Kirpal Singh

Gespräche von Herz zu Herz

14. Dezember 1970

Morgen-Darshan/Rajpur

Meister: Christus sagt: ”Gesegnet sind die Sanftmütigen.” Sie sind die Friedensbringer. Demut kann nicht durch rein intellektuelles Ringen entstehen. Sie entsteht nur, wenn man erkennt, daß eine höhere Kraft am Werk ist und daß man selbst nur eine Marionette in Seinen Händen ist. Erst dann zeigt sich wahre Demut, vorher nicht. Das kleine Ego ist teuflisch. Es reißt jeden mit sich, auf welchem Gebiet man auch immer beschäftigt sein mag. Selbst Prediger meinen: ”Wo gibt es jemanden wie mich? Ich bin der bedeutendste Prediger. Ich bin alles. Alles liegt in meiner Hand. Ich kann erschaffen und vernichten.” Demut kann nur entstehen, wenn wir mit der zum Ausdruck kommenden Gotteskraft die in uns ist, in Verbindung kommen. Das ist alles. Durch rein intellektuelle Anstrengungen können wir zwar für einige Zeit etwas erreichen, aber nicht auf Dauer. Das ist die Schwierigkeit, die hinter allem liegt. Wenn alle zu Dienern werden, ist es gut, doch wir sind gerne der Boß, und dadurch entsteht das ganze Problem.

Wer in der Welt verhaftet ist, kann den Körper nicht verlassen. ”Ich habe dies und jenes zu tun. Ich habe diese Aufgabe. Wer kümmert sich um diese Menschen? Wer kümmert sich um meinen Besitz?” Der Körper wird beim Tod verlassen, ganz zu schweigen von den äußeren Dingen. Unsere Sicht wird nicht klar, solange wir uns nicht über das Körperbewußtsein erheben. Dann erst seht ihr die Dinge im richtigen Blickwinkel. Wo bleibt die Welt, wenn wir sie verlassen? Die ganze materielle Welt ist dann verschwunden.

Darum sagte Christus: ”Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes komme.” (Matth. 19,24). Er ist an seine weltlichen Verhaftungen gebunden. Die Lehren der Meister packen das ganze Problem bei der Wurzel. Wenn ihr euch über das Körperbewußtsein erhebt, löst sich das physische Ego auf, doch das astrale und kausale Ego bestehen weiter. Völlige Demut entsteht nur, wenn ihr euch über die drei Ebenen erhebt, vorher nicht. Anfänglich entwickelt ihr ein wenig Demut. Selbst wer die Astralebene erreicht, kann noch nicht wirklich friedvoll sein.

Wir kämpfen um Äußeres, um Frauen und Gold - das kann man in zwei Worten ausdrücken. Zum Zeitpunkt des Todes jedoch lassen wir alles zurück, selbst den Körper Deshalb müssen wir uns durch echte Praxis selbst kennenlernen. Je weiter ihr euch willentlich - und das ist dabei notwendig - über das Körperbewußtsein erhebt, desto mehr verändert sich euer Blickfeld. In einem Flugzeug erscheinen sehr hohe Berge wie kleine Hügel. Der Suez-Kanal war ein sogenannter Zankapfel. Als wir ihn während meiner ersten Weltreise überflogen, hieß es: ”Dort unten ist der Suez-Kanal.” Ich konnte einen winzigen Wasserlauf erkennen, ein Rinnsal. Solche Größe zählt also in Wirklichkeit sehr wenig.

Durch Gottes Gnade sind wir auf den Weg gestellt und erhalten Führung. Dies wird den Baum ganz unten am Stamm, tief an den Wurzeln, fällen. Wir sind in der Welt: (”world”) nimmt man das ”l” im Englischen heraus, bleibt nur noch ”word” (Wort), das ist alles.

Als ich noch zur Schule ging, hatten wir ein geometrisches Problem. Der Lehrer kam in die Klasse und sagte: ”Letztes Jahr konnten wir dieses geometrische Problem nicht lösen.” Er wandte sich an mich und ein oder zwei andere Mitschüler. ”Wir wollen am Montag versuchen, es zu lösen. Morgen ist Sonntag. Versucht eine Lösung zu finden.” Am nächsten Tag morgens machte ich mich an die Arbeit. Zunächst löste ich das Problem sehr umständlich. Dann fand ich einen kürzeren Weg. Am Montag waren wir wieder in der Schule. Der Lehrer fragte: ”Nun, seid ihr zu einem Ergebnis gekommen, habt ihr das Problem gelöst?” Ich antwortete: ”Ja, ich habe es gelöst, auf zwei Wegen.” Es wurde an der Tafel gezeigt. Ein Lehrer hat natürlich solche Schüler gern.
Ich war einer der Geringsten, die zu Füßen unseres Meisters saßen. Doch in seiner Gnade liebte er mich. Auch ihr seid mir lieb und teuer, ihr alle seid mir teuer. Glaubt nicht, ihr wäret es nicht. Aber teurer noch ist mir, wer vorankommt und nach den Geboten lebt. Das könnt ihr nur erreichen, wenn ihr ein rechtschaffenes Leben führt und spirituellen Fortschritt erzielt. Vielleicht wißt ihr gar nicht, wie sehr ich euch liebe. Ich glaube nicht, daß ihr es auf dieser Ebene erkennt. Ein Kind weiß nicht wie sehr seine Mutter es liebt.

Seid versichert, daß ich euch liebe, besonders euch, die ihr schon zu Füßen meines Meisters wart. Hier ist auch einer, der zu Füßen eines Meisters saß. Die Verwandtschaft zwischen Brüdern und Schwestern in Gott kann nicht zerbrochen werden - es ist eine Verwandtschaft, die auch nach dem Tod nicht zerbrechen kann.

Denkt an seine Gebote. Wenn ihr den Meister liebt, dann haltet seine Gebote. Wenn ich euch alle liebe, was erwarte ich dann von euch? – Euren Fortschritt. Ein Same, der gesät wurde, kann zu einem Baum heranwachsen und reichlich Früchte tragen. Das wünsche ich euch. Ich wünsche euch, weiter voranzukommen als ich. Habt Mut, verliert ihn nicht, macht weiter. Hilfe kommt bei jedem Schritt, ohne daß ihr darum bittet. Die Kraft, die in euch allen ist, wird euch helfen. Durch die Gnade meines Meisters habe ich ein wenig Zutritt erhalten, das ist alles, was ich sagen kann.

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