Kirpal Singh

Gespräche von Herz zu Herz

20. September 1970

Abend-Darshan/Rajpur


Frage: Ich habe die Einführung zum Jap Ji nochmals gelesen, in der empfohlen wird, nicht zu viel zu reden.

Antwort: Meine Einleitung in das Jap Ji ist eine Zusammenfassung aller Sikh-Schriften. Bezieht man sich auf entsprechende Gedanken und andere Dinge, sind die grundlegenden Lehren dieselben. Wir halten uns zu sehr an Rituale und äußere Hand-lungen. Diese helfen nur bis zu einem gewissen Grad, aber wenn man einmal in ihnen stecken bleibt, führt kein Weg mehr heraus. Deshalb wurde der Ruhani Satsang zur spirituellen Unterweisung eingerichtet. ‘Mensch als Zentrum‘ bedeutet, alles liegt im Menschen. Versteht ihr? Der Makrokosmos ist im Mikrokosmos. Löst sein Geheimnis, und ihr habt das Geheimnis des Lebens gelöst. Niemand kümmert sich jedoch darum. Die Menschen verbringen Stunden um Stunden mit äußeren Handlungen, nehmen sich aber nie die Zeit, nach innen zu gehen. Höchstens einer von Hundert wirft vielleicht einen Blick darauf, 99 Prozent tun es nicht. Das ist eine gesellschaftliche Sünde; entschuldigt, wenn ich das sage.

Äußere Symbole wurden geschaffen, um dem Menschen etwas verständlich zu machen. Aus Mangel an rechtem Verstehen jedoch, aus Mangel an einer wahren Verbindung mit den Heiligen, haben sie sich in der Schale festgebissen und den Kern vergessen. Man fragt mich immer wieder, welchen Tempel ich gebaut hätte. Ich antwortete, es gibt hier keinen Tempel. Wir haben die Erde unter uns und den Himmel über uns. Der wahre Tempel ist der Körper, ein symbolischer Miniatur-Tempel.

Wenn ein Mensch erklärt: ”Ich bin der Sohn Gottes”, wird er gehängt. Christus sagte: ”Ich und mein Vater sind eins.” Auf seine Weise sagte Guru Arjan dasselbe und viele andere ebenfalls. Guru Arjan folterte man auf einem rotglühenden Eisenrost. Christus wurde gekreuzigt. Shamaz Tabrez wurde die Haut abgezogen. Das ist das Schicksal dieser Menschen.

Frage: Meinst du, die neuzeitlichen Nachfolger müssen auch einmal eine solche Verfolgung erdulden?

Antwort: Die Zeiten haben sich geändert. Die Handlungsweise ist anders. Heute ge-schieht es auf höfliche Art. Damals handelte man derb, man tötete ... Gold ist Gold, Silber ist Silber, Kupfer ist Kupfer und Eisen ist Eisen. Der wahre Wert des Menschen liegt darin, sich selbst, seine Seele und Gott zu erkennen.
(Der Meister wendet sich an jemand anderen.)

Mein Freund, befolgst du, was ich dir heute morgen sagte? Ich denke, du bist nun hellwach.

Frage: Ja.

Antwort: Gut. Danke Gott. Die Frage einer Enttäuschung erhebt sich gar nicht. Tu, was man dir sagt, und du wirst wunderbare Erfolge haben. Tu eine Sache zu einer Zeit. Ziehe dich nicht von der Welt zurück, um in die Wälder oder in die Wüste zu gehen, um dort deine Tage zu verbringen. Bleibe in der Welt. Schwimmen kann man nur im Wasser lernen, nicht auf dem trockenen Land. Glaubst du das nicht auch? Du mußt in der Welt bleiben, dich physisch, intellektuell und auch spirituell entwickeln. Entwickle dich vollständig! Und tu eine Sache zu einer Zeit. Du hast heute begon-nen. Du nahmst dir meine Worte zu Herzen, ja?

Frage: Ich versuche es.

Antwort: Es geht nicht darum, es zu versuchen. Versuchen bedeutet es nicht zu tun. Wenn ein gebildeter Mensch vom ‘Versuchen‘ spricht, wird er es dennoch nicht tun. Sage ja oder nein, und du wirst es tun. ”Ich will es tun, ich muß es tun.” Verstehst du? ‘Versuchen‘ ist eine höfliche Art zu sagen: ”Nein, ich werde es nicht tun.” Wenn du es tun willst, dann tust du es. Wenn du dich entschieden hast und zu der Uberzeugung gekommen bist, daß wir uns ganzheitlich entwickeln müssen, phy-sisch, intellektuell und spirituell, dann wirst du dafür Zeit einsetzen.

Frage: Was soll man tun, wenn das Gemüt trotzdem die Kontrolle behält?

Antwort: Zur Beherrschung des Gemüts wurde dir ein genauer Weg gezeigt. Es führt keine Schnellstraße zur Konzentration. Die einzige Möglichkeit ist, sich zu kon-zentrieren, immer wieder zu konzentrieren. Ist die Zeit reif, wird es gelingen.
Als ich in den Regierungsdienst eintrat, war ich nicht daran gewöhnt, auf einem Stuhl zu sitzen. Ich konnte keine Stunde ohne Unterbrechung darauf sitzen. Als ich später befördert wurde, saß ich regelmäßig zwölf Stunden lang auf einem Stuhl, ein-mal sogar 36 Stunden ohne Pause. Es ist alles Gewohnheit. Wenn dein Gemüt etwas will, gut. Nimm dir eine Stunde, zwei Stunden, drei, vier Stunden und werde dir darüber klar, was du willst. Wenn du etwas möchtest, nimm dir Zeit dafür. Nimm dir von den vierundzwanzig Stunden acht, zehn oder zwölf Stunden. Darüber hinaus soll-test du dich jedoch auch spirituell entwickeln. Bist du damit einverstanden? Dann tu es. Letzten Endes mußt du den Körper verlassen, nie-and kann es für dich tun. Wenn du jetzt lernst, dich über ihn zu erheben, dann verliert der Tod seinen Sta-chel. Dann kann man sagen: ”0 Tod, wo ist dein Stachel?” Der letzte Feind, den wir besiegen müssen, ist der Tod. Wie kann man ihn besiegen? Es gibt kein Entrinnen. Lerne also zu sterben. Dieser Weg gibt bereits am ersten Tag einen Beweis, zumin-dest für eine Weile. Durch regelmäßiges Üben erreichst du es. Bist du mit dem, was ich sage, einverstanden? Dann tu es bitte. Wenn du nach Hause zurückkehrst, sage nicht: ”Ich ging zum Meister und nichts ist geschehen.” Ich möchte, daß du Fort-schritte machst, bevor du gehst. Wenn du es machst, wie ich sage, wirst du ganz si-cher fortschreiten. Hast du im Lauf des Tages meditiert?

Frage: Nur etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten, denn wir sind ausgegangen.

Antwort: Gut, wenn es irgendeine Schwierigkeit gibt, kann man darüber reden. Sprich ein kurzes Gebet, bevor du meditierst, um eine Atmosphäre zu schaffen. Es wird helfen.

Frage: Ich finde, mein Gemüt schwankt häufig, und jedesmal ...

Antwort: Ist es dein Gemüt, gehört es dir? Das Gemüt bezieht seine Kraft von dir Was ist wenn dich der Diener von irgend jemandem bei den Ohren packt und an den Beinen zieht? Gefällt dir das, billigst du das? Das Gemüt ist dein Diener. Feuer ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr, verstehst du. Ich lasse dich nicht gehen, wenn du keinen Fortschritt machst. Du bist ein vernünftiger Mensch, und ich spreche zu dir von Mensch zu Mensch, als Freund, als Mitfühlender. Du sagst, du kannst es nicht? Hör auf mich. Wenn du wirklich buchstäblich auf das hörst, was ich sage, wirst du feststellen, daß du Fortschritte machst. Deshalb möchte ich, daß du in deinem Bemühen regelmäßig bist. Du solltest regelmäßig essen, was du bekommst. Hier ist niemand, der sich mit dir trifft, keine Korrespondenz, nichts dergleichen. Ich meine, nach einem, zwei oder drei Monaten Übung wird es gut sein. Es ist nicht schwierig, man muß nur Gewohnheit schaffen. Möchtest du, daß ich dich nicht gehen lasse?

Frage: Ja.

Antwort: Dann ist es gut. Du bist hierhergekommen und hast so viel Geld dafür ausgegeben. Du bist nicht für einen Ausflug gekommen! Nütze die Zeit also möglichst gut.

Frage: Ich möchte es so gerne.

Antwort: Ich wünsche dir, daß du es möchtest. Wenn du es möchtest, wer steht dann im Weg? Wen gibt es? Deinen Diener, das Gemüt, das ist alles, was ich sagen kann. Gott wird dir helfen. Der Weg ist so sicher, wie zwei und zwei vier ergeben. Am An-fang muß man sich daran gewöhnen, indem man regelmäßig ist. Das Gemüt wird sich an das anpassen, was wir heute tun, morgen, die nächsten zehn, fünfzehn Tage. Deshalb zahlt sich Regelmäßigkeit aus. Widme dich voll und ganz einer Sache zu einer Zeit. Jetzt sagst du, es wird wohl so sein, aber später wirst du sagen, daß es alles in Ordnung ist.

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