13. Kapitel

Allgemeines

Frage: Könnt Ihr uns sagen, was Wahrheit ist?

Der Meister: Die Wahrheit in ihrer reinsten Form ist das ewige, unwandelbare Sein. Spiritualität und Wahrheit sind daher das Wesen des Absoluten. Wenn man die Quelle der Wahrheit findet, hat man den Schatz aller Schätze gefunden. Die Lehren der Meister sagen uns, dass die innere Wahrheit nicht zur äußeren Schau bestimmt, sondern vorwiegend dafür gedacht ist, uns unser wirkliches Selbst zu enthüllen und die Herrlichkeiten zu erschließen, die Er von Anfang an in uns hineingelegt hat.

Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden... Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.

Ein wahrer Meister kann uns auf harmonische Weise einen direkten Pfad zu unserer wahren Heimat zeigen. Auf diesem Pfad können wir unseren inneren Aufstieg beginnen, insoweit wir selbst einwilligen, ihn zu gehen. Letztendlich können wir uns entsprechend der Art und dem Ausmaß unseres Fortschritts bis zum Urquell der Wahrheit erheben. Von diesem Hauptbrennpunkt hören wir den spirituellen Ton und sehen das vollendete Licht. Dieses Licht und dieser Ton erhalten das endlose Universum und alle begrenzten Welten.
Es mag nicht immer leicht sein, unsere Fähigkeiten auszudehnen, um ständig mehr an erhebender Erleuchtung zu gewinnen; doch der Meister in seiner Weisheit ist geduldig, und aufgrund seiner umfassenden Spiritualität bleibt sein Beistand stets in greifbarer Nähe, bis wir uns mit ihm in Sach Khand, der letzten, ewig wonnevollen Heimat unseres wahren spirituellen Seins, vereinen.

Frage: Wenn der Schüler auf dem Weg zurück zum Vater ist und von einem lebenden Meister geführt wird, warum ist es dann so schwer für ihn, den Tonstrom zu hören?

Der Meister: Es ist die zerstreute Aufmerksamkeit des Initiierten, die es ihm nicht erlaubt, den heiligen Tonstrom zu hören. Außerdem steht das ungeheure Verhaftetsein an weltliche Freuden und Sinnesbefriedigung im Wege. Der lebende Meister ist personifizierte Liebe, und darum trägt liebende Ergebenheit für ihn zu einer besseren inneren Verbindung mit dem hörbaren Lebensstrom bei. Es liegt mehr an der Neigung des menschlichen Gemüts, das sich nicht gerne anketten lässt, und so muss man eine gewisse Disziplin beachten, um eine innere, bewusste Verbindung mit der himmlischen Melodie zu erhalten. Zu Beginn ist es in der Tat schwierig, doch bei regelmäßiger Praxis spürt die Seele eine angeborene innere Verwandtschaft mit dem Tonstrom, sobald man durch die Gnade des Meisters Glückseligkeit im Innern erfährt.

Frage: Behindert der Verlust der Lebensflüßigkeit im Schlaf den Fortschritt? 

Der Meister: Er beeinträchtigt den spirituellen Fortschritt. Du solltest vermeiden, dem anderen Geschlecht in die Augen zu sehen, und in allen freien Augenblicken zum Simran der geladenen Namen oder zu liebevollem Denken an den Meister Zuflucht nehmen, oder aber dem Tonstrom lauschen, wenn er hörbar geworden ist. Eine solche Gewohnheit wird beim Ausmerzen sinnlicher Begierden hilfreich sein. Ferner sollst du deine Mahlzeiten lange vor dem Schlafengehen einnehmen, so dass sie gut verdaut sind. Auch sollten Hände, Füße und Gesicht sowie der untere Teil des Rektums vor dem Schlafengehen mit kaltem Wasser gewaschen werden.

Frage: Bitte sagt uns etwas über die Hilfe, die Ehepartner einander geben können, wenn beide initiiert sind, um das physische, mentale und emotionelle Kraftfeld des einzelnen auszugleichen und zu harmonisieren, damit sie für Shabd empfänglicher werden. Das könnte für künftige Schüler und auch für solche, die schon angefangen haben, ein Ansporn sein.

Der Meister: Die Ehe ist ein Sakrament und eine Lebensgemeinschaft in Freud und Leid während dieses irdischen Aufenthalts. Es ist eine seltene Gabe des Meisters, wenn beide Partner initiiert sind. Beide sollten sich einen tiefen Sinn liebevoller Zusammenarbeit und gegenseitiger Achtung für die Rechte des anderen einprägen und dies bezeigen. Der physische, mentale und gefühlsmäßige Wirkungsbereich sollte in Grenzen und unter Kontrolle gehalten werden, damit die Seele nicht im Verfolgen sinnlicher Befriedigung erniedrigt wird.

In Sünde zu fallen ist menschlich, doch darin zu verbleiben ist teuflisch.
Die lebenswichtige Geschlechtsenergie sollte auf vernünftige Weise umgewandelt und veredelt werden, indem man Selbstbeherrschung und Keuschheit praktiziert. Das Zeugen von Kindern ist eine der rechtmäßigen Funktionen des Ehelebens. Die Schriften sehen diesen heiligen Zweck vor, im Falle eine Notwendigkeit dafür besteht. Wenn Eheleute so diszipliniert leben, wird es dem spirituellen Fortschritt förderlich sein.
Frage: In welchem Ausmaß wäre eine genaue Kenntnis der Planetenkräfte für das Vorwärtskommen auf dem Pfad von Sant Mat hilfreich? Wir hörten, das Meister Sawan Singh eine Ansprache über "The twelve Seasons of Man" gehalten hat, und wollten fragen, ob uns der Meister zu diesem Thema etwas in Englisch sagen würde.

Der Meister: Rechtes Verstehen ist auf jedem Lebensgebiet von Hilfe, wenn es für das spirituelle Wachstum genutzt wird. Es ist nicht bekannt, woraus du entnommen hast, dass Meister Sawan Singh diesen Vortrag gehalten hat. Bitte gib den genaueren Zusammenhang an. Er hat zwar über die zwölf Monate des Jahres gesprochen. Zu deiner Information mag aber gesagt sein, dass jene, die sich über den gestirnten Himmel erheben oder mit Meistern in Verbindung kommen, die darüber hinausgehen, von den planetarischen Auswirkungen nicht berührt werden.

Frage: Wie können wir in Gedanken wahrhaftig sein?

Der Meister: Wahrhaftigkeit in Gedanken heißt Aufrichtigkeit der Absicht in den verschiedenen Bereichen des Nichtverletzens, der Keuschheit, Wahrheit, Demut usw. Unwahre Gedanken zu haben bedeutet natürlich, dass man gegenteilige Vorstellungen hegt, die für gewöhnlich das menschliche Gemüt durch die Sinneswahrnehmung verfolgen. Das menschliche Auge ist im allgemeinen geneigt, Schönheit und Reichtum anderer mit einer unsauberen Einstellung anzusehen, was als Fehler betrachtet und vermieden werden sollte.

Frage: Welche Rolle spielt der Verstand auf dem Pfad?

Der Meister: Eine sehr geringe, was die praktische Seite angeht. Aber das besagt nicht, dass er für die Spiritualität nachteilig wäre. Wenn ein intellektueller Mensch auf diesen Pfad kommt, sich selbst wirklich dem Willen des Meisters übergibt und tut, was ihm gesagt wird, dann gibt es für den Weg keinen besseren Schüler als ihn, denn er hat gegenüber den gewöhnlichen praktischen Menschen einen Vorteil. Er kann anderen die Wahrheit auf vielerlei Weise in einer Sprache mit wohlüberlegten Worten erklären, was die Intellektuellen leichter überzeugt als einfache Worte eines bloßen Praktikers.

Frage: Sind die Schriften von irgendeiner Hilfe?

Der Meister: Die Wahrheit wird überall in den verschiedenen Religionen der Welt theoretisch erklärt, doch in den unterschiedlichen Auslegungen kann man sich leicht verlieren. Die heiligen Schriften sind wertvolle Aufzeichnungen von den spirituellen Erfahrungen früherer Meister auf ihrer Reise zu Gott. Um die Wahrheit zu sagen, kann die rechte Auslegung dessen von einem Meister gegeben werden, der dieselbe Erfahrung hat. Lediglich darüber zu lesen kann uns nicht befriedigen, bis wir die gleichen Erfahrungen in uns selbst gemacht haben. Diese Erfahrung gibt ein kompetenter Meister bei der Initiation; sie kann entwickelt werden, wenn man den spirituellen Übungen mit liebender Ergebenheit und Genauigkeit regelmäßig seine Zeit und Aufmerksamkeit schenkt.

Frage: Warum wurden Frauen stets als den Männern unterlegen betrachtet und behandelt und von manchen geistigen Lehrern sogar warnend als Ursache für die Versuchung und den Ruin der Männer angesehen?

Der Meister: Die Frauen werden als den Männern unterlegen angesehen, weil sie das schwächere Geschlecht und empfänglich für Versuchungen sind und zeitweilig eher den Umwelteinflüssen erliegen als die Männer. Die geistigen Lehrer, die dem schönen Geschlecht den spirituellen Fortschritt versagten, mögen dies mit der oben erwähnten Schwachheit begründet haben. Beide Geschlechter sind gleichermaßen eine Ursache der Versuchung, und die Meister machen keines von ihnen besonders dafür verantwortlich.

Frage: Spielt der Verstand bei der Selbstverwirklichung und Gottverwirklichung irgendeine Rolle?

Der Meister: Ja, er spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Frage der Selbstverwirklichung in der Theorie zu verstehen. Ist die theoretische Seite einmal verstanden, gibt es für den Verstand nicht mehr viel zu tun. Von da an zählt nur noch die Praxis mit Herz und Seele, um durch den Prozess der Selbstanalyse das Ziel zu erreichen; denn die Wissenschaft des Selbst ist im Wesentlichen eine praktische.

Frage: Können wir mit Hilfe des Verstandes ins Jenseits gelangen?

Der Meister: Nein. Der Verstand ist lediglich eine der Fähigkeiten des Gemüts, nämlich das Schlussfolgern. Er ist erdgebunden und ebenso das verstandesmäßige Urteilen.
Wie kann das Geringere das Größere begreifen, wie der begrenzte Verstand die Unendlichkeit erreichen? Denn was Gott ergründen würde, wäre mehr als Er.
Die Schriften sagen uns in unmissverständlichen Worten, dass man das Selbst nicht erfahren kann, solange nicht die Sinne unterworfen sind, das Gemüt diszipliniert und der Verstand überschritten ist.

Frage: Was ist Intuition?

Der Meister: Intuition bedeutet ein unmittelbares Erkennen ohne die Hilfe des Verstandes und Schlussfolgerns. Ein solches Empfinden erhebt sich sehr oft ganz plötzlich in Augenblicken der Ruhe. Es ist nichts übersinnliches dabei.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen innerer Erfahrung und Intuition?

Der Meister: Die innere Erfahrung der Seele, wie sie vom lebenden Meister zur Zeit der Initiation gewährt wird, ist die direkte, bewusste Verbindung mit dem heiligen Naam, dem göttlichen Tonstrom, der von der rechten Seite kommt, und dem Licht. Intuition dagegen ist nur ein Begreifen ohne Schlussfolgern oder Analysieren.

Frage: Können wir jemals verstandesmäßig der Gotterkenntnis sicher sein?

Der Meister: Nein. Gotterkenntnis ist keine Sache des Verstandes, sondern der tatsächlichen Erfahrung jenseits der Grenzen des Wissens. Unser ganzes Reden von Gott ist nur gefolgert und bestenfalls eine Sache von Empfindungen und Gefühlen, die alle dem Irrtum unterworfen sind. Doch das Sehen dessen, was im Innern ist (mit dem geöffneten inneren Auge) heißt glauben und lässt weder Ungewissheit noch Zweifel zu.

Frage: Kann der lebende Meister das innere Auge des Schülers bei der Initiation öffnen.

Der Meister: Ja, der lebende Meister kann es und tut es, oder wie sonst könnte der Schüler eine eigene innere Erfahrung haben? Doch er tut dies nur in dem Ausmaß, das er für den neu Hinzugekommenen am besten hält. Es ist Sache des Empfangenden, wahrzunehmen und zu sagen, dass er etwas erhalten hat, und von dem, was innen ist, Zeugnis abzulegen.

Frage: Kann ein aufgestiegener Meister seinen Initiierten, die noch auf der physischen Ebene sind, helfen?

Der Meister: Ja, ein kompetenter Meister ist seinen Initiierten für alle Zeiten ein Meister, und er ruht nicht, bis er die Seelen zum höchsten Gipfel wonnevollen Glücks in Sach Khand gebracht hat. Er ist nicht nur ein physisches Wesen, sondern das personifizierte Wort und wirkt auf den höheren Ebenen als Gurudev und Satguru. Diese Begriffe würden bedeutungslos, wenn seine Tätigkeit auf die physische Ebene beschränkt wäre. Würde es so sein, wie könnte er dann nach seinem Weggehen für die Seelen der Initiierten beim Tode die Verantwortung übernehmen? Ein Meister stirbt in seiner Wesenheit für die Initiierten nie. Er hat sein Wort gegeben, sie zur wahren Heimat seines Vaters emporzubringen, und innerlich ist er in Form von Licht und Ton immer eingepflanzt, auch wenn er die irdische Ebene verlassen haben mag.

Frage: Bitte sagt etwas hinsichtlich der lebendigen Vorstellung von der Gestalt des Meisters während des Simran.

Der Meister: Es besteht kaum eine Notwendigkeit, sich während des Simran die Gestalt des Meisters vorzustellen oder zu vergegenwärtigen. Jeder derartige Versuch ist dazu angetan, die Aufmerksamkeit zu zerstreuen. Es gibt dabei noch eine andere Gefahr, nämlich dass die Gestalt, die heraufbeschworen wird, falsch ist, eine Widerspiegelung deines Gemüts, nicht die Wirklichkeit. Wenn einer initiiert wurde, ist der Meister für alle Zeiten in ihm. Was bereits innen ist, wird automatisch sichtbar werden, wenn man ganz und gar hineingeht, obgleich es durchaus einige Zeit dauern mag, ehe man sich der bis dahin unbekannten Umgebung angepasst hat. Gott offenbart sich von selbst vollständiger in einer menschlichen Gestalt, in der Er wirkt, und dies ohne jedwede Vorstellung.

Frage: Alkohol ist den Initiierten nicht erlaubt. Gilt das auch für solche Fälle, wo er auf ärztlichen Rat zur Wiederherstellung der Gesundheit verordnet wird?

Der Meister: Im allgemeinen enthalten die meisten Präparate wegen der Haltbarkeit einen gewissen Prozentsatz, und gegen den Gebrauch solcher Arzneien ist nichts einzuwenden. Alle homöopathischen Mittel werden in Alkohol präpariert. In beiden Fällen hat es keine berauschende Wirkung. Aber Alkohol als solchen, aus sogenannten gesundheitlichen Gründen zu nehmen ist selbst, wenn er von Ärzten als Medizin verschrieben wird, untersagt; denn jede Handlung hat ihre Rückwirkung, und keine Menge Alkohol kann das Leben verlängern, sei es auch nur um ein Jota, wenn doch die Stunden gezählt sind. Glaubst du, dass Alkohol den Prozess aufhalten kann, und wenn nicht ? warum dann die Agonie verlängern, indem man schädliche Substanzen verabreicht.

Frage: Erklärt bitte Nirvana mit Bezug auf die Lehren Buddhas.

Der Meister: Nirvana ist kein Nihilismus, wie allgemein angenommen wird. Es ist ein Seinszustand, der dem der physischen Existenz weit überlegen ist. Es ist genau das Gegenteil dessen, was wir vom physischen Leben her kennen, das Buddha, der Erleuchtete, als Leben der Sorge und des Leids beschrieben hat - die erste der vier erhabenen Wahrheiten, die ihm aufgingen und er entsprechend seinen Erkenntnissen im achtfältigen Pfad der Rechtschaffenheit niedergelegt hat, um dem Lebenslauf eine ganz andere Prägung zu geben. Man kann leicht ersehen, wie es sein könnte - kein Zustand des Nichts, sondern einer des Aufblühens ins Licht.

Frage: Praktiziert oder schreibt Lord Buddha denselben Pfad der Meister vor, wie er durch Sant Mat wiederbelebt wurde?

Der Meister: Die Meister teilen ihre Schüler im allgemeinen in zwei Kategorien ein: 

1. Die gewöhnlichen Schüler oder Neulinge, die sich noch in der Entwicklung befinden und eine Menge Disziplin nötig haben; ihnen werden zur Schulung Übungen oder Sadhans gegeben. 

2. Schüler mit einem gewissen Fundament als Ergebnis von Übungen, die sie in der Vergangenheit praktiziert haben - vielleicht in früheren Geburten. Sie bilden den inneren Kreis ihrer Anhängerschaft. Sie sind die Erwählten oder Ausersehenen, für einen höheren Teil der Lehren des Meisters geeignet. Schülern dieser Art gab Buddha die Praxis des Licht- und Tonprinzips, wie es von den Meistem gelehrt wird. Zu dieser auserwählten Klasse gehörten die Bodhisattvas, Mahasattvas und Arhats, wie Maha-Kasyapa, Sariputra, Samantabhadra, Metaluniputra, Maudalyayana, Akshobya, Vejuria, Maitreya, Avalokiteshvara, Ananda und andere, die alle den "Diamantenen Samadhi" des transzendenten Bewusstseins durch Konzentration auf das transzendente Hören erlangten, indem sie auf den "Ton des inneren Dharma" lauschten, der dem Brüllen eines Löwen usw. gleicht.
Bitte lies für weitere Einzelheiten das Buch Naam oder das Wort.

 

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