Was Simran ist, und wozu er dient

 

Die Verbindung mit dem Wort - der ewigen Musik - wird durch ein Leben des Simran ermöglicht oder durch das beständige Denken an Gott. Damit ist jedoch nicht ein bloßes mechanisches Gemurmel gemeint, denn dies lehnt der Meister ab.

 

Kabir sagt:

                       

Während man den Rosenkranz in der Hand hält und die

                        Zunge sich im Mund bewegt, gehen die Gedanken nach

                        draußen zu den äußerlichen Dingen. Das ist kein Simran.

 

Und nochmals:

                       

Einmal zankte der Rosenkranz mit mir und sagte:

                        Warum, o Mensch, drehst du mich dauernd in der Runde?

                        Dreh´doch die Perle deines Geistes, dann werde ich dich

                        mit dem alles durchdringenden Gott verbinden.

„Du sollst den Namen Gottes nicht mißbrauchen“, sondern ihn mit einer bestimmten Absicht nennen. Die beständige Erinnerung an den Herrn ist nur eine andere Form der Liebe.  Wenn du jemanden innig liebst, denkst du immer an ihn. Dieses beständige Denken an Gott ist es, was der Meister allen nahelegt; denn - wie du denkst, so wirst du.

 

Simran ist das Denken an Gott mit der „Zunge des Gedankens“ und mit einem von hingebungsvoller Liebe erfüllten Herzen, wobei man sich auf ein bestimmtes Zentrum im Körper konzentriert. Es ist ein Tun, bei dem man das Selbst auf einen Punkt sammelt und den Geist mit dem dauernden Gedanken an Gott beschäftigt, indem man jede Vorstellung an die objektive Welt ausschaltet. Das stete Verweilen in unserer Umwelt hat unser Gemüt so sehr erfaßt, daß wir das Denken an äußere Dinge auch nicht für einen einzigen Augenblick aufgeben können. Von Kindheit an haben wir diese Praxis in vollen Schwung betrieben, so daß sie sich nun zu einer regelrechten Lebensgewohnheit herausgebildet hat.

 

Gewohnheit ist die zweite Natur des Menschen, heißt es. In einer solchen Lage ist es nicht so einfach, das Gemüt von allem Äußeren abzuziehen. Je mehr man es versucht, desto widerspenstiger wird es und um so mehr läuft es den weltlichen Dingen nach. Es hat mit allem, was äußerlich ist, ein festes Bündnis geschlossen. Immer denkt es an das Ferne und Fremdartige und wird vom Zauber und Reiz der Welt fortgetragen. Welche Gewohnheit wir uns auch immer gebildet haben, wir können sie genauso gut wieder umbilden. Das Denken an die Welt und alles Weltliche ist der Ursprung der Bindung an diese äußerlichen Dinge. Der Meister gebraucht dieselben Mittel und Wege, wie Mutter Natur es tut, um uns an die äußere Welt zu binden: er richtet den Geist gänzlich auf ein Ziel aus. Der stete Gedanke an Gott, während man geistig bei dem heiligen Naam verweilt, zieht das Gemüt von der Welt ab und hält es an einer Stelle fest. Anfangs ist es schwierig, sich zu konzentrieren, denn es braucht Zeit, bis das Gemüt unter Kontrolle gebracht ist. Aber man sollte deswegen nicht entmutigt sein. Fehlschläge sind Schrittsteine zum Erfolg. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Wir müssen an den Vorgang festhalten, bis das Gemüt diesen Weg nimmt. Die Glorie von Naam erinnert immer an das höchste Ideal des menschlichen Lebens. Das Gemüt wird besänftigt und daran gehindert, in die Irre zu laufen.

 

Die fortwährende Erinnerung an Naam zieht das Gemüt von den äußeren Gegenständen ab und konzentriert es auf das Göttliche und Übernatürliche. Es festigt den Geist in sich, so daß ihn die Wünsche nicht nach außen ziehen können und die verführerischen Klänge der Welt ihre magische Anziehungskraft für ihn verlieren. Dieser Teil der Übung wird von Guru Nanak als Simran bezeichnet. Er hilft ferner beim Zurückziehen des Geistesstromes vom Körper zu seinem Sitz zwischen und hinter den beiden Augenbrauen, der Ajna Chakra genannt wird. Solange der Seelenstrom nicht vollkommen an einem Brennpunkt gesammelt ist, gibt es keinen weiteren Aufstieg der Seele. Der Vorgang des Zurückziehens vom Körper ist beim spirituellen Fortschritt unbedingt notwendig. Er wird durch die einfache vorbereitende Methode des Simran zustande gebracht. Und mit Hilfe eines Gurmukh-Meisters ist der Prozeß der Umkehrung und Selbstanalyse ganz leicht und einfach durchzuführen.

 

Die Saat, die bei der Entfaltung der Seele hilft, liegt im Simran. Nanak offenbart dieses Geheimnis im Schlußteil des Verses V, VI und XXIII und ausführlich in Vers XXXIII des Jap Ji. Wahrhaft begünstigt ist der, welcher sich immer der Segnungen seines Meisters erfreut.

Die Bindung an die äußere Welt kommt daher, daß wir uns in Gedanken dauernd mit ihr beschäftigen; denn der Mensch wird durch das Gesetz von Ursache und Wirkung an seine Umwelt gebunden. Alle Eindrücke, die in den Gemütsstoff eingegraben sind, müssen zu gegebener Zeit Frucht tragen. Dem kann keiner entgehen! Wir müssen diese Eindrücke auslöschen, indem wir dauernd an Gott denken und dies zum bindenden Grundsatz unseres Lebens machen. Bei der Seelenwanderung wird der Mensch in die Unterwelt gebracht, die ihn am meisten angezogen hat. Wenn du immer nur an den Herrn denkst, kann dich nichts an die Materie binden, und so hast du keine weitere Wiedergeburt zu erwarten.

 

Denn es ist gesagt:

                       

Mit Hilfe des Simran des Herrn brauchst du nicht durch

                        den Mutterleib zu gehen.

                                                                                                          Gauri Sukhmani M.5

 

Simran macht den Menschen beschaulich und gesammelt. Eine unvermeidliche Folge der Konzentration des Geistes in den inneren Ebenen sind außergewöhnliche Kräfte;

 

denn Ridhis und Siddhis (außergewöhnliche Kräfte) sind

                        Sklaven von Naam.

                                                                                                          Gauri M.5

 

Der Meister jedoch warnt den Schüler vor dem Gebrauch solcher Kräfte, da sie ihn zu äußeren Streben leiten und vom Ziel, das er sich gesetzt hat, ablenken. Durch Simran gelangt man zu wahrem Wissen, hoher Meditation und unfehlbarem Denken. Außerdem bewirkt Simran, daß man allmählich jeden Sinn für die Individualität verliert, die sich dann in dem grenzenlosen Sein auflöst und eine Art „bewußter“ Trance herbeiführt. Dieser Zustand ist unmöglich mit Worten zu beschreiben, aber er ist eine unbedingte Realität, die über dem Bereich des Todes liegt. Das Ego hat dann keinen Halt mehr, der Geistesstrom ist zurückgezogen, und man erhebt sich in einen Lichtschein. Der Körper scheint uns nicht mehr zu gehören. Unser Leben kann mit dem höheren Leben wie ein Funke mit der Sonne verglichen werden.

                       

Simran wäscht den Schmutz der Sünden

                        von der Seele weg.

                                                                                                          Gauri M.5

 

Man sollte Simran üben, um den süßen Nektar von Naam zu erhalten und sich seiner zu erfreuen.

 

Guru Nanak erklärte dies im einzelnen durch seine Schilderung in Vers XX des Jap Ji.

                       

Zuletzt hört man durch Simran die süßen Melodien

                        der unendlichen Musik des Universums (das Wort)

                        und macht unbeschreibliche Erfahrungen.

                                                                                                          Gauri M.5

 

Tennyson beschreibt in seiner Dichtung „Der alte Weise“, was allein schon durch die Wiederholung des eigenen Namens erfahren werden kann. In einem Brief verweist er auch auf das erhabene Leben, das er durch die Meditation über seinen eigenen Namen erlangte.

 

Er sagt:

                        Schon von Kindheit an erlebte ich eine Art Wach-Trance,

                        die ich hervorrief, indem ich tief in meinem Innern meinen

                        eigenen Namen so lange wiederholte, bis plötzlich

                        - gleichsam aus der Intensität des individuellen Bewußt-

                        seins - die Individualität selbst sich aufzulösen schien

                        und sich in ein grenzenloses Sein ergoß. Dieser Zustand

                        war keineswegs verwirrt, sondern ungewöhnlich klar und

                        wirklich, wenn auch in Worten nicht auszudrücken:

                        In diesem Zustand wäre der Tod eine Unmöglichkeit, eine

                        lächerliche Zumutung, und der Verlust der Persönlichkeit,

                        wenn es eine solchen gäbe, schien kein Auslöschen, sondern

                        das Leben an sich zu sein...ich fühle mich beschämt

                        ob dieser schwachen Beschreibung.

 

Aus dem Memoirs von Lord Tennyson

 

Der russische Zar Peter der Große war ebenfalls an Konzentration gewöhnt. Er verlor das Bewußtsein seiner Individualität völlig, wenn er sich auf seinen eigenen Namen konzentrierte. Der Meister jedoch empfiehlt den Simran des Herrn und nicht seines eigenen Namens. Meditationen über den eigenen Namen führen zum Eintauchen in das eigene Bewußtsein, das sehr klein ist im Vergleich zum höheren Bewußtsein Gottes.

 

Es gibt viele Arten von Simran. Mit Hilfe der Zunge ausgeübt, wird es 1.Beikhri genannt; in der Kehle, indem man mit der Zunge den Gaumen berührt, ist es als 2. Madhma bekannt; wenn im Rhythmus des Herzschlages, nennt man es 3. Pashhanti, und mit dem Atemzug geübt, kennt man es als 4. Para. Die letzte Art wird von den Yogis praktiziert.

 

Die Meister jedoch empfehlen sie nicht. Die ersten drei Methoden führen auch nicht zu völliger Konzentration, weil das Gemüt häufig umherschweift, während die Wiederholung rein mechanisch geschieht. Der Meister empfiehlt deswegen den mentalen Simran, der mit der Zunge des Gedankens ausgeführt und Zikre-i-Ruhi genannt wird.

 

Die Praxis des Simran beginnt mit der langsamen Wiederholung der objektiven Namen Gottes in einem geistigen Gleichgewicht. Zunächst ist der Vorgang rein objektiv, aber im Verlauf der Zeit wird er subjektiv. Dann hält der stetige Gedanke an Gott ohne Unterbrechung an.

 

Und darauf bezieht sich der Meister, wenn er sagt:

                       

O Nanak, ein Gurmukh beginnt die Wiederholung

                        von Naam nur einmal.

                                                                                              Gauri Sukhmani M.3

 

Hat man einmal damit begonnen, wird dieses Gedenken automatisch, dauernd und beständig, und man vergißt Gott niemals mehr.

                       

O Kabir, es liegt ein großes Geheimnis in der

                        Wiederholung des Gottesnamens, und das muß man

                        zu entdecken trachten;

                        denn viele sagen den Namen, ohne daß es fruchtet;

                        andere wieder mit erstaunlichen Ergebnissen.

                                                                                             

Shalok Kabir

 

Und wieder wird gesagt:

 

                        Alle wiederholen den Namen Gottes, aber keiner

                        kann sein Geheimnis ergründen. Nur wenn er dem

                        Geist durch die Gnade eines Gottmenschen eingeprägt

                        wird, erntet man die Frucht.

                                                                                              Gauri M.5

 

Laßt uns anhalten und zusammenfassen, was gesagt wurde, bevor wir fortfahren. Nach des Meisters Worten ist es der Sinn des menschlichen Lebens, völliges Einssein mit Gott zu erlangen. Ja, wir müssen uns mit der Quelle, von der wir einstmals ausgegangen sind, wieder vereinen. Doch wie das geschehen soll, ist die Frage.

                       

Das völlige Einswerden mit dem Herrn kommt zustande,

                        indem man Seinen Willen erkennt; Sein Wille aber wird

                        offenbar durch die Verbindung mit dem heiligen Naam;

                        Dies wiederum kommt durch ein Leben des Simran.

 

Frei werden von Egoismus, oder Demut, ist der Weg, welcher uns Seinen Willen durch Simran erkennen läßt. Es wurde bereits erwähnt, daß Simran beim Zurückziehen des Geistesstromes vom Körper hilft. Nur wenn man den Geist vollständig zurückgezogen hat, ist es der Seele möglich, in die höheren Bereiche aufzusteigen. Damit man dieses sowie das Mysterium des Selbst und des Universums versteht, ist eine kurze Erklärung erforderlich.

 


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