Das Ziel

 

Es hatt kaum zehn Tage gedauert, bis Jaimal Singh über Hapur und die heilige Stadt Mathura die Tore von Agra erreichte. Agra ist berühmt seit den Tagen der großen Mogul-Kaiser, und viele Touristen aus nah und fern, von jenseits des Atlantik und des Pazifik, sahen ihren prächtigen Taj Mahal und andere historische Denkmäler und erlebten auch ihre schwüle Hitze und die staubigen Straßen. Aber der junge Mann aus dem Punjab war nicht gekommen, um ihre historische Pracht zu besichtigen; er hatte keinen Sinn für die prunkhaften und mächtigen Mausoleen, Forts und Paläste, die von Kaiser Akbar und seinen bekannten Nachfolgern erbaut wurden. Was er suchte, waren nicht die Erinnerungen an Zeit-

liches, sondern der belebende Odem des Ewigen. Statt sich den Taj anzusehen, forschte er nach den örtlichen Heiligtümern und Tempeln, auf der Suche nach der Gabe, die ihm zugesichert worden war.

Aber wie sehr er sich auch bemühte, seine Erkundigungen schienen zu nichts zu führen. Er fand keinen Hinweis auf den Mann, den er suchte. War seine Hoffnung unbegründet? War die Verheißung von Peshawar, die ihm mitten im Dschungel an den Ufern des heiligen Ganges bestätigt wurde, nichts als ein Trugschluß und Täuschung? Möglicherweise war da ein Irrtum? Vielleicht war er noch nicht reif für diese Gabe? Viele Gedanken bedrängten Jaimals Singhs Herz, als er eines Morgens nachdenk-

lich am Ufer der Jumna saß, in deren Wassern er zuvor gebadet hatte. Während er so in seine Betrachtungen versunken war, näherten sich ihm zwei Männer, die persönliche Dinge erörterten.

Zunächst nahm er kaum Notiz, denn viele kamen täglich, um in dem heiligen Fluß ein Bad zu nehmen. Aber dann schoß ihm plötzlich ein Wort in die Ohren, das ihn voll aufhorchen ließ. Ja, sie unter-

hielten sich über einen Soamiji, einen großen Weisen, der in seinem Haus öfter vor einer kleinen Zuhörerschaft über die Sikh-Schriften sprach. Jaimal Singh sprang auf. Er wandte sich an die Fremden und erkundigte sich bei ihnen nach dem großen Mann, von dem sie gesprochen hatten, und bat sie, ihn zu seinem Haus zu führen. Sobald die beiden ihr Bad beendet hatten, gingen sie mit Jaimal Singh zum

Punni Gali, wo der große Soamiji lebte. Als die drei ihr Ziel erreichten, sprach der Meister gerade über das Jap Ji, erklärte seine tiefgründige Bedeutung und brachte die spirituellen Schätze ans Licht, die seine ekstasischen Verse bargen. Es waren nur wenige Zuhörer da, und Jaimal schlüpfte ganz still in eine Ecke. Er hörte die Rede mit gespannter Aufmerksamkeit und nahm jedes Wort von den Lippen des Heiligen begierig auf.

Als die morgendliche Zusammenkunft beendet war, begrüßte Soamiji seinen neuen Besucher und fragte ihn, was er wünsche.

“Ich bin auf der Suche nach der Gabe von Naam und einem Heiligen, der mir seine Segnungen verleihen kann",”antwortete Jaimal Singh. "Ich hörte von Eurer Größe und bin nun zu Eurer Tür geeilt.”

“Es tut mir leid, aber du wirst hier keinen Heiligen finden”, sagte der strahlende Soamiji lächelnd.

“Ich bin nur ein Diener der Heiligen. Selbst der große Nanak betrachtete sich nicht als einen Heiligen; wie könnte dann ein bloßes Nichts, wie ich es bin, von Bedeutung sein? “Er hieß Jaimal nochmals willkommen und versicherte ihm, daß er bleiben möge, solange es ihm beliebe, denn allen stehe frei, an der Fülle des Sahib, des Herrn oben, teilzuhaben.

Später an diesem Tag sprach Soamiji noch einmal mit Jaimal Singh.

 

 

Erfreut über sein tiefes Eindringen in den Granth Sahib, bat er ihn, eine der Hymnen, die er am meisten liebte, vozutragen. Mit melodischer Stimme sang der Jüngling den Teil, der begann:

 

                                                Karam hovae Satguru milae

                                                Sewa Surat Shabd chit lae

 

                                                Durch Gottes Gnade findet einer den Meister,

                                                der ihn in den Dienst des Surat Shabd Yoga stellt.

                                                                                                                      Rag Magh M.3

 

 

Es war ein bewegender Vortrag, der deutlich erkennen ließ, daß der Vortragende selbst zutiefst empfunden hatte, was er sang. Als er geendet hatte, fragte ihn Soamiji, ob er die volle Bedeutung des von ihm wiedergegebenen Verses verstehe.

 

    “O Heiliger”, war die Antwort, “wenn ich den wahren Sinn verstanden hätte, warum sollte ich dann auf diese Weise verloren umherwandern?” Und als er diese Worte gesprochen hatte und sich seiner langen Reisen und der vielen Mühen erinnerte, füllten sich seine Augen mit Tränen, die ihm still über die Wange liefen.

Soamiji legte seine Hand liebevoll auf die Schulter des Jünglings und versicherte ihm: “Sei guten Mutes, wir sind alte Kameraden, und es gibt keinen Grund zur Sorge.” Dann nahm er die Hymne wieder auf, die gerade vorgetragen worden war, erklärte ihre spirituelle Bedeutung und verflocht sehr fein die Fäden der persönlichen Bemühung und der göttlichen Gnade, die beide für die Erlösung der menschlichen Seele wesentlich sind.

Am nächsten Morgen setzte Soamiji sein Gespräch über das Jap Ji fort. Als er geendet hatte, wandte er sich Jaimal Singh zu und meinte: “ Wenn du irgendwelche Zweifel oder Fragen hast, sollten die besser jetzt geklärt werden. Ich bin nur ein bescheidener Diener des Herrn, und zu einem Diener kann man alles sagen – alles – Hohes oder Niederes; so habe keine Bedenken, sondern sprich frei heraus.

Ich wäre sehr glücklich, wenn ich dir von Hilfe sein könnte, denn ich betrachte das als Dienst für meinen Meister.”

Später, am Nachmittag, bat Soamiji Jaimal wieder, eine Hymne aus den Sikh-Schriften vorzutragen, und der junge Mann begann:

 

                  Utpat, Parlae, Shabde hovae

                  Shabde he phir opat hovae

 

                      Schöpfung und Auflösung werden durch Shabd bewirkt,

                   und durch Shabd kommt die Schöpfung von neuem

                   ins Sein.

 

                                                                                          Ragh Magh M.3

 

 

Dieser Vers war Gegenstand des Nachmittagsgesprächs, und der Meister sprach ausführlich über das Thema von Shabd oder Naam und beantwortete ein um das andere Mal Jaimal Singhs unausgesprochene Fragen hierzu. Er veranschaulichte, wie das Wort die erste Ursache der Schöpfung als auch ihrer Auflösung ist, zugleich der Mittler des Absoluten und das Absolute selbst. Ohne seine Kraft wurde nichts geschaffen, und nur, wenn man sich mit ihr verbindet, kann man zur himmlischen Heimat zurückkehren.

Als alle gegangen waren und Jaimal so mit Soamiji allein blieb, kam er näher und befragte den Heiligen über den Weg zu Erlösung. Er war davon überzeugt, daß der Weise aus Agra ein wahrer Heiliger war, aber die Tatsache, daß er kein Sikh war und die Hookah (Wasserpfeife) rauchte, erzeugte in ihm einiges Unbehagen.

 

Als jedoch Soamiji das Thema der Erlösung erörterte und enthüllte, daß Shabd das einzige Mittel zur Erlösung (Mukti) sei, daß die Verbindung damit nur von einem Pooran Sant, einem vollendeten Meister, gegeben werden könnte, der Mensch ohne Shabd niemals völlig dem Netzwerk von Maya entkomme und seine Ausübung und Meisterung allen möglich sei, ungeachtet ihrer unterschiedlichen Glaubensrichtungen, schwanden Jaimals Zweifel, und er bat darum, initiiert zu werden. Soamiji wies ihn in die Theorie und Praxis des Surat Shabd Yoga ein, und nachdem er ihm die Instruktionen gegeben hatte, forderte er den jetzt Siebzehnjährigen auf, sich zur Meditation hinzusetzen, und verließ den Raum. Sobald sich Jaimal niedergesetzt hatte, verlor er sich im Samadhi. Die Nacht kam und verging, und der Tag brach an, aber er meditierte bewegungslos weiter, versunken in die innere Glückseligkeit, die er jetzt gefunden hatte. Der nächste Tag wurde durch die Nacht verdrängt, und diese Nacht wich einem weiteren Tag, und der Junge saß da und hatte die Welt vergessen. Nachdem schon mehr als achtundvierzig Stunden vergangen waren, fragte Soamiji einige der Schüler, wo der Schüler aus dem Punjab geblieben sei. “Wir haben ihn vor zwei Tagen beim Satsang gesehen”, erwiderten sie, “aber seitdem nicht mehr.” Da lächelte Soamiji und ging geradewegs in den kleinen Raum, in dem er seinen jüngsten Schüler zurückgelassen hatte und er seitdem von niemandem betreten worden war. Er legte seine Hand auf Jaimal Singhs Kopf, und als dessen Seele zum normalen physischen Bewußtsein zurückkehrte und er seine Augen öffnete, sah er, wie sein Guru ihn anstrahlte.

“Bist du noch im Zweifel, mein Junge, ob dein Meister ein wahrer Sikh ist?” fragte er mit einem Zwinkern in den Augen. Der Junge wollte ihm zu Füßen fallen, aber die lange Zeit im Samadhi hatte seine Gelenke steif und bewegungslos gemacht. Soamiji riet ihm, seine Beine zu reiben, und als sich Jaimal bewegen konnte, geleitete er ihn hinaus. Dort gab er ihm mit seinen eigenen Händen Milch zu trinken, und indem er ihn liebevoll ansah, meinte er: “Auch du wirst eines Tages die Arbeit zu verrichten haben, die ich jetzt tue. Unser Pfad befaßt sich nicht mit äußeren Formen und Ritualen, und jeder von uns sollte in Einklang leben mit den besten Überlieferungen der Gemeinschaft, in die ihn der Herr nach seinem Wohlgefallen gestellt hat. ”Dann begann er die Lehren von Guru Nanak und den Sikh-Gurus zu preisen und sagte, daß jene, die ihnen nachfolgten, wenig Belehrung nötig hätten.

“Halte immer an den Vorschriften des Granth Sahib fest”, fuhr er fort. “Meide Fleisch und Alkohol.

Sei niemals von anderen abhängig, was deinen Lebensunterhalt betrifft, sondern lebe von deiner eigenen Hände Arbeit, und was du verdienst, teile freigiebig mit den Bedürftigen, und denke immer daran, den Gottesfürchtigen und Armen zu helfen. Sei vor allem niemals stolz auf deine guten Werke, noch kritisiere das Tun anderer; wisse dich vielmehr selbst im Irrtum, und weiche niemals von der Tugend innerer Demut ab”.

Mit ehrerbietiger Aufmerksamkeit hörte Jaimal Singh den Rat seines Meisters und war von nun an immer bestrebt, sich danach zu formen. Hingebungsvoll besuchte er täglich den Satsang und half auf jede ihm mögliche Weise. Seine frühere Schulung hatte ihn gut für den spirituellen Sadhan gerüstet, und er widmete sich nun unermüdlich dem Bhajan (Meditation). Unter Soamijis Führung und durch seinen außergewöhnlichen inneren Fortschritt wurden ihm täglich neue Geheimnisse enthüllt, die Geheimnisse, von denen Nanak, Kabir und Tulsi so begeistert gesprochen hatten.

In jenen Tagen, Mitte der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts, war die Anhängerschaft Soamijis nicht sehr groß. Er hatte noch nicht mit seinen öffentlichen Vorträgen begonnen, sondern beschränkte die Zusammenkünfte auf einen kleinen privaten Hörerkreis in seinem Haus im Punni Gali, nachdem er nicht mehr im Mai-Than-Gurdawara sprach. Sieben oder acht seiner Schüler waren ihm besonders ergeben. Sie suchten beständig seine Gemeinschaft, und es bestand eine große Zuneigung und Harmonie. Jeden Morgen hielt der Meister eine inspirierende Rede und führte seinen Zuhörern den spirituellen Reichtum vor Augen, der im Granth Sahib und den Schriften von Kabir und anderen großen Heiligen verborgen war. Nach dem morgendlichen Satsang nahmen die Anwesenden ihr Mahl ein. Soamijis Frau, Shrimati Narain Devi, die später, als Zeichen allgemeiner Achtung und Verehrung, mit Radhaji angesprochen wurde, bereitete die Speisen, während Soamiji persönlich alle mit liebevoller Aufmerksamtkeit bediente. Nachmittags und abends fanden oftmals zwanglose Unter-

haltungen und Erörterungen statt und zeitweise regelrechte Vorträge.

 

 

Eineinhalb Monate vergingen auf diese Weise. Jaimal Singh war glücklich, zu den Füßen seines gütigen Meisters leben zu können. In dieser Zeit, im Jahre 1856, war in Agra ein Regiment indischer Soldaten stationiert, darunter auch mehrere Sikhs. Auf Veranlassung Soamijis trat Jaimal Singh dort als Rekrut ein. Er nahm an der Morgenparade teil, eilte aber, sobald er von seinen Pflichten frei war, zum Hause seines Meisters. Dort wohnte er dem Satsang bei, hörte die Ausführungen Soamijis, saß in Meditation und kehrte des Abends in sein Quartier zurück. Seine Kameraden fragten ihn oft, wo er denn soviel Zeit verbringe. Als er ihnen von der Größe Soamiji erzählte, wollten einige seiner Sikh-Freunde dem berühmten Heiligen begegnen. So machte sich Jaimal Singh eines Tages mit sechs von ihnen nach dem Punni Gali auf.

Als die Gruppe ankam, sprach Soamiji gerade über einen Vers aus dem Granth Sahib.

Chacha Partap Singh bemerkte humorvoll, daß der Punjab an diesem Tage zu dominieren scheine. Daraufhin wandte sich Soamiji an ihn und erklärte: “Die Menschen dieses Landes haben vor allen anderen ein Anrecht auf die spirituellen Reichtümer, von denen ich spreche. Wer kann je dem Ruhm des Punjab gerecht werden, das eine Seele wie Guru Nanak hervorbrachte? Er hat uns vor allem gelehrt, daß Freiheit nicht in der Idolverehrung oder im Ritual liegt, und während wir in dieser Gegend, ungeachtet der Botschaft von Kabir und Nanak, noch der Zeremonie und dem Götzendienst verfallen sind, sind die Seelen des Punjab frei von diesem Übel, und es bedarf nur eines Funkens, sie zu entflammen. Achtet auf meine Worte, denn sie sind wert, daß man sich ihrer erinnert: Die Gabe, die mir vom Herrn verliehen wurde, wird eines Tages in der Ebene des Punjab blühen.” Dann wandte er sich seinen Besuchern zu, begrüßte und unterhielt sie, so gut er nur konnte, hieß Jaimal Singh, der sie hergeführt hatte, seinen Dienstpflichten auf die rechte Weise nachzukommen, und als es für sie Zeit zum Aufbruch war, sagte er ihnen Lebewohl.

Die leichten Dienstpflichten ließen Jaimal Singh reichlich Zeit für die Meditation. Wenn er keinen Nachtdienst hatte, stand er um zwei Uhr morgens auf, badete und setzte sich hin, um zu meditieren.Am Tage verbrachte er die Zeit, sobald die Parade und der andere Dienst vorüber waren, auf dieselbe Weise oder eilte zu Soamijis Haus. Er war dafür bekannt, daß er nicht einen einzigen Augenblick mit Zerstreuungen vergeudete, wie es seine Kameraden taten. Mit großer Regelmäßigkeit besuchte er den Punni Gali, wo er oft als Soamijis Pathi diente (der die Schriften vorträgt), und viele seiner Freunde wurden durch den Anstoß, den er gab, Schüler seines Meisters. Das Leben war friedvoll und glücklich und trug beständig Frucht. Doch eines Tages wurde das Regiment von Agra abkommandiert. Schweren Herzens ging Jaimal Singh zu seinem Meister und brachte ihm diese traurige Nachricht. “O Herr”, sagte er, “wie sehr verlange ich danach, mich der Segnungen des Satsang noch etwas länger zu erfreuen. “Soamiji lächelte und sagte: “Gut, laß uns abwarten und auf den Willen des Herrn achten.” Am nächsten Tag kamen neue Anweisungen, die den Abzug des Regiments rückgängig machten.

Jaimal Singh hatte einen raschen inneren Fortschritt. Oft erzählte er Soamiji von seinen verschiedenen spirituellen Erfahrungen, und sein Guru war über sein Vorwärtskommen erfreut. Als er ihm einmal erzählte, daß er leichten Zugang zu Daswan Dwar, dem zehnten Tor (der dritten Hauptstufe der mystischen Seele), habe, aber nicht fähig sei, darüber hinauszugelangen, rief Soamiji aus: “Oh, das ist ganz verständlich. Wir haben bei diesem spirituellen Unternehmen schon früher zusammengearbeitet, und in deinem letzten Leben hast du es bis zur dritten Stufe gebracht. Daher war es so leicht für dich, bis dorthin zu kommen, und aus demselben Grund bestehen die Schwierigkeiten im weiteren.

“Er beruhigte jedoch seinen jungen Schüler und ermutigte ihn, in seinem Bemühen fortzufahren.

Als dieser eines Tages von dem noch höheren Aufstieg berichtete, war Soamiji hocherfreut und erklärte begeistert: “Mache so weiter, dann wird es dir bald möglich sein, anderen Seelen zu Erlösung zu verhelfen. Du bist geboren, damit du der Menschheit hilfst, und zwischen mir und dir ist kein wirklicher Unterschied.”

 

“Ich bin solcher Ehrung nicht würdig. O laßt mich bescheiden zu Euren Füßen sein, fern vom Fangnetz des Stolzes.”

“Sorge dich nicht, ein wahrer Heiliger kann niemals stolz sein.”

    “O Herr, laßt mich zu Euren Füßen als Diener der Diener der Heiligen. Das ist alles, worum ich bitte.”

    “Du wirst in der Tat den Dienst eines Heiligen tun: die Menschheit erretten, sie zur Wahrheit und spirituellen Befreiung bringen. Was besagt es, selbst Millionen Kühe wegzugeben, gemessen an der Errettung einer einzigen Seele?”

    “Ihr mögt handeln, wie ihr es am besten findet, aber was mich betrifft, so bin ich mir meiner Unwürdigkeit und meiner Begrenzung nur zu gut bewußt.”

Die sechs Monate, um die man die Verlegung des Regiments verschoben hatte, waren zu Ende, und Jaimal Singh mußte gehen. Die letzten drei Tage nahm er Urlaub und verbrachte sie in der Gesellschaft seines Meisters. Als schließlich die Zeit des Abschieds näher kam, konnte es Jaimal Singh nicht länger ertragen.

    “Mir bricht das Herz bei dem Gedanken, daß ich gehen muß. Wenn ihr es wollt, kann ich meinen Namen aus dem Heeresverzeichnis streichen lassen.”

Aber Soamiji wollte so etwas nicht hören: “Baue deine Liebe auf den Shabd im Innern. Das ist dein wirklicher Guru, dir immer zur Seite. Alles andere ist vergänglich und muß zurückgelassen werden.

Du mußt deinen Lebensunterhalt verdienen, wenn du von der Arbeit anderer abhängig bist, mußt du dafür mit deinem geistigen Frieden bezahlen, und deine Erkenntnis würde getrübt. Warum die Armee verlassen, wenn du doch arbeiten mußt?”

Jaimal Singh hatte keine Wahl; er mußte sich der höheren Weisheit seines Meisters beugen.

Beim Abschied sprach Soamiji vom Wesen der Heiligkeit und der Handlungsweise der Heiligen.

Er erzählte Anekdoten über ihre große Demut, und zum Schluß sagte er: “dein Regiment geht jetzt.

Wenn immer du einem wahren Sucher begegnest, stelle ihn auf den inneren Pfad, aber bedenke immer, daß du nur ein bescheidenes Werkzeug der Heiligen bist.” Tränen füllten die Augen des jungen Soldaten, als er seinem Guru zu Füßen fiel und von ihm Abschied nahm.

 



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