11. Kapitel

Gott, Geist und Seele


Frage:
Was ist Gott, und wie können wir Ihn erkennen?

Der Meister: Gott ist, wie alle Schriften und Heiligen gesagt haben, namenlos und unerkennbar. Wie können wir Ihn dann erkennen? Die Antwort ist, dass das Absolute nicht erkennbar ist, sich jedoch zu erkennen gibt, indem es sich als Licht- und Tonprinzip offenbart. Die meisten Religionen sagen uns, dass die Schöpfung aus diesen ersten Offenbarungen ihren Anfang nahm. Nun kann man mit dem göttlichen Licht und dem göttlichen Ton oder dem Wort dadurch in Verbindung kommen, dass man sich über das Körperbewusstsein erhebt. Sie sind in unentwickelter Form in jedem von uns. Deshalb muss unser Ziel sein, mit ihnen in Berührung zu kommen und sie in uns zu entfalten. Um dies zu erreichen, lernen wir durch Meditation, unsere Seele zu ihrem Sitz hinter und zwischen den Augen zurückzuziehen. Wenn wir einmal mit dem inneren Licht und Ton Kontakt haben, können wir auf dem Weg zu ihrem Ursprung fortschreiten und von Ebene zu Ebene weitergehen, bis wir bei Gott sind.

Frage: Was ist Gott? Könnt Ihr eine einfache Antwort geben, die wir verstehen?

Der Meister: Gott ist absolut. Niemand kann Ihn je erkennen. Wenn Er zu wirken beginnt, erschafft Er alle empfindenden oder empfindungslosen Wesen und überwacht sie. Unser physischer Körper arbeitet so lange, wie wir in ihm sind, doch wir können nicht durch die offenen Augen, Ohren, Nase, Mund usw. aus ihm weglaufen. Die wirkende Gotteskraft - das Wort, Naam, Kalma usw. genannt - kontrolliert unsere Seele im Körper. Wenn diese Kraft zurückgezogen wird, verlässt ihn die Seele. Der Atem geht zum Körper hinaus, aber er kann nicht außen bleiben. Eine Kraft drängt ihn in den Körper zurück. Diese wirkende Gotteskraft überwacht die ganze Schöpfung. Das wird Gott genannt. Gott ist das höchste Gesetz, das sichtbar oder unsichtbar in der gesamten Schöpfung am Werk ist. In Seiner absoluten Form kann Er weder gesehen noch gehört werden, aber als Er sich zum Ausdruck brachte, offenbarte Er sich in Form von Naam, dem göttlichen Licht und dem heiligen Tonprinzip. Die untersten Bindeglieder dieses göttlichen Prinzips befinden sich im menschlichen Körper; sie können erfahren werden, wenn man sich mit der Hilfe des lebenden Meisters über das Körperbewusstsein erhebt.

Frage: Was ist Wissenschaft der Seele?

Der Meister: Es gibt einen Gott und nur einen Weg zu Ihm, und dafür brauchen wir eine vollständige und genaue Wissenschaft, die allerälteste und natürlichste, welche die praktische Seite aller Religionen der Welt ist, was durch die heiligen Schriften bestätigt wird. Diese subtilste aller Wissenschaften wird Para Vidya genannt, die einen praktischen Aspekt hat und "der Weg zurück zu Gott während der Lebenszeit" ist. Heutzutage wird diese Wissenschaft als Sant Mat bezeichnet. Es ist wahr, niemand kann Gott erkennen. Frühere Meister ]können nicht helfen, denn der Mensch bedarf eines lebenden Gottmenschen, um Dinge zu verstehen, die durch bloße Theorie nicht zu begreifen sind. Daher ist, um an die praktische Seite der Wissenschaft heranzukommen, ein lebender Meister notwendig. So lange nicht die Erfahrung früherer Meister unsere eigene wird, haben wir nichts erreicht. Tatsache ist, dass die Gotteskraft über einen auserwählten menschlichen Pol wirkt. Ein lebender Meister ist darum Gott und Mensch, der Gottmensch, das heißt, das Sprachrohr Gottes. Das zu häufig gebrauchte Wort Guru ist das entsprechende Wort in Sanskrit. Ein Guru ist jemand, der den dunklen Schleier im Innern entfernen und uns das wirkliche Licht Gottes zeigen kann.

Frage: Warum nennt man diese Lehren "Wissenschaft der Seele"?

Der Meister: In diesem wissenschaftlichen Zeitalter muss auch die Spiritualität als regelrechte Wissenschaft behandelt werden, um sie für die Menschen annehmbar zu machen. Doch ungleich anderen Wissenschaften ist sie sehr bestimmt und sehr genau; sie liefert nachweisbare Ergebnisse von unvergänglichem Wert. Ihre Geschichte geht auf undenkliche Zeiten zurück, in die eisgraue Vergangenheit, als der Mensch bei sich über den Sinn des Lebens nachzudenken begann. Von jeher hatte er den natürlichen Drang, das Rätsel des Lebens zu lösen. Immer wieder sind in verschiedenen Teilen der Welt Weise und Seher erschienen und haben die spirituellen Erfahrungen verkündet, die uns in Form von Texten in den heiligen Schriften vorliegen. Wir sind in der Tat sehr begünstigt, die schönen Aufzeichnungen dieser begabten Persönlichkeiten zu besitzen, denn sie entfachen in uns den Wunsch und das Verlangen, dieses höchst verwirrende Problem zu meistern, und erfüllen uns mit der Hoffnung, dass auch wir, gleich ihnen, das Geheimnis des Lebens enträtseln und in der Frage der menschlichen Existenz Klarheit gewinnen können. Theorie geht der Praxis voraus. Praxis führt zum Kontakt mit dem lebendigen Bindeglied im Innern. Für diese Erfahrung muss sich die Seele vorübergehend vom Körper und den Sinnen trennen und bedingungslos eine reine Seele werden. Guru Nanak sagt uns.
Wenn man sich nicht auf die Ebene Gottes erhebt, kann man Ihn nicht erkennen.

Frage: Kann der Schüler Gott sehen?

Der Meister: Gott ist das Absolute, das bisher noch keiner gesehen hat. Als Er ins Dasein kam, wurde Er Licht- und Tonprinzip. Du kannst Sein Licht sehen, wenn dein Auge einfältig wird.

"Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn nun dein Auge einfältig ist, so ist dein ganzer Leib licht."

(Luk. 11, 34)

Und du kannst Seine Stimme hören, wenn dein inneres Ohr geöffnet ist. Das ABC der Lehren des Meisters beginnt, wenn du dich über das Körperbewusstsein erhebst. Niemand ist allein dazu fähig; er braucht die Gnade eines kompetenten Meisters.

Frage: Wie würdet Ihr zwischen Seele und Geist unterscheiden?

Der Meister: Es gibt keinen Unterschied zwischen Seele und Geist; beide stellen das Bewusstsein dar, das den menschlichen Körper durchdringt.

Frage: Könnte man die Seele mit den Augen wahrnehmen, wie würde sie aussehen?

Der Meister: Niemand kann die Seele mit diesen äußeren Augen wahrnehmen, und darum übersteigt es den Horizont menschlichen Verstehens, sie zu erkennen. Die Seele ist das belebende Prinzip, das den Körper des Menschen durchdringt, und sie kann im Innern erkannt werden, indem man sich einwärts wendet, wenn die Sinne unter Kontrolle sind, das Gemüt beruhigt ist und der Verstand schweigt.

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