Kirpal Singh

Gespräche von Herz zu Herz 

14. September 1970

Abend-Darshan/Rajpur

Frage: Gestern Abend bezogst du dich auf den Satz: ”Ruft eure Botschaft von den Dächern.”

Antwort: Nicht ich, sondern Christus hat das gesagt.

Frage: Ja, ich weiß, aber du hast dich mit eingeschlossen.

Antwort: Es ist eure Pflicht, den Menschen im Westen die Wahrheit zu sagen, die ihr erkannt habt.

Frage: Es interessiert mich, ob du Vorschläge hast, wie wir das am besten verwirklichen können.

Antwort: Ich glaube, ihr könnt das besser beurteilen.

Frage: Was hältst du davon, die Kunst dabei mit einzubeziehen? Ich meine, nicht nur in Zeitungen, über Radio und Fernsehen. Wie steht es mit Novellen, Theaterstücken, mit Poesie oder Musik? Kann man sie dafür hernehmen?

Antwort: Das sind unterschiedliche Aspekte: Musik und Poesie. Das Fernsehen ist ein sehr gutes Medium zur Information vieler Menschen. Als ich in Amerika war, kam ich mit anderen ins Fernsehen. Die Sendung wurde dann noch von anderen Programmen übernommen. Uns wurden Fragen gestellt und wir antworteten an Ort und Stelle. Jemand interviewte mich sogar per Telefon von einem anderen Studio aus. Er wurde initiiert. Er wollte die Initiation sofort. Mein Standpunkt ist: Wenn du etwas als richtig erkennst und keine Zweifel hast, dann ist es deine Pflicht, das auch anderen mitzuteilen. Du magst sagen: ”Mein Freund, du hast dich physisch und intellektuell entwickelt, doch da wir auch Geist sind, solltest du auch spirituell etwas tun.” Wenn er so einen Hinweis erhält, weckt dieser vielleicht sein Interesse, wenn nicht, dann bleib still. Ist sein Interesse geweckt, wird er von selbst mehr wissen wollen.

Frage: Viele junge Menschen, die Satsangis werden, fragen sich, welchen Beruf sie ergreifen sollen. Du bestehst darauf, daß der Mensch arbeitet, um sich zu ernähren. Ist es empfehlenswert, sich auf dem Gebiet der Kunst umzusehen Stücke zu schreiben, die spirituellen Auftrieb geben, wie z.B. Novellen oder Kurzgeschichten?

Antwort: Sicher, das ist in Ordnung. Ein Mensch muß auf eigenen Füßen stehen und mit ehrlichen Mitteln Geld verdienen. Er kann Geschichten über ein spirituelles Thema schreiben. Wenn Dichter und Schriftsteller in Stimmung sind, werden sie inspiriert. Sie können nicht willentlich schreiben. Sie beginnen vielleicht um Mitternacht, die Inspiration kommt unmittelbar. Manchmal ist ihnen selbst nicht be-wußt, was sie schreiben. Es kommt aus dem Innern und sie bringen es zu Papier.

Frage: Das trifft auf alle großen Schriftsteller zu, nehme ich an. Wird ihnen von oben diktiert?

Antwort: Ja, darum heißt es auch: “Dichter sind halbe Heilige.” Ihr habt vielleicht einiges von Tennyson gelesen. Er sagt selbst über seine Konzentration: ”Wenn ich ganz allein war, hatte ich von Kindheit an gelegentlich. eine Art Wach-Trance. Im allgemeinen kam dies über mich, wenn ich zwei- oder dreimal still meinen eigenen Namen wiederholte. Dann plötzlich, aus der Intensität des individuellen Bewußtseins heraus, schien sich die Individualität selbst aufzulösen und in einem grenzenlosen Sein aufzugehen. Das ist aber kein verwirrter Zustand, sondern das Klarste vom Klaren, das Sicherste vom Sicheren, das Weiseste vom Weisen, nicht mit Worten zu erklären. Der Tod ist eine lächerliche Unmöglichkeit, der Verlust der Persönlichkeit, wenn überhaupt, anscheinend das einzig wahre Leben. Ich bin beschämt über meine schwache Beschreibung. Habe ich nicht gesagt, daß der Zustand nicht mit Worten aus-gedrückt werden kann?” Dieser Zustand wurde also durch Wiederholung erreicht, Wiederholung des eigenen Namens. Der eigene Name ist begrenzt, aber Gottes Name ist unbegrenzt. Tennyson war ein geborener Dichter. Seinem Vater war es allerdings nicht recht, daß er Dichter war.

Frage: Gibt es eine Basis, um die Künste unter den Satsangis wiederzubeleben? Gibt es genügend Talent?
Antwort: Was meinst du mit ”Künsten”? ”Künste” ist ein sehr weiter Begriff.

Frage: Ich weiß. Ich meine in erster Linie die Kunst des Schreibens.

Antwort: Das kommt von selbst. Ich habe darin Erfahrung. Nimm den Gurmat Sidhant - die Philosophie der Meister - das zweibändige Werk, das ich schrieb. Ein Band umfaßt 900, der andere 1100 Seiten. Etwa um acht oder neun Uhr abends begann ich normalerweise zu schreiben. Eines Tages beobachtete mich ein Schriftsteller dabei. ”Woher kommt das, was du schreibst, und so schnell?” Um Mitternacht sagte er: ”Du schreibst so schnell, du schreibst nichts ab. Wie schreibst du nur?” Ich antwortete: ”Es diktiert mir jemand, ich kann ihm kaum folgen.”

Frage: Hast du es in Urdu geschrieben?

Antwort: In Punjabi. Ich habe auf diese Weise auch Bücher in Englisch geschrieben, unter dem Schatten dieses Baumes hier. Damals gab es hier noch Sitzgelegenheiten.

Frage: Diktierte Baba Sawan Singh es dir?

Antwort: Es war Intuition, das läuft auf dasselbe hinaus.

Frage: Natürlich, du hast das Buch ja unter seinem Namen veröffentlicht.

Antwort: Ihm ist alles zu verdanken. Wie könnte man da undankbar sein? Ich widmete meine Bücher ”Gott und allen, in denen Er sich offenbart und Baba Sawan Singh, zu dessen Füßen ich die Wahrheit aufgenommen habe.” Undankbarkeit ist das schlimmste Verbrechen in der Welt.

Frage: Du meinst also, daß die Künste, wenn sie sich manifestieren, das durch alle möglichen verschiedenen Menschen tun, nicht bloß durch Satsangis, sondern durch viele andere auch. Daher sollten wir auf sie im Satsang vielleicht nicht so großen Wert legen, wenn wir deine Botschaft verkünden.

Antwort: Ich verstehe nicht, was du meinst. Meinst du, wer noch nicht initiiert ist, sollte nicht auf diese Wissenschaft hin angesprochen werden? Meinst du das?

Frage: Ich frage mich, ob es möglich ist, die Satsangis anzuregen, eine Novelle, ein Schauspiel oder Ähnliches zu schreiben, um den Sachverhalt zu vermitteln, den du in Prosa dargelegt hast.

Antwort: Faßt es zuerst in allgemeine Begriffe. ”Wir sind physisch fortgeschritten, intellektuell fortgeschritten, aber wie weit sind wir spirituell entwickelt? Der Mensch ist nur vollendet, wenn er sich ganzheitlich entwickelt, sonst ist er nur ein halber Mensch.” Stößt das auf Interesse, wird der Betreffende weitere Fragen stellen. Wenn nicht, wirft man nur Perlen vor die Säue. Dann ist es besser, zu schweigen. Fühlt euren Gesprächspartnern auf den Zahn oder sagt etwas sehr bestimmt. Wenn ich eine Ansprache halte, spreche ich ausschließlich in der dritten Person. Meine Reden werden nie in der ersten Person gehalten. Wer sucht und begreift, der kommt. Wer bereit ist, kommt, die anderen nicht.

Frage: Was ich eigentlich wissen wollte, ist, ob die Botschaft vor Millionen und Millionen von Menschen dargelegt oder nur begrenzt bekannt gemacht werden sollte.

Antwort: Ich denke, die Antwort gab schon Christus. Der Bauer sät seine Saat - manches fällt auf steinigen Boden, manches auf die Erde, aber einiges fällt auf gut vorbereiteten Boden. Es liegt an dir, das richtig zu erklären. Vielleicht sind manche bereit. Es ist richtig, darüber zu sprechen, aber nur die werden es annehmen, die dafür bereit sind.

Frage: Dann würdest du also eine möglichst breite Veröffentlichung empfehlen, in der Hoffnung, daß jemand es sehen möge, jemand es hören möge ...

Antwort: Wer Augen hat, der sieht. Wer Ohren hat, der hört. Das ist nicht bei jedem der Fall. Gemeint ist: “Ruft es von den Dächern.” Das ist die Botschaft der Befreiung. Es wird nur der zu euch kommen, den Gott euch sendet. Die auf dem Weg sind, sind bereit. Man muß nicht übertreiben. Die Tatsachen sollten genannt werden. Nur wer Ohren hat, nur wer bereit ist, wird kommen. Manche Menschen suchen, aber nicht alle, und nur die ersteren brauchen einen Hinweis. Das ist alles.

Frage: Sollten wir Anzeigen in Zeitungen setzen? Sollten wir Sendungen im Radio und Fernsehen bringen?

Antwort: Ich denke, das kann nicht schaden. Man muß dabei auf richtig bleiben und darf nicht übertreiben und lügen. Manchmal wird viel gesagt, einfach nur, um den Namen des Meisters zu verbreiten. So bitte nicht. Menschen, die bereit sind, kommen von selbst. Wie in der Vergangenheit gibt es auch heute Hoffnung für sie. Wer sich angesprochen fühlt, mag kommen und eine Verbindung erhalten.

Frage: Es ist also am besten, nicht zu ermahnen oder zu bekehren, sondern es einfach nur bekanntzumachen.

Antwort: Bekanntmachung ohne Übertreibung, nur die Tatsachen. Ihr könnt z.B. zum Thema Spiritualität Artikel in die Zeitungen setzen. Der allgemeine Aspekt der Spiritualität kann natürlich mit eingeschlossen sein. Es gibt Zeitschriften, die Aufsätze zu diesem Thema veröffentlichen. Ihre Herausgeber sind den betreffenden Leuten im Westen bekannt. Ob sie dafür bezahlt werden, weiß ich nicht. Die Mehrheit bezahlt sie. Es ist nicht erforderlich dafür zu bezahlen, denke ich.

Frage: Mit anderen Worten, du würdest weniger Anzeigen empfehlen, und stattdessen mehr Artikel veröffentlichen?
Antwort: Nein, ich meine nur, laßt einige Tatsachen, die euch glücklicherweise bekannt sind, auch anderen Suchern zukommen. Das ist alles. Reine Tatsachen. Manche Anzeigen sind sehr lang, übertrieben und irreführend.

Frage: Bist du der Meinung, daß Anzeigen in Zeitungen, die die Tatsachen nennen, für alle Satsangs besonders wichtig sind?

Antwort: Wenn du etwas Wertvolles bekommen hast, möchtest du es natürlich anderen gerne weitergeben. Die meisten Menschen sind jedoch an einer Idee nur dann interessiert, wenn übertriebene Aussagen gemacht werden. Spiritualität ist im allgemeinen ein Thema, das nicht bewiesen werden kann. Wie viele können denn etwas geben, indem sie nur eine Meditations-Sitzung abhalten? - Nur sehr wenige. Es werden sich nur die Sucher angesprochen fühlen, die anderen dagegen nicht. In einer Stadt mit 10 Millionen Einwohnern sind vielleicht fünfzehn oder zwanzig Leute daran interessiert. Es besteht die Möglichkeit, Informationen über Radio oder Fernsehen zu verbreiten, ihr könnt das tun, aber ohne Übertreibung, denn das wäre falsch. Manchmal übertreiben die Menschen in ihrer Begeisterung, und die Zuhörer werden dann in ihren Erwartungen enttäuscht. Ich kann euch ein Beispiel geben. Ein Mann aus New York kam hierher Gott weiß, welche Hoffnungen ihm dort gemacht wurden. Er erhielt eine Sitzung, sah strahlendes Sonnenlicht und hörte den Klang von Violinen. Das sind gute Erfahrungen. Ich sagte ihm, das sei nur der Anfang. Gott weiß, welch übertriebene Berichte er gehört hatte. Er war enttäuscht, er hatte erwartet, in der Luft zu schweben oder etwas Ähnliches. Aber er war nur ein Mensch.

Frage: Hast du Reporter von Radio oder Fernsehen nach Delhi in den Ashram eingeladen, um etwas aufzunehmen, was wir auch in den Vereinigten Staaten oder woanders verwenden könnten?

Antwort: Ich habe nie von mir aus einen Versuch unternommen, aber ich wurde gebeten, im Rundfunk zu sprechen - zweimal, dreimal. Jetzt soll ich im Fernsehen auftreten. Man will eine Ansprache von mir senden. Vielleicht werde ich einwilligen. Ich selbst trete nicht an die Medien heran, sie wenden sich an mich.

Frage: Das ist immer günstiger

Antwort: Fernsehleute kamen z.B. beim letzten Satsang und nahmen die Ansprache auf. Sie kamen aus eigenem Antrieb. Nun wollen sie einen Film drehen, verstehst du? Sie sagten: ”Das ist die richtige Predigt, die richtige Lehre, das Gebot der Stunde.” Ich sagte ihnen: ”Die wirkliche Integration beginnt beim einzelnen Menschen, nicht bei der einzelnen Religion.” Sie brachten viele Sendungen. Zweimal hielt ich Ansprachen im Radio, die fast fünfzigmal wiederholt wurden. Die Regierung bat mich um einen Artikel über Guru Nanak. Ich unternehme nie etwas von mir aus. Wenn ich um etwas gebeten werde, muß ich es tun. So sandte ich meinen Artikel, und er wurde als der beste ausgewählt. Die anderen sechs Herren, die ebenfalls Artikel eingereicht hatten, regten sich darüber auf. Sie galten als die besten im Land. Sie fragten mich: ”Warum wurde Ihr Artikel als bester ausgewählt?” ”Die Regierung hat ihn aus-gesucht, das ist alles.” antwortete ich. Dieser Artikel wurde in allen Sprachen herausgegeben. Er begann folgendermaßen: ”Guru Nanak gehörte nicht nur einer einzigen religiösen Gruppierung an.” Ich erwähnte seine verschiedenen Reformen, und auch, daß er Bauer war und gleichzeitig ein Liebender Gottes. So glaube ich, daß es nicht schlecht ist Freunden, wahren Freunden die Wahrheit zu sagen, ihnen den Hinweis ”Es gibt eine Hoffnung.” zu geben. Aber das ist auch alles. Wichtig ist, daß ihr nicht übertreibt, denn das verdirbt alles. Man soll nichts verbreiten, was nicht genau stimmt. Wenn du hundert Dollar hast, sage den Leuten, du hast hundert Dollar und nicht, du hättest eine Million. Das meine ich. Die Menschen glauben nicht alles, was in den Zeitungen steht. Das ist einer der Gründe. Ankündigungen müssen sehr einfach gehalten sein, um diejenigen darauf aufmerksam zu machen, die wirklich suchen. Die Menschen wollen keine langen Abhandlungen lesen. Haltet euch an einfache Tatsachen. Viele haben spirituellen Nutzen daraus gezogen. Wer sich dafür interessiert, sieht es dann schon. Übertreibt nicht, denn Übertreibung verdirbt alles. Laßt andere sagen: “Ich bin das oder das.” Ein wahrer spiritueller Lehrer kann bedächtig und ruhig ein oder zwei Stunden lang Gespräche von Herz zu Herz führen, er wird nie müde. Ehrliche Ankündigungen kommen immer an.

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