Kirpal Singh

Gespräche von Herz zu Herz

5. November 1970

Abend-Darshan/Rajpur

Meister: Wenn ihr für den Meister Liebe empfinden wollt, dann denkt voller Liebe an ihn. Das führt zu Losgelöstsein vom Gemüt und den nach außen strömenden Kräften.

Wenn ihr eine Parfümerie besucht, könnt ihr den Duft des Parfüms genießen, auch wenn ihr keines kauft. Und wenn ihr ein Fläschchen Parfüm bekommt, was wollt ihr mehr? In der Gemeinschaft der Heiligen erhaltet ihr diesen süßen Duft. Auf diese Weise entwickeln sie in euch die Liebe. Euer Blickwinkel wird von Grund auf verändert. Je mehr ihr mit dem Licht- und Tonprinzip in euch in Verbindung kommt, desto mehr werdet ihr haben. Nach den Worten des Meisters zu leben und seine Gebote zu befolgen, sind die ersten Schritte. Doch ihr müßt euch mit der Kraft des Wortes in euch verbinden. Dann werdet ihr von selbst tugendhaft. Alle guten Eigenschaften fallen euch dann zu, und alle Fehler fallen von euch ab. Ihr werdet zur Wohnstatt aller Tugenden. Doch das erfordert Aufrichtigkeit und Ergebenheit. Ihr müßt danach leben. Das alles entwickelt sich langsam, nicht an einem Tag. Wenn ihr Tag für Tag auf diese Art zu leben beginnt, dann entdeckt ihr nach gewisser Zeit eine Verbindung von Herz zu Herz.

Liebe will nichts nehmen, sie kennt nur geben, nur dienen und opfern für andere. Aber das kommt alles erst, wenn wir lieben. Gott ist Liebe, und. Liebe ist Gott. Deshalb legten alle Heiligen großen Nachdruck auf diese, Wahrheit.
Der zehnte Guru erklärte: ”Hört alle zu, ich sage euch die Wahrheit. Wer liebt, kann Gott erkennen!” Es spielt keine Rolle, welcher Religion ihr angehört. Zuballer-erst sind wir Mensch, alles andere sind nur soziale Verbände, deren Zeichen wir tragen.

Christus sagt in der Bibel: ”Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte.” (Matth. 22,37). Und das zweite Gebot lautet: ”Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.” (Matth. 22,39). Alle Meister haben die Wichtigkeit der Liebe betont. Sie sagen: ”Ohne Liebe seid ihr nichts, weder in dieser Welt noch in der jenseitigen.”

Wahre Liebe wird folgendermaßen definiert: Sie mag im Körper beginnen, geht dann aber in die Seele ein. Die Liebe hingegen, die im Körper beginnt und im Körper endet, nennt man Lust. Das ist der Unterschied zwischen den beiden. Die eine nennt man Nächstenliebe und die andere nennt man Lust. Liebe existiert also bereits. Ihr seid Liebe, und wenn ihr jemanden gerne habt, vergeßt ihr alle Zweiheit. Doch wenn ihr den Meister liebt, empfindet ihr eines Tages: ”Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.” (Gal. 2,20). Das bedeutet, ein Gurmukh zu werden, ein Sprachrohr des Meisters.

Legt ein Gramm Liebe in alles, was ihr tut, wie weltlich es auch sein mag, und ihr seid glücklich. Streit entsteht nur aus Mangel an Liebe. In der Hauptsache will Liebe nur geben, will Liebe nur dienen, will Liebe nur opfern. Wenn wir diese Lektion lernen, folgt alles andere nach.

In den Hinduschriften gibt es folgendes Gleichnis: Einst lud Vishnu Engel, Götter und andere Gäste zu einem Festmahl ein. Als jeder auf seinem Platz saß, stand Vishnu auf und sagte: ”Seht, dies alles ist für euch bestimmt. Eßt bis ihr satt seid. Es gibt jedoch eine Bedingung: Ihr dürft eure Arme nicht beugen, um das Essen zum Mund zu führen.” Die weltlich Gesinnten unter ihnen sagten: ”Wie kann ich etwas in den Mund bekommen, wenn ich meinen Arm nicht beuge?” Sie wurden ärgerlich und verließen das Festmahl. Die Gottheiten jedoch berieten sich: ”Hinter dem, was Vishnu sagt, muß etwas stecken, es muß ein Geheimnis darin liegen.” Sie dachten sehr ernsthaft darüber nach. ”O, er hat recht”, stellten sie fest, “wozu die Arme beugen, wir können uns doch gegenseitig die Speisen reichen.”

Wir beugen unsere Ellbogen, um uns selbst zu versorgen, das ist die grundlegende Schwierigkeit in dieser Welt. Was bleibt als Problem, wenn wir lernen zu geben und nochmals zu geben? Wenn wir niemanden hungern lassen, werden wir dann selbst hungrig bleiben? Wenn wir nicht zulassen, daß es jemandem an Kleidern mangelt, wird es auch uns diesbezüglich an nichts fehlen. Was ist, wenn wir jeden glücklich machen? Im allgemeinen leben wir nur für uns, das ist das Problem. Wir müssen lernen, für andere zu leben, denn dann herrscht Glück in der Welt, dann kommt das Paradies auf die Erde! All das bringt die Macht der Liebe zustande. Das Problem ist nur, wir verschließen uns in uns selbst und wollen alles alleine besitzen. Wir sind jedoch Menschen. Tiere leben für sich selbst; sie kämpfen bis aufs Blut, um andere zu beherrschen. Wir müssen lernen, für andere zu leben. Nur der wird mit Recht ein Mensch genannt, der für andere, nicht nur für sich selbst lebt.

Menschen die sich selbst lieben, gibt es in Fülle auf der Welt. Doch nur wer vor Liebe überfließt, kann wirklich ein Mensch genannt werden. Er ist dann an nichts mehr verhaftet. Aller Streit, alle Konflikte, alle Schwierigkeiten fallen von euch ab, wenn ihr für andere lebt. Das ist die wichtigste Lektion, die wichtigste Lehre der Meister.
Guru Nanak sagte: ”Friede sei in der Welt, nach Deinem Willen, o Herr!” Wer Gott liebt, der findet Ihn. Gott ist Liebe und Liebe ist Gott, und der Weg zurück zu Gott geht über die Liebe. Sie ist euch bereits angeboren. Ihr könnt sie nicht im Geschäft kaufen oder auf dem Felde anpflanzen, ist in euch. Sie wird beflügelt, wenn ihr mit jemandem in Verbindung kommt, der von Liebe zu Gott und deren Berau-schung erfüllt ist. Deshalb sollten wir jede Nacht beten: ”O Gott, schenk uns die Verbindung mit einem, der von Liebe zu Gott erfüllt ist.”

Was ist der eigentliche Zweck der äußeren Rituale? - Liebe für Gott zu entwickeln. Ich möchte wiederholen: Sie kann nicht im Geschäft gekauft werden. Sie kann nicht auf den Feldern gezüchtet werden. Sie wird von einem gegeben, der Liebe ausstrahlt, der von ihr erfüllt ist. Darum heißt es “Die Gemeinschaft mit einem Heiligen - für eine Stunde nur – bringt Ergebnisse, die ihr allein in Jahren nicht erreichen könnt.

Liebe ist also alles. Entwickelt sie, sie ist schon in euch. Legt ein Gramm Liebe in eure häuslichen Angelegenheiten~ und es wird Friede herrschen. Legt Liebe in all eure Beziehungen, die äußeren und inneren, und es wird Friede herrschen. Sät Liebe zwischen den Religionen, und es wird Friede herrschen. Sät ein Gramm Liebe zwischen den Völkern, und es wird Friede herrschen.

Wir sollten also lernen, für andere zu leben. Das allein ist die Rettung. Es entsteht nur aus der Liebe. Wer liebt, lernt zu geben, denn Liebe kennt nur Dienen und Opfern. Das bedarf keiner Schlußfolgerungen, das sind solide Tatsachen. Alle deine äußeren Angelegenheiten werden durch die Liebe verschönt, sie werden zu einer Quelle der Freude und des Friedens. Dies ist die grundlegende Lehre aller Meister, die in der Vergangenheit kamen.
Durch Ausstrahlung werden unsere Seelen angezogen, eins zu werden mit der Über-Seele. So ist Liebe das Ein und Alles. Haltet die Gemeinschaft mit den Heiligen in liebevoller Erinnerung und verbindet euch mit der zum Ausdruck kommenden Gottes-Kraft, das ist das Wichtigste.

Wenn ich jemanden liebe und seine Kinder kommen zu mir, dann werde ich diese natürlich ebenfalls lieben. Wie wäre es möglich, den Vater zu lieben, aber seine Kinder zu hassen? Deshalb nannte Christus einen der sagte, er liebe Gott, aber die Menschen nicht, einen Lügner. Wo Liebe ist, ist Friede, Glückseligkeit und Freude. Alle Schwierigkeiten entstehen aus Mangel an Liebe. Doch leider sagen die Menschen: ”Wir lieben den Meister” - aber sie lieben sich gegenseitig nicht, lieben die anderen nicht, die ebenfalls beim Meister sind. Sie sagen “liebt Gott” und kämpfen doch gegeneinander. Aber ein Bruder ist doch mit dem anderen Bruder verwandt.

Das wichtigste ist, daß ihr mit der zum Ausdruck kommenden Gotteskraft, die bereits in euch ist, in Verbindung kommt. Glücklicherweise habt ihr eine Verbindung mit Naam erhalten. Spiritualität ist nicht schwierig, aber ein wahrer Mensch zu werden ist sehr schwer. Gott ist stets auf der Suche nach einem vollendeten Menschen.
Baba Jaimal Singh verließ Beas und reiste 200 Meilen, um Baba Sawan Singh zu finden. Gab es im ganzen Punjab sonst niemanden zu initiieren? Heilige erkennen die Dinge. Ein Mensch, der auf dem Gipfel eines Berges steht, sieht, wo ein Feuer brennt. Kabir sagt: ”Ich bin innerlich so gereinigt worden, daß Gott mich sucht und ‘Kabir, Kabir, Kabir‘ ruft.” Gott sucht euch also. Er ist in uns, und dennoch gehen wir in die Irre. Wendet Ihm eure Aufmerksamkeit zu und ihr werdet mächtig von Ihm angezogen. Was ihr in der Meditation erlangt, erhaltet ihr sofort. Das ist ein Schritt nach oben. Wie begünstigt ihr doch seid - ihr habt die Verbindung, um euch täglich willentlich über den Körper zu erheben.

Liebe ist ein großer Segen. Wie ich bereits erklärt habe, ist wirkliche Liebe nicht die Liebe, die ihm physischen Körper beginnt und im physischen Körper endet. Liebe ist, was im Körper beginnt und in eure Seele eingeht. Dann vergeßt ihr alles. Wenn ihr jemanden liebt, könnt ihr in einer Versammlung von 2000 Menschen sein, aber eure ganze Aufmerksamkeit ist bei dem einen, den ihr liebt. Ihr sitzt zwischen so vielen Menschen und seid dennoch nicht unter ihnen. So leben die, die Gott lieben, in der Welt.

Unser Meister sagte uns einmal: ”Wir sollten den Meister lieben, weil der Meister Gott liebt. Er braucht eure Liebe nicht. Wir lieben ihn nur, um alle äußeren Verhaftungen zu lösen und die Aufmerksamkeit an einem Punkt zu sammeln.”

Den Meister zu lieben - Gott in ihm zu lieben - bedeutet, eure gesamte Aufmerksamkeit auf ihn zu richten. Das gibt euch einen Auftrieb. Den Meister zu lieben, was heißt das? – Vairagya, Entsagung. Wahre Entsagung bedeutet, Gott mit ganzer Aufmerksamkeit zu lieben. Dann seid ihr in der Welt, doch nicht von ihr. Das Boot ist im Wasser, aber im Boot ist kein Wasser. Das ist alles.

Warum beten wir um die Gemeinschaft mit den Heiligen? Damit wir eine ”Spritze” bekommen, könnte man sagen, damit wir durch die Ausstrahlung etwas bekommen, mit dem wir beginnen können. Und was ist erst, wenn er euch die Mittel zeigt, um in Verbindung mit der Gotteskraft zu kommen, die alle Liebe ist? Das ist der größte Segen, den ihr erhalten könnt.

Wenn ihr Liebe habt, wünscht ihr niemandem Übles. Wenn ein Kind schmutzig ist, wäscht die Mutter es liebevoll und hält es im Arm - sie tötet das Kind nicht! Haßt die Sünde, aber liebt den Sünder. Dies ist in euch allen. Wir sind alle Brüder und Schwestern in Gott.

Wenn jemand liebt, ist das ein großes Glück. Er lebt für andere, denk immer an das Wohl der anderen. Wenn nötig, würde er alles für sie opfern. Er ist sogar bereit, sein eigenes Leben zu geben. Ihr wißt, der Meister gibt euch die Verbindung mit der Gotteskraft. Er ist das fleischgewordene Wort, er gibt sein ganzes Leben für euch.
Ihr könnt Dutzende von Streichholzschachteln unter einen Ofen legen - aber werden sie so das Wasser aufheizen? Wenn ihr jedoch nur ein einziges Streichholz anzündet, wird das Feuer entfacht und das Wasser heiß. Könnt ihr dem folgen, was ich damit sagen will? Wenn ein Mensch bereits erleuchtet ist und ihr mit ihm in Verbindung kommt, dann werdet auch ihr erleuchtet, versteht ihr? Dieses Feuer ist schon in euch und es wird sich schnell entwickeln. Deshalb brauchen wir die Gemeinschaft eines Heiligen. Er ist sich stets der Gotteskraft in sich bewußt. Er unterscheidet nicht mehr zwischen sich selbst und jener Kraft. Er sagt: ”Ich bin der Menschensohn und der Sohn Gottes, der in mir ist.” Christus sagte ebenfalls: ”Wer mich sieht, der sieht den Vater.” Das ist die Wahrheit, die alle Heiligen verkünden.

Wohin führt also die Liebe letztendlich? Sie führt zur Vereinigung. Alle Zweiheit verschwindet. Aus zwei wird eins, zwei in einem. Gurmukh bedeutet, ein Sprachrohr des Meisters zu sein. ”Vater und Sohn nehmen dieselbe Gestalt an.”, wie es Guru Artjan ausdrückte. Auch Paulus sagte: ”Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.” (Gal. 2,20). Wenn ihr ganz durchdrungen seid, wißt ihr nicht, ob ihr sprecht oder euer Meister, ihr könnt es nicht unterscheiden. Das ist das letzte Ziel der Seele. Es kann selbstverständlich nicht in einem Tag entwickelt werden. Es erfordert regelmäßigen Einsatz von Zeit, ständige Erinnerung an Gott und die Verbindung mit der Gotteskraft, die schon in euch ist. Ihr müßt nichts von außen hinzufügen, alles ist schon in euch.

Der Mensch ist groß. Davon sprechen die heiligen Schriften und Bücher. Ihr werdet eine unmittelbare Verbindung bekommen, zum wahrer Ursprung von allem, von dem sie berichten. Ihr werdet Bände sprechen. Ihr werdet Bücher aus Bächen und Predigten aus Steinen lesen. Bitte entwickelt also Liebe. Wer Gott liebt, ist der größte aller Menschen. Gotteskraft ist in dem, in dem Er ist - sie ist die kontrollierende Kraft in ihm. Er liebt die Schlangen. Er liebt die Vögel. Er liebt die gesamte Schöpfung.

Liebe ist also ein großer Segen. Wir haben genug Liebe für uns selbst entwickelt. Jetzt helft einander. Lebt für andere. Lernt diese Lektion. Wir sind schon gesegnet. Alles wird verschönt werden. Liebe macht alles schön. Gott segne euch.

Weiter