Botschaft zum Jahrestag der Geburt des großen Meisters Sawan Singh Ji Maharaj - 1954

Liebe Brüder und Schwestern,

ich spreche zu euch vom Ruhani Satsang, Delhi, an diesem glückverheißenden Tag der Geburtstagsfeierlichkeiten für den großen Meister Sawan Singh Ji Maharaj. Ich hatte das Vorrecht, über 24 Jahre zu seinen heiligen Füßen zu sitzen. Viele Menschen, so sagt man, sahen ihn, doch sehr wenige gab es, die ihn wirklich in seiner ursprünglichen Glorie gesehen haben. Manche schauten auf ihn von einem physischen Gesichtspunkt aus, wie er als vorbildlicher Familienvater wirkte oder als ein guter Weltbürger, der allen - hoch und niedrig - in ihren verschiedenen Lebenslagen durch Wort und Beispiel half. Weitere sahen ihn als einen Intellektuellen, der dieselbe Wahrheit, wie sie in den heiligen Schriften aller Glaubensgemeinschaften, nämlich der Hindus, Sikhs, Mohammedaner und anderer zum Ausdruck kommt, herausfand und denen, die nach ihr suchten, darlegte. Sie sahen ihn von ihrem jeweiligen Blickwinkel aus. Sehr wenige gab es, die erkannten, was er tatsächlich war. Gerade so wie bei Jesus, als er eines Tages die Jünger fragte, wer der Menschensohn sei. Keiner von allen, die versammelt waren, erkannte ihn. Es war Simon, der ihn in seinem wahren Selbst sah und sagte: «Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.» Christus erwiderte: 

Selig bist du, Simon, Jona's Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.

Matth. 16, 16-18

Von Philippus wird gesagt, dass er Jesus bat: «Herr, zeige uns den Vater, so genüget uns.» Jesus ward ungehalten über diese Bitte und sprach zu ihm:

So lange bin ich bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den Vater; wie sprichst du denn: Zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst. Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut die Werke.
Glaubet mir, dass ich im Vater und der Vater in mir ist...

Joh. 14, 8-11

Guru Arjan der Sikhs sprach in denselben Worten:

Ich habe die höchste Wohnstatt und unzählige Welten, um darin zu leben. Meine Herrschaft umfasst das ganze Universum; die gesamte Schöpfung steht mir zu Gebote. Die Menschen allerorten singen mir zum Ruhme und bringen mir in der ganzen Welt ihre liebevolle Ergebenheit dar. Mein Vater ist in mir erschienen, und Vater und Sohn wirken als einer. O Nanak, der Vater war so sehr zufrieden, dass er und der Sohn dieselbe Farbe angenommen haben.

 Bhairon Mohalla 5

Eines Nachts saßen Dr. Julian Johnson und ich zu Füßen des Meisters Sawan Singh Ji. Er war in einer gnädigen Stimmung und sagte: 

Wann immer wir kommen, bringen wir unseren eigenen Arbeitsstab mit. Wenn wir die uns zugemessene Arbeit bei einem Gang erfolgreich abgeschlossen haben, werden wir in die anderen Gebiete gesandt.

Wie wunderbar er, obgleich in sehr zurückhaltenden Worten, voller Demut sein Kommen in die Welt umschreibt und andeutet, dass er mit einem Auftrag von Gott kam. Kabir sprach in gleicher Weise:

Wir kennen die Mysterien des Höchsten und haben die Verfügungen Gottes mitgebracht, um sie der ganzen Welt zu verkünden.

Meister Sawan Singh war kein Mensch der Welt und nicht durch die Knechtschaft des Körpers gebunden. Er pflegte die Welt und seine Umgebung zu verlassen und nach Belieben in die höheren Ebenen zu gehen, wenn immer er es wollte. Er gab den Suchern, die zu ihm kamen, Augen, damit sie das Licht Gottes sahen, und Kraft, die sie befähigte, sich in die höheren Ebenen zu erheben. Er war das personifizierte Wort und wohnte unter uns. Und er war personifizierte Liebe, eine Verkörperung des Friedens und der Freude. Gesegnet waren jene, die zu seinen heiligen Füßen saßen oder die er in seine Obhut nahm und die ihn und ihn allein suchten

Der große Meister betonte mit eindringlicher Stimme, dass man Tausende von Liebenden in allen Glaubensrichtungen finde, die denselben geliebten Gott suchen. Zwar gebe es verschiedene Religionen, doch sie alle würden dasselbe gemeinsame Ziel anstreben, das vor uns liegt. In der Tat gibt es eine Wahrheit, die in allen wirkt. Die Unterschiede in den Religionen sind, Menschenwerk, entsprechend dem jeweiligen Brauchtum und den klimatischen Bedingungen, doch ihr Hauptzweck ist derselbe. Sein Ziel war, die gesamte Menschheit zu einem Ganzen zu vereinen. Unglücklicherweise werden aus blindem Eifer und Engherzigkeit Brüder von Brüdern getrennt. Der große Meister errichtete eine gemeinsame Plattform für alle, ob hoch oder niedrig, damit sie ungeachtet der Kaste, des Glaubens oder der Rasse in seiner heiligen Gegenwart zusammensitzen und arbeiten, um Gott zu schauen. Tausende von Menschen aller Kasten, Glaubensrichtungen und Rassen kamen zu ihm von nah und fern, um spirituelle Befriedigung zu erhalten. Ich entsinne mich, dass ich bei einer der monatlichen Zusammenkünfte zur gemeinsamen Küche ging, aus der alle Besucher unentgeltlich beköstigt wurden, um herauszufinden, wieviel Salz pro Tag für die Zubereitung der Hülsenfrüchte gebraucht wurde - und ich stellte fest, dass es an jenem Tag mehr als 370 kg waren. Man stelle sich vor, wie groß die Menschenmenge gewesen sein muss!

Er hat die Wissenschaft des Surat Shabd Yoga, welche selbst die gegenwärtigen Verfechter aller Religionen aus den Augen verloren haben, neu belebt. Er lehrte die praktische Selbstanalyse, das heißt die Seele aus der Gefangenschaft von Gemüt und Materie zu befreien, um sich selbst und Gott zu erkennen, indem die Seele mit dem göttlichen Bindeglied von Naam oder dem Wort in jedem Menschen verbunden wird, welches der Weg zurück zu Gott ist.

Jedes Herz sucht nach immerwährendem Frieden und Freude. Der Mensch hofft es in den Sinnesgegenständen zu finden, doch vergeblich. Es gibt einige Voraussetzungen, um das Ziel des Lebens, die innere Verbindung mit Gott, zu erlangen. Der Sucher sollte den Wunsch haben, Gott zu sehen. Sein Herz ist mit den vergänglichen weltlichen Bindungen unzufrieden geworden und wendet sich ab, um beständige Dinge zu finden, die nicht dem Verfall unterworfen sind. Zu diesem Zweck ist ein lebender Lehrer nötig. Das Ziel kann nicht erreicht werden, wenn man lediglich die heiligen Schriften liest. Diese Bücher geben die Erfahrung dessen wieder, was die früheren Meister auf ihrem Weg zurück zu Gott erlangten. Zweifellos sind sie Tonnen Goldes wert, aber es ist eine praktische Angelegenheit der Selbstanalyse und des Erhebens ins Jenseits, und ihre Praxis kann man nur von einem lebenden Meister erlernen. Bloße Verehrung gegenüber früheren Gurus oder Lehrern, die wir nicht selbst gesehen haben, kann uns dabei nicht helfen. Wir können mit den großen Meistern in Verbindung kommen, so wir lernen, ins Jenseits zu gehen. Wenn wir einen solchen lebenden Meister finden, sollten wir vollen Glauben in seine Weisheit und Befähigung haben, weil der Glaube die Grundlage aller Religionen ist. Wir brauchen nicht blind zu glauben. Sucht zuerst die Theorie zu verstehen, denn diese geht der Praxis voraus. Stellt sie euch zufrieden, mögt ihr den Weg als Experiment aufnehmen. Wenn ihr vom lebenden Meister eine Ersthand-Erfahrung bekommt, wie gering sie auch immer sein mag, werdet ihr überzeugt sein, um dieselbe täglich weiterzuentwickeln, indem ihr regelmäßig Zeit für die spirituellen Praktiken einsetzt. Ihnen mit liebender Hingabe und vollem Glauben in den Meister Zeit zu widmen wird euch von Tag zu Tag einen ausgezeichneten Fortschritt bringen. Man muss Liebe und Achtung für den Meister dadurch erlangen, dass man seinen Geboten unbedingt Gehorsam leistet. Jesus sagte: «Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote! » Auf diese Weise werdet ihr aufnahmefähig, um die Gnade des Meisters im Überfluss zu erhalten. Jesus betonte die Notwendigkeit, Liebe für den Meister zu entwickeln, um den vollen Segen von ihm zu empfangen. Er sagte:

Bleibt in mir, und ich in euch. Gleichwie die Rebe kann keine Frucht bringen von ihr selber, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibt denn in mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Joh. 15, 4-5

Paulus spricht von seiner Liebe zum Herrn, die ihm ein Gefühl des Einsseins mit ihm gab: «Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.» Hafiz, ein mohammedanischer Heiliger, sagte mit gleichen Worten: 

Der Meister hat mich so sehr erfüllt, dass ich mich selbst vergessen habe.

Wie man denkt, so wird man. Der Meister verlässt den Körper willentlich und geht in die hohen Ebenen. Indem man starke Liebe für den Meister entwickelt, beginnt die Seele ohne jede mühselige Anstrengung von selbst, den Körper zu verlassen.

Als Meister Sawan Singh Ji seine sterbliche Hülle ablegte, wies er mich an, eine gemeinsame Plattform zu schaffen, wo die Wahrheitssucher aller Glaubensrichtungen zusammensitzen sollten; sozusagen eine Schule oder Lerngemeinschaft für ethisches Leben und Spiritualität zu gründen, in der allen eine goldene Gelegenheit geboten wird, sich spirituell zu entfalten, während sie weiter in ihrer bisherigen Religion bleiben. Das ist es also, was ihr im Ruhani Satsang vorfindet.

Wie Meister Sawan Singh Ji mich geliebt hat, so habe auch ich Liebe für euch. Bleibt in der Liebe des Meisters, und ihr werdet spirituell reich belohnt werden.

Meine herzliche Liebe und besten Wünsche sind immer bei euch. 

Kirpal Singh

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