Übersetzung aus englischen Vorlagen durch Schüler Param Sant Kirpal Singhs


Tagebuch

zur Selbstprüfung

 

 

 

Welche Bindung bringt uns hierher in die Welt?

Welche Bindung bringt uns in die ewige Heimat zurück?

Welche Bindung führt uns zum unwandelbaren Sein?

Bitte geliebter Meister erkläre es uns. Die Bindung an die Leidenschaften

bringt uns in die Welt.

 

Die Bindung an Shabd (oder das Wort)

bringt uns in die ewige Heimat.

Die Bindung im Inneren führt zur

Verwirklichung - zu unwandelbarer Glückseligkeit.

 

Diese Verbindung kann uns allein der

wahre Meister geben.

 

Kabir

 

 

Die Wichtigkeit, das Tagebuch zu führen

 

Der Sinn des Tagebuches ist, euren eigenen inneren Zustand wiederzugeben, damit ihr wißt, wo ihr steht. Es ist ein Werkzeug, und wenn es auf richtige Weise angewendet wird, meißelt es euch zu einem geeigneten Gefäß, um die Offenbarung des Meisters in euch aufzunehmen. Es mag sein, daß der Schüler seinen Zustand kennt, die Schriften liest und darüber nachdenkt, daß er zum Satsang geht, Entschlüsse faßt, aber dennoch immer wieder in die alten Gewohnheiten zurückfällt. Deshalb habe ich geraten, täglich ein spirituelles Tagebuch zu führen. Es ist eine Methode der Selbstprüfung, die ich eingeführt habe, nachdem ich lange und tief darüber nachgedacht hatte. Um es liebevoll auszudrücken: Euer Gewinn davon ist eine moralische (ethische) Entwicklung.

 

Mit der Zeit ändern sich die Methoden. In alten Zeiten schlug man die Wäsche gegen die Steine, um sie zu waschen. Heute sind wir soweit, daß wir die Wäsche trocken reinigen können, ohne dafür Wasser zu brauchen. Die Meister haben all die Zeitalter hindurch auf viele Arten versucht, den Menschen eine bewußte Lebensführung nahezubringen. Wer dieser Wissenschaft nicht genau folgt, führt nie Tagebuch.

 

Die spirituellen Tagebücher wurden nach sorgfältiger Überlegung eingeführt und haben einen tiefen Sinn. Die tägliche Selbstprüfung muß beibehalten werden, nur dann seid ihr fähig, selbst zu erkennen, wie weit ihr dem Einflußbereich der Sinne entkommen seid. Das Tagebuch ist zum persönlichen Gebrauch gedacht und hilft dabei, viele tief verborgene Schwächen an die Oberfläche zu bringen. Man beginnt, sich ihrer bewußt zu werden, und versucht, eine nach der anderen zu beseitigen. Dadurch wird das Leben freudvoller, und der spirituelle Fortschritt beschleunigt sich. Die Tagebücher zeigen, wieviel Zeit ihr (für die Meditation, die spirituellen Übungen) einsetzt und wo immer euer Herz in der einen oder anderen Weise an äußeren Dingen hängt.

 

Hingabe verlangt Reinheit des Herzens. Reinheit des Herzens verlangt, daß kein anderer Gedanke euer Herz berührt, außer dem Gedanken an den Einen, den ihr liebt. Wenn ihr frei von äußeren Verhaftungen seid und in eurem Herzen kein Gedanke an jemand anderen ist, dann lebt Gott darin. Hingabe beginnt, wenn ihr euer Herz von äußeren Dingen löst und es an Gott oder den Gott – im – Menschen bindet. Das entwickelt sich, wenn ihr in beständige Verbindung mit Ihm kommt. Das ABC beginnt bei der Regelmäßigkeit der Hingabe an eure spirituellen Übungen.

 

Diejenigen, die keine Tagebücher führen, werden ständig versagen. Früher oder später wird ihr Herz vollständig an die Welt gebunden sein. Äußerlich mögen sie sehr ergeben erscheinen, aber in Wirklichkeit sind sie Ergebene der Welt. Wer das Tagebuch nicht beachtet, verliert die wertvolle Grundlage für einen steten spirituellen Fortschritt. Dann kommt die Zeit, in der man aufhört, sich den spirituellen Praktiken zu widmen, und als Folge davon werden die Tugenden, auf die im Tagebuch Wert gelegt wird, weniger und weniger beachtet werden.

 

Wenn einige der Lieben das Tagebuch der Selbstprüfung bereits (vor der Initiation) führen möchten, werden sie schließlich auch einen Gewinn vom heiligen Pfad haben.

 

 

Selbstprüfung und Entwicklung zum wahren Menschen

 

Es gibt grundsätzlich zwei Phasen, durch die der ringende Schüler gehen muß, bevor er sich über das Körperbewußtsein erheben kann und anfängt, an den spirituellen Übungen Gefallen zu finden, um so auf dem Pfad der Spiritualität entschlossen voranzuschreiten. Im ersten Stadium weiß der Schüler wenig oder nichts von der Selbstprüfung und befindet sich in einem Zustand abgrundtiefer Unwissenheit. Auf der zweiten Stufe beginnt der Schüler, sich bewußt zu werden, daß er unzählige Fehler und Mängel hat. Diese müssen beseitigt werden, bevor er darauf hoffen kann, sich über das Körperbewußtsein zu erheben – auf die Stufe, wo dieser Pfad tatsächlich erst beginnt.

 

Dieses zweite Stadium, das für die meisten einen langwierigen Kampf mit den niederen Eigenschaften des Gemüts bedeutet, ist als „Entwicklung zum wahren Menschen” bekannt. Spiritualität oder das Sich – Erheben von den niederen Ebenen des Seins zu den höheren Bereichen der unaussprechlichen Glückseligkeit und Harmonie ist nicht schwierig. Es ist die „Entwicklung zum wahren Menschen”, die schwierig ist. Für dieses zweite Stadium gibt es keine besondere zeitliche Begrenzung. Alles hängt davon ab, wie bereitwillig der Schüler ist, selbstdiszipliniert zu sein, den Geboten des Meisters zu folgen und Liebe zu Ihm zu entwickeln.

 

Als letztes Hindernis muß das sich – selbstbehauptende Ego besiegt werden. Das kann nicht geschehen, solange die Seele nicht beginnt, zu sich selbst zu kommen und einen Schimmer ihrer wahren Natur erhält. Dann entwickelt der Schüler in sich eine natürliche Demut. Denkt aber daran: Demut ist nicht mit einer unterwürfigen Haltung zu verwechseln. Wirkliche Demut hat Kraft und ist dennoch nicht anmaßend.

 

Obwohl die gnädige Meisterkraft dem Schüler immer zur Seite steht, um ihm in seinem Kampf zu helfen, muß der Schüler durch dieses Stadium doch selbst hindurch. Niemand sonst kann es für ihn tun. Ihr seid auf den Pfad gestellt worden und habt ein Startkapital erhalten, das immer noch in euch liegt: Eine Saat wurde in euch gelegt, die eines Tages sicherlich Frucht tragen wird, und in Seiner feinstofflichen Form von Licht und Ton ist der Meister als ständiger Begleiter bei euch. Ebenso ist Er fähig, sich in Seiner bezaubernden strahlenden Form zu offenbaren, sobald ihr gelernt habt, euch über das Körperbewußtsein zu erheben. Es ist nicht vernünftig zu erwarten, in die höheren Ebenen zu gelangen, ohne sich vorher in hohem Maß zu vervollkommnen. So wie es beim weltlichen Studium nicht außergewöhnlich ist, zwanzig Jahre oder mehr aufzuwenden, um die notwendigen Fähigkeiten für eine Karriere zu erwerben, so muß der Schüler erst recht mehr Zeit und Mühe einsetzen, um ein geeignetes Gefäß zu werden, das die Wahrheit Gottes und die seiner eigenen Seele widerspiegeln kann. Manche haben eine sehr seltsame Vorstellung: Sie erwarten Selbst- und Gottverwirklichung in nur kurzer Zeit und mit wenig Mühe. Dieselben Leute aber sind bereit, Jahre härtester Mühen auf sich zu nehmen für den Topf voll Essen, der bereits alles ist, was  diese Welt zu bieten hat.

 

In keiner anderen Form als der menschlichen kann eine Seele Gott verwirklichen. Selbst Götter und Göttinnen verlangen danach, die menschliche Form zu erhalten. Das zeigt, daß die menschliche Form wegen ihrer großen spirituellen Möglichkeiten die höchste in der ganzen Schöpfung ist.

 

Ich möchte nochmals die Wichtigkeit der Selbstprüfung betonen, für die das Führen des Tagebuches vorgeschrieben ist. Äußerste Wachsamkeit und eine sorgsame Lebensweise sind als hilfreiche Faktoren für den inneren Fortschritt wesentlich. Man sollte ein diszipliniertes Leben dadurch anstreben, daß man über die Sinne – die dem Gemüt Nahrung geben, welches wiederum die Seele beherrscht – völlige Kontrolle erreicht.

 

Licht und Ton, die inneren göttlichen Bindeglieder, sind äußerst hilfreich dabei. Wenn ihr diesen göttlichen Prinzipien folgt, wird sich der innere Wandel des Lebens wie von selbst ergeben. Die Wahrheit steht über allem, aber höher noch ist die wahre Lebensweise.

 

Nehmt eine rechtschaffene Lebensweise an und seid genügsam. Ihr mögt bestimmte Wünsche haben, aber haltet ein, vermehrt sie nicht. Betrachtet die Wünsche von neuem und überlegt, wohin sie euch bringen werden. Was liegt vor euch und was werdet ihr mit euch nehmen? Wir hetzen und jagen durchs Leben und sind uns die meiste Zeit nicht einmal bewußt, was wir tun. Deshalb rät uns der Meister, all unsere Angelegenheiten ruhig und gelassen zu handhaben. Wenn jemand auf irgendeinem Gebiet menschlicher Tätigkeit ein bestimmtes Ziel erreichen möchte, ist es wichtig, daß er von Zeit zu Zeit Bilanz zieht, um zu sehen, wie weit er fortgeschritten ist. Nur durch eine solche Bestandsaufnahme kann man sich seiner Fehler und Schwächen bewußt werden, sie für immer beseitigen und den weiteren Fortschritt planen.

 

Wenn ihr Seinen Anweisungen folgt und nach dem lebt, was Er sagt, wird euch alles zur rechten Zeit gegeben werden. Jeden Tag werden euch Aufgaben gestellt, die dazu bestimmt sind, euren spirituellen Fortschritt zu fördern. Leider warten die meisten Menschen auf eine spezielle Anweisung durch den Meister selbst, bevor sie etwas als Aufgabe von Ihm ansehen. Sie erkennen nicht, daß ihr tägliches Verhalten, ihr Umgang mit anderen Menschen bei ihrer Arbeit, die Verantwortung in ihren anderen weltlichen Pflichten und wie gut sie sie erfüllen, alles Aufgaben sind, die vom Meister gegeben wurden. Wenn ihr eure Reaktionen auf Situationen aus eurem täglichen Leben genau beobachtet, werdet ihr feststellen können, wie weit ihr spirituell fortgeschritten seid. Das ist der wichtigste Teil der Spiritualität, was den Schüler betrifft. Er muß zuerst seine Lektion bei der „Entwicklung zum wahren Menschen” bewältigt haben, bevor ihm höhere Aufgaben übertragen werden können.

 

Jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat – ob gut oder böse – hinterläßt einen unauslöschlichen Eindruck im Gemüt und man muß dafür bezahlen. Deshalb sind rechte Gedanken, rechtes Bestreben und rechte Lebensführung notwendig, denn sie bilden gemeinsam eine schützende Hecke um die zarte, junge Pflanze der Spiritualität.

 

Wie entsteht ein Wunsch? Alle Vorstellungen im Gemüt sind Wünsche. Seid also wunschlos! Ihr werdet vielleicht schon bemerkt haben, daß Ärger aufsteigt, wenn ein Hindernis die Erfüllung eures Wunsches blockiert. Dann erhebt sich der Stolz: „Ich muß das haben oder jenes tun, sonst leidet mein Ansehen in den Augen der anderen.” Man kann Stolz als die Basis aller Sünden betrachten, denn er wandelt sich in Ichheit (Ego). Der Meister rät uns, Eigensinn und Halsstarrigkeit loszulassen. Achtet immer darauf, auch die Meinung des anderen anzuhören – vielleicht stellt ihr dann fest, daß es richtig ist, was er sagt. Eigensinn bindet einen Menschen nur noch mehr, es ist dann alles sehr engherzig. Dogmatisches Bücherwissen zum Beispiel, es mag richtig sein oder falsch, sollte abgelegt werden. Es braucht nicht erwähnt zu werden, daß man sich von Verhaftungen befreien sollte. Beendet das Geben und Nehmen, denn ihr müßt den Körper und alles, was damit zusammenhängt, zurücklassen. Wenn ein Hindernis zwischen euch und euren Wunsch kommt, wird der Wunsch noch stärker.

 

Legt einen großen Felsblock mitten in einen schnell strömenden Fluß, und ihr werdet dadurch zwei Dinge bewirken: Schaum und Lärm. Wenn ein Mensch wütend ist, kann er nicht ruhig sprechen, und am Ende hat er auch noch Schaum vor dem Mund. Wenn ihr aber das bekommt, was ihr euch wünscht, wird daraus eine Bindung. Für all das gibt es nur ein Heilmittel: Nur nachdem ihr euer wahres Selbst gesehen habt, könnt ihr den Herrn erkennen. Die Millionäre werden ihre Millionen zurücklassen; die in Lehmhütten leben, werden ihre Lehmhütten hinter sich lassen. Ihr habt diesen Körper nicht mitgebracht, und ihr werdet ihn auch nicht mitnehmen, wenn ihr zurückkehrt. Doch eure Handlungen werden mit euch gehen.

 

Was ist noch notwendig, um mit dem Herrn wieder vereint zu werden? ‘Sadachar’ (rechte Lebensweise) ist sehr wesentlich. Das Gemüt, das durch die schlechten Einflüsse von außen Amok läuft, muß zur Ruhe gebracht werden. Nur dann ist wirklich ein Fortschritt möglich. Unser größtes Hindernis ist, daß die Seele unter der Kontrolle des Gemüts ist und das Gemüt wiederum unter der Kontrolle der Sinne. Die Befreiung aus dieser Bindung wird durch eine rechte Lebensweise beschleunigt. Wir nehmen durch die Augen, die Ohren, die Zunge, den Geruchssinn und über die Haut die Eindrücke von außen auf; wir müssen daher Selbstbeherrschung lernen. Nur ein solcher Mensch kann durch Regelmäßigkeit und durch Selbstprüfung von Tag zu Tag fortschreiten. Das ist äußerst wichtig. Eure eigene Aufmerksamkeit (‘Surat’), die der Ausdruck der Seele ist, macht es euch unmöglich, im Inneren zu sehen, wenn sie im Äußeren tätig ist.

 

Was entwickelt sich alles durch rechtes Verstehen? Rechtes Denken und darüber hinaus rechte Worte, und dem werden rechte Handlungen folgen. Wenn ihr das könnt – wenn ihr euer Ego überwinden und es zu Füßen des Meisters hingeben könnt, wenn ihr lernen könnt, Ihn durch alle Dinge wirken zu sehen, wenn ihr die Tatsache akzeptieren könnt, daß eure eigene Sichtweise begrenzt ist und ihr in der Lage seid, beständig und ganz aufmerksam eure Worte und Taten zu beobachten und alles Schlechte und Unvollkommene zu beseitigen, dann werdet nicht nur ihr selbst die Erlösung erlangen, sondern auch andere fähig machen, dasselbe zu tun. Euer Beispiel wird wie eine Fackel in der Dunkelheit leuchten, und die Menschen werden sich um Rat und Hilfe an euch wenden – selbst die, die vorher gegen euch waren. Ihr werdet ein ungekanntes Gefühl des Friedens erleben, das euch durchströmt. Ein Friede, der nicht davon abhängig ist, daß ihr im Äußeren von Schwierigkeiten frei seid, sondern der einen inneren Zustand darstellt, in dem ihr selbst in den stürmischsten Situationen nicht zu erschüttern seid. Diese Eigenschaft wird nicht nur in euer individuelles Leben eintreten, sondern in das Leben der großen spirituellen Bewegung, von der ihr ein Teil seid.

 

 

 

Verhaftetsein – Bindungen

 

Der menschliche Körper ist der Tempel Gottes. Um Überbewußtsein zu erlangen, muß man sich von all den physischen Verhaftungen lösen. Solange wir mit den äußeren Dingen identifiziert sind, können wir keine feinstoffliche Form annehmen. Alle Meister sagen: „Wenn man einen menschlichen Körper erhalten hat, ist es das Höchste, sich mit Gott zu verbinden.” Wo immer ihr gebunden seid, dorthin werdet ihr gehen. Ihr seid so wieder und wieder in die Welt gekommen. Der Grund dafür ist, daß ihr nicht an Gott gebunden seid, sonst wärt ihr schon zu Ihm gegangen. Führt also Tagebuch und beseitigt alle fremden Gedanken aus eurem Herzen. Jetzt ist unser Herz geteilt. Es sollte jedoch kein anderer Gedanke in ihm sein als an den, dem ihr euch hingeben wollt.

 

Was aber tun wir im allgemeinen? Wir erhalten ein Startkapital, um (auf dem Weg der Spiritualität) zu beginnen, und vergeuden es allmählich dadurch, daß wir im Äußeren gebunden bleiben. Der Vater wird an dem Kind Freude haben, das den besten Gebrauch von dem gemacht hat, was ihm gegeben wurde. Wenn es ein aufrichtiger Mensch wird, auf den man sich verlassen kann, wird es mehr und mehr erhalten. Es gibt Leute, die sagen: „Vorher standen wir besser da als jetzt.” Aber warum? Wir haben uns selbst zu Bettlern gemacht. Wir müssen also achtsam sein. Selbstprüfung ist äußerst notwendig. Die sie nicht durchführen, werden nach und nach ihr Kapital verlieren.

 

Ihr seht, wie wichtig ständige Selbstbeherrschung ist. Macht nur Gebrauch von etwas, wenn ihr es wirklich wollt. Wenn ihr zum Beispiel sehen wollt, dann macht Gebrauch davon, wenn nicht, dann laßt es. Jetzt seid ihr nicht in der Lage dazu, ihr werdet unwiderstehlich zu den äußeren Dingen hingezogen. Ihr müßt jedoch ganz losgelöst in dieser Welt leben. Dafür habt ihr eine Verbindung mit dem Licht – und Tonprinzip erhalten. Wenn ihr dort mehr Glück erlangt, werden eure äußeren Bindungen vergehen. Ein Mensch, der wirklich von der Welt losgelöst ist, wird nicht von ihr beeinflußt. Entsagung im wahren Sinn bedeutet, daß wir nicht an die Welt, an nichts Äußeres, gebunden sind. Ein Mensch, der Liebe in sich hat, Liebe zu Gott, ist so sehr an Gott gebunden, daß alles andere sein Gemüt verläßt; er wird von nichts anderem angezogen. Wer in den verschiedenen Spalten (des Tagebuchs) keine Fehler mehr aufweist und ein reines Herz hat, in dessen Herz muß Gott sein. Er ist bereits dort, aber dann wird Er offenbar.

 

 

 

Selbstkontrolle und die Wichtigkeit, in sich selbst zu ruhen

 

Das Wichtigste ist also, eure äußere Umgebung, die aus eurem häuslichen Leben und aus dem Arbeitsbereich besteht, in den Griff zu bekommen. Wir werden nach unseren Handlungen, nicht nach unseren Worten beurteilt. Alle Handlungen kommen aus der Fülle unseres Herzens, seien sie physisch, emotional oder intellektuell. Das Gemüt ist eine Schautafel oder ein reflektierender Spiegel und zeigt wirklich den inneren Zustand des einzelnen an. Ein Maß für den Erfolg, wie gut es euch gelingt, eure äußere Umgebung zu handhaben, wird ein sich nach und nach einstellendes Bewußtsein sein, daß ihr Herr eurer eigenen Gedanken werdet. Um diesen Erfolg zu erlangen, habe ich die Tagebücher zur Selbstprüfung eingeführt.

 

Leider haben nur wenige, wenn überhaupt jemand, eine Vorstellung davon, was es wirklich bedeutet, das Tagebuch zu führen. Mit der Zeit werden die Eintragungen eine reine Formsache, und der Sinn des Tagebuchführens geht verloren. Wir sind aufgefordert, das Tagebuch in Gedanken, Worten und Taten zu führen. Wie viele von uns tun das wirklich? Die meisten von uns reagieren in Gedanken, Worten und Taten einfach nur auf die Situation des Augenblicks, mit anderen Worten, instinktiv. In Wirklichkeit aber müssen wir uns eines jeden Gedankens, der durch das Gemüt geht, voll bewußt werden; wir müssen unsere Worte abwägen, bevor wir sprechen, und keine nichtigen Dinge sagen als bloße Reaktion auf die Situation, der wir gegenüberstehen.

 

Wenn wir fähig sind, in dieser Hinsicht einen gewissen Fortschritt zu machen, sind wir bereits weit auf dem Weg zur Selbstkontrolle. Nur wenn wir weit dabei fortgeschritten sind, jenes Leben zu führen, das von uns verlangt wird, werden wir geeignet genug sein, die Früchte des Surat Shabd Yoga zu ernten.

 

Man kann seinen spirituellen Fortschritt am Maß bewußter Kontrolle, die man über die Gedanken hat, messen. Einer, der zu einem gewissen Grad diese Kontrolle erreicht hat, wird durch äußere Umstände, Streß oder Spannungen, die seine Umwelt ihm auferlegen, nicht ins Schwanken kommen oder aus der Fassung geraten. Wenn einer sich nicht über die Umstände seiner Umgebung erheben kann, sie nicht voll unter Kontrolle hat und mit Leichtigkeit handhaben kann, wird er niemals fähig sein, auf dem Pfad der Spiritualität fortzuschreiten.

 

Vollkommene Kontrolle über sich selbst zu erlangen, sein ganzes Leben unter vollkommene Kontrolle zu bringen, sich dabei zu helfen, von den äußeren Bindungen und Verhaftungen loszukommen, das verlangt Selbstprüfung. Beginnt damit, indem ihr bewußt einen kleinen Ausschnitt eures Lebens kontrolliert. Wenn ihr euch gleichzeitig ein wenig der inneren Berauschung von Naam (dem Wort) erfreut, wird es euch gelingen. Alle Meister sagen, ohne Meditation ist kein Erfolg möglich.

 

Wir sind es, die dem Gemüt Kraft geben. Wir sind es, die den nach außen gerichteten Fähigkeiten des Gemüts (Sehen, Hören usw.) Kraft geben. Wir sind es, die außen gut oder böse sehen. Wenn wir beginnen, in uns selbst zu ruhen, dann können wir den besten Gebrauch unserer nach außen gerichteten Fähigkeiten machen, wann immer wir es wollen. Solange wir nicht in uns selbst ruhen und diese Selbst – Zentriertheit erreicht haben, können wir dem Einfluß anderer nicht entgehen. Wir nehmen Eindrücke von außen auf. Wohin unsere Aufmerksamkeit auch geht, auf wen immer wir unsere Aufmerksamkeit richten, wir werden durch die Ausstrahlung derer, mit denen wir in Berührung kommen, betroffen. Wenn sie rein sind, dann ist es in Ordnung. Wenn nicht, dann nehmt ihr ihre entsprechende Ausstrahlung auf.

 

Sieg über das Gemüt ist Sieg über die Welt. In Form des Tagebuches zur Selbstprüfung habt ihr den Maßstab erhalten, mit dem ihr messen könnt, was ihr spirituell erreicht habt, und ihr könnt zweifellos die Dinge selbst beurteilen und sehen, wie weit ihr auf dem Pfad fortgeschritten seid. Die ’Menschwerdung’ geht der Spiritualität voraus. Bevor ihr nicht zum Herrn der fünf Sinne geworden seid, kann kein wirklicher innerer Fortschritt gemacht werden. Kontrolliert jedes Verlangen, Gier, Ärger und Verhaftetsein. Dieses Spiel liebt der Herr. Verlangen erfaßt uns über die Augen, Ärger über die Ohren; Verhaftung entsteht, wenn wir uns an etwas klammern. Erhebt euch über alles, und ihr werdet die Verbindung mit der Wahrheit erlangen.

 

Die immer wiederkehrenden Fehler in den verschiedenen Spalten des Tagebuches zeigen, daß ihr zu sehr in die weltlichen Dinge vertieft seid. Das sollte dadurch, daß ihr euch in die göttliche Gnade vertieft, vermieden werden. Stille, Zurückgezogenheit und Heiterkeit sollten kultiviert werden, indem ihr ein Leben voll spiritueller Disziplin führt, so wie es der Meister aufgezeigt hat. Nutzlose Beschäftigungen und zügellose Bestrebungen könnt ihr unterbinden, indem ihr euer spirituelles Ziel an die erste Stelle stellt. Ein gut geregeltes Leben bringt reichen Gewinn.

 

Jede Handlung hat ihre Rückwirkung. Für jede Unterlassung und jede Sünde gibt es eine entsprechende Bestrafung. Solange wir uns als vom Fleisch geboren betrachten, können wir der Sünde nicht entgehen, denn das Fleisch ist die Ursache allen Übels in der Welt. Solange der Geist noch nicht gelernt hat, die Sinnesebene willentlich zu verlassen, werden Vergnügungen und Zerstreuungen wuchern wie ein Lorbeerbaum.

 

Jeder Tag bringt ein neues Leben voll großer Möglichkeiten. Ihr braucht vor nichts Angst zu haben, sondern solltet statt dessen eure Fähigkeiten einsetzen, um das Ziel der spirituellen Vervollkommnung zu erreichen. Akzeptiert das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen auf leichte Art, mit Freude und Heiterkeit. Begegnet jeder Situation einfach tapfer mit innerer Ausgeglichenheit und Festigkeit. Der Lebensbaum, der in Stürmen gewachsen ist, bringt mehr kühlenden Schatten und reichere Frucht. Fehler sollten als Schrittsteine zum Erfolg dienen. Beharrliches Bemühen überwindet alle Schwierigkeiten.

 

 

 

Wie das Tagebuch geführt werden sollte

 

Wenn ihr euch am Ende des Tages eure Fehler in Gedanken, Worten und Taten ins Gedächtnis ruft, wem wenden sich dann eure Gedanken zu? Natürlich dem, der euch aufgefordert hat, das Tagebuch zu führen. Das Tagebuch zu führen bedeutet also auch, sich an den Meister zu erinnern – ihr sagt Ihm etwas. Wenn ihr an Ihn denkt, dann denkt Er an euch, und mit der Zeit werdet ihr Empfänglichkeit für Ihn entwickeln, wo immer ihr auch seid. Ohne Empfänglichkeit kann es keinen wirklichen spirituellen Fortschritt geben. Das tägliche Führen des Tagebuches mit voller Aufmerksamkeit und dem Verlangen, von den darin aufgezeichneten Fehlern frei zu werden, trägt viel dazu bei, diese Empfänglichkeit zu entwickeln.

 

Aus der christlichen Religion weiß ich, daß diejenigen, die es wünschen, vor einem Priester eine Beichte ihrer Fehler ablegen können. Sie mögen einmal im Monat oder in der Woche zur Beichte gehen, aber im allgemeinen nicht öfter als einmal wöchentlich. Wenn ihr das Tagebuch führt, legt ihr täglich eine Beichte ab. Laßt euer Bekenntnis in den verschiedenen Spalten aufrichtig und offen sein, damit ihr wißt, wo ihr steht und es verbessern könnt.

 

Der beste und leichteste Weg, um eure Schwächen zu beseitigen, ist der, daß ihr euch danach sehnt, frei von ihnen zu sein; und daß ihr euch liebevoll an Meister erinnert, während ihr das Tagebuch ausfüllt.

 

Zuletzt und genauso wichtig wie das zuvor Gesagte: Ihr solltet nicht erlauben, daß das Tagebuchführen zu einem reinen Fehleraufzeichnen erstarrt, was leicht der Fall ist, wenn es mit wenig oder ohne Aufmerksamkeit geschieht. Der eigentliche Sinn, weshalb ihr die Fehler vor euch niederschreibt, ist, daß ihr euch ihrer bewußt werdet, so daß sie beseitigt werden können. Um sie zu beseitigen, ist es nicht genug, ein oder zwei Äste abzuschneiden; ihr müßt das Übel von der Wurzel her beseitigen. Wenn ihr euch einmal eines Fehlers bewußt seid, solltet ihr in der Lage sein, seine Spur zurückzuverfolgen bis zu einer bestimmten Situation. Die Erinnerung an diese Situation wird euch helfen, die Ursache eurer Schwäche herauszufinden, welche dann nach und nach von selbst wegfällt.

 

Was nun die Fehler oder Abweichungen vom rechten Weg, wie ihr es bezeichnet, betrifft: Wie ihr wißt, wirkt das Gemüt auf sehr listige Weise – zu fein, als daß es für einen gewöhnlichen Menschen möglich wäre, es zu entlarven, bevor der Schaden angerichtet ist. Alle Handlungen, ob Worte oder Taten, kommen aus der Fülle des Herzens. Wir müssen deshalb über unsere Gedankenwellen wachen. Wir sollten fähig werden, ihre Ebbe und Flut rechtzeitig zu erfassen und sie durch den Vorgang der Konzentration zu umgehen, so daß wir das Gemüt und seine Stimmungen, ja sogar die elementare Substanz des Gemüts, die die Seele wie feine Sommerfäden umhüllt, vergessen.

 

Die Erinnerung an unsere Erfahrungen in der Vergangenheit und der lebendigen Gegenwart folgt uns beständig und unwiderstehlich auf den Fersen, und da wir noch nicht gelernt haben, davon frei und unberührt zu sein, geschehen die Fehler oft gegen unseren Willen. Das Erfassen der Fehler im Tagebuch ist also der erste Schritt, um uns unserer Handlungen bewußt zu werden, die wir in unserer selbstgerechten Haltung gar zu leicht übersehen ...

 

Die Gedanken müssen beobachtet werden, denn ihnen folgen die Taten. Es ist ein langsamer, aber steter Prozeß stufenweiser Verbesserung, für den unser voller Einsatz erforderlich ist. Ein diszipliniertes und spirituell geregeltes Leben ist sehr wesentlich.

 

Es ist hilfreich für das innere Wachstum und die Empfänglichkeit, wenn man sich sofort bewußt wird, daß man die heiligen Anweisungen überschritten hat, und es gleich bereut. Sich jedoch am Abend noch einmal der Fehler zu erinnern und sie in die Tagebuchblätter einzutragen, hat seinen eigenen Nutzen – wenn ihr eure Taten bereut und euch bemüht, für die Verbesserung zu arbeiten. Stolz und Ego lassen uns nicht fortschreiten – wenn wir Fehler machen, dann geben wir sie nicht zu.

 

Die Tagebuchblätter sind in sieben Abschnitte eingeteilt. Die ersten sechs Überschriften beschreiben die einzelnen Tugenden. Die Spalten unter den jeweiligen Überschriften befassen sich mit den Fehlern, die gegen diese Tugend verstoßen, während die siebte Spalte die Zeit festhält, die für die spirituellen Übungen eingesetzt wurde. In den ersten sechs Spalten sollt ihr eintragen, wie oft es euch nicht gelungen ist, die angegebenen Tugenden in Gedanken, Worten und Taten zu beachten. Zum Beispiel, wenn ihr heute gegen ’Gewaltlosigkeit’ in Gedanken viermal verstoßen habt, dann tragt diese Zahl in die entsprechende Spalte, die für diesen Fehler vorgesehen ist, unter dem heutigen Tag ein.

 

Die Tagebuchblätter sollten wirklich eine Widerspiegelung eures inneren Zustandes sein – ein offenes Selbstbekenntnis der Fehler, die zwischen euch und dem Meister stehen. Wenn ihr regelmäßig Zeit für die spirituellen Praktiken einsetzt, ist dies ebenfalls ein Zeichen für positives Wachstum. Es liegt ein tiefer Sinn dahinter, das Tagebuch zu führen. Wenn ihr danach lebt, dann werdet ihr von Tag zu Tag fortschreiten und euer Ziel in diesem Leben erreichen.

 

Zeitfaktor

 

Das Gemüt ist ein Sklave der Gewohnheit und wird dadurch immer wieder fehlgeleitet. Findet heraus, welche Gewohnheiten und Hindernisse auf dem Weg der Wahrheit sind. Beseitigt sie nach und nach und ersetzt sie durch gute Eigenschaften. Anstelle des Ärgers sollten wir Ruhe entwickeln, anstelle von Habsucht Zufriedenheit und so weiter. Wenn man das beständig beibehält, gibt das Gemüt die schlechten Gewohnheiten auf. Aber bedenkt, daß es nichts nützt, etwas theoretisch zu wissen, wenn man es nicht praktisch anwendet. Das Gemüt ist sehr stark. In einem Augenblick der Einsicht macht es Versprechungen, aber wenn es dann darauf ankommt, denkt es nicht daran, sie zu erfüllen.

 

Das Gemüt in den Griff zu bekommen gelingt nicht von heute auf morgen; dafür sind jahrelange Geduld und Ausdauer erforderlich. Solange das Gemüt keine Freude an der Musik im Innern findet, kann es gar nicht anders, als den äußeren Vergnügungen hinterherzulaufen. Lenkt liebevoll die Begeisterung und das ganze Interesse des Gemüts auf die spirituellen Übungen und laßt alle falschen Ängste beiseite. Eines Tages werdet ihr das Gemüt und die Sinne vollkommen unter Kontrolle haben und sehen, daß das eine große Gnade ist. Aber dabei ist der Zeitfaktor wesentlich, und es verlangt Geduld und Beharrlichkeit. Es wird nicht an einem Tag geschehen.

 

 

 

Ein winziges Samenkorn birgt in seinem Herzen die mächtige Eiche, die durch geeignete Nahrung und Schutz zur vollen Entfaltung kommen kann. Alle jungen und zarten Pflanzen müssen mit der Hand begossen werden, und regelmäßig ist das Unkraut zu jäten. Sie müssen gedüngt und vor dem Vieh, das am Wegrand umherstreift, geschützt werden, damit die jungen Pflanzen keinen Schaden erleiden. Zu gegebener Zeit ist der Baum dann voll herangewachsen. Er spendet den Wanderern Schatten, gibt ihnen Schutz und wird zur Quelle der Hilfe und Inspiration für andere.

 

Genau auf die gleiche Weise gedeiht der heilige Samen der Initiation am besten in einem reichen und fruchtbaren Boden, der aus hohen ethischen Werten und liebevollem Mitgefühl besteht. Eine göttliche Berührung der Seele im Menschen durch die Meisterkraft ist ein glücklicher Anfang für die lange spirituelle Reise, die vor uns liegt. Den Suchern wird daher geraten, die Selbstprüfung zu beachten. Sie hilft dabei, den Boden fruchtbar zu machen und das Göttliche in uns zum Aufkeimen und zur vollen Blüte zu bringen.

 

Die sieben grundsätzlichen Erfordernisse, die in dem vorgeschriebenen Tagebuch zur Selbstprüfung aufgezählt werden, sind eine unermeßliche Hilfe, um die göttliche Barmherzigkeit anzurufen. Sie umfassen das gesamte Gebiet der Ethik und werden auf den folgenden Seiten unter verschiedenen Überschriften kurz besprochen.

 

 

Ahimsa – Nichtverletzen

 

Ahimsa bedeutet, kein Lebewesen in Gedanken, Worten oder Taten zu verletzen; das gilt besonders für unsere Mitmenschen – nach dem Grundsatz: „Verletze kein menschliches Herz, denn Gott wohnt darin.” Nichtverletzen ist eine Eigenschaft, die den Menschen veredelt und ihn seine Mitmenschen als gleich betrachten läßt. Sie führt zur Bruderschaft der Menschen unter der Vaterschaft Gottes. Diese Eigenschaft verlangt, daß man gegenüber allen umfassende Toleranz entwickelt, ungeachtet ihrer Fehler und Schwächen. Das hohe Prinzip der Menschheitsfamilie – auf der Grundlage liebevoller und mitfühlender Wünsche für das Wohlergehen aller – in seinem Verhalten auszustrahlen, kostet sehr wenig, zählt aber sehr viel. In einem Herzen voll göttlichem Mitgefühl finden sich alle guten Eigenschaften.

 

Vor allen Dingen möchte ich euch nachdrücklich einprägen, daß ihr aufhört, schlecht über andere zu denken. Solange ihr einen Feind nicht zu eurem Freund macht, könnt ihr innerlich keinen Frieden finden, und euer Schlaf wird voll unruhiger Träume sein. Wenn jemand schlecht über euch denkt oder spricht, folgt seinem Beispiel nicht, sonst haben seine Gedanken eine Auswirkung auf euch: Eine Welle, die gegen eine harte Fläche schlägt, prallt zurück. Doch wenn sie auf etwas Weiches trifft, wird ihr die Wucht genommen – wie bei einem Schwamm, der das Wasser einfach aufsaugt – die verletzende Rückwirkung bleibt aus. Jemand sagt ein böses Wort – wenn es vergolten wird, werden daraus viele böse Worte. Was aber ist, wenn es nicht zurückgegeben wird? Es bleibt nur bei dem einen. Erinnern wir uns an den Ausspruch Farid Sahibs: „Ihr tanzt nach der Melodie der Welt.” Es ist besser, mit kühlem Kopf zu versuchen, zwischen den Zeilen zu lesen, um herauszufinden, warum jemand so feindselig ist, und sich dann entsprechend zu verhalten. Auf diese Weise bewahrt man sich selbst vor Erniedrigung, denn schlecht über jemanden zu denken oder zu sprechen, zu lügen oder zu betrügen, unaufrichtig zu sein, zu verleumden und anderen schlechten Neigungen nachzugeben, erniedrigt die Seele. Haltet euer Herz rein, und da Gott in jedem wohnt, versucht, nur das Beste in allen zu sehen.

 

Jesus lehrte immer die zwei Haupttugenden: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst” und „Liebe deine Feinde”.  Bedeutet dies nun, daß man aus Ängstlichkeit oder Schwäche seine Feinde lieben und ihnen verzeihen soll? Nein – es ist eine hohe Moral, etwas Göttliches, das dieser Einstellung zugrunde liegt. Liebt also den Sünder, aber haßt die Sünde.

 

Es gibt nichts Böses in der Welt. Erscheint etwas als böse, liegt das an den rauchgefärbten Brillengläsern, durch die unser Herz oder Gemüt die Dinge sieht. Ihr werdet sehen: Wenn ihr euch diese Denkweise zu eigen macht, die ich euch eben darlegte, dann entwickelt ihr einen natürlichen Respekt und Liebe für jeden, sogar für die, die euch hassen. Sie mögen anders über euch denken, doch wenn ihr in euch alle schädlichen Gedanken ihnen gegenüber verjagt habt, werdet ihr aus dem Blickwinkel – den ihr durch den Meister erhaltet – erkennen, daß alles um euch herum eine Offenbarung Gottes ist. Wie von selbst wird dann alles schön. Und diese Schönheit werdet ihr selbst in eurem Gegner entdecken. Eine verkehrte Sichtweise ist lediglich das Ergebnis unserer rauchgefärbten Brille.

 

Begeht jemand einen Fehler, vergebt ihm. Doch die Menschen ziehen Gerechtigkeit dem Verzeihen vor. Denkt daran – durch Gerechtigkeit wird unser Herz niemals rein. Äußerlich mag man beteuern, daß man verzeiht. Im Herzen aber möchte man gegen den, der uns angegriffen hat, vorgehen und ihn in seinem Innersten treffen. Wie kann jemand, der kein Erbarmen kennt, ernsthaft vorgeben zu verzeihen? „Vergeben und Vergessen” muß man im Denken, Reden und Handeln praktizieren, so daß es zum festen Bestandteil unseres täglichen Lebens wird. Liebe kennt kein Kritisieren, kein Ausnützen, kein Großtun, kein abfälliges Reden über die Fehler der anderen, sondern wirkt ganz und gar aufbauend, indem sie alle im Meister vereint – Liebe verschönt alles.

 

Wir müssen alle lernen, nach innen zu schauen und nicht nach außen. Es ist viel einfacher, den Splitter im Auge des anderen zu sehen als den Balken im eigenen Auge. Wir müssen uns selbst ändern, bevor wir andere ändern können, doch leider sind wir immer danach aus, andere zu reformieren. Wir sollten alle unsere Unzulänglichkeiten eine nach der anderen durch Selbstbeobachtung ausmerzen, und das wird allen Frieden bringen. Liebe verschönt alles, und wenn wir lernen, jeden zu lieben, können alle unsere Unzulänglichkeiten weggewaschen werden – besonders durch liebevolle Worte. Freundliche Worte voller Demut kosten nichts. Ich denke, wenn ihr eine solche Lebenseinstellung habt, lassen sich neunzig Prozent eurer Schwierigkeiten vermeiden. Nach und nach werdet ihr größere Kontrolle über eure Gefühle und Emotionen wie Eitelkeit, Habgier und Lust bekommen und stattdessen Tugenden wie Demut, Genügsamkeit, Reinheit und Liebe entwickeln. Ihr werdet die Gewohnheit, andere zu richten, aufgeben und beginnen, euch auf ihre Fehler und Unzulänglichkeiten einzustellen, indem ihr darüber hinwegseht oder indem ihr ihnen konstruktive Hilfe gebt. Dadurch werdet ihr euch selbst und den anderen um euch viel Sonnenschein und Freude bringen. Wenn ihr einmal ruhig und nüchtern darüber nachdenkt, werdet ihr feststellen, daß die meisten von uns noch nicht vollkommen sind.

 

In dieser großen Schöpfung wurde jeder mit einer ganz individuellen Empfindung beschenkt. Die Erbanlagen, die Umgebung und das, was der Mensch gelernt hat, machen ihn zu dem, was er ist. Wir können niemandem einen Vorwurf machen, wenn er anders denkt und die Dinge auf seine eigene Weise sieht. Jeder hat sein eigenes Temperament und seine eigene Art zu denken. Sie müssen (von Mensch zu Mensch) verschieden sein, und sie unterscheiden sich in der Tat beträchtlich, das ist nicht zu ändern. Andererseits ist eben das ein Zeichen des empfindenden Lebens. Deshalb brauchen wir uns noch lange nicht zu streiten. Selbst wenn andere in ihrer Unwissenheit manchmal schlecht über die spirituellen Lehren sprechen und herbe Worte gebrauchen – sie wissen es nicht besser. Doch sollte das aufrichtige Wahrheitssucher nicht aus der Ruhe bringen. Wir müssen höflich und freundlich sein und ein bescheidenes Benehmen haben. Wortgefechte helfen niemandem. Wir können versuchen, eventuelle Mißverständnisse zu beseitigen – sanft und freundlich, nicht in einer feindseligen Haltung.

 

Eine genaue Betrachtung des Problems würde zeigen, daß wir normalerweise nicht beunruhigt oder verärgert sind, solange alles mit unseren Wünschen übereinstimmt. Sobald wir aber bemerken, daß unsere Interessen durchkreuzt oder unsere Gefühle verletzt werden, beginnt eine Kette von Reaktionen, die zu Verletzen in Gedanken, Worten oder Taten führt, entsprechend der körperlichen, geistigen oder moralischen Verfassung des einzelnen.

 

Wir streben danach, Gott zu erkennen, Gott, der in allen Lebewesen wirkt, den alle als den Einen verehren, auch wenn Er mit verschiedenen Namen bezeichnet werden kann. Er ist die große beherrschende Kraft, die alle Seelen im Körper hält: wenn Er sich zurückzieht, müssen auch wir gehen. Wenn jemand diese Tatsache wirklich versteht, wie kann dann das Problem entstehen, daß wir andere hassen? Wo Mitgefühl ist, ist Religion. Wo Begierde ist, ist Sünde. Wo Ärger ist, ist Ablehnung. Wo Vergebung ist, ist Gott selbst.

 

 

 

Wahrhaftigkeit

 

Um alle anderen Tugenden zu krönen, sind Wahrhaftigkeit und ein gutes Leben notwendig. Vor allem sollte man als erstes wahr zu seinem eigenen Selbst sein. Das Problem, das die meisten von uns haben, ist, daß unsere Gedanken, unsere Handlungen und das, was wir sprechen, nicht im Einklang sind. Ihr seid im Körper, und Gott, die kontrollierende Kraft, ist auch im Körper. Wenn ihr wahr zu euch selbst seid, braucht ihr niemanden zu fürchten. Jemand, der Gott in sich nicht betrügt, wird sicher auch andere nicht täuschen. Bevor wir andere täuschen, müssen wir uns zuerst selbst betrügen, und das würde bedeuten, daß wir nicht an Seine Allgegenwart glauben, denn sonst würden wir so etwas nicht tun. Wahrhaftigkeit ist die größte aller Tugenden, aber eine wahre Lebensweise steht noch höher.

 

Als erstes sollte man sich die Tugend der Wahrhaftigkeit aneignen. Lügen, Betrügen, Heucheln und im Äußeren etwas anderes zeigen als man im Herzen hat – durch all das nimmt die Verdorbenheit im Inneren zu. Bedenkt immer, wer gegen niemanden Groll im Herzen hat, wird die Wahrheit sagen. Seine Worte werden liebevoll sein, denn er möchte die Gefühle von niemandem verletzen, aber wenn es um das rechte Verstehen geht, spricht er ganz offen. Wer spricht ohne Angst die Wahrheit? Entweder ein verschworener Feind oder ein wahrer Freund. Aber der Feind wird aus einer Mücke einen Elefanten machen, denn er ist euch nicht gut gesinnt, und daher übertreibt er. Ein wirklicher Freund wird nie die Fehler des anderen verbreiten, sondern er wird euch mit Liebe zu erklären versuchen, wo ihr etwas falsch macht, und er will dabei immer das Beste für euch.

 

Entwickelt die Tugend der Wahrhaftigkeit und fördert mit Liebe das bessere Verstehen in den anderen. Was noch wichtiger ist, laßt euch nicht durch Hörensagen oder Gerüchte von euren guten Absichten und Prinzipien abbringen. Mancher spricht mit selbstsüchtigen Motiven im Herzen und zeigt sehr wenig Achtung für die Wahrheit. Hinter allem (was jemand spricht oder tut) steht ein bestimmtes Motiv, mag es versteckt oder offensichtlich sein. Deshalb seid keine Marionette, die nach der Melodie der anderen tanzt, denn ihr werdet euch nur selbst schaden. Wenn jemand eine Lüge erzählt, muß er danach hundert weitere Lügen erzählen, um die erste zu verbergen. Wahrhaftigkeit bedeutet nicht nur, daß man die Wahrheit spricht, sondern damit ist eine rechtschaffene Lebensweise gemeint.

 

Die Wahrheit steht über allem, aber noch höher ist die wahre Lebensweise. Unsere Handlungen sollten beispielhaft sein, damit sie beweisen und bezeugen, daß wir einer edlen Gedankenschule angehören, die auf Wahrhaftigkeit, Ehrfurcht und Liebe beruht. Da Gott die Wahrheit ist, müssen wir in allem, was wir tun, die Wahrheit verwirklichen. Wenn die Wahrheit in jedem Herzen wohnt, muß sie sich im Leben und durch unsere Taten zum Ausdruck bringen. Bedenkt: Taten sprechen lauter als Worte.

 

Wenn ihr euch angewöhnt, die Wahrheit zu sprechen, werden es die Menschen um euch herum ebenfalls tun. Gedanken sind mächtiger als Worte, sogar mächtiger als Taten. Die Essenz der Wahrheit wohnt in den innersten Tiefen der menschlichen Seele, sie muß entdeckt, ausgegraben und in all unserem Tun uneingeschränkt praktiziert werden. Das wahre Tonprinzip ist die Quelle allen Lebens und kommt vom göttlichen Ursprung. Nur indem wir mit ihm in Verbindung kommen, werden wir ganz wahr, und nur so kann unser Leben nach dem Prinzip der Wahrheit gestaltet werden. Praktiziert man die Wahrheit und lebt in der Wahrheit, wird man von der Liebe des Herrn eingehüllt und verteilt großzügig Liebe an alle.

 

 

Brahmcharya – Reinheit

 

Brahmcharya oder ein Leben der Reinheit umfaßt Selbstbeherrschung in Gedanken, Worten und Taten. Wir sollten weder begehrlich auf andere schauen, noch uns innerlich mit unreinen Gedanken beschäftigen, denn „Reinheit ist Leben und Sexualität ist der Tod.” Wenn wir den Weg des ewigen Lebens gehen wollen, müssen wir durch und durch rein sein, innen wie außen. Durch Leidenschaft kann die Seele sehr tief fallen. Der Sitz der Seele ist oben, zwischen den Augenbrauen, und jeder weiß, wo der Sitz der Leidenschaft ist.

 

Die Lust überkommt uns zu achtzig Prozent über die Augen, zu vierzehn Prozent über die Ohren und zu sechs Prozent vor allem über die Berührung. Wie kann man also rein bleiben? Der Punkt ist: Ihr müßt einfach eure Aufmerksamkeit kontrollieren. Das Gemüt und die nach außen gerichteten Sinne erhalten ihre Kraft von der Seele, und der äußere Ausdruck der Seele ist die Aufmerksamkeit. Wenn wir also unsere Aufmerksamkeit fest im Zentrum der Seele gesammelt halten und die nach außen gehenden Kräfte richtig benutzen, werden wir von dem, was wir sehen oder hören, nicht beeinflußt. Man kann jemanden ansehen, aber selbst mit offenen Augen muß man nicht mit vollem Bewußtsein hinschauen. Jemand mag euch lange Geschichten über schlimme Sachen erzählen, aber wenn ihr eure Aufmerksamkeit unter Kontrolle habt, werdet ihr selbst mit offenen Ohren nichts hören.

 

Wenn ihr jemandem in die Augen schaut, der euch nach oben zieht und euch hilft, den Körper zu vergessen – dann könnt ihr beurteilen, was (wirklich) Liebe ist. Deshalb gebe ich immer den Rat: „Schaut anderen nicht in die Augen, nur dem Meister.” Denn auf diese Weise erfaßt uns die Lust: Über die Augen ergreift sie von uns Besitz. Wenn ihr anderen in die Augen schaut, die voll sinnlicher Wünsche sind oder andere niedere Dinge in sich haben, wird das durch ihre Ausstrahlung bei euch dieselbe Wirkung haben. Schaut in die Augen eines Menschen, in dem Gott offenbar ist, und ihr werdet gesegnet sein.

 

Das Beachten von Brahmcharya (Enthaltsamkeit) erhält uns nicht nur die Lebenskraft (die ein unschätzbares Kapital für den menschlichen Körper ist und keinesfalls zu gering bewertet werden sollte), sondern es hilft entscheidend dabei, uns auf das Göttliche auszurichten, das schon im Grundmuster unseres Lebens vorgezeichnet ist, jedoch im Trubel der Welt verlorenging.

 

Man wird nicht alle sexuellen Wünsche unterdrücken, denn Verdrängung führt zur Neurose und bringt uns zum Scheitern, sondern man wird beharrlich versuchen, sie umzuwandeln. So wird man verstehen, daß hinter diesem Instinkt die Absicht der Natur steht, die Art zu erhalten, und wird ihn in solche Bahnen lenken, daß dieser Zweck erfüllt wird. Doch man wird ihn nicht zum Selbstzweck machen, zu einer Quelle körperlicher Vergnügungen; denn wenn es dazu kommt, wird er zu einem Rauschmittel, das den Geist betäubt und der Absicht der Natur, die der Fortpflanzung gilt, entgegenzuwirken beginnt, da es die Erfindung und Anwendung empfängnisverhütender Mittel unterstützt. Außerdem – ist es denn, psychologisch betrachtet, dem menschlichen Gemüt möglich, sich aus seinem vertrauten Erlebnisbereich ganz zu lösen, ohne zuerst auf einer anderen, höheren Entwicklungsstufe Fuß gefaßt zu haben? Es ist ein allgemeines Merkmal des Menschen, daß er immer an etwas eine Bindung sucht, das außerhalb von ihm liegt. Das ist das Gesetz seines Lebens und der Ursprung aller seiner großen Leistungen. Das Kind hängt an seinen Spielsachen, der Erwachsene an Familie und Gesellschaft. Beim Kind ist es so, daß man ihm nicht ohne Schaden seine Spielsachen wegnehmen kann, bevor es psychisch darüber hinausgewachsen ist; und ebenso hieße es, das Leben an der Wurzel abzuschneiden, wenn man erwartet, daß der Schüler seine Verhaftungen an Familie und Gesellschaft aufgibt, bevor er etwas Größeres und Höheres erkannt hat und ihnen entwachsen ist. Das führt nicht zum Erfolg, sondern zu einer Rückentwicklung; denn wenn ein Mensch dies als eine erzwungene Disziplin auf sich nimmt, erreicht er nur die gewaltsame Unterdrückung eines naturgegebenen Verlangens. Die Folge ist dann nicht die Erweiterung des Bewußtseins, sondern ein Abstumpfen und Verkümmern, und nicht Losgelöstsein, sondern Gleichgültigkeit ist das Ergebnis. Reinheit zu entwickeln ist eine mühevolle Aufgabe, die das ganze Leben hindurch ein zähes Ringen verlangt – wirklich etwas sehr Schweres.

 

Verheiratet zu sein ist kein Hindernis, wenn man ein Leben in Übereinstimmung mit dem, was in den Heiligen Schriften steht, führt. Den Ehepartnern wird in ihrem eigenen spirituellen Interesse geraten, Reinheit zu beachten und in gegenseitiger Unterstützung ein maßvolles Leben zu führen. Für Menschen, die eine allmähliche Entwicklung anstreben, sind die Eintragungen in das Tagebuch äußerst wichtig. Man lernt durch Selbstbeobachtung und eine achtsame Lebensweise.

 

Meinen Lieben steht es frei, zu heiraten und eine Familie zu haben, doch sie sollten ein ideales Familienleben führen, in dem die göttliche Gnade der Meisterkraft zu spüren ist. Junge Menschen sollten angehalten werden, vor der Hochzeit ein reines Leben zu führen, denn Reinheit bedeutet Leben und Sexualität den Tod. Eine Lampe leuchtet wunderbar, wenn sie mit Öl gefüllt ist, doch wenn alles Öl ausgelaufen ist, wie kann sie da noch Licht geben?

 

Es ist nicht zu befürworten, daß Initiierte als Mann und Frau zusammenleben, bevor sie rechtmäßig verheiratet sind. Ihr werdet verstehen, daß es in einer engen Gemeinschaft nicht möglich ist, sinnliche Wünsche im Zaum zu halten und ein Leben der Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung zu führen, und das beeinträchtigt euren spirituellen Fortschritt. Wenn ein Mann aus einer Kneipe kommt und dabei in der Bibel liest – was meint ihr, werden die Leute im allgemeinen darüber denken? Der Körper ist der Tempel Gottes, und man sollte ihn zu einem Werkzeug machen, das geeignet ist, Gott im Menschen zu offenbaren; er sollte nicht zum Ausleben sinnlicher Freuden herabgewürdigt werden.

 

Wenn man ständig an den Körper denkt, wird man natürlich auch an das andere Geschlecht denken. Christus sagt, die Männer sollten ihre Frauen lieben wie Christus die Gemeinde liebte. Selbst Verheiratete sollten sich nicht als Mann und Frau sehen. Eine Pflicht mag es sein, Kinder zu haben, doch das ist nicht die Hauptsache. Es geht in erster Linie darum, einen Gefährten im Leben zu haben, um mit ihm zusammen Gott zu erreichen. Unglücklicherweise verstehen nur sehr wenige, was für eine Bedeutung es hat, auf ein reines Leben zu achten. Nur weil der Mensch nicht keusch ist, unterliegt er der Herrschaft anderer Laster wie Ärger, Habgier und Verhaftetsein. Wäre er in der Lage, sein sinnliches Verlangen zu beherrschen, würden die anderen Schwächen nach und nach wegfallen. So ist Reinheit nicht nur der Schlüssel zu einem spirituellen Leben, sondern auch zum Erfolg in jedem anderen Bereich, in dem wir uns bemühen.

 

Der Samen ist die wichtigste Substanz unseres Körpers, eine Flüssigkeit, die unsere Vitalität bestimmt. Je mehr davon unser Körper enthält, desto gesünder sind wir. Wer enthaltsam ist, hat die Größe und den Mut, ganz allein Hunderten entgegenzutreten. Wenn ein solcher Mensch spirituelles Verstehen hat, ist er wirklich eine große Seele.

 

Wer kann sich über das Körperbewußtsein erheben? Wer frei von Verhaftungen ist und sich nicht von den sinnlichen Vergnügungen gefangen nehmen läßt. Ein solcher Mensch kann leicht im Innern anklopfen. Ein reines und ethisches Leben ist daher ganz wesentlich. Selbst wenn der Meister durch Seine Gnade jemanden, dessen Leben nicht rein ist, über das Körperbewußtsein erhebt, wird derjenige auf Dauer nicht bestehen können. Es ist völlig klar, daß zwei Hindernisse im Wege stehen: leidenschaftliche Wünsche und Ärger. Denn ein keusches Leben ist nicht genug. Wir müssen alle Wünsche und Begierden überwinden. Im Ärger strömt die Seele nach außen. Nachgiebigkeit gegen sich selbst und Ärger führen zu den verschiedenen anderen Lastern. Wenn man nicht zuerst diese beiden Gegner überwindet, kann man die anderen – Habgier, Verhaftetsein und Egoismus – nicht unter Kontrolle bekommen. Wer alle diese fünf Feinde erfolgreich besiegt, ist frei von Leid. Die Sinne erhalten ihre Macht vom Gemüt, und das Gemüt erhält sie von der Seele. Wenn unsere Aufmerksamkeit am Sitz der Seele konzentriert ist, werden die Sinne machtlos.

 

Seid wahr zu Ihm, der in euch lebt! Wenn ihr die zwei Tugenden Reinheit und Vergebung praktiziert, werdet ihr feststellen, daß ihr ohne große Mühen höheres Bewußtsein, volles Erwachen und vollkommenen Frieden des Gemüts erlangt. Auf diese Weise beginnt ihr, Frieden, Harmonie und Heiterkeit auf alle um euch herum auszustrahlen.

 

Wer sind wir? Wir sind Gott im Miniaturausmaß. Wir sind nur verkümmert aus dem Grund, daß unsere Seele auf der Ebene des Gemüts und der Sinne nach außen fließt. Würden wir uns von den Sinnesvergnügungen zurückziehen und unsere Aufmerksamkeit auf die Kraft richten, die uns kontrolliert, würden wir mit Gewißheit zum Sprachrohr dieser Kraft werden.

 

Reinheit und Vergebung sind die beiden edlen Tugenden, die die Grundlage von allem sind. Wenn wir diese Eigenschaften erlangen, werden wir in unserer Meditation erfolgreich sein. Hören wir, was Kabir über die Reinheit des Lebens sagt: „Wenn Keuschheit und Vergebung im Herzen entstehen, wird der unsichtbare Herr sichtbar. Ohne Keuschheit kann man Ihn nicht erreichen. Leere Worte führen zu nichts.”

 

Wer ein reines Leben führt, kann sein wahres Ziel ohne jede Mühe erreichen. Wer Vergeben und Reinheit praktiziert, braucht sich um nichts zu sorgen, er wird Gott erkennen.

 

 

 

Liebe für alle – Demut

 

Liebe ist das Allheilmittel für die meisten Krankheiten der Welt. Sie ist der Kern aller Tugenden. Wo Liebe ist, ist Frieden. „Liebe, und alle anderen Dinge werden dir zufallen” ist der Grundgedanke in den Lehren Christi. Liebevoller, selbstloser Dienst an der Menschheit ist der Grundstein aller Religionsphilosophien, und niemand kann auf dem Pfad der Spiritualität Fortschritte erlangen, ohne Liebe in sich zu entwickeln. Die Saat der Spiritualität, die der Meister so liebevoll in den kargen Boden unserer Herzen legt, muß mit dem Wasser der Liebe begossen werden, wenn man bald Erfolg haben möchte. Wir müssen die Wüste unseres Herzens in einen Garten der Liebe verwandeln, voll herrlicher Blüten und köstlicher Früchte. Aus unserem Herzen sollte eine ewige Quelle der Liebe fließen, so daß jeder, der damit in Verbindung kommt, bis ins Innerste seines Herzens davon erfüllt wird.

 

Wenn ihr im Innern überfließt und euch selbst vergeßt – das ist Liebe. Dies ist ein Kriterium, um Liebe von Verhaftung zu unterscheiden. Wenn die Liebe euch im Körper hält, euch an den Körper bindet, ist es keine Liebe, sondern Verhaftung. Das ist der feine Unterschied zwischen den beiden. Liebt Gott, und da Gott in jedem Herzen wohnt, liebt auch die anderen – nicht den Körper, sondern liebt alle um der Seele willen und wegen der kontrollierenden Kraft, die sie im Körper erhält, dann seid ihr gerettet. Wenn ihr anderen von diesem Standpunkt aus dient, bedeutet das, Gott zu dienen. Daraus können wir lernen: Wenn wir uns Gott oder Gott – im – Menschen hingeben, sollten wir einander lieben. Das ist ganz natürlich. Aber jene Liebe, die durch persönliche Interessen oder selbstische Motive gefärbt ist, macht euch engherzig. Ihr möchtet dann, daß der Mensch, den ihr liebt, nur euch und niemand anderen sonst liebt. Aber wenn ihr wahre Liebe zu Gott habt, dann werdet ihr von selbst alle lieben, die Gott lieben. Das ist der große Unterschied zwischen den beiden (Arten der Liebe).

 

Der Unterschied zwischen wahrer Liebe und Lust ist der, daß wahre Liebe auch nach dem Verlassen des Körpers nicht endet. Diese Liebe entwickelt sich im Körper, doch sie geht in der Seele auf und ist nicht an den Körper und das Äußere gebunden. Das wird wahre Liebe oder Nächstenliebe genannt. Die andere Art nennt man Lust oder Verhaftetsein, und es besteht ein großer Unterschied zwischen den beiden. Die Liebe zu Gott macht uns frei, gibt uns alle Freude, alles Glück und alle Glückseligkeit. Lust oder Verhaftetsein macht uns dagegen abhängig und engherzig. Wenn man jemanden im weltlichen Sinne liebt und ein anderer liebt denjenigen auch, wird man eifersüchtig. Doch man wird alle, die Liebe zu Gott haben, ebenfalls lieben – um dieser Liebe willen. So entwickelt ihr durch die Liebe zu Gott Liebe für die ganze Welt. Liebe zu äußeren Dingen aber macht euch engherzig und geizig. So kommt es, daß der eine für Gott und der andere für die Welt lebt.

 

Man kann Stolz als Ursache aller Sünden betrachten, denn er führt zur Ichsucht. Stolz auf Geld und weltlichen Besitz, Überheblichkeit, weil man glaubt, spirituell oder intellektuell etwas erreicht zu haben, Eingebildetsein auf irdische Dinge oder eine Stellung in der Gesellschaft, all das kann das Gemüt des spirituellen Aspiranten vom rechten Weg abbringen. Doch im Laufe der Zeit erweisen sich diese Dinge als nichtig und bedeutungslos. Auf der anderen Seite ist ein Herz voll ehrfurchtsvoller Demut ein geeignetes Gefäß für die Gnade Gottes, ein Gefäß, das – zum Überfließen gefüllt – von selbst an andere weitergibt. Einem demütigen Menschen ist im Interesse der weiteren spirituellen Entwicklung kein Opfer zu groß. Ein stolzer Mensch dagegen wartet endlos ab, und selbst dann verpaßt er noch die Gelegenheit, wenn sie sich ihm bietet. Die Zeit und die Flut warten auf niemanden. Die eigenen Wünsche zu verfolgen ist keine Liebe im eigentlichen Sinn des Wortes, diese Liebe bringt nur Bindung und versklavt euch.

 

Während wir auf dem Pfad der Rechtschaffenheit gehen, werden wir feststellen, daß wir weit davon entfernt sind, vollkommen zu sein. Vollkommenheit kommt langsam und braucht Zeit. Es ist unerheblich, welcher Glaubensgemeinschaft wir angehören, solange wir Gott und unsere Mitmenschen lieben. Denn die Eintrittskarte, die uns berechtigt, das Königreich Gottes zu betreten, ist die Liebe, die wir im Herzen tragen. Wenn wir uns mit Psychologie, Metaphysik und den Gesetzen des Gemüts befassen, aber keine Liebe haben, stehen wir außerhalb vom Reich Gottes. Das, was wir sind, öffnet uns die Tür zu Gott und macht uns zu einem Kanal für Seinen Segen – indem wir anderen helfen.

 

Es gibt nur ein Heilmittel für alle Zwietracht und Disharmonie, und das ist Liebe. Wer ihr Geheimnis nicht gemeistert hat, kann niemals hoffen, am Hof des Herrn angenommen zu werden. Sie ist Anfang und Ende der Spiritualität. Wer die Liebe und ihre wahre Natur versteht und in ihrem Licht lebt und sich bewegt, der wird den Herrn erreichen – so sicher, wie zwei und zwei vier sind.

 

Manche Menschen hoffen auf einen Himmel irgendwo in weiter Ferne, doch der Himmel ist ein Bewußtseinszustand, hier und  jetzt. Wenn wir danach streben, göttlich zu leben und zu lieben, sind wir bereits jetzt Bewohner dieses Himmels, in den wir danach kommen werden. Denn das Königreich Gottes ist ein Bewußtseinszustand, in dem wir Gott aus ganzem Herzen, aus ganzem Gemüt und mit all unserer Kraft verehren und unseren Nächsten lieben wie uns selbst. Religion ist daher eine Sache zwischen Seele und Gott, und alle äußeren Formen der Anbetung und das Beachten religiöser Vorschriften sind umsonst, solange wir nicht göttliche Liebe auf den Thron unseres Herzens lassen. Im Tempel des Herzens sollte immer das Licht der Liebe und der Wahrheit leuchten.

 

Wir wurden auf den Weg zurück zu Gott gestellt – aufgrund unserer Liebe zu Ihm. Lernt deshalb, alle Geschöpfe wie euch selbst zu lieben. Lebt in der Liebe zu allen, lebt für die Liebe zu allen, und der Herr der Liebe wird euch auf vielerlei Art segnen um Seiner eigenen göttlichen Liebe willen. Das ist Sein Gesetz, ewig und unwandelbar. Bemüht euch, einen liebevollen und lebendigen Glauben in Seine Güte zu entwickeln, und nichts wird euch auf eurem Pfad im Wege stehen.

 

 

 

Ernährung

 

Das, was wir essen, dient dazu, den Körper und das Gemüt aufzubauen. „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper” ist ein bekanntes Sprichwort. Bei einer ungesunden Ernährung können wir weder das eine noch das andere erreichen. Eine streng vegetarische Ernährung, bestehend aus frischen oder getrockneten Gemüsen und Früchten, Getreide, Milchprodukten wie Milch, Sahne, Butter, Käse, Joghurt usw., ist für alle Wahrheitssucher sehr wichtig. Deshalb muß man Fleisch, Fleischextrakte, Fisch, Geflügel, befruchtete wie unbefruchtete Eier meiden sowie alle Speisen, die eine dieser Zutaten in irgendeiner Form oder auch nur in geringsten Mengen enthalten. Jede Handlung hat eine Auswirkung, und Fleisch zu essen schafft neue Karmas und hält so das unerbittliche karmische Rad in Bewegung, denn wir müssen ernten, was wir gesät haben. Wir können keine Rosen erwarten, wenn wir Disteln säen.

 

Die oben erwähnten Verbote beziehen sich auch auf alle Arten von alkoholischen Getränken, Rauschmitteln, Opiaten und betäubenden Drogen, da sie das Bewußtsein abstumpfen und uns krank machen. „Der Körper ist der Tempel des lebendigen Gottes”, daher muß er gewissenhaft rein gehalten werden. Jeder, der initiiert werden möchte, sollte deshalb versuchen, mindestens drei bis sechs Monate vegetarisch zu leben, um sicher zu sein, daß er die Diät, wenn er auf den Weg gestellt wird, einhalten kann.

 

Die Ernährungsvorschriften genau zu beachten ist für den beständigen Fortschritt auf dem Weg sehr wichtig, und jedes Abweichen kann dazu führen, daß euer Fortschritt beeinträchtigt wird. Diese Regeln sollten nie übertreten werden, nicht einmal, um auf Gäste Rücksicht zu nehmen.

 

Alle nicht erlaubten Nahrungsmittel und Getränke sollten selbst bei ärztlichem Anraten gemieden werden. Denn nichts dergleichen kann die festgelegte Lebensspanne verlängern, noch ist es förderlich, sich mit diesen Dingen zu ernähren. Es ist in der Tat eine falsche Ansicht, daß Fleisch und Eier besondere geistige oder körperliche Kraft geben. Im Gegenteil, sie entfachen niedere Leidenschaften, und das führt auf längere Sicht zu einer schädlichen Energieverschwendung.

 

Die Seele ist ewig, sie ist alle Weisheit und Glückseligkeit. Wenn sie aber alle Weisheit und Glückseligkeit ist, wie ist es dann möglich, daß sie in dieser Welt glücklich sein kann? Wie lange wird sie an den äußeren Vergnügen Geschmack finden? Wir glauben, daß wir die Vergnügen genießen, doch tatsächlich zehren uns die Vergnügen auf. Der Gott der Nahrung kam eines Tages zu Vishnu (Erhalter des Universums) und klagte: „Die Menschen essen rücksichtslos von mir, ohne jedes Gefühl für mich!” Vishnu antwortete: „Nun, wenn jemand mehr, als er braucht, von dir ißt, dann iß du ihn auf!”

 

Überlegt einmal – was ist die Ursache aller Krankheiten? Unverdautes Essen. Wir genießen und genießen, wir genießen so lange, bis wir irgendwann nicht mehr in der Lage sind, noch irgend etwas zu genießen. Dann beginnen die Genüsse, uns aufzuzehren.

 

Laßt den Magen zur Hälfte leer. Wenn ihr mehr Essen zu euch nehmt als verdaut werden kann, wird die unverdaute Nahrung Krankheiten verursachen. Eßt nur soviel, wie ihr vertragen könnt. Gönnt eurem armen Magen etwas Ruhe. Es dauert vier bis fünf Stunden, bis etwas verdaut ist. Wenn ihr zu oft und zu viel eßt, wird der Magen streiken. Durch eine bewußte Lebensweise kann man seine Eßgewohnheiten ändern. Eßt nur soviel, wie ihr braucht, und steht noch ein wenig hungrig vom Tisch auf. Wenn ihr diese Dinge befolgt, werdet ihr in allen Bereichen an Aktivität gewinnen – bei der Meditation, bei körperlicher Arbeit und bei allem anderen.

 

Es ist aber notwendig, die Mittel vom Zweck klar zu unterscheiden. Zuviel Nachdruck auf die Mittel (die Ernährungsweise) zu legen, bedeutet, das Ziel aus den Augen zu verlieren und zu erstarren. Wenn wir zum Beispiel wissen, daß es auf dem spirituellen Weg hilfreich ist, sich aller Arten von Fleischspeisen und alkoholischen Getränken zu enthalten, so ist es genug, wenn wir sie meiden. Doch die Ernährungsweise als Selbstzweck zu betrachten, bedeutet, das Ziel zu verfehlen. Man sollte auf seine Gesundheit achten, denn es ist auch wichtig, gesund und gut in Form zu sein, um die weltlichen und spirituellen Verpflichtungen zu erfüllen. Dem Körper darf angemessene Nahrung nicht versagt werden.

 

Wenn man eine strikte vegetarische Ernährung einhält, ist das eine große Hilfe für ein geregeltes Leben, aber es führt nicht unbedingt zu einem besseren Charakter oder einem kontrollierten Sexualleben. Man ist dadurch nicht gleich von allem Niederen in unserem Denken, Wünschen und Handeln frei – von weltlichem Ehrgeiz, Besitzstreben, Lust oder Habgier. Kabir sagt: „Selbst wenn ihr Haus und Herd verlaßt und euch an einen einsamen Ort zurückzieht und von rein vegetarischer Nahrung lebt, wird das Gemüt seine niederen Gewohnheiten nicht aufgeben.” Wir sollten diese wichtigen positiven Hilfsmittel gebrauchen, aber gleichzeitig müssen wir den spirituellen Übungen, bei denen wir mit dem Licht- und Tonprinzip in Verbindung kommen, regelmäßig und genau Zeit widmen, um die Verzweigungen des Gemüts zu beschneiden, denn das ist für die Selbst- und Gotterkenntnis sehr wichtig.

 

 

Drogen

 

Wenn man davon hört, daß Drogen (LSD, Marihuana usw.) benutzt werden, um Bewußtseinsveränderungen zu erzeugen, klingt es wie ein Scherz. Spiritualität ist die Wissenschaft der Seele, und die Seele ist eine bewußte Wesenheit, die einen Körper angenommen hat. Der Weg zurück zu Gott, wie ihn die Meister zeigen, ist ein Weg, auf dem man mit Hilfe des heiligen Naam oder des Wortes das innere Bewußtsein entwickelt. Alle äußeren Hilfsmittel, die vorübergehend Halluzinationen hervorrufen, spotten der göttlichen Gnade. Es läßt sich leicht begreifen, was für ein großer Unterschied darin besteht, wach und voll bewußt Zugang nach innen zu haben oder diese äußeren Mittel zu Hilfe zu nehmen, die nichts anderes als Rauschmittel sind, die außergewöhnliche Empfindungen erzeugen. Erinnert euch, daß die strikte Einhaltung einer Ernährungsweise, die alle Fleischspeisen, berauschenden Getränke sowie Beruhigungsmittel ausschließt, eine Grundvoraussetzung für die innere spirituelle Entwicklung ist und dazu beiträgt, einen verfeinerten Gemütszustand zu erreichen. Wir müssen Bewußtsein erlangen – es ist die göttliche Eigenschaft der Seele, und um Bewußtsein zu entwickeln, sind innere und äußere Ehrfurcht und Reinheit dringend erforderlich. Die Drogen sind gleichermaßen schädlich und müssen weggelassen werden. Sie stumpfen den Verstand ab und benebeln das Gemüt mit unbestimmten Gefühlen des Mißtrauens bis hin zur geistigen Verwirrung.

 

Frage: Sind die Erfahrungen, die durch Drogen ausgelöst werden, wirkliche Erfahrungen?

 

Meister: Nein, nein, es sind Halluzinationen. Es ist der Tod der Seele, versteht ihr? Das Bewußtsein wird weniger, und so wird man in niedrigere Bewußtseinsstufen gehen müssen. Die Seele kommt dem Tod immer näher, all das beginnt mit diesem Rauschzustand – es ist ein Verfall. Es ist der sichere Abstieg bis zur tierischen Stufe. Auch eine Schlange hat Bewußtsein, aber es gibt verschiedene Bewußtseinsstufen. Das Bewußtsein des Menschen steht höher. Wenn ihr solche Mittel nehmt, wird euer Bewußtsein beeinträchtigt und ihr müßt in niedrigere Bewußtseinsstufen gehen. Die sogenannten ‘spirituellen Erfahrungen’, die man unter Drogeneinfluß hat, sind irreführend und tragen vielmehr dazu bei, euren inneren Fortschritt zu beeinträchtigen. Spiritualität ist die Erforschung der inneren Bereiche der Wahrheit – des Bewußtseins. Man sollte keine Drogen, Beruhigungsmittel oder Berauschungsmittel nehmen, denn das wird nicht nur eure Gesundheit beeinträchtigen, sondern auch eurem spirituellen Fortschritt schaden. Bitte hört mit jeglicher Art von Drogenkonsum auf und lernt, ohne Drogen zu leben.

 

 

Selbstloser Dienst – Physisch

 

’Nishkam Seva’ bedeutet: Selbstloser Dienst an allen Lebewesen, die in Sorge und Not sind. Wenn ein Teil des Körpers Schmerzen leidet, sind alle anderen Teile davon betroffen. „Dienen kommt vor dem eigenen Selbst” sollte daher unser Leitsatz fürs Leben sein. Dienen ist wie ein Schmuckstück an einem schönen Menschen – es verschönt und erhebt seine Seele und macht sie zu einem reinen Gefäß für Seine Gnade. Jede Art von Dienst, der zu den heiligen Füßen des Meisters gewährt wird, ist segenbringend und sollte geschätzt werden, da alles, was man tut, entsprechend dem Gesetz des Karma seine Frucht bringen muß. Das Geheimnis selbstlosen Dienens liegt darin, Lohn oder Anerkennung in jeder Form abzulehnen und sich im Gegenteil als ein bescheidenes Instrument in den göttlichen Händen, die alles erhalten und schützen, zu betrachten – aller Verdienst geht zu Meister. Die, die Seine Liebe vermitteln, werden jedoch mit wunderbarer göttlicher Berauschung, die von höchster Bedeutung ist, gesegnet.

 

Der selbstlose Dienst für die heilige Sache des Meisters sollte als Leuchtfeuer für den inneren Fortschritt dienen und nicht eine Quelle des Stolzes oder des trügerischen Egos sein, denn diese werden mit Gewißheit zu Barrieren und Hürden auf dem göttlichen Pfad. Der Höhepunkt selbstlosen Dienens ist, das Ego aufzugeben und sich selbst bescheiden als Diener des Herrn zu betrachten, dem gewisse Pflichten zur Ausführung anvertraut wurden, und das als höchstes Glück zu verstehen. Das kleine Selbst oder Ego im Inneren muß beseitigt werden, indem man es im Dienst an der Menschheit auflöst. Denn alle sind Kinder Gottes, gleich wie und wo sie sich befinden, oder in welchen Behinderungen und Begrenzungen sie leben mögen.

 

Von niemandem kann man sagen, daß er nur für sich selbst geboren wurde, denn niemand kann eine Insel sein nur für sich allein. Den Notleidenden, Kranken und Hungernden zu dienen ist ein zusätzlicher Dienst, der viel erfolgreicher ist, als nur zu predigen. „Dienen vor dem eigenen Selbst” entzündet und schürt die Flammen der Sympathie, Güte und Liebe. Diese Tugenden haben eine große reinigende Wirkung. Sie befreien einen Menschen von all seinem Schmutz und berechtigen ihn zu höchster Erkenntnis des Göttlichen. Selbstloser Dienst ist ein großer Lohn in sich selbst. Je mehr man still und zurückhaltend, mit Liebe und Bescheidenheit in einer freundlichen, aufmerksamen und spirituellen Haltung dient, desto schneller erlangt man  das Wohlgefallen des Meisters. Dient ihr anderen, so dient ihr Ihm.

 

Besucht ihr einen Kranken oder steht ihr jemandem zur Seite, der niedergeschlagen ist, dient ihr der göttlichen Sache. Sicher könnt und werdet ihr die Krankheit oder Betrübnis nicht beseitigen, mit Gewißheit aber könnt ihr durch eure freundlichen Worte und Handlungen helfen, die Leiden zu lindern. Jedes liebevolle Wort, das man sagt, oder jede helfende Hand, die man denen, die in Trübsal sind, reicht, hilft sehr dabei, Gemüt und Körper zu reinigen. Ein liebendes Herz ist ein geeignetes Gefäß für die göttliche Gnade, denn Gott ist Liebe. Dienst an jenen, die aufrichtig nach dem göttlichen Pfad suchen, ist dabei von weit größerem Wert als jeder andere Dienst.

 

Versucht, soweit ihr könnt, niemanden zu verletzen. Seid gut zu allen, dann seid ihr mit euch selbst in Frieden und ein Zentrum liebender Gnade, die von euch ausstrahlt. Die Gebete anderer, denen ihr vielleicht Gutes getan habt, werden euch helfen. Die guten Gedanken der anderen werden euch mit Segenswünschen umgeben. Allein der Gedanke, Gutes zu tun, wird sich zuerst auf euch auswirken und alle guten Schwingungen aus der umgebenden Atmosphäre anziehen.

 

Ein wahrer Mensch ist, wer wahr ist, ein Leben der Enthaltsamkeit führt, Liebe ausstrahlt für alle anderen um Gottes willen, der in ihnen wohnt, und Geben, Geben und nur Geben kennt. Wir verlieren niemals etwas, wenn wir geben. Wenn ihr Liebe gebt, stellt ihr dann fest, daß ihr weniger Liebe in eurem Herzen habt? Im Gegenteil, ihr werdet euch einer immer größeren Kraft der Liebe bewußt. Jedoch kann niemand von diesen Dingen überzeugt sein, bis er sie auf praktische Weise angewandt hat. Eine Unze Praxis ist mehr wert als Tonnen von Theorie.

 

In einem Gedanken zusammengefaßt, solltet ihr verstehen: Das Ziel allen Wissens ist, allen Geschöpfen zu dienen, den Menschen, Tieren, Vögeln usw. Ein wahres Leben zu führen bedeutet, zu dienen und zu opfern. Solange ihr als erstes und vor allem nur (ihr) selbst gesegnet sein wollt und von anderen erwartet, daß sie euch dienen, werdet ihr dem spirituellen Weg ein Fremder bleiben. Wenn ihr euch aber wünscht, daß vor allem die anderen gesegnet werden, werdet ihr beginnen, immer schneller auf dem Weg zurück zu Gott fortzuschreiten.

 

 

 

Selbstloser Dienst – Finanziell

 

Als allgemeine Regel gilt, daß ihr euren Lebensunterhalt ehrlich verdienen sollt, ohne dabei andere auszunützen oder euch unrechtmäßig etwas anzueignen. Gott sieht, was ihr tut. Die zweite Regel ist, euch durch euren Verdienst selbst zu erhalten und mit anderen zu teilen. Ein Teil dessen, was ihr verdient, muß zum Wohl anderer gegeben werden. Die Geschichte zeigt, daß die frühen Christen, Hindus und andere ein Zehntel ihres Einkommens gaben. Warum? Weil wir einen Teil unseres Einkommens vielleicht für eine Zeit erhielten, in der wir unsere Pflicht nicht ganz ehrlich erfüllten, auch wenn es nur eine halbe Stunde oder zehn Minuten waren. Angenommen, ihr werdet für sechs Stunden Arbeit bezahlt, habt aber nicht volle sechs Stunden für die Arbeit eingesetzt, sondern eine halbe Stunde vergeudet, so gehört der Verdienst, den ihr für diese halbe Stunde erhaltet, nicht euch. Das war also Brauch bei allen Meistern. Wenn man jedoch etwas gibt, sollte es spontan und freiwillig geschehen, ohne einen Gedanken an Ausgleich und ohne Zwang von außen, denn sonst wird daraus keine Quelle der Befreiung, sondern eine Quelle der Bindung. Es sollte aber nicht am falschen Platz gegeben werden, sondern dort, wo das Leid der Bedrückten dieser Welt erleichtert wird. Der edelste Dienst, den man in dieser Welt leisten kann, ist, anderen Menschen zu helfen, den Weg zurück in ihre ewige Heimat zu gehen. Kein finanzieller Dienst wäre zu groß, eine so edle Sache zu unterstützen. Aber es sollte immer liebevoll und spontan geschehen – keine Besteuerung, kein Zwang, kein Drängen.

 

Der Meister wird immer Seine Schüler lieben, denn Er hat ihnen die (zweite) Geburt gegeben und sie damit auf den inneren Weg gestellt. So wie Er uns liebt, sollten wir alle lieben. Er wird keinen leiden lassen, und ihr solltet auch keinen leiden lassen. Ihr müßt mit anderen teilen.

 

Wenn man sein Vermögen nicht auf ehrliche Weise erlangt und gut und weise gebraucht, ist man in Gefahr, vom rechten Weg abzukommen, egozentrisch zu werden und ein Sklave seines zu unrecht erworbenen Reichtums; man wird unwissentlich mit goldenen Ketten gebunden, die einen in Gefangenschaft halten. Wenn ihr gebt, verliert ihr nichts. Am Ende des Jahres werdet ihr sehen, daß dieses Geld auf andere Weise eingespart wurde, indem man von Krankheit oder anderen Schwierigkeiten frei blieb, die sich im allgemeinen erheben und Ausgaben verursachen. Unser Meister sagte immer: „Gut, gebt ein Zehntel und rechnet am Ende des Jahres nach. Das Geld, das ihr gabt, wurde dadurch gespart, daß ihr nicht krank wurdet.”

 

 

Spirituelle Übungen: Meditation

 

Die spirituelle Praxis – die Meditation – bildet einen wesentlichen Teil im Leben des spirituellen Aspiranten und sollte daher ein tägliches ‘Muß’ sein. Die Wiederholung der fünf heiligen geladenen Namen, die bei der heiligen Initiation sowohl mündlich wie mental gegeben werden, ist keine schwierige Aufgabe und hat eine tiefe Bedeutung. Obgleich es am Anfang so einfach und leicht aussieht, braucht man außergewöhnliche Liebe und Standhaftigkeit, um Übung darin zu erlangen. Ihr werdet erkennen, daß die heiligen Namen den Lebensimpuls des Meisters in sich tragen, der beim Zurückziehen der Sinnesströme vom Körper hinauf zum Augenbrennpunkt Wunder wirkt, und auf diese Weise die Seele für die innere Reise in die Regionen des Segens und der Harmonie vorbereiten. Deshalb sollte man bestimmte Stunden festlegen, die man sich für die Meditation freihält, und sie regelmäßig und mit Ernsthaftigkeit einhalten, da dies der Seele Nahrung gibt – so wie die täglichen Mahlzeiten dem Körper; man wird nach innen zu dem göttlichen Licht geführt, das die Dunkelheit der Unwissenheit vertreibt. Es ist so, wie wenn das Gefäß jeden Tag gereinigt wird, um empfänglich zu sein, die göttliche Gnade zu erhalten. Tägliche Meditationen schaffen den groben Unrat beiseite, den man auf der Sinnesebene anhäuft.

 

Der zweite wichtige Teil der Meditation ist das Hören auf den heiligen Tonstrom, den hörbaren Tonstrom, der von der rechten Seite kommt. Dieser Teil der spirituellen Übungen ist ebenso wichtig und sollte nicht vernachlässigt oder aus dem Auge verloren werden. Nach der Initiation ist es die Pflicht des Schülers, seine spirituellen Erfahrungen von Tag zu Tag zu erweitern, und er kann mit der Gnade des Meisters beliebig fortschreiten, was ihm neue Ausblicke von erhabenem Glanz und strahlender Schönheit eröffnet.

 

Wie wenn man einen Baum fällt, hilft die Selbstprüfung dabei, die Äste – alles Unerwünschte – zu entfernen. Die Meditation dagegen fällt den Stamm des weltlichen Lebens.

 

Gott ist überall, aber Er ist nicht überall offenbar. Warum? Weil unsere Seele – dieser Funke der Allbewußtheit – unter dem Einfluß des Gemüts und der Sinne steht und durch ihren Aufenthalt in der Schöpfung das Abbild des Körpers und der Welt geworden ist und dabei ihr wahres Selbst vergessen hat. Sie muß sich selbst erkennen, dann erst kann sie eine Erfahrung des Überselbst erhalten; wenn sie sich nicht über das Körperbewußtsein erhebt, wie kann Gott dann offenbar werden? Versteht ihr das?

 

Er wohnt in euch. Der Körper ist der wahre Tempel Gottes. Wenn ihr das verstanden habt, wo geht ihr dann hin, um Ihn zu finden? Zuerst in euer eigenes Selbst. Zieht euch von außen zurück. Zieht euch vom Gemüt und den nach außen gehenden Kräften zurück und begebt euch an den Sitz der Seele hinter den Augen. Wenn ihr euch dort konzentriert, wird euer inneres Auge geöffnet werden, damit ihr Gott in euch sehen könnt.

 

Der Meister fordert uns auf, Ihn in unserer Seele zu erkennen, jedes Empfinden für das kleine Ego im lebendigen Tempel unseres Körpers zu verlieren und in Ihm aufzugehen. Das Königreich Gottes liegt in uns. Wir müssen den inneren Menschen als das Ebenbild Gottes und den physischen Körper als den Tempel Gottes, das Tabernakel des heiligen Geistes, erkennen, in dem der Herr erscheint. In diesem lebendigen Tempel muß unsere Seele Gott nahekommen und in enger Verbindung mit Ihm leben.

 

Viele sagen, daß sie die Seele seien – eine bewußte Wesenheit, der Bewohner der menschlichen Form; aber sind sie soweit gekommen, daß sie es tatsächlich erfahren und dadurch die Wahrheit erkannt haben? Das ist meine Uhr, ich kann sie hierhin legen. Das ist meine Brille, ich kann sie abnehmen und sie hierhin legen. Ich kann meine Kleider ablegen, wann immer ich es will. Kann ich mich aber von meinem Körper trennen? Kann ich meinen Körper ablegen? Es geht um die Frage, wie man sich durch Selbstanalyse (über den Körper) erheben kann. Und wer kann einen Beweis dieser wissenschaftlichen Methode geben? Durch die Gnade des Guru erlangt ihr Selbsterkenntnis – nur so. Wenn ihr euch selbst erkennt, dann erkennt Gleiches, und Gotterkenntnis ist der nächste Schritt. Gott kann nicht durch die Sinne, den Verstand oder die Pranas (Lebensenergien) erkannt werden – nur die Seele kann den Herrn erfahren, und das ist erst möglich, wenn sie sich selbst erkannt hat.

 

Unser Selbst zu erkennen ist keine Sache von Gefühlen, Emotionen oder Schlußfolgerungen. Es geht darum, sich über das Körperbewußtsein zu erheben und durch Selbstanalyse auf praktische Weise zu erkennen, wer wir sind. Wenn wir unser Selbst erkennen und mit dem allbewußten Gott in Verbindung kommen, so ist dies das Brot und das Wasser des Lebens für die Seele. All die weltlichen Informationen und äußeren Wissenschaften – Bibliotheken sind voll davon ... Ist unser Kopf davon voll, so ist das nicht Brot und Wasser für die Seele. Es ist das Brot und Wasser für das Wachstum des Verstandes. Das Brot und Wasser des Lebens für die Seele ist die bewußte Verbindung mit Gott oder dem Überselbst. Diese Dinge müssen verstanden und dann gelebt werden.

 

Wenn man über Brot spricht, kann dadurch euer Hunger nicht gestillt werden; ihr müßt vielmehr das Brot essen. Daher sagte Christus: „Ich bin das Brot des Lebens. Dieses Brot des Lebens ist vom Himmel herabgekommen. Wer davon ißt, der wird immerwährendes Leben haben.” Was soll gegessen werden? Er ist das fleischgewordene Wort. Je mehr ihr in Verbindung damit kommt und dieses Wort zu euch nehmt – das Licht und den Ton – desto mehr werdet ihr vom Brot des Lebens essen.

 

Alle Unvollkommenheiten werden von euch weichen, genauso wie wenn ihr am Feuer sitzt und alle Kälte von euch weicht. Wenn ihr den Tonstrom hört, werdet ihr zur Wohnstatt aller Tugenden. Wenn ihr darauf hört, könnt ihr die Richtung bestimmen, in die ihr gehen sollt. Durch die Sehmeditation wird euer inneres Auge geöffnet, damit ihr sehen könnt, wohin ihr geht. Es ist schade, daß wir für diese Dinge wenig Zeit erübrigen und Zeit mit nichtigen Dingen vergeuden.

 

So setzt also bitte mehr Zeit für eure Übungen ein. Entwickelt Liebe für Gott in euch. Ihr werdet gesegnet sein. Ihr habt dann den besten Gebrauch von eurem Leben gemacht.

 

 

 

Ändert eure Gewohnheiten

 

Oh Mensch, es ist jetzt Zeit, deine üblen alten Gewohnheiten aufzugeben und sie durch andere zu ersetzen. Gewohnheiten entstehen dadurch, daß man dieselben Dinge immer wieder tut. So sollten wir als erstes alles, was wir falsch machen, untersuchen: Lügen, Heuchelei, Betrug, Kritik an anderen, Feindseligkeit, Geiz, Boshaftigkeit, Verleumdung und anderes mehr. Was nützt es, wenn ihr zum Satsang geht, aber gar nicht vorhabt, euch zu ändern? Eure Schritte lenkt ihr vorwärts, aber euer Gemüt wandert zurück. Der Satsang kann etwas ganz Wunderbares aus euch machen, aber das wird nicht geschehen, wenn ihr nur Gottes Namen wiederholt. Ändert jetzt eure Gewohnheiten und formt sie in gute um, denn Gewohnheiten werden mit der Zeit zur Natur. Beseitigt alle negativen Gedanken und ersetzt sie durch positive. Wenn jemand etwas falsch gemacht hat, vergebt ihm – und ebenso sollte er euch eure Fehler vergeben.

 

Im Koran steht, daß nicht einmal Gott einen Gedanken für den hat, der sich nicht ändern will. Wie können wir von anderen erwarten, daß sie ein perfektes Beispiel sind? Würden wir uns selbst ändern, so würde die ganze Welt sich mit uns ändern. Das ist eine Botschaft für uns alle.

 

Eine der schlechtesten Gewohnheiten ist, andere zu kritisieren. Alle Tugenden, die die rechte Lebensweise einschließen, sind gut, die höchste aber ist ‘Ahimsa- Parmo- Dharam’ (Nichtverletzen in Gedanken). Sie kann uns zur täglichen Gewohnheit werden, denn sie liegt verborgen in uns allen. Auch wenn wir noch andere Gedanken haben, wirkt sie doch bereits bewußt oder unbewußt und wird eines Tages sichtbar hervortreten. Deshalb hört ihr im Satsang oft „Vergangenheit ist Vergangenheit” – vergebt und vergeßt und schafft keine Grundlage für schlechte Gedanken, sonst treten unausweichlich Rückwirkungen ein. Ihr seid der Verlierer dabei, denn ihr müßt in diesem Fall wieder in den Zyklus von Geburt und Tod zurück. So ermutigen die Meister ihre Kinder mit Liebe, ihre Gewohnheiten zu ändern, solange noch Zeit dazu ist.

 

Ihr solltet es als Tatsache akzeptieren, daß ihr in jeder Hinsicht göttlich seid und Herr über euer Schicksal, das voll höherer Möglichkeiten ist. Ihr müßt euch einfach bemühen, euch zum Besseren zu ändern, und müßt an euren Entschlüssen festhalten. Alles andere kommt von selbst, da die gnädige Meisterkraft euch zur Seite steht und euch alle nur mögliche Hilfe, Gnade und Schutz gibt.

 

Je mehr man sich bemüht, alle Unvollkommenheiten durch tägliche Selbstprüfung zu beseitigen, desto mehr Gnade und Segen wird einem von oben zuteil. Geduld und Selbstlosigkeit sind edle Tugenden, und rechtes Verstehen ist die Basis allen Glücks. Wegen vergangener oder neuer Karmas solltet ihr euch keine Sorgen machen. Wenn ihr euer Verhalten jeden Augenblick bewußt beobachtet, dann wird in bestimmten Situationen des Lebens, in denen man die Wahl hat, einen Verhaltensfehler zu begehen oder zu vermeiden, besonnene Überlegung an Stelle von blindem impulsivem Handeln treten.

 

Man sollte sich vor den fünf Todsünden: Wunsch, Ärger, Gier, blinder Leidenschaft und Stolz hüten und an ihrer Stelle die Tugenden der Wahrhaftigkeit, der Reinheit, des Nichtverletzens, der universalen Liebe und des selbstlosen Dienens entwickeln.

 

Der Weg zu weltlichem Reichtum und der Weg zurück zu Gott liegen weit auseinander. Man kann nur einen von beiden wählen – diese Wahl liegt bei jedem einzelnen. Das Gemüt verbindet auf der einen Seite Körper und Seele miteinander, auf der anderen den Körper mit der Welt und all ihren Schätzen. So muß man notwendigerweise zwischen den beiden Möglichkeiten wählen. Wenn die Würfel einmal gefallen sind, muß man sich beharrlich dafür einsetzen, das Ziel zu erreichen, welches es auch sei.

 

Kurzum, der aufrichtige und gewissenhafte Wahrheitssucher wird seine ganze Lebensweise neu orientieren – Essen, Trinken, Denken, Handeln, Fühlen usw. Er wird nach und nach alle unwichtigen und ungesunden Wünsche aus seinem Gemüt beseitigen, bis er den Zustand der Reinheit und Einfachheit erreicht, der das Kind kennzeichnet.

 

Laßt eine Welle der Empfänglichkeit von Herz zu Herz gehen – so verwirklicht ihr den Herrn. Werdet ihr auch nur ein bißchen empfänglich, so kann der Meister euch innen zurückhalten, wenn ihr Gefahr lauft, etwas Falsches zu tun. Im Interesse ihres spirituellen Fortschritts sollten die Lieben ein diszipliniertes und genau geregeltes Leben führen – eine Sache zu einer Zeit – und auch das mit ungeteilter Aufmerksamkeit und voller Hingabe! Das bedeutet, das Haus in Ordnung zu halten.

 

Ein liebevoller Gedanke wird alles Gute aus dem Universum anziehen, während ein übler Gedanke einen Teufelskreis schafft, der alles Böse aus der Atmosphäre anzieht. Ein Mangosame zieht alles Süße aus dem Boden an, sät man dagegen dicht daneben einen Pfeffersamen, so zieht er alles Bittere an. Beide Pflanzen werden mit unterschiedlichen Elementen der Mutter Natur, jedoch auf demselben Boden, zum Blühen gebracht; die eine ist voller Süße, die andere voller Bitternis. Das ist das ewige Gesetz. Das menschliche Herz ist der Boden, und gute und schlechte Gedanken sind die Saaten darin, die, wenn sie sorgsam ausgesät werden, durch richtige und sorgfältige Pflege mit Sicherheit wachsen. Ihr müßt euch die besten Tugenden wählen und sie in eurem Leben kultivieren, dann könnt ihr zur gegebenen Zeit eine reiche Ernte erwarten. Innerhalb gewisser Grenzen seid ihr frei, und durch harte Arbeit, rechte Lebensweise und Disziplin könnt ihr von dieser Freiheit profitieren. Lernt einfach, edle Gedanken in euer Unterbewußtsein einzupflanzen und sie mit dem Wasser des Selbstvertrauens, der Entschiedenheit, des Fleißes und der Anpassungsfähigkeit zu nähren. Gebt nicht auf, beugt euch niemals (vor eurem Gemüt), nie und nimmer! Steht fest zu euren hohen Prinzipien des Lebens, die in den Stunden der Not euer Halt sein werden.

 

Die Mystiker aller Traditionen haben unermüdlich die Notwendigkeit absoluter Selbsthingabe betont. Dieses Kreuz meinte Christus – das Selbst oder Ego zu opfern – als er seine Schüler dazu aufforderte, das Kreuz täglich auf sich zu nehmen. In jeder kleinen Handlung, bei jedem Wort oder Gedanken versucht das Ego, uns zu beherrschen, und wenn der Wahrheitssucher darüber triumphieren will, muß er bereit sein, es jeden Augenblick zu opfern. In Sünde zu fallen ist menschlich, aber darin zu bleiben ist teuflisch. Sicher, man fällt oft, aber man wird erst nach vielen Stürzen ein guter Reiter. Bleibt nicht dort liegen, wo ihr hingefallen seid, das ist schlecht! Im Koran steht: „Gott wird niemanden ändern, der sich nicht ändern will.” Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Habt euer Ziel beständig vor Augen und arbeitet dafür – dann ist euch der Erfolg gewiß.

 

In der Spiritualität erfolgreich zu sein ist nicht so schwierig, wie manche glauben oder es darstellen. Aber es verlangt geduldige Selbstreinigung, eine wache Selbstbeobachtung, sorgfältiges Beseitigen aller unerwünschten Elemente und das Beschneiden aller sich ausbreitenden Verzweigungen. Darüber hinaus muß der zarte, junge Baum der Spiritualität rechtzeitig genährt und gepflegt werden, da er auf dem Boden des menschlichen Gemüts wächst.

 

Diese Aufgabe liegt auf den Schultern eines jeden von euch, und ich bin sicher, daß ihr euch hierin eurer Verantwortung und Verpflichtungen voll bewußt seid. So lange bis man lieben, gehorchen und sein Leben umwandeln kann, bleibt das Geschenk des Meisters wie eine Saat, die in ein stählernes Gewölbe eingeschlossen wurde und nicht aufgehen und Frucht bringen kann.

 

 

 

 

„Der Meister ist der Töpfer,

der Schüler der Ton.

Formend und formend beseitigt

Er jeden Fehler und Makel.

Von innen hält Er ihn mit Liebe,

von außen formt Er ihn Schlag für Schlag.”

 

Kabir