6. Kapitel

Das Gebet

Das Gebet ist das Salz des Lebens, ohne das wir nicht auskommen können. Es ist tief in die Natur des Menschen eingepflanzt, dass er um die Erfüllung seiner Wünsche, welcher Art sie auch immer sein mögen, betet. Doch sehr oft kommt es vor, dass wir nicht wissen, zu welchem Zweck wir beten sollen, wie wir beten sollen und was wir tun können, um unser Gebet zu einer großen dynamischen Kraft zu machen, die an des Himmels Barmherzigkeit rührt.

Alle Religionen stimmen in dem Punkt überein, dass ein Gebet am Sitz der Seele alle latenten Kräfte der Gottheit im Innern bewegt und hervorbringt und man dadurch spirituelle Glückseligkeit erlangen kann. Es ist ein Bindeglied zwischen dem Schöpfer und Seiner Schöpfung zwischen Gott und dem Menschen. Es ist eine Stütze in den Händen eines geistig Strebenden, und die Pilgerseele braucht es vom Anfang bis zum Ende der Reise, denn es bewahrt einen vor vielen Fallgruben, die sich auf dem Weg befinden, und verwandelt den menschlichen Geist durch und durch, bis er zu leuchten und das Licht der Seele zu reflektieren beginnt.

Selbstloser Dienst ist ein Stärkungsmittel für das Herz des Initiierten, der ein tiefes Gefühl liebender Ergebenheit für die gütige Meisterkraft einprägt.
Gebet und Anstrengung gehen Hand in Hand. Das eine gibt uns einen Ansporn zur Rechtschaffenheit, das andere bereitet die wahre Lebensweise vor, welche höher als die Wahrheit steht. Regelmäßige Meditationen erschließen mit der Gunst des Meisters alles, was für den inneren spirituellen Fortschritt gut und hilfreich ist.

Das Geheimnis eines erfolgreichen Gebets liegt nicht so sehr in den Worten, die wir gebrauchen oder in der Zeit, die wir darauf verwenden, auch nicht in der Mühe, die wir ihm angedeihen lassen, vielmehr in der konzentrierten Aufmerksamkeit, die man zum Sitz der Seele lenkt, um das Gebet seelenvoll zu machen.

Die natürlichste Form eines fruchtbringenden Gebets ist das Verlangen der Seele mit der Zunge des Gedankens ohne gesprochene oder gedachte Worte. Ein solches Gebet erzeugt und bringt eine solche Fülle geistiger Energie mit sich, dass dadurch alle kosmischen Kräfte angezogen werden und sie, miteinander verbunden, die Dinge bestmöglich gestalten. Ein wirkliches Gebet ist ein anhaltender Vorgang, unabhängig von Form, Zeit und Ort, der schließlich zu völliger Ausgeglichenheit und Freisein von allen Wünschen führt.

Das ist der Höhepunkt eines echten Gebets, und hier hört es auf, ein Gebet zu sein, sondern wird zu einem Seinszustand, bei dem man sich nach und nach erst ins kosmische Bewusstsein und dann ins Überbewusstsein erhebt, wo ihm der göttliche Wille voll offenbart wird. Dies ist das ein und alles des Gebets.

Genau genommen ist das Gebet ein anderer Name für das Sammeln der nach außen gehenden und wandernden Gemütskräfte an der Wurzel des Gemüts. Wie die Strahlen der Sonne verbreiten sie sich in der Welt und können so auch wieder an ihrer Quelle zurückgezogen und vereinigt werden. Diese Konzentration während der Bitte um Hilfe wird Gebet genannt.

Das Gebet ist nichts anderes als ein konzentrierter Wille, der zu seinem Ursprung, der großen Kraftquelle, zurückgreift, in der alle Möglichkeiten liegen - physisch, mental und spirituell; und man kann diejenige in Anspruch nehmen, die man gerade braucht.

In allen misslichen Situationen ist das Gebet die letzte Waffe in unserer Rüstkammer. Wo alle menschlichen Anstrengungen fehlschlagen, hilft das Gebet.

Es tut mir leid wegen deiner Krankheit. Dies kommt im allgemeinen durch die Auswirkung früherer Karmas. Gebet und Dankbarkeit verleihen inneren Frieden und Harmonie, um den Drangsalen des physischen Lebens standzuhalten, das eine vorübergehende Erscheinung der Seele auf ihrer langen Reise zurück in die wahre Heimat des Vaters ist.

Verstehe bitte, dass es auf die gütige Meisterkraft zurückzuführen ist, die die karmischen Schulden abwickelt; und der beste Weg, innere Festigkeit zu bewahren, ist, geduldig und dem höchsten Willen des Vaters ergeben zu sein. Du solltest dich den Umständen so gut wie möglich anzupassen suchen.

Ein wahres Gebet ist weiter das Mittel, um die wandernden Sinne an einem Zentrum - dem Zentrum der Seele - zu konzentrieren, so dass sich die Geistesströme an dem stillen Punkt im Körper, zwischen und hinter den Augenbrauen sammeln.

Hierin liegt alle Verehrung, jedes Gebet, alle Entsagung und alles Wissen vom Diesseits und Jenseits. Der Pfad zur Erlösung besteht mehr in der direkten Verbindung mit der inneren Kraft, als in äußeren Dingen verstrickt zu werden.

Der liebende Schüler betet immer und bereut seine Fehltritte und Vergehen, die er sich während des Tages bewusst oder unbewusst zuschulden kommen ließ.

Das Gebet ist keine Sache äußerer Schaustellung oder eine Körperübung, sondern ein qualvoller Schrei der Seele, der die göttliche Gnade bewegt; wenn es ruhig gelenkt und geleitet wird, wirkt es Wunder, und der liebe Initiierte wird mit Seiner Gnade von ehrfürchtiger Dankbarkeit erfüllt.

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