dorthin, woran wir hängen, denn das gehört zur Natur des Anhaftens. Wahre Liebe oder Nächstenliebe ist bereits fest in unserer Seele verwurzelt, und wenn wir sie auf Gott richten, lieben wir wirklich. Gott ist Liebe, unsere Seele ist personifizierte Liebe, und der Weg zurück zu Gott geht ebenfalls durch die Liebe. Alle Meister sagten: „Liebe Gott mit deinem ganzen Herzen, mit all deiner Kraft, und liebe deinen Nächsten und die ganze Schöpfung.“ Auf den Schwingen der Liebe können wir himmelwärts fliegen, aber nur, wenn unsere Liebe rein ist.

 

Von Christus wird berichtet, daß er rein, frei von Sünden geboren wurde. Ähnlich waren die Meister des Ostens Verkörperungen von Keuschheit und reinem Leben.

 

Eheleben ist kein Hindernis für die Spiritualität, wenn es den Geboten der heiligen Schriften entsprechend geführt wird. Das bedeutet, einen Lebenskameraden zu nehmen, der einen während diesen irdischen Aufenthaltes in Wohl und Wehe zur Seite steht. Mann und Frau sollten einander helfen, Gott zu erkennen und das höchste Ziel des menschlichen Lebens zu erreichen. Eine Pflicht mag es sein, Kinder zu zeugen, aber merkt euch, daß dies nicht hundert Prozent unserer Pflichten ausmacht. In den Schriften steht, die Männer sollten ihre Frauen lieben, wie Christus die Gemeinde liebte.

 

Im Leben aller Meister finden wir zwei wesentliche Dinge: Sie haben Verbindung mit Gott, und sie sind das Sprachrohr Gottes. Sie sprechen, wie es ihnen Gott eingibt, und nicht von der Ebene des Verstandes aus oder aufgrund von Gefühlen, Empfindungen oder Schlußfolgerungen. Sie schauen und künden und fordern uns auf, ebenso zu werden. Sie sagen: „Seid still (in Körper und Verstand) und wisset, daß ihr Gott seid!“

 

Wir zollen allen Meistern große Achtung, allen Menschensöhnen oder menschlichen Polen, in denen die Gotteskraft, Meisterkraft oder Christuskraft wirkte und weiterhin wirken wird, um die Menschenkinder zu führen. Wir sind gesegnet.

 

Ich wünsche euch ein glückliches Weihnachtsfest, aber in der Weise, die ich als wahre Feier des Christustages empfohlen habe. Begreift, wer die Meister waren, und versteht ihre Lehren: wie man lernt zu sterben, wie man wiedergeboren wird, wie das innere Auge geöffnet wird und das Licht Gottes gesehen werden kann. Christus war das Licht und der Weg.

 

Es war mir eine große Freude, euch die Wahrheiten dieser Christusnacht darzulegen, die ich durch Erfahrung und das vergleichende Studium der Religionslehren kennen gelernt habe. Bitte, unterzieht sie einer Betrachtung.

 

Wie ich schon sagte: Verbleibt in der Religionsgemeinschaft, die euch zusagt. Doch solange ihr nicht zu Füßen eines menschlichen Pols sitzt, in dem sich die Gotteskraft offenbart, ist der Zweck, dessentwegen ihr den verschiedenen Geistesschulen beigetreten seid, nicht erfüllt, denn ihr wollt ja Gott sehen.

 

Die Meister lösen keine Religionsgemeinschaften auf, noch führen sie neue ein. Wenn sie kommen, kommen sie für die ganze Welt. Sie betrachten alle Menschen als gleich und möchten, daß wir dieses Geheimnis des menschlichen Körpers enträtseln. Groß ist der Mensch. Er lebt in diesen Körper, in dem Gott ihn überwacht, und im Mikroklosmos des Körpers befindet sich der Makrokosmos. Wir wissen so viel über die äußeren Dinge, aber aus Mangel an praktisch erfahrenen Menschen wissen wir wenig oder nichts über uns selbst, die große Gunst und den großen Segen, den wir mit dem menschlichen Körper – dieser unschätzbaren Gelegenheit – besitzen.

 

Gesegnet seid ihr. Verbleibt in der Religionsgemeinschaft, der ihr angehört – es bedarf keiner Änderung – aber erfüllt sie in Wahrheit – lebt wirklich danach. Und die eigene Religionslehre wahrhaft zu befolgen heißt – nach meinem besten Wissen um die Schriften – zu Füßen einer solchen Persönlichkeit zu sitzen, die den Weg kennt.

 

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Sant Kirpal Singh

 

 

 

 

 

 

 

Das Christentum

 

 

Jesus Christus war seinem Wesen nach ein Mensch des Ostens, und seine Lehren waren von orientalischer Mystik geprägt. Es wird sogar worüber die Evangelien schweigen, angenommen, daß er viele Jahre seines früheren Lebens in Indien, dem Land der Weisen aus dem Morgenlande, wie sie damals genannt wurden, zugebracht hat und auf seinen Wanderungen von Ort zu Ort eine Menge von den Yogis und den buddhistischen Mönchen gelernt hat. Mag sein, daß er sogar seine Lehrtätigkeit direkt in Indien begonnen hat und dort einen Vorgeschmack von den Verfolgungen seitens des Brahmanen- Ordens und der sogenannten ersten Gesellschaftskreisen wegen seiner umfassenden Einsichten bekam; denn er hielt nichts von Standesbarrieren und predigte die Gleichheit der Menschen (Vergl. Nicolas Notovitch „The Unknown Life of Christ“ Indo- American Book Co. [Chicago 1894] )

 

Sein Beitrag zum religiösen Gedankengut der Welt kann daraus ersehen werden, mit welchen Nachdruck er die universale Liebe verkündet hat und betonte, daß das Reich Gottes im Innern des Menschen liege. Beides sind Hauptgrundsätze, die die Alten lange vorher gekannt haben, die aber in der Praxis vergessen und übersehen worden sind.

 

Ihr sollt nicht wähnen, daß ich kommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht kommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.

Matth. 5,18

 

Wir wollen einige Aussprüche untersuchen, die erkennen lassen, daß Jesus mit dem alten religiösen Gedankengut vertraut war und den Pfad der Meister des HÖRBAREN LEBENSSTROMES praktisch verfolgte, was oftmals übersehen oder durch jene, die heute seine Lehren studieren, falsch ausgelegt wird.

 

Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein; ist aber dein Auge ein Schalk, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein.

Matth. 6,22-23

 

Dieses „Auge“ bezieht sich ganz unverkennbar auf das „Einzelauge“, und die Worte „Wenn dein Auge einfältig ist“ bedeuten eine konzentrierte Bewußtheit im Innern des Zentrums hinter und zwischen den beiden Augen. Wiederum beziehen sich die Worte „Wenn dein Auge ein Schalk ist“ – auf einen Zustand geistiger Zerstreutheit im Äußeren, im Gegensatz zur Konzentration im Innern, und die Folge davon ist ohne Zweifel die „Finsternis“ – eine Finsternis, die aus der Unkenntnis über die wahren und wirklichen Werte des Lebens herrührt, denn sie ist das größte Übel der Seele.

Lukas warnt, wenn er sagt:

 

So schaue darauf, daß nicht das Licht in der Finsternis sei.

11,35

Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was ihr höret in das Ohr, das predigt auf den Dächern.

Matth. 10,27

 

Hier nun wurde des Ratschlags, die Jesus seinen wenigen Auserwählten gab, nämlich, den Menschen öffentlich (im Licht) die Bedeutung dessen klarzumachen, was sie „in der Finsternis“, das heißt in der geheimen Meditation, gehört hatten und von der göttlichen Musik zu künden, die sie durch das transzendente Hören in ihrem Ohr vernahmen.

 

Mit den Ohren werdet ihr hören, und werdet es nicht verstehen; und mit den sehenden Augen werdet ihr sehen, und werdet es nicht vernehmen.

Matth. 13,14

 

Der übermittelte Gedanke ist, daß esoterisches und spirituelles Wissen in den der Seele selbst, im menschlichen Laboratorium, erfahren wird und nicht auf intellektueller Ebene oder dem Sinnesplan verstanden werden kann.

 

Im Matthäus- Evangelium wird weiter erklärt:

 

Wahrlich, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt zu sehen, das ihr sehet, und haben’s nicht gesehen, und zu hören, das ihr höret, und haben’s nicht gehöret.

Matth. 13,17

Lukas 10,24

 

Hier ist in klaren und unzweideutigen Worten ein Hinweis auf die innere spirituelle Erfahrung gegeben, auf die Verwirklichung des Reiches des Lichts und der Harmonie, das ein wirklicher Meister wie Jesus seinen Schülern offenbaren konnte.

Genau wie andere Seher hat Jesus seinen aufrichtigen Schülern eine mystische Erfahrung vom Reich Gottes gegeben. Zur Menge hat er nur immer in Gleichnissen gesprochen (wie vom Senfkorn, vom Feigenbaum, von den zehn Jungfrauen usw.), die in den Evangelien in Fülle zu finden sind.

In einem bildhaften Gleichnis erklärt er das Sähen des Wortes in die Herzen der Menschen und sagt, daß das Wort, das am Wegrand gesät ist, gewöhnlich von Satan aus dem Herzen gestohlen wird; das Wort, das auf steinigen Boden fällt, schlägt keine Wurzeln. Es hält für eine Weile, doch wird weggespült, wenn sich Trübsal und Verfolgung um des Wortes willen erhebt. Das Wort, welches zwischen Dornen gesät wurde, erstickt und bleibt ohne Frucht, wenn die Sorgen dieser Welt und der betrügerische Reichtum und viele andere Lüste hinzukommen. Und schließlich bringt das Wort das auf guten Grund gefallen ist, Frucht ..., sie hören das Wort und nehmen es an. (Mark. 4,14-20).

 

Der Pfad Jesu ist der der Selbstverleugnung und der Erhebung über das Körperbewußtsein, was der Erfahrung des Todes im Leben gleichkommt.

 

Und Jesus sprach zu seinen Jüngern: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben verlieret um meinetwillen, der wird’s finden. Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse?

Matth. 16,24-26

 

Das bedeutet, daß man den aus Fleisch und sinnlichem Gemüt bestehenden äußeren Menschen um des inneren Menschen oder der Seele willen opfern muß. Mit anderen Worten, man muß das Sinnesleben zugunsten des Lebens des Geistes aufgeben. Wiederum muß die Gottesliebe in unserem Leben vorherrschend sein:

 

Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und vom ganzen Gemüte.

Matth. 22,37

 

Markus geht weiter und fügt hinzu: „Von allen deinen Kräften“.

 

Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

In diesen zwei Geboten hanget das Gesetz und die Propheten.

Matth. 22,37-40

Mark. 12,30-31

Lukas 10,27

 

Das Prinzip der Liebe ist noch weiter ausgedehnt in:

 

Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.

Matth. 5,44

 

Und wozu dient dies alles? – Um vollkommen zu werden gleich Gott:

 

Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

Matth. 5,48

 

Im Lukas- Evangelium lesen wir, daß das „Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in die Wüste gekommen ist“, und der letztere der sich wundernden Menge die Taufe durch Buße zur Vergebung der Sünden predigte und sagte: „Ich taufe euch mit Wasser; aber es kommt ein stärkerer nach mir... der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.“

(3,2-3 und 16).

 

Wir müssen uns die Worte „Taufe mit dem heiligen Geist und Feuer“ gut merken, denn das eine bezieht sich auf die himmlische Musik (das heilige Wort) und das andere symbolisiert das himmlische Licht, das zweifache Prinzip von Ton und Licht, das die ersten Offenbarungen der Gottheit oder der Gotteskraft sind, die hinter der ganzen Schöpfung steht.

Der Weg zum Reich Gottes kann demjenigen geöffnet werden, der weiß, wie er darum „bitten muß“, wie er „suchen“ und wie er „anklopfen“ muß. Mit diesen drei einfachen Worten ist in Matthäus 7 und Lukas 11 zusammengefaßt, was der Sucher zu tun hat. Doch unseligerweise wissen wir immer noch nicht, wo die Pforte liegt, an der es anzuklopfen gilt.

 

Guru Nanak erklärt nachdrücklich:

 

O ihr Blinden, ihr kennt die Türe nicht.

 

Und bei Matthäus lesen wir darüber:

 

Gehet ein durch die enge Pforte...

Und die Pforte ist enge, und der Weg ist schmal, der zum Leben führet; und wenige sind ihrer, die ihn finden.

7,13-14

 

Im Grunde genommen ist es ein Pfad der Umkehrung, denn keiner kann in das Reich Gottes kommen, es sei denn, daß er sich umkehret und wie ein Kind wird (Matth. 18,3), das heißt, daß er seine Eitelkeiten aufgibt und sanftmütig wird und rein, einfach und unwissend wie ein kleines Kind. Lukas beschreibt dieses Thema in Kap. 18,15-17, als die Jünger denen, die ihre Kinder mitbrachten, Vorhaltungen machten und Jesus diese zu sich rief mit den Worten: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret es ihnen nicht; denn solcher (die gleichgesinnt sind) ist das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer nicht das Reich Gottes nimmt als ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“

 

Im Johannes- Evangelium lesen wir eine Erklärung der Lehren Christi. Er beginnt mit den denkwürdigen Worten, um deren wahre Bedeutung sich nur wenige gekümmert haben:

 

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

Dasselbige war im Anfang bei Gott.

Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist nichts gemacht, was gemacht ist.

In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.

Und das Licht scheinet in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen.

Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.

Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbige gemacht; und die Welt kannte es nicht.

Und das Wort ward Fleisch, und wohnte unter uns...

1,1-5; 9-10; 14

 

In der obigen Darlegung von Johannes kann es keinerlei Zweifel hinsichtlich der Natur des Wortes geben. Es ist in aller Klarheit das Licht und Leben der Welt, das schöpferische Lebensprinzip, in dem wir leben, uns bewegen und unser Sein haben. Es ist der Geist Gottes, die Substanz der Seele, die sich in dem gewaltigen Trubel der Welt und allem, was weltlich ist, verloren hat. Nur die Verbindung mit dem Geist zeigt den Weg zurück zu Gott und damit zur wahren Religion. Diese Verbindung wird verschiedentlich als zweite Geburt, Auferstehung oder das Von – neuem – geboren – werden genannt. Sich an Nikodemus, eine Pharisäer und Führer der Juden, wendend, sagte Jesus.

 

Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. (Man beachte das Wort „sehen“) ...

Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. (Man beachte: „in das Reich Gottes kommen“). Laß dich’s nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müßt von neuem geboren werden.

 

Jesus vergleicht den aus dem Geist Geborenen mit dem „Wind, der bläset, wo er will und du hörest sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt“ (Joh. 3,8). An anderer Stelle spricht er von heiligen Wort als dem „lebendigen Wasser“; das Wasser, „das in das ewige Leben quillet“ (Joh. 4,14).

Von sich selbst sprach Jesus als vom „Brot des Lebens“, dem „lebendigen Brot“, das vom Himmel kommt; und er forderte seine Jünger auf, „das Fleisch des Menschensohnes zu essen und sein Blut zu trinken“, denn ohne dies „habt ihr kein Leben in euch“ (Joh. 6,53).

 

Dies sind kurz die wesentlichen Lehren Christi, des Meister – Christen, aber nicht der des institutionellen Christentums. Die meisten der christlichen Lehrsätze, wurden nicht von Jesus, sondern von Paulus formuliert, der Christus in das Opferlamm verwandelte, das für die Sünden der Welt zu büßen hatte; und um diesen zentralen Gedanken, der dem Judentum und den religiösen Gebräuchen rings um das Mittelländische Meer entliehen war, haben sich eine Menge Rituale und Zeremonien gebildet. Die Lehren von Christus sind weiterhin ausgezeichnete moralische Vorschriften und zeigen zweifellos den weg zur inneren Verwirklichung, reichen aber allein nicht aus, um den Sucher auf den Pfad der Verwirklichung stellen zu können, denn ihnen fehlt jetzt der lebendige Impuls, die lebendige Verbindung mit dem Verfasser, der die Aufgabe, die ihm in seiner Zeit übertragen war, erfüllt hat, der aber nicht in unserer Zeit die Menschen initiieren, führen und ihnen die Wahrheit vor Augen halten kann, indem er sie der Wirklichkeit von Angesicht zu Angesicht gegenüberstellt. Von all den mystischen Lehren Christi finden wir heute nur noch die symbolischen Kerzenlichter in den Kirchen und das zeremonielle Glockengeläut zur Zeit des Gottesdienstes. Nur wenige, wenn überhaupt jemand, kennen die wirkliche Bedeutung, die hinter dem Ritual steht, nämlich die sichtbare Darstellung der beiden Prinzipien von Licht und Ton, den allerersten Offenbarungen der Gottheit, die für alles, was im Universum existiert, das Sichtbare wie das Unsichtbare, verantwortlich ist. Wenn man einige der großen kirchlichen Würdenträger danach fragt, sagen sie, daß die Glocken lediglich darum geläutet werden, um die Menschen zum Gebet zu rufen; und von Gott als den Vater des Lichts zu sprechen (Jak. 1,17) wäre nur ein bildliche Darstellung, um der Welt seine größte Gabe (des Lichts der Vernunft und des Verstandes) aufzuzeigen. Mit kaum irgendeiner Erfahrung der inneren Wahrheiten nehmen sie die Worte buchstäblich und versuchen, die Dinge theoretisch zu erklären.

 

Jesus selbst erklärte in unzweideutigen Worten:

 

Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolget, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Joh. 8,12

 

Wenn einer von sich selbst als dem „Licht des Lebens“ spricht, kann das nicht ein Hinweis auf das Licht der Sonne sein, selbst wenn sie in der physischen Welt eine Quelle lebenspendender Kraft ist. In Matthäus 13,14 fährt Jesus fort, die Sachlage zu klären, und warnt vor der buchstäblichen Auslegung seiner Worte, wenn er zwischen „hören“ und „verstehen“ unterscheidet und zwischen „sehen“ und „wahrnehmen“. Es sind nur die erwachten Seelen, die Meister der Wahrheit, die in lebendiger Verbindung mit der Wirklichkeit sind, welche den Schlüssel zum Reich Gottes in Händen haben und einen Menschen, der jetzt völlig im Sinnesleben verloren ist, emporziehen und für ihn das große Erbe allen Lebens und allen Lichts wiederentdecken können. Denn es heißt: „Alsdann werden der Blinden Augen aufgetan und der Tauben Ohren geöffnet werden; alsdann werden die Lahmen löken wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen. Denn es werden Wasser in der Wüste hin und wieder fließen und Ströme im dürren Lande“ (Jesaja 35,5-6).

 

Nur wenige von uns verstehen und würdigen die innere Bedeutung der Worte Jesu! Wir begnügen uns allein mit der ethischen Seite seiner Lehren, die natürlich eine notwendige Ergänzung der spirituellen Seite war. Die ethischen Grundsätze sind weit verbreitet und wurden sogar sehr lebendig erhalten, denn sie weisen in der Tat seit Moses einen großen Fortschritt in der moralischen Skala der menschlichen Werte auf. Aus ihnen erklären sich jedoch nicht Aussagen wie jene über „das jüngste Gericht“ oder: „Tut Buße, das Himmelreich ist nahe“ und: „Gott ist Geist, und die, welche ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“. Wenn solche Aussprüche im buchstäblichen Sinne genommen werden, verlieren sie ihre Bedeutung. Der „Tag des Gerichts“ ist nicht gekommen, obwohl sein Nahen prophezeit war; so hat entweder Jesus in Unwissenheit gesprochen, oder wir haben die wirkliche Bedeutung von dem, was er meinte nicht erfaßt. Es steht immer eine innere Bedeutung hinter dem, was er sagte; eine Bedeutung, die jenen klar ist, welche dieselben mystischen Erfahrungen gemacht haben, die aber solche verwirrt, die den Versuch machen, diese Dinge in Begriffen des Verstandes oder gar der Intuition zu erklären.

 

Ohne die direkte innere „Wahrnehmung“ (die nicht mit philosophischen Spekulationen oder intuitiver Einsicht zu verwechseln ist) zu haben, versuchen wir, die Bedeutung der Lehren auszulegen, die uns in Begriffen unserer eigenen begrenzten Erfahrung überliefert wurden. Was bildlich gedacht war, nehmen wir buchstäblich, und die übersinnlichen Beschreibungen würdigen wir zu bloßen Bildern herab. Wir vergessen einfach, daß Jesus, wenn er sagte, er sei „das Licht der Welt“, „der Sohn Gottes“ und einer der unzerstörbar sei und seine Schüler sogar „bis ans Ende der Welt“ weder verlassen noch versäumen werde, nicht in seiner sterblichen Eigenschaft sprach, sondern, wie allen anderen großen Meister, als einer, der mit dem Wort verschmolzen und eins mit ihm geworden war. Und indem wir das vergessen, machen wir ihn, anstatt den spirituellen Pfad zu verfolgen, den er gezeigt hat, zu einen Sündenbock, der unsere Sünden trägt, um so der inneren spirituellen Aufforderung zu entgehen.

 

Und wird leicht von denen erkannt, die sie lieben,

und von denen gefunden, die sie suchen.

Weisheit 6,12


 

 

Die Christuskraft,

Gotteskraft oder Meisterkraft

Ist ein und dieselbe

Und offenbart sich

In einem menschlichen Gefäß,

um die Bedürfnisse der

Kinder Gottes zu erfüllen ...

 

Kirpal Singh