8.
Kapitel Ohne
einen Guru ist alles dunkel Ohne
einen Guru befinden wir uns in äußersten Finsternis. Die Wirklichkeit bleibt
ein leerer Wahn, eine Fata Morgana. Sie ist ein ungeschriebenes Gesetz und eine
ungesprochene Sprache, die völlig unverständlich bleibt, wenn nicht die
persönliche Aufmerksamkeit einer Meisterseele ihre Bedeutung erschließt. Der
Zauber der Welt ist so goß und überwältigend, daß flüchtige Erscheinungen für
dauerhaft und wesentlich gehalten werden, das Unwahre sich unter dem Deckmantel
der Wahrheit verbirgt und wir außerstande sind, den magischen Schleier zu
zerreißen und dem falschen Blendwerk, das uns umgibt, zu entrinnen. Nur das
Wohlwollen des Meisters kann eine Seele aus der physischen Hülle herausziehen
und über die Sinnesebene erheben, wodurch ihr eine höhere geistige Schau zuteil
wird und sie ungehindert ihre ursprüngliche Gottheit wiedergewinnt. Ohne einen Meister
ist alles dunkel, und man versinkt in
bodenlose Tiefen. Eine
verkörperte Seele kann nicht glücklich werden, wenn sie nicht durch die Gnade
eines lebenden Meisters eine Erfahrung ihrer selbst erlangt. Er weiht sie in
das esoterische Wissen ein, das im Laboratorium des menschlichen Geistes
praktiziert werden muß. Ohne einen Meister
herrscht undurchdringliches Dunkel, in dem man
überhaupt nichts erkennen kann. Ohne einen Meister
wird der Geist nicht wirklich Geist, und Erlösung
ist unmöglich. Wahrlich, wahrlich,
ich sage dir, daß du einen Meister haben muß. O Gemüt,
du mußt dich einer Meisterseele
zuwenden! Nimm als Meister
einen Adepten des Tonprinzips, und er wird dich von
allen Unreinheiten säubern. Der Meister vermittelt durch
seine Aufmerksamkeit und Unterweisung des
Wissen von der Wahrheit. Wer weder eine
Meisterseele gesehen noch sie angenommen hat,
vergeudet sein Leben in dieser Welt. ein
Jiva befindet sich immer in völliger Finsternis. Wenn er die Augen schließt,
ist es innen dunkel. Auch ist er gänzlich in Unwissenheit gehüllt. wer diese
Dunkelheit der Jivas zerstreuen kann, wird ein Guru genannt. Der Begriff Guru
besteht aus zwei Wörtern: Gu heißt Dunkelheit und Ru Licht, vom Wahn zur
Wirklichkeit und vom Tod zur Unsterblichkeit führen kann. Der berühmte Dichter
Kalidasa sagt über ihn: Er verwandelt Dunkelheit
in Licht und macht den unsichtbaren
Gott sichtbar. Da
ein Jiva unwissend ist, gehen auch alle seine Handlungen aus der Unwissenheit
hervor und halten ihn gebunden. Die
Heiligen erklären, daß ohne die Führung einer Meisterseele alle mildtätigen Werke
und verdienstvollen Taten wie das Studium der Schriften, Fasten und
Nachtwachen, Pilgerfahrten, die Betrachtung sozialer Bräuche und Rituale und
das gewissenhafte festhalten an streng religiösen Vorschriften aus alter Zeit
für die Befreiung der Seele von keiner Hilfe sind. Kabir Sahib warnt uns daher
mit sehr nachdrücklichen Worten vor solchen Handlungen: Das Beten des
Rosenkranzes und mildtätiger Werke sind ohne die
Führung einer Meisterseele vergeblich. Nichts
davon trägt Frucht. Bulleh Shad sagt: O Bulleh, ohne einen
Meister wäre deine ganze Hingabe fruchtlos! Solange
nicht das innere Auge geöffnet und die Verbindung mit der inneren Kraft
hergestellt ist, kann nichts von irgendeinem Nutzen sein. Wir müssen unbedingt
nach einem Meister suchen, der die Fähigkeit hat, uns von allen äußeren
Bestrebungen zu lösen, die Seele aus dem Sinnesbereich herauszuziehen und sie
Schritt für schritt von einer Ebene zur anderen führen, bis sie in ihre
vorgeburtliche Heimat, Sach Khand oder Muqam-i-Haq, zurückgekehrt ist. Er
zerstreut alle aus der Finsternis geborenen Zweifel und gibt uns des Himmels
Licht als unerschütterlicher, unfehlbarer Führer. Durch den Guru wird
das Dunkel zerstreut. Wohin immer man sich
wenden mag, er ist überall. Ohne
die Sehkraft der Augen kann uns das Licht von Hunderten von Monden und
tausenden von Sonnen nichts nützen. Mit Sicherheit würde dieser strahlende
Glanz unsere blinden Augen nicht sehend machen können. Auf genau dieselbe weise
bleibt uns die wunderbare Leuchtkraft der Seele verborgen, wenn das innere Auge
blind ist und wir weiterhin in pechschwarzer Finsternis verharren. Hunderte von Monden
und Tausenden von Sonnen mögen zugleich
aufgehen; selbst bei einem solchen Glanz ist
nicht ein Fünkchen Licht zu sehen. |