Der Soldaten-Heilige Das Regiment kam von Agra nach Delhi. Da Jaimal
Singh nun die Gemeinschaft seines Meisters nicht mehr hatte, begann er nach
einem spirituellen Sucher Ausschau zu halten, mit dem er sich zusammen- tun konnte. Bald entdeckte er einen, Baba Karam
Singh, der auch der Armee angehörte und dem Herrn sehr ergeben war. Er besuchte
ihn häufig in seinem Quartier und hielt sich gern in der Gemeinschaft des Älteren auf. Als Baba Karam Singh
einmal fragte, was Jaimal Singh zu ihm hin- ziehe, antwortete er schlicht: “Ich komme her, weil
ich seit meiner Kindheit gern zu den Füßen derer sitze, die den Herrn lieben.”
Baba Karam Singh freute sich, einen Gleichgesinnten, noch so jung an Jahren,
gefunden zu haben, und es ergab sich eine lebhafte Unterhaltung über die
Spiritualität. Doch bald stellte sich heraus, daß Baba Karam Singh
wie Baba Balak von Hazro den Prana-Rhythmus mit dem Naam-Prinzip, das im Granth Sahib gerühmt
wird, verwechselte. Der junge, nocht nicht voll- jährige Soldat begann den Irrtum mit großer
Bescheidenheit zu berichtigen. Er zitierte entsprechende Stellen aus den Sikh-Schriften, um klarzustellen,
daß der heilige Shabd die ursächliche Kraft sei, die überall am Werk ist, auch
in den Pranas, die aber nicht mit den Pranas gleichgesetzt werden dürfte. Er hob die Tatsache hervor, daß alle großen
Vertreter von Sant Mat oder dem Pfad der Meister klar und eindeutig erklärten,
daß in der jetzigen Zeit Pranayama und ähnliche Praktiken nicht die innere
Befreiung bringen können. Dann sprach er von seinem großen Meister in Agra,
von dessen inspirierenden Lehren und half Baba Karam Singh, auf den rechten
Pfad zu Gott zu kommen. Nach dem großen Aufstand von 1857 wurde das
Regiment, zu dem Jaimal Singh gehörte, aufgelöst; und weil er seit langem seine
Familie nicht mehr besucht hatte, ging er unmittelbar nach Hause. Die Freude
seiner Mutter kannte keine Grenzen, als sie ihn wiedersah. Aber es war ihm
nicht bestimmt, lange bei ihr zu bleiben. Da ihn die Nachricht erreichte, daß
man in Peshawar ein 24. Sikh-Regiment gebildet hatte, sagte er seiner Familie
Lebewohl und trat diesem bei. Nach einiger Zeit, im Januar 1858, wurde das
Regiment aus dem nordwestlichen Grenzgebiet nach Ambala verlegt. Im September
des folgenden Jahres kam es nach Sagar, einer Stadt am Ufer eines großen Sees
in Zentralindien. Mittlerweile hatten sich Jaimal Singhs Kameraden an seine
strenge spirituelle Disziplin gewöhnt; aber die Tage, an denen das Regiment
marschieren sollte, sahen sie zu ihrer Überraschung, daß er einen kleinen Unterstand
aushob, wo er hinterher, mit dem Rücken gegen den Erdwall, in zurückgelehnter
Haltung die ganze Nacht in Meditation saß. Während er in Sagar staioniert war, bat Jaimal Singh
eines Nachts in der Meditation Soamiji, daß das Regiment in die Nähe von Agra
verlegt werden möge, damit er den Vorteil haben könne, zu seinen heiligen Füßen
zu sitzen. Ein Mensch der Gottverwirklichung kann seltene Wunder tun, da er
eins ist mit dem Willen Gottes; und die Liebe eines Guru für einen wahren
Schüler ist so groß, daß er ihm nichts abschlägt. 15) Jaimal Singhs Gebete wurden erhört, und am nächsten
Morgen sagte er beiläufig zu Bhagwan Singh, seinem Gefährten und ergebenen
Bewunderer, daß das Regiment, wenn es einmal verlegt würde, nach Agra käme. Zu
jener Zeit beachtete Bhagwan Singh kaum, was er ihm sagte, aber als die
Nachricht von der nächsten Stationierung eintraf, verbreitete sich die
Geschichte des prophetischen Soldaten wie ein Lauffeuer durch das Regiment. Der Befehl zur Verlegung nach Agra war noch nicht ergangen,
als Jaimal Singh um den Jahresurlaub nachsuchte. Er wurde ihm bewilligt. Doch
als er sich vor der Abreise bei seinem Vorgesetzten meldete, unterrichtete ihn
dieser davon, saß er sich nicht in Sagar, sondern in Agra zurückmelden solle.
Der Soldat war von dieser Nachricht so überwältigt, daß er, anstatt nach Hause
zu gehen, sich sofort nach Agra aufmachte. Soamiji empfing ihn mit großer
Zuneigung, und Radhaji bereitete eigens Halwa (eine Art Pudding), um das
Ereignis besonders hervorzuheben. Der große Guru betrachtete ihn als Pooran
Gurmukh, einen wahren Schüler, und er trug ihm einige seiner mystischen
Gedichte vor, die er während Jaimal Singhs Abwesenheit von Agra verfaßt hatte
und die später von Rai Saligram Ji, einem anderen bekannten und ausgezeichneten
Schüler, mit vielen seiner eigenen Verse in dem Band Sar Bachan gesammelt
wurden. Einer der von ihm gelesenen Verse bezog sich direkt auf seinen Schüler:
Yeh dhun hai dhur lok adhur ki Koyi pukre Sant sepahi.
Diese Musik geht von einer transzendenten Ebene im
Inneren aus und wird von einem Soldaten-
Heiligen aufgefangen. Jaimal Singh zog den größten Nutzen aus der Zeit bei
seinem Meister. Er besuchte regelmäßig den Satsang und trug oft die Verse vor, über die Soamiji
hinterher sprach. In der Zwischenzeit kam das 24. Regiment in die Stadt, er aber blieb weiter im
Punni Gali, da er noch Urlaub hatte. Eines Abends bat ihn Soamiji, eine Anzahl
Decken und Kleidungsstücke zu nehmen und ihn in eine Ortschaft zu begleiten,
deren Bewohner arm waren. Sie waren voller Dankbarkeit, die sie begeistert zum
Ausdruck brachten, und segneten den groß- zügigen Fremden. Aber es war nicht Soamijis Art, für
sich Lob zu ernten, selbst wenn es ihm zustand. “O belastet mich nicht mit Dank”, rief er denen zu,
die sich um ihn geschart hatten. “Ich handle nur im Auftrag meines großmütigen
Meisters. Ihm allein gebührt alle Ehre.” Nach der abendlichen Mission wandte sich der große
Lehrer an seinen Schüler und sagte: “Jaimal, mein Sohn, diene den Armen immer auf diese
Weise, und schreibe nie dir selber etwas zu.” Als sein Urlaub vorüber war, ging Jaimal Singh
wieder seinem Dienst nach, aber er machte es sich zur Aufgabe, keine
Gelegenheit zu versäumen, um seinen Meister zu besuchen. Oft kam er mittags zum Punni Gali und blieb bis zum
späten Abend. Eines Tages, als er ganz in Satsang und Bhajan vertieft war,
vergaß er völlig, daß er Nachtdienst hatte. Am frühen Morgen erreichte er sein
Quartier und ging direkt zu seinem Kameraden. “Hast du
deinen Dienst beendet?” fragte Bhagwan Singh. “Wieso,
hatte ich letzte Nacht Dienst?” wagte Jaimal Singh zu fragen. “O, du
bist aber spaßig; wie wenn ich dich nicht gesehen hätte, als du gestern abend
in Dienst- kleidung hinausgegangen bist.” Jaimal sagte nichts weiter. Er überdachte die
unfehlbare Fürsorge seines Meisters und war erstaunt über das, was da geschehen
war. Falls er noch irgendwelche Zweifel über dieses Wunder hatte, wurden sie
rasch zerstreut. Der Aufseher, dem er bald danach begegnete und der ebenfalls
auf seinen Nachtdienst zu sprechen kam, erwähnte, daß seine Anwesenheit korrekt
im Nachtregister eingetragen sei. Sobald er nun weg konnte, eilte er zum Punni
Gali und fiel zu seines Meisters Füßen. “Wie wenig verdienen wir irrenden Sterblichen die
Gnade, mit der Ihr uns überschüttet”, rief er aus und erzählte die seltsamen
Begebenheiten der vergangenen Nacht. “Ich
hoffe, du hast darüber nicht zu deinen Kameraden gesprochen.” “O
Meister, ich war zu sprachlos, um auch nur ein Wort herauszubringen.” “ Sehr
gut, sehr gut! Nun behalte es für dich, und merke dir, wenn sich so etwas in
Zukunft je wieder ereignet, beherrsche dich, und mache kein Aufhebens davon.” Dieses Wunder sollte sich wiederholen, als sich
nicht lange danach eine ähnliche Situation ergab. Die eineinhalb Jahre, die das Regiment in Agra
blieb, vergingen wie ein glücklicher Traum. Bevor es wieder den Standort wechselte, hielt sich
Jaimal Singh drei Tage bei Soamiji auf. Am letzten Tag, als er Abschied nehmen mußte, fiel
er seinem Meister demütig zu Füßen, Soamiji hob ihn auf, zog ihn voller Liebe
an sich und bemerkte: “Es gibt keinen Unterschied zwischen uns, denn wir sind
gleicherweise von der Naam-Kraft durchdrungen.” Wie es im Militärleben üblich ist, kam das Regiment
nun nach Peshawar. Es wurde alle zwei oder drei Jahre verlegt. Neben vielen
anderen Orten war es vor allem in Rawalpindi, Abbotabad, Mianmir bei Lahore und
Jhansi stationiert. In Jhansi wurde Jaimal Singh zum Korporal befördert. Zwei Jahre später, im Oktober, befand er sich wieder
einmal auf dem Weg nach Agra, um den Jahresurlaub bei seinem Meister zu verbringen. Wer
kann die Seligkeit beschreiben, die zu den Füßen eines göttlichen Lehrers
erfahren wird? Die Zeit ging dahin, und bevor er es richtig merkte, war für
Jaimal Singh schon wieder der Tag der Abreise gekommen. Er ging zu Soamiji, um
seinen Segen zu erhalten und sich zu verabschieden. “Dies wird unsere letzte
Begegnung sein”, bemerkte der Meister, “Meine Mission auf Erden ist nahezu erfüllt. Ich
brauche wohl nicht zu wiederholen, daß ich dich nach meiner eigenen Art geformt
habe und du von meinem Wesen bist.” Als Chanda Singh, der zu der Zeit auch im
Punni Gali war, hörte, daß Soamiji die Absicht hatte, in Kürze die Welt zu
verlassen, rief er aus: “Was soll dann aus uns werden?” und bat ihn, jemanden
zurückzulassen, um sein Werk im Punjab weiterzuführen. Soamiji lächelte und
sagte: “Deine Bitten sind schon vom Allmächtigen erhört worden, und Jaimal, den
ich bereits ermächtigt habe zu initiieren, wurde mit der Aufgabe betraut.” Dann sprach er wieder zu Jaimal: “Stelle alle
Sucher, die zu dir kommen, auf den Pfad von Naam, aber sieh zu, daß du dich von
den Glaubensbekenntnissen und Sekten fernhältst. Unser Pfad ist von Nanak und Kabir. Wer immer in
spirituellen Eifer entbrannt ist, ob in diesem oder jenem Glauben, hat ein
Anrecht darauf. Arbeite weiter in aller Demut, und was immer du tust, tue als
Diener der Heiligen.” Danach wandte er sich Radhaji zu und erklärte, indem er
seine Hand auf Jaimals Schulter legte: “Er ist wahrhaft unser Gurmukh-Sohn”,
nahm einen Saropa (Kopfbedeckung) und gab es seinem fähigen und getreuen
Schüler als Abschiedsgeschenk. Diese große Liebe und Ehrung war zuviel für den
bescheidenen Gurmukh; sie überwältigte ihn und füllte seine Augen mit Tränen. Das Herz war ihm schwer, als er wegging und daran
dachte, daß sich der irdische Aufenthalt seines Meisters dem Ende nahte, und an
die schwere Last, die ihm auferlegt wurde. Von Agra kehrte Jaimal zu seinem Regiment nach
Jhansi zurück. Der letzte Teil seiner Soldatenlaufbahn ist bald erzählt, wobei
es nicht nötig ist, die vielen Orte anzuführen, an denen das 24. Sikh-Regiment in der Folgezeit stationiert war.
Was immer geschah, wohin immer er ging, Jaimal Singh ließ sich nie davon
abhalten, seinen spirituellen Übungen regelmäßig nachzukommen. Wie ein
Liebender, der von seiner Liebe trunken ist, war er immer in die Freude des
inneren Lebens vertieft. Selbst als sein Regiment 1879 während des
englisch-afghanischen Krieges im nordwestlichen Grenzgebiet im Gefecht lag,
verließ er nachts sein Quartier und ging in die Einsamkeit, wo er eine Grube aushob und sich mit dem Gewehr unter den Knien
der Meditation hingab. Oft spürten ihn Feindliche Schützen auf, aber wenn sie seine
strahlende Gestalt sahen, erkannten sie, daß er kein gewöhnlicher Soldat war,
sondern ein großer Heiliger, und ließen ihn in Ruhe. Es kam vor, daß sie sich
in Verehrung vor ihm verneigten, wenn er sich von der Meditation erhob. Als
Jaimal Singh, der mit 18 Jahren in Agra in die Armee eingetreten war, von der
Jugend ins mittlere Alter kam und zum reifen Mann wurde, gewann er langsam aber
stetig die Herzen aller, die um ihn waren. Zunächst mochten ihn einige seiner
Kameraden als einen strenggläubigen Einzelgänger abtun, der nicht zu leben
verstand, sondern sich in der Lektüre heiliger Schriften und in langweiligen geistigen
Übungen verlor. Aber im Laufe der Jahre erkannten sie, daß sie in ihm keinen
gewöhnlichen Sterblichen unter sich hatten. Was er seinem Gefährten Bhagwan
Singh in Sagar über den nächsten Standort ihres Regiments vorhergesagt hatte,
zog weite Kreise und brachte ihm viele Bewunderer ein. Als sie während des
afghanischen Krieges in Jamrud stationiert waren, wurde Bhagwan Singh, der in
einem Geleitzug Dienst hatte, plötzlich krank und starb. Im selben Augenblick,
wo sein Geist den physischen Körper verließ, rief Jaimal Singh viele Kilometer
von ihm entfernt ganz unvermittelt aus: “Wah Wah nipat gaye” – “Gut, gut,
endlich ist es vorbei.” Inder Singh, der dem Regiment in Jhansi beigetreten
war, eine tiefe Zuneigung zu seinem Vorgesetzten empfand, und sein erster
Initiierter wurde, saß neben ihm. Er war keineswegs erstaunt über diesen
lebhaften Ausruf und fragte seinen Lehrer, was er bedeute. Jaimal Singh war
nicht bereit, darüber zu sprechen. “Warum kümmerst du dich um etwas, womit du
nichts zu tun hast?” fragte er. Da Inder Singh darauf beharrte, sagte er ihm, daß
Bhagwan Singh gestorben sei. Der junge Soldat notierte den Tag und die genaue
Zeit, und als die Nachricht vom Tode seines Kameraden eintraf, sah er die
Übereinstimmung. Ähnliche merkwürdige Begebenheiten kamen bei Jaimal
Singh häufiger vor, und mit der Zeit wurde er im ganzen Regiment bekannt.
Jedermann achtete ihn, und selbst die englischen Offiziere bezeigten ihm große
Verehrung und nannten ihn “Lord Bischof”. Alle, die eine Neigung für spirituelle
Dinge hatten, suchten seine Gemeinschaft; nicht weniger solche, die unter
weltlicher Betrübnis zu leiden hatten. So kam der Bezirkskommissar Kharak
Singh, der seit vielen Jahren kinderlos verheiratet war, und bat, mit einem
Kind gesegnet zu werden. Jaimal Singh machte die Bemerkung, daß es ihm nicht
bestimmt sei, ein Kind zu haben, aber als Kharak Singh ihn weiter drängte,
wurde seine Bitte gewährt. Das Kind wurde geboren; aber der glückliche Vater
versäumte, einen Betrag von 500 Rupien für Wohltätigkeitszwecke zu verteilen,
was ihm Jaimal Singh nachdrücklich eingeschärft hatte. Nicht lange darauf wurde
der Kommissar ernstlich krank. Man rief nach Jaimal Singh, doch der sagte, daß
es nun zu spät sei und dem Übel nicht mehr abgeholfen werden könne. Ein paar Tage später starb Kharak Singh. War es bloßer Zufdall, oder lag es an Jaimal Singh,
daß die Angehörigen dieses 24. Sikh-Regiments ein so außerordentliches Interesse für spirituelle
Dinge an den Tag legten? Es ist keine seltene Erscheinung, daß wirkliche Heilige überall eine
Atmosphäre des Friedens verbreiten, welche die Ergebenen des Herrn zu ihnen
hinzieht und auf jene einwirkt, die um sie sind. Jedenfalls war dieses Regiment
bekannt für seine religiösen Neigungen, und viele Sadhus besuchten es, wo immer
es auch stationiert war. Jaimal Singh wurde stets eingeladen, wenn Sadhus zum
Regiment kamen oder einer der Soldaten mit ihnen zusammentreffen wollte. Als
eines Tages einige der jungen Sikh-Soldaten als Erwachsene in ihrem Glauben
getauft werden sollten, bat man ihn ohne Zögern, die Zeremonie zu leiten, und
er hielt bei einem solchen Anlaß eine erleuchtende Rede über die innere
spirituelle Bedeutung des Rituals. An seinen Vorträgern aus den Schriften
nahmen nach und nach immer mehr Menschen teil, und in späteren Jahren hat
Jaimal Singh, der unterdessen allgemein “Baba Ji”, “Bhai Ji” oder “Sant Sepahi” genannt wurde, des
öfteren kurz über ihren wahren Sinn gesprochen. Durch seine anziehende Persönlichkeit, seinen
untadeligen Charakter, seine spirituelle Meisterschaft und sein wachsendes
Ansehen hatte er bald einen kleinen Kreis sehr ergebener Anhänger aus dem
Regiment um sich, darunter Männer wie Inder Singh, Bagga Singh, Bhagwan Singh
und andere, die seine ersten Initiierten wurden. Aber Jaimal Singhs militärische Laufbahn fiel nicht
nur auf, weil er streng an einem hohen spirituellen Ideal festhielt, sondern
auch wegen seiner ebenso bemerkenswerten Leistungen im Bereich der dienstlichen
Pflichten. Getreu dem Geheiß seines Meisters war Jaimal Singh in der Erfüllung
seiner Aufgaben äußerst genau. Nichts vermochte ihn seiner Arbeit fernzuhalten,
ausgenommen vielleicht, wenn er in das Göttliche versunken war, bei welcher
Gelegenheit Soamiji auf wunderbare Weise die Lücke füllte. Er war bekannt für
seine Ehrbarkeit und Unparteilichkeit
und obgleich selbst ein strenger Vegetarier, zögerte er nicht, an seine
Kameraden Fleisch auszuteilen, wenn er dies einmal pflichtgemäß zu tun hatte.
Einmal erklärte ein Offizier, daß sein Vegetarismus aller Wahrscheinlich- keit nach seine Fähigkeiten als Soldat untergraben
würde, und riet ihm zu einer anderen Kost, damit seine Widerstandsfähigkeit und
seine Muskeln gestärkt würden. Jaimal Singh war jedoch nicht zu überzeugen und
forderte alle “Fleisch essenden starken Männer” heraus, ihn im Felde zu
überbieten. Später baten sie ihn, die Gründe für seine Abstinenz
zu erklären, und so hielt er einen ausführlichen Vortrag an das gesamte
Regiment, worin er eingehend darlegte, warum Fleisch gemieden werden sollte,
und die landläufige Meinung widerlegte, daß die vegetarische Ernährung die
Lebenskraft ver- mindere. Seine Diensturkunde, die 34 Jahre aktiven
Dienst ausweist, bestätigt die Wahrheit seiner Behauptung, denn sie berichtet
nicht von einem einzigen Krankheitsfall. Wie sein großer Meister, so war auch Jaimal Singh in
Swartha und Parmartha – weltlicher Gesinnung und Frömmigkeit – gleicherweise
unangreifbar. Seine vorbildliche Ordnung, Nüchternheit und Tapferkeit, seine
Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und die gelassene und bescheidene,
ehrenhafte Erfüllung all seiner Pflichten blieben nicht unbemerkt. Während
seiner Stationierung in Jhansi wurde er 1869 mit einer Verdienstmedaille
ausgezeichnet, die ihn in den Rang eines Naik (Korporal) erhob. Genau drei
Jahre später wurde er zum Havildar (Sergeant) befördert, und als das Regiment
von 1880 an in Multan lag, erhielt er eine zweite Auszeichnung für getreue und
anerkennenswerte Pflichterfüllung. Am 15. August 1889 trat er in den Ruhestand,
nachdem er 34 Jahre ergebenen und ehrenvollen Dienst geleistet
hatte. Als er von seinem Regiment Abschied nahm, war allen das Herz schwer, den
Kollegen, Vorgesetzten und Untergebenen, denn sie verloren in ihm nicht nur
einen fleißigen und zuverlässigen Kameraden, sondern einen Freund und Lehrer (
er unterrichtete die Offiziere in Gurmukhi), und was viel seltener ist, einen
inspirierenden, moralisch und spirituell unfehlbaren Führer. Die von seinen Kameraden und anderen hinterlassenen
Berichte über Babaji stimmen mit seinem übrigen Leben und seinem Charakter voll
überein. Bei ihrer Lektüre begegnet man einem Menschen, der trotz seiner
Vertiefung in die göttlichen Mysterien nicht für die Welt verloren war. Einen Regimentskameraden, der ihm während seines
Dienstes als Havildar unterstellt war, verwunderte es, daß der ihn in drei
Jahren ihres Zusammenseins nicht ein einziges Mal ungehalten sah und auch von
anderen nichts dergleichen hörte. Immer freundlich, vermied er einen groben
oder ge- wöhnlichen Umgangston. Er war zeit seines Lebens
strenger Vegetarier und gleicherweise Abstinenzler. Dem läßt sich seine ebenso
unbeugsame Festigkeit in Brahmacharya (Keuschheit) hinzufügen, denn er blieb
ehelos. Durch die Hingabe an Gott gebunden, drängte es ihn nie zu heiraten, und
er widerstand entschlossen jedem Versuch, ihn zum Ehestand zu überreden. Als
sein jüngster Bruder Jiwan Singh ebenfalls in die Armee eintrat und seinen
Wunsch äußerte zu heiraten, sprach sich Jaimal Singh nicht dagegen aus, sondern
sagte nur: “Warum willst du in dieses Gewebe eindringen, wenn es unserer
Familie nicht bestimmt ist weiterzubestehen?” Jiwan Singh heiratete, und ein
Jahr später wurde ihm ein Sohn geboren, der nach kurzer Zeit starb und dem
seine Mutter bald folgte. Dan Singh, der zweite Bruder, der den Hof führte,
war ebenfalls kinderlos, und so hatte sich Jaimals Vorhersage erfüllt. Andere Eigenschaften, die Jaimal Singh von den
meisten Menschen unterschied, waren seine unermüdliche Bereitschaft zu dienen;
seine ebenso große Nächstenliebe und Großzügigkeit. Genau wie Soamiji verteilte
er des öfteren Kleidung und andere unentbehrliche Dinge an Arme und Bedürftige.
Er hatte keine Feinde und betrachtete alle als seine Freunde. Seine besondere
Liebe galt jedoch den Armen und vor allem den Sadhus und Ergebenen des Herrn.
Während andere müßig waren oder Sport trieben, suchte er die Gesellschaft
solcher gottesfürchtiger Menschen, sorgte für ihre Bedürfnisse und erörterte
mit ihnen spirituelle Fragen. Weder in seiner Militärzeit noch danach machte er
Unterschiede zwischen den einzelnen Glaubensanschauungen, sondern behandelte
alle – Moslems, Christen, Sikhs oder Hindus – als ebenbürtig. Obwohl er
jederzeit Willens war zu helfen, materiell oder spirituell, hat er es immer
vermieden, im Mittelpunkt zu stehen. Schon als Kind war er für seine Bescheidenheit
bekannt, wobei sich die Leute zuweilen über seine Schüchternheit lustig
machten. Wenn er Sadhus begegnete, gab er sich damit zufrieden, ihnen
zuzuhören; selten widersprach oder kritisierte er. Traf er einen wahren Sucher,
war er gerne bereit, Probleme zu erörtern und zu klären; doch was immer er
wußte, schrieb er nie seinen eigenen Fähigkeiten zu, sondern der Gnade seines
unvergleichlichen Meisters. Seine Kleidung und Erscheinung waren einfach, aber
fein wie er selbst. Er war von mittlerer Größe, etwa 1,60 m, und kräftig
gebaut. Seine Stirn zeigte über dem rechten Auge eine knotige Erhöhung, und an
der Sohle des rechten Fußes hatte er ein Lotoszeichen, das Symbol wahrer
Spiritualität. Er besaß feine Gesichtszüge und eine helle Haut, ein
strahlendes Antlitz, dessen frische Farbe durch einen langen Vollbart betont
wurde, der sein leuchtend schwarzes Haar, abgesehen von ein paar vereinzelten
weißen Fäden, bis zum Ende beibehielt. Wenn er nicht in Dienstuniform war, trug
er einen weißen Turban nach Art der Jats (Landleute), einen weißen Muslin-Kurta
(loses Hemd) und eng anliegende Beinkleider der gleichen Farbe. Hielt er sich
mit seinen Gefährten im Quartier auf, hüllte er sich meist ganz zwanglos in
einen handgewebten, an der linken Seite befestigten Umhang, wickelte sein Haar
(das ihm lose bis zum Bund herunterfiel) in ein Handtuch und ging in Kharaon
(Holz- sandalen) oder Jooti (indischen Schuhen). Er war
einfach in seinen Gewohnheiten und genügsam hinsichtlich seiner Bedürfnisse.
Milch war sein bevorzugtes Nahrungsmittel, und besonders gern trank er
Ziegenmilch. Für sich selbst brauchte er nur wenig; seinen Verdienst gab er
größtenteils für wohltätige Zwecke oder zur finanziellen Unterstützung seines
Bruders. |