Kirpal Singh

Gespräche von Herz zu Herz 

22. September 1970

Abend-Darshan/Rajpur

Frage: Du betonst nachdrücklich, man soll die Gefühle anderer nicht verletzen. Was bedeutet das spirituell?

Antwort: Verletzt man die Empfindungen anderer unwissentlich und ohne es zu wollen, wird es keine Rückwirkungen haben, handelt man jedoch absichtlich, vorsätzlich, so wird das Rückwirkungen haben.

Frage: Wird man vom Betreffenden in der Astralebene verfolgt oder sowas ähnliches? Ich meine, was ist der spirituelle Gesichtspunkt?

Antwort: Das sage ich gerade. Handelt man absichtlich, denkt man schlecht von anderen - Gedanken sind höchst mächtig - verletzt man mit Worten oder vielleicht sogar körperlich, hat das natürlich seine Rückwirkungen - Ursache und Wirkung setzen sich fort. Je ruhiger das Wasser, desto klarer spiegelt es dein Selbst wieder.

Frage: Ich verstehe. Ist solches Karma schlechter als andere Arten von Karma?

Antwort: Wir laden viel Karma unwissentlich auf uns. Ehrlich gesagt, sogar essen ist Sünde. Auch Pflanzen haben Leben, wenn auch in der niedrigsten Form, aber sie haben Leben. Die ganze Schöpfung besteht aus fünf sogenannten Elementen. Es gibt Pflanzen, Reptilien, Vögel, Säugetiere und den Menschen. Im Menschen sind alle fünf Elemente voll entwickelt, in den Säugetieren vier, in den Vögeln drei, in den Reptilien zwei, in den Pflanzen eines. Lebe von dem, was die geringste Sünde verursacht, um Gott zu erkennen. Selbst das Atmen ist eine Sünde. Wir töten viele Insekten, und so viele werden am Boden zertreten. Wir machen es nicht vorsätzlich, trotzdem ist Unkenntnis des Gesetzes keine Entschuldigung. Ein bewußter Mitarbeiter wird jedoch davon entbunden, er muß nicht mehr die Rückwirkungen ertragen. Ihr müßt erkennen, ob euer Gemüt euer Diener ist oder ihr der Diener eures Gemütes seid. Seid ihr der Diener des Gemüts, ist es, als lebte jemand in eurem Haus, als packte einer euch beim Nacken, ein anderer bei der Nase oder den Ohren und zöge euch ein-mall hierhin, einmal dorthin. Möchtet ihr das? Wenn nicht, dann müßt ihr, solange ihr in eurem Körper seid, Herr über das Gemüt sein. Um euretwillen arbeitet der Körper. Möchtet ihr, daß eurer Gemüt euch hierhin und dorthin zerrt? Das ist doch nicht richtig. Euer Gemüt bekommt die Kraft von euch, doch es bestimmt über euch, obwohl es von euch abhängig ist. Haltet ihr das für richtig? Warum sagt ihr nicht: “Warte bitte, ich widme mich dir später, laß uns vorher noch dies oder jenes tun.” Das Gemüt möchte Vergnügen haben. Sagt ihm: ”Gut, mein lieber Freund, warte.” Bringt es dazu, daß es wartet; behandelt es als Freund. “Mein lieber Freund, ich werde auf dich hören, aber laß mich vorher noch diese Arbeit erledigen.” Das ist der beste Weg, denke ich. Versucht es heute abend, wenn ihr meditiert. ”Mein lieber Freund, was möchtest du? Wir werden dafür sorgen. Warte, laß mich zuerst noch das beenden.” Wendet das voll und ganz an, und ihr werdet Erfolg haben. Sagt einfach: ”Ich werde mich dir am nächsten Morgen widmen.” Schenkt ihm eure Gunst, schließt Freundschaft mit ihm - das ist der beste Weg. Versucht es heute oder morgen früh, sonst kommt zu mir, und ich gebe euch eine Sitzung. Das ist alles, was ich sagen kann. Hört auf mit all dem Lesen ...

Frage: Mit all dem Lesen?

Antwort: Ja. Schreibt ihr irgendwelche Briefe?

Frage: Nein, ich führe nur ein Tagebuch.

Antwort: Ein Tagebuch führen heißt, von Zeit zu Zeit niederzuschreiben, was man Wichtiges getan hat, das ist alles. Ich fürchte, ihr nehmt euch nicht genügend Zeit für euer spirituelles Tagebuch. Wenn ihr euch jeden Augenblick genau beobachtet was wird dann das Gemüt tun? Das Gemüt wird euch nicht länger beeinflussen.

Frage: Soll ich alle verfügbare Zeit nutzen, um zu versuchen zu meditieren?

Antwort: Nicht versuchen, sondern tun.

Frage: Jeden Augenblick des Tages?

Antwort: Wenn du kannst. Aber du kannst es nicht einmal zwei Stunden lang. Wenn du korrekt meditierst, hast du schon in einer halben Stunde eine Erfahrung. Das ist nicht unmöglich. Das Wort unmöglich findet sich im Wörterbuch der Narren, sagte Napoleon. Nichts ist unmöglich. Als Mensch bist du mächtig. Warum schmälerst du dich selbst? Bist du nicht ein Sohn Gottes, wie alle anderen? Was ist euer Fehler? Eure Diener führen euch in die Irre. In vielen spirituellen Büchern wird das Gemüt nicht sehr geschätzt. Aber ich sage euch, befreundet euch mit ihm.

Nehmt an, in eurem Haus ist ein Dieb, ein sehr schlimmer Dieb, der kam, um all eure Bücher zu stehlen, um alles zu stehlen. Wenn ihr zu ihm sagt: ”Du bist doch ein ehrlicher und aufrichtiger Mensch. Bitte nimm dieses Geld an dich, ich werde es morgen früh wieder holen.” Glaubt ihr, er wird euch das Geld wegnehmen? Er ist ein Dieb, ein berufsmäßiger Dieb, ihr aber sagt ihm: ”Du bist ein guter Mensch, du bist ehrlich und aufrichtig, ich lasse dieses Geld bei dir.” Glaubt ihr, ihr könnt euer eigenes Geld beschützen? Schließt daher Freundschaft mit eurem Gemüt. Gebt ihm genug zu essen. Setzt euch dann hin und meditiert und sagt: “Mein lieber Freund, laß uns jetzt ein paar Minuten ruhig sein.” Versucht es auf diese Weise.

Ich erinnere mich an eine Begebenheit mit einem Mann, der auf die Straße ging und einige kleine Melonen kaufte. Er wollte eine große kaufen, nahm aber stattdessen eine oder zwei kleine und aß sie. Sie waren sehr süß. Da wollte er noch mehr haben. Er nahm nochmals eine oder zwei. Er dachte, sie sind sehr süß, und sein Gemüt wollte noch mehr. Einmal, zweimal, dreimal gab er nach, dann setzte er sich. ”Gut”, sagte er, ”jetzt iß, soviel du willst.” Er aß sich bis obenhin voll. ”Nein, iß noch mehr.”, sagte er wieder und wieder. Das ist eine sehr drastische Art, die ich euch nicht empfehle. Es gibt jedoch Beispiele dieser Art. Danach will das Gemüt nie wieder etwas. “Nimm mehr.” ”Nein, ich will nichts mehr.” Versteht ihr? Es wird nein sagen. Dann könnt ihr es leicht lenken. Ich empfehle nicht, diesen Weg zu versuchen. Ich rate euch zum anderen: Behandelt es als Freund. Wenn es euch fürchtet, wird es nie wagen, euch den Gehorsam zu verweigern. Seid Herr in eurem eigenen Haus.
Was macht der Meister, wenn ihr ihm begegnet? Er zeigt euch den Weg, wie man Herr im Hause werden kann. Und es stehen euch Diener zur Verfügung, die auf euren Wink hin arbeiten. Das sind die nach außen gerichteten Kräfte. Auf diese Weise kommt ihr mit der Kraft von Naam innen in Verbindung. Damit ist das Gemüt ein für allemal unter Kontrolle. Äußere Handlungen und Rituale beruhigen das Gemüt zwar eine Zeit-lang, doch hinterher ist es wieder voll da.

Ich erinnere mich, wie einmal ein sehr gelehrter Pandit zu unserem Meister kam. Ich war dabei. Er sprach mit ihm und sagte zum Schluß: ”Würdest du so gütig sein, mich zu initiieren?” Er wurde initiiert. Dann sagte er zum Meister: ”Meister, ich möchte nun drei Monate lang üben. Ich will alles tun, was du sagst, und dann zurückkehren.” Der Meister sagte: ”Gut, was kann man mehr wünschen?” Er kam nach sechs Monaten zurück. Glücklicherweise war ich ebenfalls anwesend, da ich den Vorzug hatte, wieder beim Meister zu sein. Er sagte: ”Meister, früher habe ich acht Stunden am Tag für die Gottesverehrung eingesetzt und mein Gemüt störte mich nie, aber jetzt kann ich nicht einmal für einen Augenblick still sitzen.” Seht ihr? Das kommt daher, weil die äußeren Handlungen dem Gemüt Nahrung geben. Man zündet die Kerze an, man bietet Blumen dar, man macht dieses und jenes. So erhält das Gemüt Nahrung. Auf dem anderen Weg jedoch findet das Gemüt den Tod. Deshalb ist dies das einzige Mittel, das Gemüt zu beherrschen. Seid freundlich zu ihm. Auf die andere Weise, die harte Weise, wird es euch nicht gelingen. Es würde sich beklagen: ”So ein Diener will ich nicht sein, warum sollte ich?” Der leichteste Weg ist, es eine Zeitlang wie einen Freund zu behandeln. Ich denke, ihr folgt dem, was ich sage? Dann macht es so. Dieser Weg ist sehr einfach. Mit der anderen Art werdet ihr keinen Erfolg haben, denn das Leben reizt euch mehr. Ihr werdet euch nicht bezwingen können. Aber ihr könnt das Gemüt als Freund behandeln und in Verbindung mit der Kraft von Naam kommen. Was sagte Christus? ”Hebe dich weg von mir, Satan!” (Matth. 4,10) Was bedeutet das? Es bedeutet: ”Warte jetzt.” So habt ihr also zwei Anweisungen erhalten. Die dritte ist, die Gemeinschaft mit den Heiligen zu pflegen, aber vollkommen, nicht nur physisch, während das Gemüt sich irgendwo herumtreibt, denn das ist keine echte Gemeinschaft mit den Heiligen. Seid völlig dabei. Kein Gedanke sollte auftauchen, während man bei ihnen ist, und ihr werdet sehen, das Gemüt bleibt eine Zeitlang ruhig. Weil der Meister seine eigene Aufmerksamkeit unter Kontrolle hat, kontrolliert er, wenn ihr in seiner Gegenwart seid, durch seine Ausstrahlung auch eure Aufmerksamkeit. Denkt mal darüber nach. Manchmal sind wir beim Meister und denken an dieses oder jenes. ”Wen sehe ich dort?” Euer Körper ist zwar da, aber ihr seid nicht da.
Noch jemand? Du, mein Freund? Kommst du gut voran?

Frage: Ja, Meister. Ich wollte wissen, ob es gut ist, das Gemüt ständig anzutreiben, und jeden Tag so viel zu meditieren, wie nur irgend möglich ist? Es immerfort nur zwingen und zwingen?

Antwort: Es zu zwingen ist in Ordnung, aber die liebevolle Art ist besser. Mein Freund, laß uns eine Weile die Freuden genießen.” Doch halte auch Disziplin. Du kannst nur richtig und genau meditieren, wenn du dich beherrschen kannst. Meditiere, wenn du frisch und heiter bist.

Frage: Wir sollen also nicht versuchen, den ganzen Tag zu sitzen?

Antwort: Wer kann den ganzen Tag sitzen? Den ganzen Tag, wieviele Stunden bedeutet das - vierundzwanzig?

Frage: Während des Tages, sagen wir zwölf?

Antwort: Wenn du zwei, drei, oder vier Stunden voll konzentriert meditierst, ist es gut. Von zwölf Stunden kannst du vielleicht drei oder vier Stunden voll konzentriert sein. Aber ich fürchte, du kannst auch das nicht. Beginne mit zwei Stunden, dann drei, dann vier Stunden, verlängere die Zeit schrittweise. Es gibt noch einen anderen Weg. Manchmal fasten wir drei Tage lang oder eine Woche. Faste drei Tage lang. Doch wie fasten? Faste im Gemüt, denke an Gott und an sonst nichts. Zeitweiliges Fasten wird dir helfen. Nach drei Tagen ist der Hunger verschwunden. Die ersten zwei oder drei Tage hast du Schwierigkeiten, dann spürst du keinen Hunger mehr. Wenn du dich der Nahrung enthalten kannst, dann übe auch das andere Fasten, das allem Äußeren entsagt und nur liebevolles Denken an Gott erlaubt. Es hilft zeitweilig. Wir sind jedoch weltliche Menschen, wie können wir all das tun? Vielleicht können wir es eine Woche lang. Alle Heiligen in der Vergangenheit übten sich darin. Christus fastete vierzig Tage, oder nicht?

Frage: Ja, in der Wüste.

Antwort: Das ist wahres Fasten. Leert euer Gemüt solange ihr hier seid, das schadet nicht. Zur Essenszeit am Morgen und Abend könnt ihr essen. Die restliche Zeit aber denkt an nichts anderes als an Gott, denkt liebevoll an Gott oder liebevoll an den Gott im Menschen. Das ist ein guter Gedanke. Zwei- oder dreimal im Monat unternehmen wir einen Ausflug. Jede Woche freuen wir uns über einen arbeitsfreien Tag. Warum sich nicht jede Woche einmal über Gott freuen, oder zwei- oder dreimal im Monat einen Ausflug zu Ihm machen? Das hilft. In der Anfangszeit ist es notwendig. Seid ihr geübt, erfreut ihr euch selbst in den geschäftigen Städten Seiner Gegenwart. Deshalb tut es, bitte, ihr seid nur dafür hier. Diese Fragen, die ihr stellt, werden ein ganzes Buch ergeben.

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