3.
Kapitel Stufen
der Meisterschaft Es
gibt vier verschiedene Arten von Meistern: den Vater, die Mutter, den Erzieher
oder Lehrer und schließlich den Satguru (den spirituellen Führer oder
Murshid-i-Kamil). Von
all diesen ist der Satguru der größte Lehrmeister, denn er allein gibt
spirituelle Unterweisung. Einer, der in weltlichem Wissen bewandert, wird
Acharya oder Erzieher genannt, da er uns Richtlinien für das soziale Verhalten
und ethisches Leben vermittelt. Der
Satguru oder Meister der Wahrheit ist auch als Sant Satguru bekannt. Die
Beziehung zu seinen Schülern ist eine rein spirituelle, da er auf den
Fortschritt der Seele bedacht ist und nichts mit weltlichen Angelegenheiten zu
tun hat. Unter
dem Gesichtspunkt der spirituellen Kompetenz kann man die Gurus wie folgt
einteilen: Sadh Guru Sant Satguru und Param Sant Satguru Ein
Sadh ist, wer über die Region von Trikuti (Onkar) hinausgelangte, die
gleichbedeutend ist mit Lahut, wie sie die Sufis nennen, und mit Hu in der
Theologie des Islam. Er hat die Seele in ihrer ursprünglichen Glorie gesehen,
nachdem er sie von allen Umhüllungen befreite, und ist nun Trigunatit (jenseits
der drei Gunas: Satva, Rajas und Tamas, worin alle Menschen entsprechend ihrer
natürlichen und angeborenen Instinkten handeln); er steht über den fünf
Elementen (Erde, Wasser, Feuer ´, Luft und Äther, aus denen sich die physische
Welt zusammensetzt), den fünfundzwanzig Prakritis (feinstofflichen Formen mit
wechselnder Verbindung der Elemente) und auch über Gemüt und Materie. Er
ist, kurz gesagt, ein Adept in der Selbsterkenntnis oder der Kunst und
Wissenschaft der Seele und kann diese nach Belieben von den verschiedenen
Kashas (Schichten oder Umhüllungen), in die sie wie ein kostbares Juwel
eingeschlossen ist, befreien. Die Größe eines Sadh
geht über die drei Gunas hinaus (da er Trigunatit
ist). Durch
einen Prozeß der Selbstanalyse hat er (ein Sadh) das Selbst oder den Geist in
seiner wahren Form erkannt, nämlich seine Wesenseinheit mit Gott; und er strebt
nun nach Gotterkenntnis. Ein
Sant ist nicht nur ein Adept der Selbsterkenntnis, sondern ebenso der
Gotterkenntnis. Er steht weit über den materiellen, materiell- spirituellen und
spirituell- materiellen Bereichen. Als ein Meister der Wahrheit hat er seinen
Wohnsitz in der Region des reinen Geistes, die Sach Khand, Muqam-i-Haq oder der
Bereich der Wahrheit genannt wird. Ein
Param Sant ist der erhabene Meister der Wahrheit, jenseits aller Worte und
daher nicht zu beschreiben. Er ist eins mit dem, was als Anami (der Namenlose)
bei Kabir, Nirala (unbeschreiblich und wunderbar), Mahadayal (grenzenlose
Barmherzigkeit) oder Soami (der große Herr von allem) bekannt ist. Zwischen
einem Sant und einem Param Sant gibt es, außer in der Bezeichnung, keinen
wesentlichen Unterschied. Doch
keiner von ihnen, weder ein Sadh noch ein Sant oder ein Param Sant, kann als
Guru oder Mesiter wirken, wenn er nicht von oben beauftragt ist, spirituelle
Unterweisung zu geben. Wer immer diese Machtbefugnis für das spirituelle Werk
hat, wird ein Sadh Guru, Sant Guru oder Param Sant Guru, wie der Fall gerade
liegt. es
mag eine ganze Reihe von Sadhs, Sants oder Param Sants geben, aber keiner von
ihnen kann von sich aus die Guruschaft oder das spirituelle Lehramt aufnehmen,
wenn er nicht damit betraut wurde. So
haben die Begriffe Sadh, Sant oder Param Sant eine viel weitere Bedeutung als
das Wort Guru, das einzig auf einen spirituellen Lehrer beschränkt ist. Die
übrigen sind nur spirituelle Adepten verschiedenen Grades. Der
Guru hat einen unmittelbaren Auftrag von Gott und handelt nach seinen Weisungen
wie ein Vizeregent im Namen des Königs. Dabei
gibt es zwei Arten von Gurus: die
Swateh Sant Gurus: sie sind geborene Sants, die mit einer direkten Mission in
die Welt kommen, wie zum Beispiel Kabir Sahib und Guru Nanak. Sie
beginnen ihr Werk spirituellen Wissens und spiritueller Unterweisung schon in
einem frühen Alter. Dazu benötigen sie keine besondere Ausbildung durch
irgendeinen anderen, da sie von oben für eben diesen Zweck gesandt wurden. Wenn
solche Wesen kommen, überfluten sie die Welt mit dem Licht der Spiritualität
und bilden eine Reihe von Gurmukh Gurus, die das Werk noch lange nach ihren
weiterführen. Doch im Laufe der Zeit wird der innere Gehalt äußere
Geschäftigkeit geopfert, und die Spiritualität schwindet allmählich ganz. Dann
kommt eine andere Meisterseele, um diese uralte Wissenschaft den Bedürfnissen
der Zeit neu anzupassen. Auf diese Weise wird der „alte Wein“ den durstigen
Seelen weiterhin ausgeschenkt. Solche Meister erscheinen von Zeit zu Zeit in
verschiedenen Ländern und Völkern. Neben
den Swateh Sants gibt es Sants, die sich hier durch hingebungsvolle Übungen und
Disziplin unter der Führung einer Meisterseele ein spirituelles Verdienst
erwerben und beauftragt werden, als Guru zu wirken. Sie
haben schon einen reichen spirituellen Hintergrund, der für die Erfüllung der
Aufgabe reif ist, und scheinen in der gegenwärtigen Lebensspanne diesen Prozeß
nur zum Abschluß zu bringen. Gurmukhs sind von einem Leben zum anderen immer im
Werden begriffen und erlangen in diesem Leben die Vollendung. Kabir sagte, daß er
unmittelbar aus dem Reich Gottes kam und von ihm
Anweisungen als Werkzeug hatte. Bhai
Gurdas berichtet uns von Guru Nanak: Zuerst erhielt er
einen Auftrag, dann führte er ihn aus. Kurz
gesagt: die einen kommen schon mit einer Vollmacht, die anderen erlangen sie
während ihres irdischen Lebens. Aber in ihrer Größe, der Art und der Reichweite
ihrer Mission sowie in ihrer Wirkungsweise gibt es zwischen ihnen nicht den
geringsten Unterschied. Beide sind mit der gleichen Vollmacht ausgestattet und
erfüllen den erhabenen Plan Gottes nach den Bedürfnissen der Zeit und der
Menschen. Alle
anderen aber, die diese Stellung beanspruchen, sich als Meister auszugeben und
hervortun, täuschen nicht nur sich selbst, sondern führen auch die breite Masse
in die Irre. Hierzu gehören solche, die entweder habgierig und selbstsüchtig
oder auf Rang und Namen aus sind. Mit
zahllosen Kniffen täuschen sie den einfachen und arglosen Wahrheitssucher auf
vielerlei Art und Weise etwas vor, um ihren eigenen Zwecken zu dienen. Wegen
solcher Betrügereien steht die Guruschaft bei den meisten Menschen in
schlechtem Ruf, und es nimmt nicht wunder, daß die Wissenschaft der
Spiritualität als bloßer Wahn, ja als Narrenparadies abgetan wird. |