Kirpal Singh

Gespräche von Herz zu Herz

23. Dezember 1970

Morgen-Darshan/Rajpur

Frage: Meister, wenn ich auf dem Kopf stehe und einen Kopfstand mache, wird der Tonstrom ganz laut. Wie kommt das?

Antwort: Was meinst du?

Frage: Die Füße nach oben und den Kopf nach unten.

Antwort: Der Ton ist da, das spielt keine Rolle.

Frage: Wenn ich das mache, scheint er wirklich laut zu werden.

Antwort: Wohin du deine gesamte Aufmerksamkeit lenkst, dorthin gehst du natürlich. Du hörst ihn in jeder Haltung, wenn deine gesamte Aufmerksamkeit gesammelt ist. Wenn du dich hinunterbückst und sich dann deine ganze Aufmerksamkeit am dritten Auge sammelt, ist die Folge, daß du umfällst, sobald du dich zurückgezogen hast. (Alles lacht). Mach es also umgekehrt. Setz dich aufrecht hin, dann fällst du nicht um, auch wenn du dich zurückziehst. Du fällst in die Richtung, in die du dich neigst. Was ist der Körper? Er ist wie Erde, wie Stein. Was ist er, wenn du dich zurückziehst? Er ist nur ein Klumpen Erde.

Frage: Wenn ich manchmal am Morgen zu schnell auf stehe, steigt mir das Blut in den Kopf und ich werde schwindlig, in letzter Zeit ist es nicht vorgekommen, aber manchmal, wenn ich vom Sitzen zu schnell aufstehe, wird mir schwindlig.

Antwort: Wenn die Seele zurückgezogen ist, kannst du nicht stehen. Du bist dort oben und solange du nicht in den Körper herunterkommst, hast du dich nicht in der Gewalt. Der Sitz der Seele ist hinter und zwischen den Augen. Von dort aus wirkt sie im ganzen Körper Wenn du die Meditation beendest, steh nicht plötzlich auf, sondern erhebe dich langsam. Dann arbeitet der Seelenstrom, der sensorische Strom im Körper. Wenn du zurückgezogen bist, ist der Körper träge. Stehst du plötzlich auf, kann es geschehen, daß die Seele nicht im physischen Körper ist und du nicht weißt, was du tust. Das ist falsch. Sollte das geschehen, dann setz dich wieder zur Meditation und denke an Gott. Komm langsam zurück, nicht plötzlich. Das ist das einzige Gegenmittel. Dies sind praktische Schwierigkeiten. Wenn also jemand etwas von dir will, während du meditierst, sollte er dich langsam wieder zurückkommen lassen und du solltest auch darauf achten, nicht plötzlich auf zuhören. Der Seelen-ostrom muß schließlich durch den Körper wirken. Der Prana-Strom funktioniert weiter, er wird nicht beeinträchtigt. Er wird langsamer, stetig und rhythmisch. Der Seelenstrom aber, der sensorische Strom, zieht sich zurück. Das solltet ihr beachten. Wenn das also geschieht, steht niemals plötzlich auf, merkt euch das. Wenn ihr aufsteht, dann langsam, fühlt eure Arme.

Frage: Meister, in diesem Fall war es nicht so. Ich meditierte gar nicht. Es ist wie manchmal in der Badewanne: Wenn mein Körper sehr erhitzt ist und ich dann aufstehe, weicht das Blut aus meinem Kopf. Und ich wollte sagen, wenn das geschieht, höre ich den Tonstrom. Das geschieht manchmal ...

Antwort: Steh langsam auf. Warum plötzlich? Das Haus brennt nicht. Wenn du deine Hülle verläßt, fühlst du dich natürlich unbehaglich.

Frage: Trotzdem, wenn das geschieht, höre ich den Tonstrom sehr laut.

Antwort: Wieder dasselbe! Ich habe euch das doch gerade erklärt. Wenn du konzentriert bist, sollte deine Aufmerksamkeit hier sein, ob im Liegen, im Sitzen, beim Bücken oder wenn du dich zurücklehnst. Das spielt keine Rolle. Du magst kopfüber sitzen, selbst dann wirst du den Ton hören. Das kommt daher, weil ihr immer denkt, ihr seid der Körper. Denkt überhaupt nicht an den Körper, dann werdet ihr keine solchen Empfindungen haben, versteht ihr? Es sind praktische Schwierigkeiten, die auftreten, deshalb ist auch eine Anleitung nötig - es sei denn, ihr habt selbst Erfahrung darin. In den meisten Büchern findet ihr auf solche Fragen keine Antwort. In gewisser Weise ist die Antwort jedoch da. Die Sache ist nur, wir richten uns nicht danach. Versteht erst, dann richtet euch danach.

Was macht also der Meister? Hört jetzt gut zu. Ihr wißt, wir sind es, die den nach außen gehenden Kräften die Macht geben, damit sie wirken können. Sind wir nicht da, dann wirken sie auch nicht. Wenn ihr euch völlig zurückzieht und am Augenzentrum konzentriert seid, werden euch die nach außen gehenden Kräfte nicht stören. Ebenso werden die äußeren Dinge eure nach außen gehenden Kräfte nicht anziehen. Ihr wißt, daß der gesamte Organismus nur durch uns arbeitet. Verlaßt ihr den Körper, ist er wie eine tote Maschine und liegt bewegungslos da. Was macht also der Meister? Zuerst gibt er euch Gelegenheit, euren eigenen Körper zu kontrollieren. Wie macht er das? Er gibt euch einen Auftrieb, eine Erfahrung, einen Beweis von dort oben. Ich gebe euch etwas, woran ihr euch halten könnt. Wem ihr völlig darin aufgeht, bleibt die ganze Maschinerie stehen.

Guru Arjan wurde gefragt: ”Was hat der Meister für dich getan?” Er sagte: ”Er hat mich zum Herrn über meinen Körper gemacht, ich bin der König meines Körpers.” ”Wie-viele Diener hast du bekommen?” ”Fünf physische, nach außen gehende Kräfte, und fünf innere Kräfte, die durch die äußeren wirken.”

Ihr habt also zehn Diener bekommen. Doch sie laufen Amok und revoltieren. Sie schleifen euch überall hin, wohin sie wollen. Wenn ihr euch jedoch hier konzentriert, arbeiten die nach außen gehenden Kräfte nicht. Die erste Lektion, die er uns aufgibt, ist, zu lernen, das zu tun. Jetzt ziehen uns die nach außen gehenden Kräfte, während diese wiederum von den äußeren Freuden gezogen und beherrscht werden. Die nach außen gehenden Kräfte beherrschen das Gemüt und das Gemüt beherrscht den Intellekt, und die arme Seele wird umhergeschleift, vergleichbar einer Kutsche, die von vielen Pferden gezogen wird. Der Kutscher lenkt die Pferde mit den Zügeln, und der Mensch, der in der Kutsche sitzt, wird von den Pferden gezogen. Ähnlich ist es hier. Wir sind in der Kutsche des Körpers. Die nach außen gehenden Kräfte sind die Pferde, von denen jedes seine eigenen Wege geht. Diese Kräfte beherrschen das Gemüt. Wenn ihr euch konzentriert, bekommt sogar das Gemüt von euch die Kraft. So ist das mit euch von Anfang an.

Das Gemüt ist materiell. Es wird euch immer nach unten ziehen. Aber wenn ihr euch vollkommen von außen abkehrt, sehnt ihr euch natürlich nach Gott, denn gleiches zieht gleiches an. Heute gibt es Flugzeuge, früher gab es Wasserstoffballons. Sie waren mit Wasserstoffgas gefüllt und wurden mit Seilen an der Erdoberfläche festgebunden. Wurden diese Seile gekappt, stieg der Ballon auf. Mit euch ist es ähnlich. Wenn ihr euch von all den nach außen gehenden Kräften abwendet, wird sich die Seele natürlicherweise der Überseele zuwenden. Es ist nur natürlich, ein echtes Verlangen zu haben, eine echte, angeborene Sehnsucht, uns unserer eigentlichen Natur zuzuwenden, dem Ursprung, Gott.

Buße zu tun oder andere Methoden anzuwenden, ist wie eine Frau, die heiraten will und ständig neuen Schmuck anprobiert. Es ist nur äußerlich. Welche Methode man auch nimmt, ob man singt oder verschiedene Rituale durchführt, sie dient nur dazu, sich auf die Begegnung mit Gott vorzubereiten. Ist man jedoch nicht Herr seiner selbst, kann man sich auch nicht weiterentwickeln - man wird hin und her gezerrt. Das erste ist also, sich zurückzuziehen. Es ist die aller erste Lektion, die euch aufgegeben wird und zudem etwas, woran ihr euch innerlich halten könnt. Und an wen werdet ihr euch halten? An Gott, dessen äußerer Ausdruck Licht und Ton sind. Das ist eine natürliche Wissenschaft. Wenn ihr mich versteht, dann lebt danach. Ihr werdet wie ich werden. Hier beginnt das ABC. Jetzt könnt ihr euch noch nicht völlig zurückziehen, denn ihr werdet von den äußeren Dingen abgelenkt. Was ist naturgemäß das Ergebnis, wenn ihr euch mehr Zeit nehmt und innen in Licht und Ton aufgeht? Ihr findet dort Glückseligkeit. Jetzt erlaubt euch das Gemüt nicht, nach innen zu gehen. Wenn es aber einmal diese Glückseligkeit gekostet hat, wird es nie wieder nach außen kommen wollen! Deshalb sage ich euch, setzt mehr Zeit ein. In wenigen Monaten müßtet ihr diese Glückseligkeit erlangen. Von da ab versucht ihr natürlich ständig nach innen zu gehen. Ja?

Frage: Meister, wir haben Wünsche, wir alle haben Wünsche. Sie sind von Mensch zu Mensch verschieden. Ist es nötig, die Wünsche auszuleben, sie zu erfüllen, oder können wir durch meditieren ...

Antwort: Welche Wünsche? Fleischliche Wünsche sollten gemieden werden. Wie kannst du dich sonst beherrschen? Äußeres Geben und Nehmen als Rückwirkung der Vergangenheit ist etwas anderes. Wünsche - willst du trinken, oder was? Du willst Wein trinken?

Frage: Nein.

Antwort: Was dann? Sei wunschlos, alle Meister sagen das. Buddha sagt, sei wunschlos. Die Wünsche sind es, die dich nach außen ziehen.

Frage: Einige Male habe ich gelesen, wir könnten diese Welt nicht verlassen, bevor sich nicht alle unsere Wünsche erfüllt haben.

Antwort: Nicht die Wünsche, sondern die Rückwirkungen aus der Vergangenheit. Säe niemals neue Saaten, die wieder geerntet werden müssen. Das Geben und Nehmen, das aus der Vergangenheit herrührt, sollte abgewickelt werden. Wünsche spielen ein teuflisches Spiel. Wenn ein Metzger den Wunsch hat, Tiere zu töten, meinst du, das ist richtig? Ihr seid bewußte Wesen, ihr seid Menschen, nicht Tiere. Ihr müßt euch selbst erkennen und das letztendliche Ziel ist, das Überselbst zu erkennen. Ihr müßt alles lassen, was euch an das Äußere bindet. Geben und nehmen muß ausgeglichen werden, das ist etwas anderes. Aber Wünsche, fleischliche Begierden - nehmen wir z.B. die fleischlichen Begierden oder die außeren Wünsche - binden euch an die äußere Welt. Ihr müßt mit ihnen maßvoll umgehen, damit sie euch auf eurer Reise zurück zu Gott nicht im Weg stehen.

Frage: Können sie durch Meditation weggewaschen werden?

Antwort: Ich habe gerade gesagt, werdet Herr über eure nach außen gehenden Kräfte. Dafür habt ihr einen Beweis erhalten. Macht weiter damit, und äußere Dinge werden euch nicht beeinflussen. Ihr werdet wie in einem klimatisierten Raum leben. Das ist die erste Lektion, die gelernt werden muß. Es ist die wichtigste Lektion, die von allen Meistern am allerersten Tag gegeben wird, wenn sie euch demonstrieren, wie man sich über den Körper erheben kann. Wir wissen das wertvolle Gut, das wir bekommen haben, nicht zu schätzen. Das Gemüt ist materiell, es wird euch. stets zum Materiellen hin ziehen. Die Seele ist nicht materiell, sie ist bewußt. Sie geht in die Allbewußtheit ein, wein sie völlig von außen abgeschnitten ist. Letztlich läuft alles darauf hinaus. Könnt ihr euch selbst erkennen? Manchmal habt ihr ein Tief, dann zieht es euch nach außen und ihr seid nicht Herr eures eigenen Körpers. Es sind nur die weltlichen Wünsche, die euch nach unten ziehen. Wenn ihr so weitermacht, werdet ihr beim Tod den Körper hilflos verlassen und niemand wird sich um euch kümmern. Dann müßt ihr zurückkommen. Die Initiierten haben ein Zugeständnis. Welches? Wißt ihr welches?

Frage: Sie werden nicht tiefer zurückgehen als in den menschlichen Körper.

Antwort: Ja, ja. Warum?

Frage: Weil die Saat in ihnen ist und der einzige Weg, auf dem die Saat Frucht bringen kann ...

Antwort: Das ist richtig. Wenn er den Meister liebt, der Meister seine vorherrschende Leidenschaft ist, dann ...

Frage: ... dann wird er nicht zurückkommen mussen.

Antwort: Er wird dorthin gehen, wohin der Meister geht. Wenn der Meister nicht zurückkehren muß, wie könntet ihr zurückkehren? Das ist es, was ich euch sagen will. Grübelt nicht über Bücher nach. Lest und versteht, doch intellektuelles Verständnis wird euch auch nicht helfen, solange ihr nicht danach lebt. Ihr sitzt in Meditation, gut, die Welt ist ausgeschaltet. Wenn ihr zurückkommt, taucht die Welt wieder auf. Ihr erschafft also die Welt. - Ja?

Frage: Meister, wenn jemand ...

Antwort: Ich wünschte, eure ‘Wenn‘ und ‘Aber‘ würden ein Ende finden! Aber sie werden es erst, wenn ihr nach dem lebt, was euch gesagt wurde. Gut, fahre fort.

Frage: Wenn ein Mensch im Elend lebt oder den ganzen Tag hungert und immerzu nur daran denken kann, woher er sein nächstes Essen bekommt, ist es da für ihn nicht schwieriger, ein Verlangen nach Gott zu empfinden, weil all sein Trachten dem Essen gilt und ...

Antwort: Ihr müßt euren eigenen Lebensunterhalt verdienen. Steht auf eigenen Beinen. Seid nicht von anderen abhängig. Es ist besser zu sterben, als abhängig zu sein. Verdient euren Unterhalt im Schweiße eures Angesichts und teilt mit anderen.

Frage: Wäre es für einen solchen Menschen nicht schwierig, spirituell voranzukommen, weil all sein Verlangen auf Essen und Obdach ausgerichtet ist?

Antwort: Ihr könnt zu einer Zeit nur einen Wunsch haben. Entweder habt ihr ein fleischliches oder ein spirituelles Verlangen. Könnt ihr nicht zwischen den beiden unterscheiden? Der eine ist ein edler Wunsch, der andere wird euch unten halten. Verdaut also, was gesagt worden ist, begreift es. Wenn ihr es begreift, dann lebt danach.
Was ich jetzt hier sage, steht in Büchern nie so klar, weil die Aufladung und die Worte, die aus dem Herzen kommen, zum Herzen gehen. Wenn der Bogen bis an die Brust gespannt wird, trifft der Pfeil ins Ziel. Wird er nicht stark genug gespannt, fällt der Pfeil herunter. Kommen die Worte aus dem Herzen, dann gehen sie zum Herzen der Menschen. Das ist der springende Punkt.

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