4. Kapitel

Gibt es nur einen Guru oder viele?

 

Shabd oder das Wort (der uranfängliche Tonstrom) ist der einzige Guru für die ganze Welt, und Surat (das individuelle Bewußtsein) ist der einzige Schüler, da letzerer ohne den ersteren nicht sein kann. Tatsächlich besteht das Prinzip der Einheit, denn Gott ist einer, obwohl er sich auf vielfältige Weise offenbart hat.

Doch wenn wir in die andere Richtung blicken und uns der Welt in ihrer Fülle verschiedener Formen zuwenden, sehen wir einen Leitstern aufleuchten, der in seiner Erhabenheit das Licht des Himmels widerstrahlt.

Eine so reine Seele (das fleischgewordene Wort oder der Gottmensch), beauftragt, den Gottsuchern spirituelle Instruktionen zu geben, ist ebenso ein Guru wie Shabd selbst; denn er ist eine lebendige Verkörperung von Shabd, den er wie ein Handelskapital kostenlos verteilt, an wen immer er will.

Kabir sagt von sich:

 

                            Ich komme aus dem Reich Gottes,

                            um sein Gesetz zu erfüllen.

 

Guru Nanak wurde mit einer ähnlichen Aufgabe, spirituelle Unterweisung zu geben, betraut, als er sich in tiefer Meditation in der Veiny Nadi (dem Wasser der Spiritualität im Innern) befand.

Beide waren Param Sant Satgurus.

Kabir wurde 1398 n. Chr. in Lahr Talao bei Benares geboren und starb 1518. Guru Nanak kam 1469 n. Chr. in Talwandi zur Welt und verließ die irdische Ebene 1539 in Katarpur. Beide waren also etwa neunundvierzig Jahre (von 1469 – 1518) Zeitgenossen. Ebenso war es für einige Zeit bei Shamaz-i-Tabrez und Maulana Rumi.

Auch Guru Angad und Dabu Sahib lebten gleichzeitig, von 1504 bis 1552, desgleichen Guru Arjan und Dharam Das von 1561 bis 1606.

Diese Beispiele zeigen, daß es mehr als einen Guru zur selben zeit geben kann. Aber ein Mensch kann nur einem Guru folgen, um spirituelle Vollendung zu erlangen. Selbst wenn der Guru die irdische Ebene verläßt, nachdem man von ihm initiiert wurde, hat das nichts zu sagen.

Wenn er einmal jemanden initiiert hat, ist die feinstoffliche Form des Meisters in den Schülern eingeprägt; denn von dem Augenblick an wird er das Vollbild des Schülers, und seine Belehrungen beginnen allmählich Frucht zu tragen.

Keine Macht der Welt kann die von einer Meisterseele gelegte Saat unfruchtbar machen. Der Meister stirbt niemals. Wenn er auch den Körper wie jeder andere verläßt, ist er doch mehr als der Körper. Er ist ein Leitbild, ein lebendiger Tonstrom oder ein Lebensprinzip, das der ganzen Welt Licht und Leben gibt. Nach seinem Weggang kann man aus dem Satsang eines Gurmukh, der die Aufgabe des Gurus weiterführt, Nutzen ziehen und bei Schwierigkeiten seinen Rat suchen. Es ist jedoch von größter Wichtigkeit, unter keinen Umständen den Meister zu wechseln.

Treue gegenüber dem Meister, dem die von ihm initiierte Seele ihr Wort gegeben hat, schließt die Erkenntnis ein, daß der Meister auch dann kompetent ist, Führung und Unterweisung zu geben, wenn er nach Verlassen der physischen Welt auf der spirituellen Ebene wirkt.

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