9. Kapitel

Geschichtliches Zeugnis

 

Die Vergangenheit beweist uns, daß man nicht von sich aus Zugang zu den spirituellen Regionen haben kann. In den Shastras wird erwähnt, daß es Narada verwehrt war, Vishnupuri – das Reich Vishnus – zu betreten, als er dies allein versuchte, denn er war nicht von einem Guru initiiert worden.

Auch Sukh Dev Swami, der Sohn von Ved Vyasa, fand trotz seines großen spirituellen Wissen und seiner Gelehrsamkeit, der er schon im Mutterleib besaß, keinen Einlaß ins Reich Vishnus, bis er Raj Rishi Janaka als seinen spirituellen Lehrmeister anerkannte.

Nirgends stoßen wir auf ein Beispiel dafür, daß ein nicht- initiierter Jiva eigenem Vermögen dieses Vorrecht besessen hätte.

Alle geborenen Heiligen, wenngleich es nur sehr wenige gibt, kommen von Anfang an mit esoterischem Wissen in die Welt, müssen aber der Form halber einen Meister haben.

So mußte zum Beispiel Kabir Sahib Shiri Ramananda als Meister annehmen. Trotz ihres vollendeten spirituellen Hintergrundes hatten sie, gleichsam zur Auffrischung ihres Wissens, die Gemeinschaft von Heiligen zu suchen.

Nach den Worten von Guru Amar Das ist es Gottes Gesetz, daß niemand auch nur an ihn denken kann, wenn er nicht von einem Meister der Wahrheit an ihn erinnert wird.

 

                            Gott selbst hat verfügt, daß man nur an ihn denkt,

                            wenn man einen Meister der Wahrheit (einen

                            Gottmenschen) findet.

 

In der Bibel heißt es:

 

                            Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn,

                            daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat;

                            und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.

                                                                           Joh. 6, 44

 

Die Menschen kann ganz allgemein nicht ohne eine Meisterseele auskommen. Selbst Lord Rama und Lord Krishna, die Verkörperungen Vishnus, mußten sich jeweils vor Maharishi Vashisht und Ingris Rishi beugen. Wenn solche hochbeseelten Persönlichkeiten, deren Herrschaftsbereich sich so weit wie die Kausalebene erstreckt, einem spirituellen Führer folgen müssen, können wir gewöhnlichen Menschen diese grundlegende, absolute Notwendigkeit nicht umgehen.

Guru Nanak erklärt nachdrücklich, daß man die große Bedeutsamkeit eines Gurus am Beispiel Brahmas, Naradas und Ved Vyasas erkennen kann.

 

                            O Bruder, ohne einen Guru wirst du die absolute

                            Wahrheit (im Gegensatz zum relativen Wissen durch

                            die Sinneswahrnehmung) nicht erlangen!

                            Durch Brahma, Narada und Ved Vyasa kannst du es

                            bestätigt finden.

 

Tulsi Sahib sagt:

 

                            Wer ist größer als Rama und Krishna? Auch sie mußten

                            zu einem Meister gehen. Obwohl sie Herr der drei

                            Regionen waren (der physischen, astralen und

                           kausalen), hatten sie sich doch vor einem Meister zu

                            beugen.

 

Jeder, der zu spiritueller Bedeutung kam, erlangte sie unter der Führung einer Meisterseele. Raj Rishi Janaka erhielt eine praktische Erfahrung der Spiritualität von Maharishi Ashtavakra. Gorakh Nath wurde von Machinder Nath initiiert. Arjuna, der Kriegerprinz der Pandavas, lernte seine spirituellen Lektionen bei Lord Krishna. Swami Vivekananda saß zu Füßen von Paramhansa Ramakrishna, dem Heiligen von Dakshineswar.

Unter den Sikhs war es Guru Nanak, der Lehna formte und ihn zu Angad (seinem arg oder Glied) machte, und dieser wiederum erhob Amar Das in den Stand eines Gurus usw.

Von Maulana Rumi hörten wir, daß er seinen spirituellen Anstoß von Shamas-i-Tabrez erhielt:

 

                            Ein Maulvi (Schullehrer) hätte kein Maulana (Führer

                            der Theologie) werden können, wäre es nicht durch die

                            Gunst von Shamas-i-Tabrez geschehen.

 

Und ferner:

 

                            O Saqi (Meister), komm und schaue gnädig auf

                            Maulana! Von den Dächern ruft er, daß er der Sklave

                            von Shamas-i-Tabrez ist.

 

Viele Mahatmas haben in ihren Darlegungen ihrem göttlichen Lehrer gehuldigt; und wenngleich sich bei einigen keine solche Erwähnung findet, kann doch die Tatsache nicht geleugnet werden, daß Licht von Licht und Leben von Leben kommt und daß die von Gemüt und Materie beherrschten Jivas weder erwachen noch sich ins kosmische Bewußtsein erheben können, es sei denn, sie werden von einer Meisterseele emporgezogen.

 

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