Kirpal Singh

Gespräche von Herz zu Herz

27. Oktober 1970

Morgen-Darshan/Rajpur

Frage: Ich habe eine Frage zum Tagebuch. Wenn wir andere kritisieren, wenn wir sehen, daß sie etwas tun, wovon wir sagen, daß sie es nicht tun sollten, gehört das im Tagebuch in die Spalte “Gewaltlosigkeit”, oder in ...

Antwort: Gewaltlosigkeit. Sicherlich. Es gibt zwei Möglichkeiten. Wenn du bei jemandem irgendwelche Unzulänglichkeiten entdeckst, dann ist es das beste, ihm das unter vier Augen zu sagen, freundlich und liebevoll: ”Möchtest du nicht versuchen, dich zu ändern?” Verbreitest du aber nur Geschwätz, indem du wie eine verseuchte Ratte umherläufst und jedem erzählst ”er ist so oder so”, dann ist das wirklich schlecht. Stimme ihn freundlich um, liebevoll und unter vier Augen, das ist das beste. Du bist kein Oberbefehlshaber Was er auch falsch macht, er wird dafür leiden. Gib ihm einen Hinweis. Wenn er es einsieht, gut. Du kannst es ihm unter vier Augen sagen. Wenn das nicht hilft, kannst du nichts tun.

Frage: Wenn ich aber trotzdem daran denke und weiterhin sehe, was er tut?

Antwort: Ein Kind bleibt ein Kind. Wenn es sich beschmutzt, ist es die Aufgabe der Mutter, es zu waschen, und nicht, es zu töten. Nicht wahr? In allen Menschen ist Gott. Die Seele ist vom gleichen Wesen wie Gott, sie ist nur umhüllt vom Gemüt und den nach außen gehenden Kräften und sie identifiziert sich mit diesen. Trotzdem ist sie Gold. Sieh es aus diesem Blickwinkel. Liebe ihn und sage ihm persönlich: ”Mein Freund, du kannst dich doch verbessern.” Es nützt, wenn man es so sagt. Gedankenschwingungen sind sehr mächtig. Wir sind alle gleich, wir sind alle Gold. Gedanken beeinträchtigen dich. Wie du denkst, so wirst du. Wenn du immer schlecht von anderen denkst, wirst du so werden.

Frage: Er möchte wissen, wo er diese Gedanken im Tagebuch eintragen soll.

Antwort: Ich habe es ihm gesagt - unter Gewaltlosigkeit. Wenn ihr über jemanden negativ denkt, sendet ihr Gedankenschwingungen gegen ihn aus. Gedankenschwingungen sind sehr mächtig. Ihr müßt Kontrolle üben, müßt eure Gedanken beherrschen. Vergeudet nicht euer Leben und eure Kraft mit solchen Gedanken. Denkt positiv. Wenn ihr denkt, jemand sei gut und nochmals gut, dann werdet ihr gut. Wenn ihr schlecht von anderen denkt, werdet ihr schlecht. Das ist das einzige Geheimnis der Heiligen. Sie wünschen selbst jenen Gutes, von denen sie getötet werden.

Als ich zu meinem Meister kam, schlossen sich einige Männer aus dem Dorf, in dem ich lebte, zusammen und beschlossen, mich aus der Gemeinschaft auszuschließen. Sie hießen mich, zum Tempel zu kommen, und dort hielt ich eine Ansprache. Sie konnten nichts gegen mich vorbringen, und trotzdem faßten sie den Entschluß, mich auszuschließen. Es waren fünf Männer. Einer legte das Gelübde ab, mich in dieser Nacht zu töten. Mich! Ich sage euch, das ist viele Jahre her - es war 1924. Ich hatte niemandem etwas gesagt. In der Nacht kam er, aber er wagte es nicht, mich zu töten. Nach ungefähr einem Jahr kam er nach Lahore, wo ich damals lebte. Ich begegnete ihm auf der Straße und sagte: ”Komm mein Freund, komm mit mir essen.” Später sagte er zu mir: ”Lieber Freund, es gab eine Zeit, da verfolgte ich dich.”

Gedanken haben große Bedeutung. Wenn wir unsere Gedanken beherrschen, können wir alles beherrschen. Mit einem Gedanken erschuf Gott die ganze Schöpfung. Ihr seid ein Tropfen der Allbewußtheit und könnt nicht einmal eine Stadt erschaffen? Ihr seid Mikrogötter. Groß ist der Mensch. Ihr seid die Söhne Gottes. Wenn ihr einem Meister begegnet, werdet ihr zum Sohn Gottes, weil Gott im Meister wirkt. Der Meister verbindet euch nicht mit sich selbst als Menschensohn, sondern mit Gott in ihm. Dieser ist bereits in euch und der Meister vereint euch mit Ihm.

Einiges steht in den Büchern. Was ihr jedoch mündlich vermittelt bekommt, ist direkter, damit es euch klar wird. Merkt euch diesen Punkt, er ist sehr wichtig. Das Tagebuch ist sehr hilfreich, wenn ihr es genau und streng führt. Schont euch nicht, dann könnt ihr euch bereits in ein oder zwei Monaten ändern. Die Demütigen sind die Friedensstifter. Wo bleibt der Streit, wenn Demut waltet? Deshalb sagen die Heiligen: ”Friede sei in aller Welt, nach Deinem Willen, o Herr.” Dies soll nicht nur verstanden, sondern es muß auch gelebt werden. Je mehr ihr danach lebt, desto mehr werdet ihr euch ändern. Ihr werdet zu einem Heiligen. Mancher Heilige war einmal wie wir. Wer ein Ringer werden will, wird es nicht über Nacht. Er arbeitet lange Zeit Tag und Nacht dafür. Wenn er sein Training aufnimmt, schmerzen seine Muskeln, aber wenn er weiter übt, werden seine Muskeln stark. Das ist notwendig. Ihr seid im Werden. Nutzt es soweit wie möglich. Ihr müßt euch ändern. Ich möchte, daß ihr Botschafter des Lichts werdet. Christus sagt, was ihr im Verborgenen erfahren habt, sollt ihr von den Dächern rufen. Die Worte eines Menschen, der danach lebt, dringen in die Herzen anderer. Die Worte von jemandem, der nicht danach lebt, sind wirkungslos. Der Pfeil geht ins Ziel, wenn der Bogen bis zur Brust gespannt wird. Aber was geschieht, wenn man ihn baumeln läßt? Worte, die aus dem Herzen kommen, gehen zum Herzen.
Von Mahatma Gandhi wird erzählt, daß einmal eine Frau mit ihrem Kind zu ihm kam und sagte: ”Mein Kind ißt zu viel Zucker.” Gandhi sagte: ”Gut, komme morgen wieder.” Als sie am nächsten Tag wieder kamen, sagte er: ”Gut, mein Kind, iß keinen Zucker.” Erstaunt fragte die Frau: ”Aber Gandhi, wenn du nur das zu sagen hast, warum hast du das nicht schon gestern gesagt?” Er entgegnete: ”Weil ich gestern ebenfalls Zucker gegessen habe!” Wie können unsere Worte andere beeinflussen, wenn wir nicht selbst nach ihnen leben?
Hört, versteht und lebt es. Lebt es! Wenn ihr es nicht tut, was hat es für einen Wert? Das Tagebuch ist ausschließlich dafür gedacht. Die Menschen beichten ihren Priestern jede Woche oder jeden Monat. Das Tagebuch ist ein Bekenntnis in jedem Augenblick, ihr seht eure Fehler und bessert euch: ”0 Gott, ich habe unrecht ... ich habe falsch gehandelt.” Bekennen ist wie Waschen. Wenn ihr bereut, gut. Es ist geschehen, aber seid vorsichtig! Unser Meister sagte oft: ”Das Gift, das du genommen hast, kann weggewaschen werden. Doch höre auf, weiterhin Gift zu nehmen! Kein Gift mehr.”

Das ist der Grund, warum unsere Meditationen sich manchmal bessern, manchmal nachlassen, manchmal vorankommen und manchmal wieder schlechter werden. Das Tagebuch ist von sehr großer Hilfe. Es ist ein Jammer, daß wir es meist nicht führen. Wir schonen uns, doch Gott in euch weiß es. Wie könnt ihr Ihn täuschen?
Ich möchte jeden in meiner Nähe haben, nicht fern von mir. Ich möchte mich nicht von euch trennen, wie könnte ich? Ihr seid zu mir gekommen, ihr seid mir so teuer. Ich glaube, ihr wißt nicht, wie teuer ihr mir seid. Herz geht zum Herzen. Seid fröhlich heute!

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