Alles wonach wir suchen

Alles wonach wir suchen, ist im Innern des Körpers. Wie wenn man ein Gewehr in seine Teile zerlegt und sie nach dem Reinigen wieder zusammenfügt, so hat Kabir in aller Ausführlichkeit beschrieben, was er im Innern des Körpers gesehen hat. Er sagt: Ich will euch sagen, was der Herr ins Innere des Körpers gelegt hat. Dieser unser Körper ist ein Palast, in dem die Seele dem geliebten Weibe gleich wohnt und Gott als ihr Gemahl verweilt. Seit langer Zeit schon bewohnen sie dieses Haus und doch begegneten sie einander nie.” Das ist die Erfahrung aller Heiligen, die den spirituellen Pfad beschritten und dem Herrn von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.

“O Sucher nach Gott, du hast Gott in den Wellen
im Meer deines Gemüts verloren.”

“In einem Bett ruhen die beiden,
sie und ihr Gemahl (die Seele und Gott).
vergebens sucht Er sie zu wecken,
die in tiefem Schlaf liegt.”
                                               Guru Arjan

Warum rufst du voller Sehnsucht nach dem Herrn,
da er doch dort in dir ist?”
                                              Paltu Sahib

”Das Himmelreich ist inwendig in euch.”
                                              Christus

”Ich wundre mich, wie die Menschen, Motten
gleich, in die Welt hin eilen.
Sie wandern umher, umarmen Stein
und beachten das Licht im Innern nicht.”
                                              Shamas Tabrez

Kabir sagte auch, daß der Herr im Innern dieses Körpers wohnt und unsere Anstrengungen darauf gerichtet werden sollten, Ihm (im Innern) zu begegnen.

Wie glücklich ist, wer sich selbst opfert;
indem er sein Ego verbrennt,
wird er eins mit Gott.
                                                 Maulana Rumi

Der Körper wird in vier Regionen aufgeteilt. Das sind Pind oder Pinda, der physische oder materielle Körper; And oder Anda, der niedrigste Teil von Brahmand, der spirituell — materielle Bereich; Brahmand, die spirituell — materielle Ebene, die überwiegend spirituell, doch mit einem bestimmten Anteil verfeinerter Materie vermischt ist; und zuletzt Sach Khand, der Bereich reinen, unvermischten Geistes, die höchste Ebene völliger Reinheit. Sach Khand ist somit die einzige Ebene von dauerhafter Beständigkeit (die nicht der Auflösung oder der großen Auflösung unterliegt).

Richte deinen Blick auf die Sonne des Geistes, die in Brahmand erstrahlt. Gerade wie die Sonne und der Himmel vom Wasser (And) wider gespiegelt und die Strahlen vom Wasser an eine Wand (Pind) geworfen werden, sehen wir, daß bei der Widerspiegelung der Sonne im Wasser sie zwar die Wärme, aber nicht ihre Gestalt verliert. Wenn ihre Strahlen vom Wasser an eine Wand reflektiert (oder die Sonne des Geistes sich im physischen Körper widerspiegelt) werden, verliert sie dabei Wärme und Gestalt. Das macht deutlich, daß wir im physischen Körper normalerweise nur sehr wenig von der Strahlung und Schönheit des Geistes erfahren und uns ihrer nur in sehr geringem Maße erfreuen können.

“Die Welten sind eine bloße Widerspiegelung
des Ewigen, das in sich selbst besteht.”
                                                     Guru Arjan

In Brahmand gibt es sechs Chakras oder Zentren der geistigen Energie, die sich in sechs damit verbundenen Zentren in der Anda—Region des Körpers widerspiegeln. Die sechs Zentren in And haben ihre Reflektion in sechs übereinstimmenden Zentren in Pind, dem physischen Körper. Die Zentren von Pind liegen unter den Augen — Zentrum im Körper. Darüber, in And, liegt Sahasdal Kanwal, die Ebene des Tausendblättrigen Lotos‚ jenseits davon befindet sich der Bereich‚ von Brahmand.
Im Wachzustand ist der Sitz des Geistes im Augenzentrum, im Raum hinter und zwischen den Augen. Wenn wir träumen, befindet sich der Geist in Kehlzentrum. In Sushupati (traumloser Tiefschlaf) hält er sich im Nabelzentrum auf. Doch wir müssen nach oben gehen. Wir sind auf halber Höhe eines Berges. Es hat keinen Sinn, zuerst hinabzusteigen und dann nach oben zu gehen. Das wäre ein Fehler.

Die Heiligen sagen: “Laßt uns vom Augenzentrum nach oben gehen.” Die Yogis haben das nicht beachtet, und sie beginnen ihren Weg vom niedrigsten Körperzentrum aus und vergeuden dabei ihr Leben. Sie bleiben in den niedrigen Chakras. In diesen niedrigen Chakras findet man die Götter und Gottheiten. Kabir beschrieb diese Stufen, um den Einwänden der Yogis zu begegnen und die Behauptung zu entkräften, die Heiligen wüßten nichts über das System der Chakras im Körper.

Der Weg der Heiligen beginnt am Augenzentrum (aggya chakra). Wir müssen nach oben gehen, geradewegs nach Sach Khand, um mit Sat Naam, dem Herrn der fünften Ebene, die über der materiellen Welt und dem physischen Universum liegt, eins zu werden. Wir müssen von der höchsten Stelle in Pind (dem Körper) ausgehen und And und Brahmand überschreitet. ...

Die äußeren oder die physischen Augen haben kein Licht in sich, sie sind von den fünf äußeren Quellen der Lichts abhängig: Sonne, Mond, Sterne, Feuer oder elektrisches Licht. Ohne diese können die physischen Augen nicht sehen. Das innere Auge ist selbstleuchtend und braucht kein äußeres Licht. Schließt die äußeren Augen und seht mit den inneren. Schließt die äußeren Ohren und hört mit den inneren. Wenn wir das tun und sich unsere Aufmerksamkeit im Dritten Auge sammelt, wird das Licht offenbar. Der Pfad von Sant Mat beginnt am Augenzentrum.

Wenn sich die innere Schau öffnet, sehen wir den Sternenhimmel. Wir haben Sonne und Mond zu durchqueren, um weiter nach oben zu gehen. Weiter oben ist ein enger Weg, den wir durchschreiten müssen. Kabir Sahib sagt, daß das Tor zur Freiheit nur ein zehntel eines Senfkorns mißt und das Gemüt einem Elefanten gleicht und es nur schwer durchschreiten kann. Wenn wir jedoch einen wahren Meister finden und er uns mit seiner Gnade überschüttet, wird uns der enge Durchgang zur Freiheit weit geöffnet, und man kann ihn leicht durchschreiten und nach Beliehen kommen und gehen. Guru Nanak sagte, daß der Weg zu Gott ein Zehntel eines Haares messe. Andere Heilige haben diesen Pfad enger als ein Nadelöhr genannt.
Wenn die Seele den Bereich von Sonne und Mond überschritten hat, sieht sie den Meister im Innern und geht hinauf nach Sahansdal Kanwal. In Begleitung des Meisters beginnt hier die wirkliche spirituelle Reise. Dies ist eine wundervoll leuchtende Region. In der Welt darunter, wenn wir unter diesem Zentrum wirken, wird die Seele vom Gemüt und dieses von den Sinnen beherrscht; aber wenn wir diese Ebene (And) erreichen, heißt das, daß die Sinne vom Gemüt und dieses von der Seele kontrolliert wird. Und so sollte es bei einem Satsangi sein.

Die Region von Sahansdal Kanwal ist die letzte oder höchste Ebene der Yogis, über die hinaus einen die Pranas oder Lebensströme nicht zu bringen vermögen. Die Pranas sind mit einen Fahrrad zu vergleichen, daß man nach einer Fahrt über eine asphaltierte Straße, da wo der Asphalt endet und die Straße aufgebrochen und voll tiefer Löcher und Furchen ist‚ nicht länger benutzen kann. Die Reichweite der Pranas ist auf Chid Akash, den unteren Teil der ersten Ebene begrenzt. Die Yogis sind sich der vielen schönen und wahrhaft geistigen Bereiche, die jenseits davon liegen, nicht bewußt. Doch selbst diese erste Ebene ist unermeßlich weit, und man könnte Bände füllen, sie zu beschreiben. Aber wir müssen weiter nach oben gehen.

In Inneren des materiellen Körpers ist der astrale Körper und in ihm der kausale Körper. Wenn die Seele von all diesen äußeren Umhüllungen (materiell, astral und kausal) befreit ist, erstrahlt sie in ihrem eigenen Licht, das dem von zwölf Sonnen gleicht. Die Seele ist vom Wesen des Herrn und hat die gleichen Eigenschaften, doch solange sie von diesen Umhüllungen bedeckt ist, hat sie keine Kenntnis ihrer Kraft. Die Seele ist “chetan” (alle Bewußtheit, Intelligenz oder bewußte Lebenskraft) aber durch die Verbindung mit den materiellen Dingen wurde sie materiell, oder genauer gesagt: von materiellen Gedanken, Wünschen und dergleichen bedeckt. Wenn wir uns erheben, wird unsere Bewußtheit an Klarheit und spiritueller Kraft gewinnen, bis wir den Zustand von Sat, Chid, Anarid oder wahrhaft glückseliger Bewußtheit (Sat heißt “wahr” oder ”zu aller Zeit und unter allen Umständen bestehend”; Chid bedeutet Bewußtheit und Anand Seligkeit) erlangen.

In uns allen wohnt der gleiche Geist, keiner unterscheidet sich von Ihm, doch ach! wir wissen es nicht, wir haben es nicht erkannt.

Das Licht der Seele ist immer in uns, doch wir vermögen es nicht zu sehen. Es ist wie eine Lampe, die von vielen Umhüllungen bedeckt ist und kein Licht ausstrahlen kann. Aber wenn man die Hüllen eine nach der anderen entfernt, wird das Licht sichtbar. Erst in Sach Khand, der fünften Ebene, erstrahlt die Seele in vollem Glanz.

Es gibt weite Regionen im Inneren. Nachdem sie Sahasdal Kanwal durchquert hat, gelangt die Seele nach Brahm oder Trikuti, wonach sie Par Brahm betritt. Nur wer einen vollendeten Meister hat, erreicht diese Ebene, über die wir auch hinausgelangen müssen, um von allen Begrenzungen frei zu werden. Diese innere Reise ist nicht auf die Angehörigen irgendeiner Religion beschränkt, noch auf Mann oder Frau. Sie ist jedem möglich. Es ist ein Weg der Liebe und Hingabe. Wer sich selbst hingibt, wird den inneren Schleier, der eine Schöpfung unseres eigenen Gemüts ist, zerreissen. Wenn etwas in der Welt schwer zu erlangen ist, dann ist es ein vollendeter Meister. Wer einen vollendeten Meister gefunden hat, der wird Sach Khand erreichen. Doch einer mit einem Meister von niederer Art wird unterhalb dieser Ebene bleiben müssen. Der Schatz von Naam ist im Innern eines jeden von uns. Wer auch immer einen vollkommenen Meister findet und seinen Geboten folgt, der wird das Ziel erreichen.

Die Heiligen, die in diese Welt kommen, gründen keine neuen Religionen, noch greifen sie in die bestehenden ein. Sie weisen uns stets an, unsere Zeit der Ausübung von Naam zu widmen und auf diese Weise Sach Khand zu erreichen. Solange die Seele nicht Sach Khand erreicht, erlangt sie nicht die völlige Erlösung.

Es gibt keine festgelegte Zeit um Sach Khand zu erreichen. Sie beruht ganz auf der Liebe, die man dem Meister und Gott entgegen bringt (und diese Liebe entwickelt sich durch das befolgen seiner Gebote). Euer innerer Fortschritt hängt direkt von eurer Liebe ab. Ich habe Menschen getroffen, die nach der Initiation bald ins Innere gelangt sind, wohingegen andere selbst zwanzig Jahre nach ihrer Initiation nicht in der Lage waren, das innere Licht zu erblicken. Das bedeutet in der Tat‚ daß das Gemüt um so schneller zu den inneren Regionen gelangt, je reiner es ist (je mehr der Gedanke an Gott in ihm vorherrscht). Wenn das Gemüt fehlerhaft ist, geht der Fortschritt nur langsam vor sich.

Die Zeit ist also für jeden eine andere. Wenn unser Verstehen ohne Fehler und unser Gemüt klar und rein ist, folgt das Resultat unmittelbar. Aber im Fall jener, deren Gemüt beschmutzt ist, braucht es Zeit, um den inneren Schleier zu heben.

O Dadu, wessen Brille klar ist, der kann sein
Spiegelbild sehen, doch wessen Spiegel (des
Geistes) von Schmutz bedeckt ist, wie kann er
sich selbst darin erblicken?
                                                    Dadu Sahib

Es ist die Pflicht des Meisters, die Seele des Schülers durch die unterschiedlichen Ebenen zu leiten und in den Schoß des Sat Purush zu führen. Von hier aus wird der weitere Aufstieg durch die Kraft des Sat Purush beschleunigt. Nachdem sie die zwei nächsthöheren Ebenen von Alakh und Agam durchschritten hat, kommt die Seele zur letzten Stufe, die Anamni, der Namenlose, oder Radha Soami genannt wird. Das Licht einer Million von Sonnen kann nicht mit dem Licht verglichen werden, das in Alakh und Agam erstrahlt. Was die letzte Stufe oder die höchste Region betrifft, die Wohnstatt des Höchsten Einen, so bewahren die Heiligen hier Schweigen. Sie hat weder Anfang noch Ende. Sie ist so unermesslich und unbeschreiblich, daß es nicht möglich ist, ihr mit Worten dieser Welt gerecht zu werden.

Alle diese spirituellen Regionen sind unser Geburtsrecht. Und es ist die Pflicht des Meisters, dem Schüler den Weg zu zeigen, auf dem er nach innen gehen kann. Es mag jedoch darauf hingewiesen werden, daß Meister, die diese höheren Regionen wirklich betreten können, in der Tat sehr selten sind (doch die Welt ist niemals ohne sie).

Hazoor Sawan Singh Ji