Das Jap Ji von
Guru Nanak Einführung Was ist das „ Jap Ji“? Das „Jap Ji“ ist die schönste
Hymne Guru Nanaks, die als Prolog zum Guru Granth Sahib erscheint, dem
umfangreichen biblischen Schatz der Sikhs, welcher 1400 Seiten umfaßt. Das „Jap
Ji“ legt die fundamentalen Prinzipien der Lehren Guru Nanaks dar und erklärt
die Mittel und Wege, durch die man Einssein mit dem Einen Wesen, dem Schöpfer
von allem, erlangt. Der Titel „Jap Ji“,
wie allgemein bekannt, ist im Original nur ein Wort, nämlich „Jap“, was Meditation
über ein bestimmtes Objekt bedeutet, und zwar in einem Ausmaß, daß man seine
individuelle Bewußtheit verliert und sich mit dem Gegenstand der Meditation
vereint. Bei diesem „Japa“ verwandelt sich der Meditierende in das Objekt und
verliert jeden Sinn für seine eigene, getrennte Existenz. Hier vermittelt das
„Wort“ die Vorstellung einer tiefen
Konzentration oder innerlichen Wiederholung des „Wortes“, und dies so weit, daß
jegliche Färbung des Ego im Menschen ausgelöscht und die Gottheit (Gott, der bereits
in ihm ist) in ihrem vollen Glanz hereingelassen wird - wobei das spirituelle
Leben den Platz der physischen Existenz einnimmt. Das bedeutet ein neues Leben
- ein Leben, das durch Meditation über das „ Wort“ erlangt wird, was uns in
enge Verbindung mit der „Ewig Seienden Quelle des Lebens“ bringt. Somit birgt
dieser Titel die Lösung des Mysteriums des Lebens selbst. Er ist wirklich
lebenspendend - wahres Leben gebend - durch den Kontakt mit dem göttlichen Wort
im Innern. Der allein lebt, o Nanak, der mit Ihm in Einklang ist; alle anderen sind tot. Majh
War M.1 Wenn du also nach einem Leben Verlangen trägst, das
wert ist, gelebt zu werden, dann verbinde dich mit dem göttlichen Wort, das
bereits in dir ist. Ohne die Verwirklichung Gottes im Innern ist der Körper nur
ein Blasebalg, der ohne Sinn und Zweck ein- und ausatmet. In Gemeinschaft mit
Ihm zu leben ist das Hauptziel, das der große Meister kundtut. Das „Jap Ji“ beginnt mit den Grundprinzipien des
Lebens und schließt, indem es die Substanz seiner Lehren vermittelt: Die
Gleichheit der Menschen in der Sicht Gottes, da alle mit gleichen Vorrechten
ausgestattet sind; ihre Annäherung und Absonderung zufolge ihrer jeweiligen Handlungen;
ihre endliche Befreiung durch die Verbindung mit dem göttlichen Wort, der
ewigen Musik; und die Kompetenz der Meisterseele andere zu erheben, damit sie
den ewig-aktiven Willen finden, der die Welt durchdringt. Es befaßt sich mit
den Ansichten verschiedener Geistesrichtungen, und durch Fragen und Gegenfragen
sucht es die eine Wirklichkeit, die hinter der ganzen Schöpfung am Werk ist, zu
bestätigen. Guru Nanak beginnt, indem er (in Vers. I, II und III
des Textes) den Grundsatz niederlegt, daß wir Seinen Willen zu dem unseren
machen müssen, um Einssein mit Ihm zu erlangen. Die Verbindung mit seinem
heiligen Naam - dem göttlichen Wort, das eine Emanation des Einen Wesens ist -
offenbart und Seinen Willen. Das heilige Naam ist die ewige göttliche Musik, die
durch die ganze Schöpfung hindurch erklingt. Das einzige, was dabei hilft, diese Verbindung
zustande zu bringen, ist Simran, das beständige Denken an Gott. Zusammen mit
den Anfangsschritten, welche den Erfolg sichern, um das Ziel zu erreichen (die
Befähigungen, die es dem Strebenden möglich machen, den Pfad der Wahrheit zu
beschreiten), und mit den verschiedenen spirituellen Ebenen, welche die Seele
zu überqueren hat, bevor sie Einssein mit dem Herrn erlangt, bildet dies das
Hauptthema der achtunddreißig Strophen de Textes vom „Jap Ji“. Das „Jap Ji“
ist eine Kompendium der Lehren des Meisters. Der Guru Granth Sahib, der größte
Schatz der Sikh-Literatur, ist in gewissem Sinne eine ausführliche Darlegung
dieser einleitenden Worte. Wir wollen jedes Thema, mit dem sich der Meister
befaßt, der Reihe nach aufnehmen und zu erklären suchen, wie er das Rätsel des
Lebens gelöst hat, das so viele schon verwirrte. So laßt uns die Geduld
aufbringen, alles sorgfältig zu studieren, denn dann können wir sehen, zu
welchen spirituellen Höhen der Meister jeden von uns ruft. Religion
objektiv und subjektiv gesehen So wie die Religion heutzutage aufgefaßt wird, ist
sie in hohem Maße mißverstanden. Gebete, die aus festgelegten Redewendungen
bestehen, gezwungenes Zeremoniell, zeitraubende Rituale, Festhalten an äußeren
Symbolen auf Kosten ihrer inneren spirituellen Bedeutung und Überlegenheit
eines Religionsbekenntnisses über das andere -, solche und ähnliche Sinnwidrigkeiten
haben sich den Namen der Religion widerrechtlich angeeignet. Eine Religion
führt gegen die andere Krieg; unter dem Vorwand von Meinungsverschiedenheiten
hinsichtlich der Mittel zur Erlösung kämpfen Brüder gegen Brüder. Wie oft
wurden im Namen der Religionen Blutvergießen, Falschheit, Haß, Intoleranz und
Bigotterie gepredigt, indes die wesentliche Aufgabe der Religion, die
Vaterschaft Gottes und die Bruderschaft der Menschen zu verkünden, gänzlich
unbeachtet blieb. Die Vernunft wurde völlig verbannt, und Religion
wurde zu einem bloßen Bekenntnis von Glaubensanschauungen und Dogmen. Worte
sind an die Stelle von Taten getreten. Die Religion scheint sich heute nicht
mehr mit veredelnden Fragen zu befassen, wie z.B. mit dem Wissen um das eigene
Selbst und der Verbindung mit dem göttlichen Ursprung. Das Suchen nach Gott
durch Anwendung äußerer Mittel, Wiederholungen von Wortformeln, Besuchen von
Wallfahrtsorten und Synagogen inmitten gefühlloser Herzen, läßt die Tiefe
deutlich erkennen, zu der die Religion herabgesunken ist. Viele gottbegnadete
Menschen der früheren Zeit empören sich über diese verhärteten Religionen und
ritualistischen regeln der Priesterschaft, wenn sie solchen Situationen
gegenüberstanden. Ist das nicht zutiefst bedauernswert? Es ist
wirklich ein trauriges Schauspiel. Zum Glück ist all das auf die menschliche
Unwissenheit bezüglich wahrer Religion zurückzuführen, die nichts gekünsteltes
und Gemachtes kennt. Eine Versklavung durch die Priesterschaft ist nicht das
Ziel der Religion. Ihr Ziel ist es nicht, den Menschen zu binden, vielmehr ihn
aus der Sklaverei zu befreien. Der Meister kündet eine Religion, welche die
Gleichheit der Menschen lehrt. Die Natur unterscheidet nicht zwischen einem
Hindu, einem Mohammedaner und einem Christen. Sie alle gehören der
Menschenfamilie auf Erden an. Guru Nanak ermahnt uns, dies, das heißt die Bruderschaft
der Menschen, als höchste Religion anzusehen (Vers XXVIII). Wir sollten alle Menschen als uns ebenbürtig
betrachten, ungeachtet ihrer Rasse und ihres Glaubens. Genau wie in einer
Schulklasse Kinder aller Glaubensrichtungen zusammensitzen, miteinander
spielen, einander lieben, dieselben Lektionen von ein und dem selben Lehrer erhalten,
so sollte auch die ganze Welt wie eine Klasse sein, und man sollte keinen
Unterschied machen bezüglich Rasse und Stand. Die Vaterschaft Gottes und die
Bruderschaft der Menschen ist das Wesentliche der Religion. Alle Menschen sind gleich, und es hat dabei nichts
zu sagen, ob sie im Kleid eines Hindu, Sikh, Mahammedaners, Juden, Christen,
Buddhisten oder Materiallisten gehen. Alle lebenden Wesen sind zu Deinen
Füßen, o Herr, und Du sorgst für sie alle. Was Dir gefällt, ist gut. Nanak betet auf diese Art zu Dir. Bilawal M.1 Der Meister liebt die Natur und paßt sich ihren
Gesetzen in jeder Weise an. Er kennt nichts Gemachtes oder Gekünsteltes. Die
Natur an sich ist wunderschön, wenn sie nicht durch den Menschen gepeinigt
wird. Aus diesem Grunde überläßt er es der Natur, für den äußeren Menschen zu
sorgen und ihn so gut es geht zu behüten. Die Mehrheit der Weisen des Ostens
wie des Westens: Christus, Buddha, Ramakrishna, und andere, wirkten nicht im
geringsten auf die Körperform ein, die ihnen die Natur gegeben hatte. Es gibt
tatsächlich keine höhere Religion als diese. Das ist nun der eine Gesichtspunkt
der Religion, die objektive Seite. Aber es gibt auch noch einen anderen,
welcher der subjektive genannt werden kann - die innere Seite davon, über die
wir überhaupt nichts wissen. In dieser Hinsicht lehrt uns der Meister, zu den
natürlichen Mitteln Zuflucht zu nehmen, um dadurch das subjektive Leben zu
entwickeln, das darin besteht, daß man in der Gottheit lebt und die Gegenwart
Gottes in der Seele verwirklicht. Dies ist Religion ihrer wahren Natur nach. Es
ist nicht nur ein mündliches Bekenntnis, sondern ein höchst praktischer
Wesenskern. Die erste Lektion, die es zu lernen gilt, ist, die
Existenz Gottes im Menschen zu verwirklichen und zu empfinden, nein - Seine
Gegenwart überall zu sehen. Es ist eine immer-aktives und bewegendes Prinzip,
das die ganze Schöpfung durchdringt und für das Bestehen des Universums
einsteht. Die Natur mit ihren unwandelbaren Gesetzen, ihrer Menge an Formen und
Erscheinungsarten, ist kein bloßes Zufallsgebäude. Dieses Universum wird von
einem höchsten Herrscher durchdrungen, der es lenkt und in Ordnung hält. Was immer der Mensch sät, muß er hier oder in
künftigen Leben ernten. Jeder ist dem Gesetz des Karma unterworfen, und keine
kann ihm entgehen. Das einzige hinreichende Mittel, um Befreiung von der
Gebundenheit an die unerbittlichen karmischen Gesetze zu erlangen, ist die
Verbindung mit dem heiligen Naam - dem göttlichen Wort, über das man zu den
Füßen eines Gurmukh, das heißt eines Meisters, belehrt wird. Sobald man das
verstanden hat, kann man den nächsten Schritt tun. Alle Menschen sind gleich und tragen den Funken
göttlichen Lichts in sich, der immer und ewig erstrahlt. Die Synagoge und die
Moschee, die Art, wie die Hindus Gott verehren, die Gebete der Moslems oder die
Gottesdienste der Christen sind alles nur verschiedenen Wege, um dem einen
höchsten Herrn Liebe zu erweisen. Wir alle spielen im Schoß von Mutter Natur und
werden von zwei Dienern betreut - dem männlichen und dem weibliche, Tag und
Nacht, eines das immer Aktive und das andere, das passive. Alle leben auf
derselben Erde und unter demselben azurblauen Himmelsgewölbe, atmen dieselbe
Luft und trinken dasselbe Wasser. In wenigen Worten: Alle werden durch dieselben
Elemente von Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther erhalten. Und wiederum erfreuen sich alle derselben Vorzüge.
Alle haben die gleichen Augen, um zu sehen, die gleichen Ohren, um zu hören,
die gleichen Glieder, um sich zu bewegen und die Kraft der Artikulation, um zu
sprechen. Keiner ist der natürlichen Werkzeuge beraubt, denn die Natur gewährt
allen die gleichen Möglichkeiten und bietet jedem denselben Schutz. Alle menschlichen Wesen, hier, dort und überall,
sind Kinder des einen Vaters und bilden die Glieder der unzerbrechlichen Kette
der Gottheit, wie die Perlen an der Schnur. Versucht man, nur eine von ihnen zu
beschädigen, wird die ganze Kette davon betroffen. Darum gebieten die Heiligen
nachdrücklich, niemanden zu verletzen. Wenn du nach Vereinigung mit dem
Herrn verlangst, dann quäle keines Menschen Herz. Shalok
Farid Guru Nanak sagt: Laßt jeden von uns Gleichheit mit
der ganzen Schöpfung atmen und mit grenzenlosem Mitleid, das aus dem Innersten
unseres Herzens kommt, auf die Welt schauen. Dies hat er in schönen Worten
kundgetan: O Nanak -
mögen wir uns auf dem Strom des heiligen Naam
(dem
göttlichen Wort) in Deine Gegenwart erheben und der ganzen Welt
nach Deinem Willen Frieden wünschen. Warum existiert dann all diese Verschiedenheit in
den äußeren Symbolen und dem Brauchtum der einzelnen Religionen? Der meister
erklärt, daß dies auf die jeweiligen Umstände und Sitten, die in den verschiedenen
Ländern herrschen, zurückzuführen ist. Es heißt: Die
Hindutempel und die Moscheen der Moslems, sind ein und dasselbe. Die Verehrungsweise der Hindus und
das Namaz der Moslems sind Ihm gleich. Die ganze Menschheit ist nur eine
Emanation derselben Lebensquelle. Die Unterschiede zwischen den
Menschen verschiedener Glaubensrichtungen - den Moslems,
Hindus und anderer - beruhen auf den Sitten und der
Lebensweise in ihren jeweiligen Ländern. Guru
Gobind Singh Nehmen wir ein Beispiel - den Hut abzunehmen, ist im
Westen ein Zeichen der Achtung, wohingegen es im Osten als Mißachtung angesehen
wird. Dies bringt offensichtlich den äußeren Unterschied in der Verehrungsweise
hervor. Die Christen wohnen ihren Gottesdiensten in der Kirche barhäuptig bei,
während die Gläubigen des Ostens ihre Gebete immer bedeckten Hauptes
verrichten. Auch die klimatischen Einwirkungen bestimmen die Art
des Rituals in erheblichem Maße. In Arabien, der Wiege des Islams, wird z.B.
wegen der dort herrschenden Wasserknappheit Namaz (das Gebet) nach Wazu
(Waschen von Gesicht, Händen und Füßen) verrichtet; aber wo es überhaupt kein
Wasser gibt, müssen sie mit Tayumum zufrieden sein, das heißt, mit dem Gebrauch
von Sand, um ihre Glieder vor dem Gebet zu säubern. Bei den Hindus in Indien
wiederum wird reichlich Wasser gebraucht, da es in Fülle zu haben ist, und so
gilt ein Bad vor der Ausübung religiöser Bräuche als unentbehrlich. Ähnlich
liegt der Fall mit der Kleidung und anderen Dingen. Diese örtlichen Sitten
haben sich auch auf die Religionen übertragen, die dort in Erscheinung getreten
sind, und das ist der Grund für die Unterschiede im Ritual und Brauchtum, denen
wir heute in den verschiedenen Religionen begegnen. Wiederum gibt es
Unterschiede im Temperament der Menschen in den verschiedenen Teilen der Welt.
Da jeder seinen eigenen Neigungen und seine eigene Denkweise hat, wäre es
einfach grausam, wenn man allen dieselben Ansichten aufzwingen wollte. Dieser
Tendenz zufolge haben wir die vielen Systeme und Geistesrichtungen, wie sie
heute existieren und sich im Laufe der zeit weiter vermehren werden. Alle sind
natürlich dafür gedacht, die Entwicklung des menschlichen Intellekts zu
fördern. Die Menschen müssen darum selbst wählen, was das beste für sie ist,
bis sie zuletzt zum subjektiven Aspekt der Religion kommen, der für die gesamte
Menschheit derselbe ist. Die subjektive oder wahre Religion bezieht sich auf
ein ewiges Prinzip und nicht auf äußere Formen und Sitten, und darum ist sie
universal. Sie besteht auf dem inneren spirituellen Fortschritt und heftet den
Geist nicht an äußere Formen. Es ist der eine Aspekt, wo sich alle Religionen
begegnen. Die gleiche Seite wird in den Lehren aller spiritueller Meister
angeschlagen, die bisher unsere Erde besucht haben. Auf den folgende Seiten
werden wir die Wahrheit bestätigt finden, indem wir Beispiele und Zitate
bringen, welche diese Ansicht stützen. Es gibt also zwei Aspekte der Religion: der eine ist
der äußere, welcher die Schale darstellt, und der andere der subjektive,
welcher den Kern oder die Substanz bildete. Der Mensch hat angefangen zu
erkennen, daß die äußere Religion nur eine soziale Reform für eine bestimmte
Klasse von Menschen anstrebt. Deren Fortschritt im Hinblick auf Religion, wobei
sich jede ihre eigenen Regeln und Gesetze, die es zu beachten gilt, aufstellt,
macht die Lebensführung leicht in Wohl und Weh. Es besagt, daß man alles allein
für den Dienst an dieser Klasse Menschen aufgibt. Dies ist erforderlich für den
Menschen, um in der Welt zu leben. Es hat die verschiedenen Gesellschaften und
Gemeinschaften, die man heute vorfindet, zur Folge. Man kann sie als soziale
Religion definieren. Die subjektive Religion hingegen ist ganz unabhängig
von irgendwelchen Gesellschaften und Gemeinschaften, obgleich diese den Oberbau
bilden, der auf dieser festen Grundlage steht. Entartung ist das Merkmal der
Zeit. Jene, von denen die sozialen Religionen ausgegangen sind und die sich der
subjektiven Seite ganz bewußt waren, haben Spuren der Wahrheit hinterlassen,
die durch die äußeren Riten und Bräuche hindurchscheinen, auf welchen sie begründet
sind. Im Verlaufe der zeit überliefern die Nachfolger einfach diese Regeln und
werden der großen und edlen Wahrheiten, um deretwillen sie einst ins Leben
gerufen wurden, immer mehr unkundig. Unter diesen Umständen nimmt das Haften an
äußeren Ritualen und Formen unvermeidlich den Platz der inneren Bedeutung ein,
die sie einmal symbolisierten. Somit verbleibt der materielle Aspekt, und die
Essenz geht verloren. Fanatismus, Bigotterie, Kastengeist und Sektierertum sind
die unaufhaltbare Folge, wie die Anhänger aller Religionen in der einen oder
anderen Form in ihrer Lebensweise verraten. Dies erklärt die Korruption, die in
die Religion eingedrungen ist und sie statt zu einem Band der Vereinigung zum
Zankapfel macht. Der subjektive Aspekt der Religion scheint durch die
lehren aller großen Schriften der Welt. Es gibt keine Religion, die nicht
wenigstens einen Funken Wahrheit in sich hätte. So müssen alle
Glaubensbekenntnisse von diesem Gesichtspunkt aus respektiert werden. Es ist
die subjektive Seite der Religion, die von allen Meistern gelehrt wurde. Sie
ist ein und dieselbe für alle; es gibt da keinen Unterschied zwischen
irgendwelchen Klassen und Glaubensgemeinschaften. Alle sind willkommen, an der
Wahrheit, ohne daß es ihrer jeweiligen Glaubensgemeinschaft schaden oder
irgendeinen Abbruch tun könnte. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil aller
Religionen und gewährt den Menschen eine tiefe Einsicht in ihre eigene Glaubensrichtung.
Die subjektive Religion ist nicht Sache der Bücher. Unsere eigenen Erfahrungen
sollen die Wahrheiten, welche in den verschiedenen Religionen gelehrt werden,
bestätigen. Wir wollen fortfahren, die innere Phase der Religion
zu untersuchen, so wie es Guru Nanak gemeint hat. Der Meister erklärt die grundlegenden Prinzipien. Es
gibt ein Wesen, welches der Schöpfer ist und der grundlose Urgrund von allem
ist. Durch seinen ewig-aktiven Willen, der alles durchdringt, hat Er das ganze
Universum geschaffen. Die Wissenschaftler sind nunmehr dabei, in der Vielfalt
der großen Welterscheinungen eine Einheit herauszufinden. Sie verfolgen die
ganze Schöpfung zurück zu dem einen ersten Urgrund, aus dem heraus sich alles
entfaltet hat. Daraus folgt unweigerlich, daß es nur eine Ursache gibt, die die
ganze Schöpfung erhält. Gleich der Sonne, welche die verantwortliche Kraft für
den Wechsel der Jahreszeiten und das Gedeihen der Pflanzenwelt ist, gibt es
auch ein Wesen, das für all die Phänomene der Welt verantwortlich ist. Der
Meister sagt: „Es gibt ein Wesen“. Das Zahlwort „eins“ wird nur angewandt, um
den Absoluten .- den Unaussprechlichen - zu bezeichnen. Da wir begrenzt sind,
drücken wir Ihn in begrenzten Worten aus. Du bist jenseits aller Begrenztheit, doch wir, die wir begrenzt sind, rühmen Dich mit begrenzten Worten. Wie können wir wissen, wie groß Du
bist? Sorath, M.5 Wer immer das Mysterium kennt, das
durch die Zahl „Eins“ ausgedrückt ist, wird
eins mit Ihm. Ramkali M.1 Was ist der
göttliche Wille und wie wird er offenbart? „Seinen Willen zu dem eigenen zu machen“ ist das
Mittel, durch das man Ihn erreichen kann. Der Wille selbst macht jede
Beschreibung unmöglich. Aber um uns wenigstens einen Begriff davon zu geben,
erklärt ihn Guru Nanak bis zu einem gewissen Grad in Vers II. Er kann als etwas
definiert werden, das das Universum erschafft und auflöst und das eine bewußte
Wesenheit im Hintergrund hat. Das Absolute ist unaussprechlich, unvorstellbar
und namenlos. Als Es ins Dasein kam, wurde Es „Wort“ oder „Naam“ genannt, das
der Urgrund aller Schöpfung ist. Das Wort kann als der alles durchdringende
Geist betrachtet werden, welcher die großen Erscheinungen der Welt zustande
bringt. Der Wille ist mit dem alles durchdringenden Geist identisch; aber wir
dürfen uns ihn nicht als blind vorstellen, denn er ist intelligent, empfindlich
und zielbewußt. Dieser immer aktive Wille, der durch die täuschende Materie
verhüllt ist, kann nur enthüllt werden, wenn man seinen persönlichen Willen auf
ihn abstimmt. Alle anderen Mittel versagen. Des Menschen Wege sind alle
vergebens. So sagt der Meister: Wer sich selbst Seinem
höchsten Willen überläßt, gelangt zum Ziel; nichts anderes
hilft, um dieses Ziel zu erreichen. Ramkali War M.1 Der göttliche Wille wird dem Menschen durch die
Verbindung mit dem heiligen Naam - dem göttlichen Wort - enthüllt. Die Wörter
Naam, Bani, Akath katha (unbeschreiblicher Gesang), Nad, Shabd, Gurmat wurden
vom Meister in seinen Gesprächen für die „eine bewußte Wesenheit“ gebraucht,
die hinter der ganzen Schöpfung wirkt. Der objektive
und der subjektive Aspekt von Naam Dieses Prinzip hat wiederum zwei Aspekte, von denen
der eine objektiv und der andere subjektiv ist. Der objektive bezieht sich auf
die verschiedenen Eigenschaften, die seiner Offenbarung zugehören. Er hat
seinen besonderen Wert, mit dem wir uns später unter dem Abschnitt Simran befassen werden. Der subjektive
Aspekt ist die „grundlegende Wirklichkeit“, die in allen religiösen Schriften
im Kern enthalten ist. Ohne sie kann es keine Schöpfung und keinen spirituellen
Fortschritt geben. Ohne sie kann auch nichts ins Dasein treten. Dies kann durch
ein einfaches Beispiel, sagen wir das des Wassers, verständlich gemacht werden.
Das Wort „Wasser“ ist der Name, aber nicht die Sache selbst, die es bezeichnet.
Genau so hat Naam oder das Wort seine zwei Aspekte, von denen der eine der Name
und der andere der bewußte Geist ist, der damit bezeichnet wird und der hinter
aller Schöpfung am Werk ist. Es ist sehr schwer, dies alles in Worten
auszudrücken. Naam, die subjektive Wirklichkeit, oder das Wort,
war von allem Anbeginn und vor aller Schöpfung. Es war ein „Namenloses Etwas“,
welches Gott war, von dessen bewußter Offenbarung ein Wunsch projiziert wurde,
was eine Vibration ergab und diese Vibration brachte sich selbst durch das
Licht- und Tonprinzip zum Ausdruck. Indem der bewußte Strom herabkam, bildete
er die spirituellen Ebenen. Beim weiteren Abstieg wurde er zum Urheber der
spirituellen-materiellen und der materiellen Schöpfungsebenen. Dieser
Bewußtseinsstrom ging von Gott aus und er ist der Schöpfer und Erhalter des
gesamten Universums mit seinen verschiedenen Ebenen und Unterebenen. Der
Begriff Shabd oder Wort wie Nanak ihn gebraucht, bezeichnet den spirituellen
Strom, der sich durch das Lichtprinzip zum Ausdruck bringt und in seiner ganzen
Fülle in den subtilen spirituellen Bereichen ertönt. Dieses Naam oder Wort
hilft bei der Erhebung des Geistes, der dem Wesen nach von der gleichen Substanz
wie Naam ist und durch das letztere angezogen wird; denn „der Geist ist der
Odem Gottes“ (Bibel). „Der Geist ist die Seele Gottes“ (Koran). Alle Heiligen,
die entweder vor oder nach Guru Nanak in die Welt gekommen sind, haben zum
Ruhme dieses schöpferischen Lebensprinzips oder des Wortes gesungen. Ein paar
Zitate werden den Leser von der grundlegenden Wahrheit überzeugen, die in allen
religiösen Büchern niedergelegt ist. Zeugnisse aus
den verschiedenen Religionen CHRISTENTUM: Johannes sagt darüber in seinem Evangelium: Am Anfang war das Wort, und das Wort
war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbige
war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch
dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist nichts
gemacht, was gemacht ist. Joh.1, 1-3 Der Himmel ist durchs Wort des Herrn
gemacht. Denn so er spricht, so geschieht´s; so er gebeut, so stehet´s da. Psalm 33,6 u.9 ... und trägt alle Dinge mit seinem
kräftigen Wort... Hebr.1,3 Das Gras verdorret, die Blume
verwelkt; aber das Wort unseres Gottes bleibet
ewiglich. Jes.40,8 Herr, dein Wort bleibt ewiglich,
soweit der Himmel ist. Psalm 119,89 Und Paulus sagt: Denn das Wort Gottes ist lebendig
und kräftig und schärfer denn kein zweischneidig Schwert, und
dringt durch, bis daß es scheidet Seele und Geist,
auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und
Sinne des Herzens. Hebr.4,12 HINDUISMUS: Nach den theologischen Schriften der Hindus ist die
ganze Schöpfung durch Nad entstanden. Sie nennen es auch Akash Bani (eine
Stimme, die vom Himmel herunterkommt); auch in den Veden, den ältesten
Schriften der Welt, finden wir Hinweise darauf. In den Upanishaden lesen wir
ebenfalls darüber wie z.B. in der Nad-Bind Upanishad, die sich damit in sehr
anschaulicher Weise befaßt. Die Hatha-Yoga Pradipika (Schrifttum über Hatha
Yoga) spricht ebenfalls über dieses Tonprinzip. Er hat den Beistand des Wortes
genommen, das heißt den wohlklingenden Ton. Chandogya Upanishad Möge der Yogi im Sidh Asan sitzen,
und während er Vaisnavi mudra übt, soll er den Ton
durch sein rechtes Ohr hören. Nad-Bind Upanishad Durch die Verbindung mit dem Wort
wird er taub für die äußeren Töne, und er wird Turiya Pad
oder einen Zustand des Gleichgewichts innerhalb von
vierzehn Tagen erlangen. Nad-Bind Upanishad Zuerst gleichen die brausenden Töne
jenen der Meereswogen, dem Fallen des Regens,
dem Rauschen des Baches, und dann wird Bheri gehört,
untermischt mit den Klängen der Glocke und der
Muschel etc. Nad-Bind Upanishad Madame Blavatsky, die Begründerin der Theosophischen
Gesellschaft, hat in ihrem Buch „Die Stimme der Stille“ erklärt, daß
verschiedene Töne gehört werden, wenn die Verbindung aufrechterhalten wird: Die erste ist gleich der süßen
Stimme der Nachtigall, die ihrem Gefährten ein
Abschiedslied singt. Die zweite naht wie der Klang einer Silberzymbel der Dhyanis, die die funkelnden Sterne erweckt.
Dem folgen die Klagelieder des Meeresgeistes, der
in einer Muschel ge- fangen ist. Und dann erklingen die
Weisen der Veena. Die fünfte ertönt im Ohr gleich dem
Ton einer Bambus- flöte. Diese wandelt sich alsbald in
Trompeten- geschmetter; es zittert wie das
dumpfe Rollen einer Gewitterwolke. Der siebente schluckt
alle anderen Töne; sie ersterben, und dann wird nichts
mehr gehört. ISLAM: Unter den Moslem Sufis ist es als Sultan-ul-azkar
(König der Gebete) bekannt. Ein anderer Sufi-Orden nennt es Sauti-i-Sarmadi
(göttlicher Gesang). Sie nenen es auch Nida-i-Asmani (der Ton, der vom Himmel
herunterkommt), Kalam-i-qadim (der uralte Ton) und Kalma oder Wort. Die
vierzehn Regionen wurden durch Kalma oder das Wort erschaffen. Khawaja Hafiz, ein großer Heiliger, sagt: Vom Himmelsstürmchen ruft es dich
nach Hause; doch gefangen in der Falle hörst du
es nicht. Keiner weiß, wo die Wohnstatt des
Geliebten liegt, doch bestimmt kommt das Geläut der
Glocken von dort
her... Nimm den Stopfen aus deinen Ohren und höre die Stimme der Befreiung,
die zu dir dringt. Hänge nicht an der materiellen Welt; das Elixier des Lebens kommt von
oben. Der Pulsschlag der Liebe, der in den
Himmeln ertönt, sendet den Seelen der Ergebenen
seine Segnungen. Maulana Rumi sagt in seinem Masnavi: Verbanne alle Skepsis aus deinem
Herzen und stimme dich ab auf die himmlischen
Weisen; so erlangt deine Seele Botschaften
von weither. Welche? - Schimmer des
Ungeoffenbarten. Wollte ich sprechen von diesen süßen
Melodien, würden sich selbst die Toten aus
ihren Gräbern erheben. Und wieder heißt es: Erhebe dich über den Horizont, o
tapfere Seele, und lausche den Melodien, die aus
den höchsten Himmeln herunterklingen. Der Prophet Mohammed sagt: Die Stimme Gottes dringt an meine
Ohren wie alle anderen Töne auch. Shah Niaz, ein anderer Moslem-Heiliger, erklärt: Die Seele ist der Wille und das
Geheimnis Gottes. Ihre Meditation geschieht ohne Hilfe von
Zunge und Gaumen. Doch leider bist du festgebunden im
physischen Kerker und kannst Gottes Wort nicht hören!
Mein Geliebter spricht die ganze Zeit zu dir; doch
wehe, du hörst Seine Stimme nicht. Das ganze Universum
klingt wider von dem Ton, und du brauchst nur die Tür
deines Ohres zu öffnen. Um das Ohr zu öffnen, genügt
es, nicht auf die äußeren Töne zu hören. Machst du es,
so wirst du den unaufhörlichen, endlosen Gesang
vernehmen. Er ist ewig, hat weder Anfang noch Ende, und
darum wird er Anhad (ohne Grenzen) genannt. Ohne dieses
Wort - die ewige Musik -, ein Ausdruck des
Unendlichen, wäre die Welt nicht entstanden. So verbinde dich
mit dem melodischen Klang und verliere dich in Ihn, o
kluger Mensch. Kabir Sahib kündet: Ohne das Wort, den Ton, oder
des Ewigen Sang kann die Seele nicht sehen. Wohin
könnte sie gehen? Da sie das Mysterium des Wortes
nicht ergründen kann, wandert sie von Ort zu Ort. Kabir Das Gemüt verlangt nach dem Bösen,
aber durch das Wort hält es der Meister davon
ab. Guru Teg Bahadur Mit der Hilfe des Wortes überquert
die Seele das endlose Meer der Materie; darum
verherrlicht der geringe Nanak Sein Naam (das Wort). Ram Kali M.1 Das Wort ist Erde und auch Äther. Beide haben ihr Sein durch das Wort. Dieses Wort drückt sich auch noch
durch andere Aspekte aus. Die ganze Schöpfung existiert durch
das Wort. O Nanak! Dieses endlose Wort klingt in jedem Herzen wider. Janamsakhi M.1 Das alles durchdringende Wort hat
meinen Geist angezogen. Was habe ich noch zu bedenken? Die
Verbindung der Seele mit dem Wort bringt ewige Wonne mit
sich. Einssein mit dem Herrn bewirkt das Wesen von
Freude und Frieden. Sri Rag M.1 Ich bin befreit, der Gottmensch hat
meine Fesseln gelöst. Durch die Verbindung der Seele mit
dem Wort erwarb ich den prächtigen Ehrensitz. O Nanak!
Das alles durchdrin- gende Naam oder Wort wohnt allen
Herzen inne. Die Gemeinschaft mit dem Gurmukh schafft
die Verbindung mit Ihm. Malar M.1 Weit entfernt, am anderen Ufer ist
mein Geliebter. Des Gottmenschen Wort allein bringt
die Seele hinüber. In der Gemeinschaft der Heiligen hat
der Mensch alles und bereut niemals. Tukhari M.1 Wie kann der Unwissende an das
Prinzip der Vereinigung der Seele mit dem Wort gelangen?
Ohne die Verbindung mit dem Wort kommt und geht die
Seele immer wieder. O Nanak! Der Gurmukh, der selbst
befreit ist, wird dem barmherzigen Gesetz des Herrn
gerecht. Maru M.1 Die Schöpfung wie die letztliche
Auflösung des Universums wird durch das Wort verursacht; und
durch das Wort tritt es von neuem in Erscheinung. Majh M.3 Durch pures Glück wird der Herr
unser. Das endlose Lied (das Wort) erklingt
überall und weist den Weg zu Seinem Reich. Bilawal N.5 Das Wort schuf alle weltlichen und
himmlischen Systeme. Gauri M.5 Tulsi Das sagt: Der ist der wahre Heilige, der über
das Geheimnis des göttlichen Wortes (des Ewigen Sang)
spricht. Er hat das Unerkennbare und Unausdenkbare erforscht
und hat Bani (des Ewigen Sang) verwirklicht. Doolan Sahib erklärte: Das Wort ist das Schloß und auch der
Schlüssel dazu. Mit den Ketten des Wortes sind alle
verbunden. Der Herr wohnt der Form des Wortes inne, und
ich verneige mich zu seinen Füßen. Und von Charan Das hören wir: Seit ich das grenzenlose göttliche
Lied (Anhad) hörte, das durch alles hindurch ertönt, sind
die „Indriyas“ (Sinnes- organe) des Wanderns müde, und das
Gemüt gab all seine Verzweigungen auf. Alle Wünsche sind
erfüllt. Wie von Sinnen habe ich mich an das Wort
verloren und völliges Einssein mit Ihm erlangt. Soami Shiv Dayal Singh Ji beschreibt das Wort wie
folgt: Der Ton oder das Wort ist die
Grundursache und der Inbegriff von allem. Die drei Regionen und auch die
vierte hat das Wort hervorgebracht. Wort und Geist sind desselben
Ursprungs, sie kommen beide aus dem Namenlosen
Einen. Es ist die Ursache und auch die
Wirkung; alles wurde durch das Wort gemacht. Das Wort ist der Lehrer wie auch der
Schüler, und es erklingt in jedermanns Herz. Das Wort ist das Wasser, und es ist
auch der Fisch. Kabir sprach nur von diesem Wort. Nanak und Tulsi taten dieselbe
Wahrheit kund. Der König und Sein Gesandter sind personifiziertes Wort. Radha Soami (der Herr des Geistes) sagt: Mein tapferer Sohn, lausche dem
Wort. Das Wort (der Ton) erschallt und tönt in der ganzen
Schöpfung wider. Es gibt keinen Ort, an dem es nicht ist. Es klingt im
lebendigen Tempel des menschlichen Körpers. Das Wort ist das Bindeglied
zwischen Mensch und Gott. So ist jeder Körper die Wohnstatt des Allmächtigen.Es
ist das heilige Naam - das Wort -, das alle Poren unseres Körpers durchdringt.
Mit seiner Hilfe müssen wir unsere Schritte zurückverfolgen zu der Quelle, von
der wir ausgegangen sind. Dies ist wahrhaftig der einzige Weg zurück zu Gott.
Einen anderen gibt es nicht. Der Meister sagt: Wenn wir und den unzähligen äußeren
Formeln und Ritualen hingeben, können wir dem
inneren Feuer des Verhaftetseins nicht entkommen. Du
magst Millionen Wege gehen und zahllose Systeme
schaffen; doch nicht ein einziges findet Geltung in Seinem
Reich. Das Wort zieht uns von den äußeren Bindungen weg und
geht wieder zu seinem Ursprung zurück. Es ist der Weg, den Guru Nanak lehrte
und ebenso die neun Sikh-Gurus, die nach ihm kamen. Namdev, Ravidas, Kabir und
andere, deren Schriften im Guru Granth Sahib ihren Platz fanden, waren alle
Lehrer des Surat Shabd Yoga oder der Wissenschaft von der Verbindung der Seele
mit dem Wort. Es gab noch weitere, wie Dhruva, Prehlad, Tulsi, Shamas Tabrez,
Maulana Rumi, Hafiz Shirazi und Soami Shiv Dayal Singh lehrten jeder zu seiner
Zeit dieselbe Wahrheit. Das heilige Naam oder das Wort, kann von jedermann
praktiziert werden, und zwar ohne die Tätigkeit der Zunge oder des Gaumens. Es
erfordert keine Bindung an die äußeren Vorschriften einer sozialen Religion.
Das Wort kann definiert werden als der Geistes-Strom, der von dem Einen Wesen
ausgeht. Während seines Abstiegs bildet es alle spirituellen und materiellen
Ebenen und ertönt innerhalb und außerhalb derselben. Da die niedrigeren Ebenen
weniger subtil sind und stofflicher als die oberen, wechselt das Wort
dementsprechend im Ton, indem es herabsteigt. Es muß durch fünf Ebene hindurch
und nimmt demzufolge fünf verschiedene Ton-Arten an. Es sind somit fünf Aspekte
ein und desselben Wortes. Guru Nanak befaßt sich in Vers XV des Jap Ji sehr
ausführlich damit. Der ganze Guru Granth Sahib ist voll von schönen
Schilderungen, die das Wort erläutern. Es gibt da keine Hymne, die nicht von
Ihm spricht. Ein paar Zitate mögen an dieser Stelle genügen. Für erschöpfende
aussagen wird dem Leser nahegelegt, die umfangreiche Schatzkammer selbst in
Anspruch zu nehmen. Durch den
Ratschluß der ewig dahingleitenden Feder des Schöpfers wurden wir nach den
Unterweisungen des Meisters mit dem Herrn verbunden.
Wir hörten die fünf Töne, die in Seiner Gegenwart
erklangen, und so erfreuten wir uns der Verbindung mit dem
Herrn. Mali M.5 Tag und Nacht bin ich mit dem Herrn
verbunden, und dies mit völlig überzeugtem Herzen.
Der Tempel meines Körpers wurde dadurch verschönt. Es
erklingen die fünf Töne der grenzenlosen Musik - des
Wortes. Suhi M.1 Die fünf Töne werden hörbar nach den
Unterweisungen eines Gurmukh - des personifizierten
Wortes. Groß ist das Glück dessen, der sie hört. Ich
sehe, wie die Quelle des Friedens und der Freude (das Wort)
alles durchdringt. Durch das Wort trat der Herr in
Erscheinung und offen- barte sich. Kanra M.4 Die fünf Töne der unbegrenzten Musik
(das Wort) er- klingen in mir. Ich werde von ihnen
angezogen wie der Sarang (Seevogel) beim Anblick von
Wasser. So wird Dein Sklave Kabir in Dir, o Herr,
dem Unerkennbaren, der jenseits des menschlichen
Begreifens liegt, verherrlicht. Parbhati Kabir Der Herr, der sich in den fünf Tönen
des Wortes offenbart, ist gekommen. Guru Nanak sagt: Er ist der wirkliche Lehrer, der die
wahre Heimat im Tempel des Körpers zeigt, in dem
fünf verschiedene Ton- stöme erklingen, und der einen
Hinweis auf das heilige Naam gibt. Malar War M.1 Das Wort ist der Guru. Die Seele ist
der Schüler des Wortes - des wohlklingenden
Gesangs. Ramkali M.1 Alle Diener, die den fünf Tönen
begegnen, werden Gurmukhs (oder ergebene Schüler) und
erreichen ihre wahre Heimat im Innern. Wer durch
die Praxis des Wortes seine wahre Heimat findet, dem wird
Nanak wahrhaft dienen. Malar War M.1 Bhai Gurdas, ein Sikh-Weiser, sagt uns in
unmißverständlichen Worten: Diese fünf Töne werden gehört, wenn
wir uns über den aus fünf Elementen geschaffenen Körper
erheben. Wenn die Sphäre der fünf Elemente
überschritten ist, hörst du die
fünf Töne mit ihrer lieblichen und machtvollen Melodie. Die anderen Heiligen haben über dasselbe Thema auf
gleiche Weise gesprochen. So sagt Shamas Tabrez: Tagtäglich ertönen die fünf Trommeln
an Seiner Schwelle, die von Seiner Größe künden. Wer dieses Trommelschlagen hört, ist
befreit von Neid und Egoismus und überschreitet die
Endlichkeit. Hafiz Sahib erklärt: Bringe dich selbst zum Schweigen und
lausche dem Klang der fünf Trompeten, der aus dem
Himmel herunter- dringt - vom Himmel, der über allen
Himmeln liegt. Ich legte das Ohr meiner Seele an
die Schwelle meines Herzens und hörte das
verhüllte Mysterium; aber ich sah keinen, der seinen Mund
auftat. Kanra M.4 Die
unterschiedlichen Töne Es gibt viele Töne, die in den verschiedenen
Regionen der Schöpfung erklingen und widerklingen. Sie lassen sich in zwei
Kategorien einteilen: 1) Töne, die von der linken Seite kommen. Dies sind
negative und materielle Töne, die mit den jeweiligen eingewurzelten Keimen der
inneren Neigungen zusammenhängen. Der Ergebene wird von diesen Tönen wohl oder
übel angezogen. Wenn man von einem dieser verführerischen Töne, die von der
linken Seite kommen, bezaubert wird, findet man sich in die tiefste Tiefe eines
bodenlosen Abgrunds der Leidenschaft geworfen, dem der bestimmte Ton, dem man
folgt, zugeordnet ist. Denn diese Töne haben einen Zug nach außen und nach
unten. Durch eine solch mißliche Lage wird die Arbeit von Jahren fruchtlos, und
die Umstände sind gegen die Pilgerseele. Deswegen muß man diesen Tönen
unbedingt ausweichen, denn sie führen vom spirituellen Pfad weg. 2) Die anderen Töne kommen von der rechten Seite.
Sie gehören den spirituellen Ebenen an und sind somit positiver Natur und rein
spirituell, mit dem charakteristischen Zug nach innen und oben. Diese zwei Ton-Arten sind sich sehr ähnlich und
gleichen einander so sehr, daß man sie tatsächlich nur schwer voneinander
unterscheiden kann. Maulana Rumi ermahnt uns daher, in der
Unterscheidung der rechten Töne Sorgfalt walten zu lassen, und sagt: Es gibt Töne niedrigerer Natur,
welche den höheren Tönen sehr ähnlich sind; doch sie haben einen
Zug nach unten und treiben einen in den Abgrund. Die besonderen Töne, die den Zug nach oben haben,
sind fünf an der Zahl, wie die verschiedenen Heiligen festgestellt haben; sie
können durch ihre Gnade erfaßt und in Gemeinschaft mit ihnen berührt werden.
Diese Töne tragen die Wirkung der spirituellen Ebenen in sich, von welchen sie
ausgehen, und rufen so bei dem, der mit ihnen in Verbindung kommt, die gleiche
Wirkung hervor. Sie haben dazu ihre eigenen himmlischen Melodien. Ihre
berauschenden Weisen entpersönlichen die Seele, indem sie sie von den
Geschehnissen des irdischen Lebens befreien. Wer sich dem Feuer nähert, wird gewärmt, und dabei
hat es nichts zu sagen, ob er es aus eigenem Antrieb tut oder nicht. So kann
das heilige Naam oder der göttliche Gesang dich nur dann beeinflussen, wenn du
ihm nahe kommst, ob du es willst oder nicht und ganz gleich, ob es zur rechten
oder zur unrechten Zeit ist. Die Kraft Gottes kann nicht anders als dich
beeinflussen, wenn du einmal mit ihr in Verbindung kommst. Die äußere Musik hat auf alle lebenden Wesen einen
unglaublichen Einfluß. Sie nimmt die schwere Last der bedrückenden Sorgen und
der Ratlosigkeit weg, unter welcher man unaufhörlich stöhnt, und vertreibt
jeden Gedanken an sie. Sie wäscht durch die wohlklingenden Melodien den Schmutz
des Alltags fort und nimmt die Seele gefangen. Sie zieht das Gemüt von dem
lärmenden Trubel der objektiven Welt zurück und sammelt es auf natürliche Weise,
ohne Zuflucht zu irgendwelchen künstlichen Methoden zu nehmen. Musik ist
wahrlich immer die Kunst der Heiligen gewesen. Welche Leidenschaft kann
Musik nicht erwecken oder stillen? Dryden So wunderbar ist die Wirkung der äußeren Musik. Wie
groß wird dann erst der Zauber der inneren göttlichen Melodien sein? Sie haben
ihren eigenen, unnachahmlichen Reiz. Sie sind überreich an spiritueller
Vitalität, welche die Menschen über alle Leiden und Schmerzen hinweghebt, die
das Fleisch ererbte. In Sturm und Drangsal kann man sich auf die inneren Töne
abstimmen und unversehrt durch die drückenden Auswirkungen des weltlichen
Lebens kommen. Die spirituellen Töne sind eine Hilfe auf dem
spirituellen Pfad, und ein kompetenter Meister gibt bei der Initiation
vollgültige Instruktionen darüber, wie sie sich von einer Ebene zur anderen
unterscheiden und wie man sie auf der Weiterreise zu den höchsten spirituellen
Bereichen ergreifen kann. Hierin liegt die Notwendigkeit für eine Meisterseele,
denn sie ist es, die Hari Naam, das göttliche Wort, in die Tiefen der Seele
einflößt. Ohne den Meister bleibt der Ewige Gesang immer ein
verhülltes Mysterium, zu dem es keinen Zugang gibt. Da er die personifizierte
Musik ist, liegt es innerhalb seiner Zuständigkeit, sie zu offenbaren und
hörbar zu machen und so den Menschen zum Thron des Allmächtigen zu leiten. Ein Gurmukh
(Heiliger) kann durch die belebende Einwirkung seines eigenen
Lebensimpulses (das heilige Naam) Millionen Seelen
befreien. Sorath M.3 Definition von
Trübsal und Freude Es ist eine Sache allgemeiner Erfahrung, daß wir uns
selbst vollkommen vergessen, wenn wir von etwas gänzlich in Anspruch genommen
sind. Diesen gesegneten Zustand des Selbstvergessenens erreichen wir nur, wenn
wir die Aufmerksamkeit festigen; und in dem Augenblick, in dem wir wieder davon
abgekommen sind, empfinden wir unsere Umwelt und lassen uns selbst durch
bedeutungslose Dinge des Lebens erregen. Da wir unser ganzes Leben lang Freude
in den weltlichen Dingen suchten, haben wir uns mit ihnen identifiziert. So
wissen wir auch nichts von der echten und dauerhaften Glückseligkeit, die
entfernt von diesen in den Tiefen unseres eigenen Selbst oder der Seele liegt.
Es wird niemals gelingen, uns der sogenannten weltlichen Freude zu entwöhnen,
solange wir uns nicht nach innen kehren, um etwas Besseres zu kosten. Die ganze Welt geht irre in der Suche nach dem
Zentrum wahrer Glückseligkeit und Wonne. Die materiellen Dinge können uns wegen
des beständigen Wandels, dem sie ihrer Natur nach unterworfen sind, kein Glück
geben. Zudem haben die äußeren Dinge als solche keine Freude in sich; es ist
vielmehr unsere eigene Bindung an sie, die uns angenehme Empfindungen bereitet.
Aber die Dinge haben ihrer vergänglichen Natur entsprechend dem wechselnden
Panorama des Lebens zu folgen. Durch diesen kaleidoskopischen Wechsel wird
natürlich das Gemüt verwirrt und zerstreut und ist darum sehr häufig
unglücklich. Ewige Wonne und wahres Glück kann man nur erlangen, wenn man sich
mit etwas verbindet, das in sich beständig, unwandelbar und ewig ist. Die schwindenden Reize von „Mutter Natur“ können dem
Menschen kein Glück im wahren Sinne des Wortes verschaffen. Darum sagt Guru Nanak: Wer auch immer
nach ewiger Freude sucht, möge sie im alles durchdringenden Geist
(Naam) suchen. Shalok M.9 Um das Gemüt von den nach außen strebenden Sinnen zu
befreien, muß es mit den lieblichen Symphonien der inneren Musik der Seele, dem
Wort, das in und durch alles hindurch erklingt, in Einklang gebracht werden. Da
die Musik ewig ist, wird unsere Bindung an sie eine ewige sein, und wir werden
dabei keinen Wandel und keinen Schmerz erleiden. Das Gemüt wird nicht weiter
den äußeren Dingen nachlaufen, wenn es einmal von den Tönen der ewigen Musik
gefangen genommen ist. Mit ihrer Hilfe erhebt sich die weltmüde Seele in die
höheren spirituellen Regionen. Das Wort hat sein eigenes, ihm angeborenes
strahlendes Licht und seinen Klang, der unbeschreiblich süß ist. Wo eine
Vibration ist, hört man einen Ton. Auch das Licht ist eine unvermeidliche Folge
der Vibration, denn Licht und Ton gehen Hand in Hand. Wo funkelndes Licht ist, dort ertönt
die endlose Musik. Sorath Namdev Guru Nanak hat sich mit den zahllosen Wohltaten, die
einem aus der Verbindung mit dem inneren Ton, dem Wort, zukommen, in Vers VIII
bis XV des Jap Ji befaßt. Vorteile, die
sich aus der inneren Verbindung der Seele mit Naam oder dem Surat Shabd Yoga
ergeben Diese Segnungen können nach physischen, moralischen,
mentalen und spirituellen Gesichtspunkten eingeteilt werden. Naam hält Körper und Gemüt in einem Zustand der
Ausgeglichenheit. Seine Ergebenen haben vollkommenen Frieden, und die
Verästelung des Gemüts werden für alle Zeiten beseitigt. Alles Begehren
verliert seinen Einfluß auf das Gemüt. Der Verstand wird beruhigt, er setzt der
verheerenden Hast ein Ende, und damit schwinden alle nervösen Spannungen und
alle mentalen Mühen und Belastungen. Naam verleiht Immunität gegen alle
körperlichen und weltlichen Leiden und Sorgen. Wenn man die Aufmerksamkeit nach
innen zurückzieht, wird das Gemüt ruhig, und die Seele wird von allen mentalen
Konflikten frei. Selbst die Ichsucht - die älteste Krankheit des Menschen -
verliert sich in nichts, und damit nimmt der beständige Tanz des Kommens und Gehens
in dieser Welt ein Ende. Der Prozeß der Seelenwanderung ist nur der natürliche
Begleitumstand des selbstbestimmenden Willens oder der Ichsucht. Guru Nanak sagt darum: Immer wenn man
glaubt, daß das kleine „Ich“ die Dinge tut, nimmt man die nie endende Rolle
eines immer-aktiven Handelnden an, der für sein Tun
verantwortlich ist, und verfängt sich in dem
verwickelten Netz der Seelen- wanderung. Gauri Sukhmani M.5 Das einzige Mittel, um diesem endlosen Zyklus der
Geburten und Tode zu entgehen, ist somit das Ausmerzen des Ego. Es ist ein
eindeutiger Prüfstein derjenigen, die das Einssein mit der ewig-existierenden
Gottheit, dem spirituellen Strom, der die Welt durchdringt, verwirklicht haben.
Alle unternommene Arbeit, die der gänzlichen Selbstbtötung dient, ist darum ein
Bemühen in der rechten Richtung. Man nennt es Loslösung der Seele von den
Wechselfällen des Lebens oder Befreiung von allem, was weltlich ist. Mit einem
Wort, das Geheimnis liegt in der Entpersonifizierung der Seele von allem, was
an ihr persönlich ist, denn dann trifft man die Wurzel allen Übels. Die
Empfehlungen, welche für dieses Verlieren des „Ich-Bewußtseins“ heutzutage die
Welt überfluten, lassen uns das Ziel, die Befreiung, nicht erlangen. Denn mit
solchen Methoden nährt sich nur das Ego und wird immer stärker, ohne das es
ausgelöscht würde. Solange man nicht ein bewußter Mitarbeiter am göttlichen
Plan ist, kann man nicht selbstlos werden. Die bloße Tatsache, daß wir da sind, erweckt den
Wunsch in uns, den Lebensvorgang zu begreifen. Wieso und woher sind wir
gekommen, und was geschieht nach dem Tode, ist die Frage. Die Entdeckung der
Evolutionstheorie durch die moderne Wissenschaft befriedigt uns nicht ganz,
denn sie befaßt sich nur mit dem Physischen und gibt keine Rechenschaft über
die höheren Schöpfungsebenen, das heißt über die spirituellen Bereiche. Die
alten Weisen erkannten, daß es keine Evolution ohne Involution geben kann. Die
Wahrheit dessen, daß nichts aus dem Nichts kommen kann, beweist, daß die Involution
der Evolution vorausgeht. Um die letztere zu erkennen, müssen wir die erstere
verstehen; so wie wir die Ursache kennen müssen, damit wir um die Auswirkung
wissen. Beides ist voneinander untrennbar. Der grobstoffliche Körper ist nicht alles. Er hat noch
zwei andere, feinstoffliche Körper in sich, den astralen und den mentalen, die
aus feinerem und weniger zerstörbarem Stoff zusammengesetzt sind. Diese Körper
bestehen aus Gemüt, Intellekt und dem Sinn des kleinen Ego „Ich“. In ihnen sind
alle in den verschiedenen Lebensläufen gesammelten Eindrücke aufgespeichert.
Nur wenn man den inneren Menschen studiert, kann man das Geheimnis der
Evolution verstehen. Die Seele kämpft ständig, um die Bindung an die Materie
und das Gemüt von sich abzuschütteln und sich zu Gott emporzuschwingen, von dem
sie ausgegangen ist. Dieser Kampf kann nur ein Ende finden, wenn sie sich über
die drei Regionen - die physische, astrale und kausale - erhebt und jeden Sinn
für die Ichheit verliert, der die Ursache der Seelenwanderung ist. Huxley sagt: Wie die Lehre der Evolution selbst,
so hat auch die Seelenwanderung ihre Wurzeln im
Bereich der Wirklichkeit. Nur übereilige
Denker werden dies mit der Begründung der ihr
anhaftenden Vernunftwidrigkeit ablehnen. Das Auslöschen des Ich kann nur durch die Verbindung
mit Shabd, dem Wort, vollbracht werden, wie es durch den Meister dargelegt
wurde; ein anderes Mittel gibt es nicht. Er sagt: 1) O Nanak! Durch die Gnade des
Meisters wurden wir errettet, und das Ego wurde in der
Verbindung mit Shabd (dem Wort) verzehrt. Vadhans
War M.5 2) Die ganze Welt wird in der
Ichsucht verzehrt - so geht sie immer durch den Zyklus der
Geburten und Tode. Die Unwissenden (jene, die dem
kriecherischen Wesen des Gemüts verhaftet sind) erkennen
Shabd nicht. Sie werden als Entehrte in die
andere Welt gehen. Sri
Rag M.3 3) Die ganze Welt geht irre in der
selbstischen Behauptung ihrer Ichheit. Ohne Shabd (das
Wort) gibt es keine Befreiung vom Ego. O Nanak,
durch die Verbindung mit Naam wird das Ego
ausgelöscht und Einssein mit dem wahren Herrn
erreicht. Asa
M.3 4) Die ganze Welt liegt in den
Banden von Freude und Leid, und all ihr Tun wird durch die
Ichsucht beeinflußt und gelenkt. Ohne Shabd (das Wort) hört der Aberglaube nicht auf zu bestehen, und
das Ego kann nicht vergehen. Sri
Rag M.3 5) Alle Wunschhaftigkeit und alle
Gebundenheit wird durch Shabd aufgelöst. Der Gurmukh findet
das himmlische Licht im Innern. Ramkali
M.1 Wahrer innerer Verzicht gelingt nur durch die
Verbindung mit Shabd. Die Natur mit all ihren dahinschwindenen Reizen verfehlt,
auf den Entsagenden anziehend zu wirken. Wenn man alles aufgibt, dringt man in
den alles durchdringenden Geist ein. Die Fesselung an die Umwelt wird zunichte,
und die Bindung an die Materie hört auf. So erwarten den Menschen keine weiteren
Geburten und Tode mehr. Das Sinnenleben und der Zauber der Welt faszinieren ihn
nicht mehr auf seinem Weg zu Gott. Der Meister sagt: Durch die Sättigung mit dem wahren
Shabd (Wort) entsagt der Mensch wirklich der Welt, und
sein Kommen und Gehen nimmt eine Ende. Maru
M.3 Diese Loslösung aus der Gebundenheit wird ebenfalls
allein mit Hilfe von Shabd erlangt. Was immer einer tut, ist dann nur im Sinne
der Pflichterfüllung getan und ohne Bindung an die sich daraus ergebenden
Früchte. Die Grundursache allen Elends beruht auf der Tatsache des
Verhaftetseins des Menschen. In unserer Unfähigkeit, uns von allem loszusagen,
werden wir durch alles, was wir tun, gefangen gehalten. Wir müssen uns die
Kraft, von allen Dingen losgelöst zu bleiben, vorbehalten, seien sie auch noch
so kostbar oder mögen wir auch noch so sehr nach ihnen verlangen. In der Bhagavad Gita heißt es: Arbeite unaufhörlich, arbeite, ohne
an die Frucht gebunden zu sein. Lerne so das
Geheimnis der Arbeit kennen. Was ist es, das uns zu der Kraft, uns loszulösen,
verhilft? Nichts anders als die Verbindung mit Shabd. Der Meister sagt darum: Nur der ist wahrlich ungebunden, der sich mit Shabd verbindet. Majh M.5 Und wieder: Die Seele ist bis zum Rande
angefüllt mit dem Lebensstrom, der aus dem Ursprung aller Dinge
kommt, was sie von Tag zu Tag feiner werden läßt. Dies
setzt sie in die Lage sich auf höhere spirituelle Ebenen
zu erheben, bis sie an ihrem göttlichen Ziel in Sach Khand
angelangt. Hier, über den Grenzen der Zerstörung durch
Pralaya (Auflösung) und Maha Pralaya (Große Auflösung),
wird ihr die vollkommene
Einswerdung mit dem Formlosen Ewigen zuteil. Nunmehr ist der Mensch mit allen höheren und
übernatürlichen Kräften ausgestattet. Er kennt den Geist der Schriften, als
Geheimnis der Einswerdung, des Mysteriums vom Selbst und von Gott und wird so zur Wohnstatt aller
Tugenden. Er ist überglücklich zur Todeszeit, ungleich jenen, die dann in
schrecklichen Todesqualen liegen; denn er war daran gewöhnt, die Lebensströme
vom Körper aus freien Stücken zurückzuziehen. Er wird vor all dem qualvollen
Leid, das den Todesprozeß begleitet, bewahrt. Es ist dieser Vorgang des Zurückziehens des Geistes
vom physischen Körper, der uns durch alle Heiligen eingeschärft wird, und er
ist absolut notwendig für den Sucher, um Zugang zu den höheren Bereichen zu
finden. Guru Nanak sagt: Erreiche die
Heimat, die es nach dem Tode zu erreichen gilt, bei Lebzeiten durch das
Zurückziehen des Geistes vom Körper. Sri Rag M.3 Nanak, stirb (ziehe den Geist
zurück) noch während du lebst; einen solchen Yoga sollst du
üben. Suhi M.1 Und Dadu erklärt: Dadu, stirb (ziehe deinen Geist
zurück), bevor du tot bist. Alle Menschen sterben auf die
gewöhnliche Weise. Lerne zu
sterben, auf daß du zu leben beginnen kannst. Dadu Ji Stirb, (ziehe deinen Geist zurück)
bevor du tot bist. Koran Maulana Rumi hat genau erklärt, was dieser Tod
bedeutet, wenn er sagt: Stirb o Freund, bevor du tot bist,
wenn du das ewige Leben willst; allein durch einen solchen
Tod erreichte Adris (ein Heiliger) den Himmel vor uns. Du hast dich sehr bemüht, aber noch
ist der Schleier der Materie nicht entzwei; denn den
wirklichen Tod hast du nicht gefunden. Solange du nicht stirbst, kann dein
Kommen und Gehen nicht enden. Bist du nicht die höchste Sprosse
der Leiter erklimmst, kannst du den Gipfel nicht
erreichen. Oder wie einer, der nur 99 Meter
Schnur hat, nicht Wasser in seinen Eimer bekommen kann, wenn
der Brunnen hundert Meter tief ist. Bis du den Geist nicht völlig vom
Körper zurückziehst, ist der Zyklus der Geburten und Tode
nicht beendet. Laß das flammende Licht deiner Lampe
(Seele) sich im Glanz des Morgens verlieren. Solange die Sterne nicht verborgen
sind, sei versichert, bleibt auch die Sonne
außer Sicht. Genau so, o kluger Mensch, tritt der
Herr nicht in Erscheinung, solange der Schleier
der Materie nicht zerrissen ist. Darum wähle den Tod und reiße den
Schleier dadurch entzwei. Dieser Tod ist nicht derselbe, der
dich ins Grab bringt. Er ist nur ein Zurückziehen des
Geistes - eine Umwand- lung, um dir ein nach oben
ausgerichtetes Leben zu verleihen. Mustafa sagt zu dem Sucher des Mysteriums: Er wünscht dich tot zu sehen, damit
du das ewige Leben haben kannst. Auf daß du dich
während des Lebens auf Erden bewegst und deine
Seele beim Tod himmelwärts fliegt. Die Seele hat ihre Heimat in den
hohen Himmeln; und wenn sie sich einmal
zurückgezogen hat, erwartet dich keine Wiedergeburt
mehr. Weil er gelernt hat, seinen Geist
bei Lebzeiten zurückzuziehen, kann dieser Tod
nicht mehr als eine Möglichkeit verstanden werden. Solange du nicht stirbst, welchen
Vorteil kannst du haben? Geh hin und stirb, damit
du die Frucht deines Erdenlebens ernten kannst. Dies ist das Mysterium vom Sterben
vor dem Tod, und daß durch einen solchen Tod die
Gnade des Herrn herabkommt. Kabir läßt uns wissen: Der Tod, vor dem die ganze Welt
zurückschrickt, ist mir willkommen; ich freue mich
darüber, denn er ist ein Vorbote vollkommenen
Friedens und Glücks. Shalok Kabir Eine so befreite Seele geht dem Tod mehr als den
halben Weg entgegen. Zur Zeit des Scheidens vom Körper zieht der Mensch die
Sinnesströme freudig zurück, denn er hat sich in täglicher Übung daran gewöhnt.
Ein solcher Tod ist dann nicht von Leid und Schmerz begleitet, wie es alle
anderen im letzten Augenblick erwartet. Die Hindu-Schriften beschreiben den
Schmerz beim Verlassen des Körpers als einen von tausend Skorpionen, die alle
zusammen zur selben Zeit stechen. Die Moslems vergleichen ihn mit dem Schmerz,
der empfunden würde, wenn man ein Dornenbüschel durch den Verdauungskanal vom
Rektum bis zum Mund hindurchziehen würde. Natürlich war jeder einmal Augenzeuge
der Todesqualen an einem Sterbebett. Zuletzt erlangt er Zugang zur Wohnstatt
des Herrn. Somit ist er durch die Verbindung mit Shabd errettet und kompetent,
vielen anderen zu den höchsten Höhen der Spiritualität zu verhelfen. Die Anwendung dieser Praxis wird Surat Shabd Yoga -,
Yoga des Tonstromes-, die Verbindung mit dem Herrn genannt. Sie ist das einzige
wirksame Mittel, das Guru Nanak für die Befreiung der Seele von der
Gebundenheit an das Gemüt und die Materie angegeben hat und womit das letzte
völlige Eissein mit Gott erreicht wird. Er sagt: Lebe in der Welt, unberührt von ihr
wie eine Lotosblume, die den Kopf über den schlammigen
Teich hält; oder wie ein Wasservogel, der sich in die Lüfte
erhebt, ohne daß seine Schwingen vom Wasser benetzt sind. O
Nanak, der Surat Shabd Yoga (die Verbindung der
Seele mit dem Wort) ist das einzige Mittel, durch
welches man sicher über das endlose Meer der Materie
gelangen kann - so bring dich in Einklang mit ihm. Ohne
Verbindung mit Shabd (das Wort) kannst du Gott nicht finden,
und dein Kommen in die Welt war vergebens. Ohne Shabd kann keiner das göttliche
Ziel erreichen. Alle Mühe, die darauf verwandt wird, eine Verbindung
mit Shabd zu erlangen, ist eine Anstrengung in der rechten Richtung. So heißt es im Guru Granth Sahib: Ist man mit
Shabd verbunden, hat man den Herrn gefunden. Alles Mühen des Menschen
in dieser Richtung ist von Erfolg gekrönt. Es gibt keinen
anderen Weg als diesen. Was Simran
ist, und wozu er dient Die Verbindung mit dem Wort - der ewigen Musik -
wird durch ein Leben des Simran ermöglicht oder durch das beständige Denken an
Gott. Damit ist jedoch nicht ein bloßes mechanisches Gemurmel gemeint, denn
dies lehnt der Meister ab. Kabir sagt: Während man den Rosenkranz in der Hand hält und die Zunge sich im Mund bewegt, gehen die
Gedanken nach draußen zu den äußerlichen Dingen.
Das ist kein Simran. Und nochmals: Einmal zankte
der Rosenkranz mit mir und sagte: Warum, o Mensch, drehst du mich
dauernd in der Runde? Dreh´doch die Perle deines Geistes,
dann werde ich dich mit dem alles durchdringenden Gott
verbinden. „Du sollst den Namen Gottes nicht mißbrauchen“,
sondern ihn mit einer bestimmten Absicht nennen. Die beständige Erinnerung an
den Herrn ist nur eine andere Form der Liebe.
Wenn du jemanden innig liebst, denkst du immer an ihn. Dieses beständige
Denken an Gott ist es, was der Meister allen nahelegt; denn - wie du denkst, so
wirst du. Simran ist das Denken an Gott mit der „Zunge des
Gedankens“ und mit einem von hingebungsvoller Liebe erfüllten Herzen, wobei man
sich auf ein bestimmtes Zentrum im Körper konzentriert. Es ist ein Tun, bei dem
man das Selbst auf einen Punkt sammelt und den Geist mit dem dauernden Gedanken
an Gott beschäftigt, indem man jede Vorstellung an die objektive Welt
ausschaltet. Das stete Verweilen in unserer Umwelt hat unser Gemüt so sehr
erfaßt, daß wir das Denken an äußere Dinge auch nicht für einen einzigen
Augenblick aufgeben können. Von Kindheit an haben wir diese Praxis in vollen
Schwung betrieben, so daß sie sich nun zu einer regelrechten Lebensgewohnheit
herausgebildet hat. Gewohnheit ist die zweite Natur des Menschen, heißt
es. In einer solchen Lage ist es nicht so einfach, das Gemüt von allem Äußeren
abzuziehen. Je mehr man es versucht, desto widerspenstiger wird es und um so
mehr läuft es den weltlichen Dingen nach. Es hat mit allem, was äußerlich ist,
ein festes Bündnis geschlossen. Immer denkt es an das Ferne und Fremdartige und
wird vom Zauber und Reiz der Welt fortgetragen. Welche Gewohnheit wir uns auch
immer gebildet haben, wir können sie genauso gut wieder umbilden. Das Denken an
die Welt und alles Weltliche ist der Ursprung der Bindung an diese äußerlichen
Dinge. Der Meister gebraucht dieselben Mittel und Wege, wie Mutter Natur es
tut, um uns an die äußere Welt zu binden: er richtet den Geist gänzlich auf ein
Ziel aus. Der stete Gedanke an Gott, während man geistig bei dem heiligen Naam
verweilt, zieht das Gemüt von der Welt ab und hält es an einer Stelle fest.
Anfangs ist es schwierig, sich zu konzentrieren, denn es braucht Zeit, bis das
Gemüt unter Kontrolle gebracht ist. Aber man sollte deswegen nicht entmutigt
sein. Fehlschläge sind Schrittsteine zum Erfolg. Wo ein Wille ist, da ist auch
ein Weg. Wir müssen an den Vorgang festhalten, bis das Gemüt diesen Weg nimmt.
Die Glorie von Naam erinnert immer an das höchste Ideal des menschlichen
Lebens. Das Gemüt wird besänftigt und daran gehindert, in die Irre zu laufen. Die fortwährende Erinnerung an Naam zieht das Gemüt
von den äußeren Gegenständen ab und konzentriert es auf das Göttliche und
Übernatürliche. Es festigt den Geist in sich, so daß ihn die Wünsche nicht nach
außen ziehen können und die verführerischen Klänge der Welt ihre magische
Anziehungskraft für ihn verlieren. Dieser Teil der Übung wird von Guru Nanak
als Simran bezeichnet. Er hilft ferner beim Zurückziehen des Geistesstromes vom
Körper zu seinem Sitz zwischen und hinter den beiden Augenbrauen, der Ajna
Chakra genannt wird. Solange der Seelenstrom nicht vollkommen an einem Brennpunkt
gesammelt ist, gibt es keinen weiteren Aufstieg der Seele. Der Vorgang des
Zurückziehens vom Körper ist beim spirituellen Fortschritt unbedingt notwendig.
Er wird durch die einfache vorbereitende Methode des Simran zustande gebracht.
Und mit Hilfe eines Gurmukh-Meisters ist der Prozeß der Umkehrung und
Selbstanalyse ganz leicht und einfach durchzuführen. Die Saat, die bei der Entfaltung der Seele hilft,
liegt im Simran. Nanak offenbart dieses Geheimnis im Schlußteil des Verses V,
VI und XXIII und ausführlich in Vers XXXIII des Jap Ji. Wahrhaft begünstigt ist
der, welcher sich immer der Segnungen seines Meisters erfreut. Die Bindung an die äußere Welt kommt daher, daß wir
uns in Gedanken dauernd mit ihr beschäftigen; denn der Mensch wird durch das Gesetz
von Ursache und Wirkung an seine Umwelt gebunden. Alle Eindrücke, die in den
Gemütsstoff eingegraben sind, müssen zu gegebener Zeit Frucht tragen. Dem kann
keiner entgehen! Wir müssen diese Eindrücke auslöschen, indem wir dauernd an
Gott denken und dies zum bindenden Grundsatz unseres Lebens machen. Bei der
Seelenwanderung wird der Mensch in die Unterwelt gebracht, die ihn am meisten
angezogen hat. Wenn du immer nur an den Herrn denkst, kann dich nichts an die
Materie binden, und so hast du keine weitere Wiedergeburt zu erwarten. Denn es ist gesagt: Mit Hilfe des
Simran des Herrn brauchst du nicht durch den Mutterleib zu gehen. Gauri Sukhmani M.5 Simran macht den Menschen beschaulich und gesammelt.
Eine unvermeidliche Folge der Konzentration des Geistes in den inneren Ebenen
sind außergewöhnliche Kräfte; denn Ridhis
und Siddhis (außergewöhnliche Kräfte) sind Sklaven von Naam. Gauri M.5 Der Meister jedoch warnt den Schüler vor dem
Gebrauch solcher Kräfte, da sie ihn zu äußeren Streben leiten und vom Ziel, das
er sich gesetzt hat, ablenken. Durch Simran gelangt man zu wahrem Wissen, hoher
Meditation und unfehlbarem Denken. Außerdem bewirkt Simran, daß man allmählich
jeden Sinn für die Individualität verliert, die sich dann in dem grenzenlosen
Sein auflöst und eine Art „bewußter“ Trance herbeiführt. Dieser Zustand ist
unmöglich mit Worten zu beschreiben, aber er ist eine unbedingte Realität, die
über dem Bereich des Todes liegt. Das Ego hat dann keinen Halt mehr, der
Geistesstrom ist zurückgezogen, und man erhebt sich in einen Lichtschein. Der
Körper scheint uns nicht mehr zu gehören. Unser Leben kann mit dem höheren
Leben wie ein Funke mit der Sonne verglichen werden. Simran wäscht
den Schmutz der Sünden von der Seele weg. Gauri M.5 Man sollte Simran üben, um den süßen Nektar von Naam
zu erhalten und sich seiner zu erfreuen. Guru Nanak erklärte dies im einzelnen durch seine
Schilderung in Vers XX des Jap Ji. Zuletzt hört
man durch Simran die süßen Melodien der unendlichen Musik des Universums
(das Wort) und macht unbeschreibliche
Erfahrungen. Gauri M.5 Tennyson beschreibt in seiner Dichtung „Der alte
Weise“, was allein schon durch die Wiederholung des eigenen Namens erfahren
werden kann. In einem Brief verweist er auch auf das erhabene Leben, das er
durch die Meditation über seinen eigenen Namen erlangte. Er sagt: Schon von Kindheit an erlebte ich
eine Art Wach-Trance, die ich hervorrief, indem ich tief
in meinem Innern meinen eigenen Namen so lange wiederholte,
bis plötzlich - gleichsam aus der Intensität des
individuellen Bewußt- seins - die Individualität selbst
sich aufzulösen schien und sich in ein grenzenloses Sein
ergoß. Dieser Zustand war keineswegs verwirrt, sondern
ungewöhnlich klar und wirklich, wenn auch in Worten nicht
auszudrücken: In diesem Zustand wäre der Tod eine
Unmöglichkeit, eine lächerliche Zumutung, und der
Verlust der Persönlichkeit, wenn es eine solchen gäbe, schien
kein Auslöschen, sondern das Leben an sich zu sein...ich
fühle mich beschämt ob dieser schwachen Beschreibung. Aus dem
Memoirs von Lord Tennyson Der russische Zar Peter der Große war ebenfalls an
Konzentration gewöhnt. Er verlor das Bewußtsein seiner Individualität völlig,
wenn er sich auf seinen eigenen Namen konzentrierte. Der Meister jedoch
empfiehlt den Simran des Herrn und nicht seines eigenen Namens. Meditationen
über den eigenen Namen führen zum Eintauchen in das eigene Bewußtsein, das sehr
klein ist im Vergleich zum höheren Bewußtsein Gottes. Es gibt viele Arten von Simran. Mit Hilfe der Zunge
ausgeübt, wird es 1.Beikhri genannt; in der Kehle, indem man mit der Zunge den
Gaumen berührt, ist es als 2. Madhma bekannt; wenn im Rhythmus des
Herzschlages, nennt man es 3. Pashhanti, und mit dem Atemzug geübt, kennt man
es als 4. Para. Die letzte Art wird von den Yogis praktiziert. Die Meister jedoch empfehlen sie nicht. Die ersten
drei Methoden führen auch nicht zu völliger Konzentration, weil das Gemüt
häufig umherschweift, während die Wiederholung rein mechanisch geschieht. Der
Meister empfiehlt deswegen den mentalen Simran, der mit der Zunge des Gedankens
ausgeführt und Zikre-i-Ruhi genannt wird. Die Praxis des Simran beginnt mit der langsamen
Wiederholung der objektiven Namen Gottes in einem geistigen Gleichgewicht.
Zunächst ist der Vorgang rein objektiv, aber im Verlauf der Zeit wird er
subjektiv. Dann hält der stetige Gedanke an Gott ohne Unterbrechung an. Und darauf bezieht sich der Meister, wenn er sagt: O Nanak, ein
Gurmukh beginnt die Wiederholung von Naam nur einmal. Gauri Sukhmani M.3 Hat man einmal damit begonnen, wird dieses Gedenken
automatisch, dauernd und beständig, und man vergißt Gott niemals mehr. O Kabir, es
liegt ein großes Geheimnis in der Wiederholung des Gottesnamens, und
das muß man zu entdecken trachten; denn viele sagen den Namen, ohne daß
es fruchtet; andere wieder mit erstaunlichen
Ergebnissen. Shalok Kabir Und wieder wird gesagt: Alle wiederholen den Namen Gottes, aber
keiner kann sein Geheimnis ergründen. Nur
wenn er dem Geist durch die Gnade eines
Gottmenschen eingeprägt wird, erntet man die Frucht. Gauri M.5 Laßt uns anhalten und zusammenfassen, was gesagt
wurde, bevor wir fortfahren. Nach des Meisters Worten ist es der Sinn des
menschlichen Lebens, völliges Einssein mit Gott zu erlangen. Ja, wir müssen uns
mit der Quelle, von der wir einstmals ausgegangen sind, wieder vereinen. Doch
wie das geschehen soll, ist die Frage. Das völlige
Einswerden mit dem Herrn kommt zustande, indem man Seinen Willen erkennt;
Sein Wille aber wird offenbar durch die Verbindung mit
dem heiligen Naam; Dies wiederum kommt durch ein Leben
des Simran. Frei werden von Egoismus, oder Demut, ist der Weg,
welcher uns Seinen Willen durch Simran erkennen läßt. Es wurde bereits erwähnt,
daß Simran beim Zurückziehen des Geistesstromes vom Körper hilft. Nur wenn man
den Geist vollständig zurückgezogen hat, ist es der Seele möglich, in die
höheren Bereiche aufzusteigen. Damit man dieses sowie das Mysterium des Selbst
und des Universums versteht, ist eine kurze Erklärung erforderlich. Drei große
Aufteilungen und ihre Grundzüge Guru Nanak sagt, daß die Schöpfung in drei große
Hauptbereiche aufgeteilt ist. Der erste ist die „Region der
Wahrheit und des reinen Geistes“, die nicht mit Materie
vermischt ist. Ramkali M.5 Hier gibt es nur Geist, und die Materie fehlt
gänzlich. Es ist der Bereich, in dem der Herr selbst weilt, und er kann als die
rein spirituelle Region bezeichnet werden. Diese ist frei von der Heimsuchung
durch Tod und Zerstörung. Wer dieses Gebiet erreicht, erlangt die wahre Erlösung. Der Meister sagt: Wenn du einmal die wahre Region des
Formlosen erreichst, kommst du in die Wohnstatt ewiger
Freude und immer- währenden Friedens. Sorath M.1 Der Formlose weilt in der rein
spirituellen Region. Jap Ji, Vers XXXVII Die zweite große Aufteilung besteht aus reinem Geist
und einer subtilen Form von Materie in variierendem Grad. Der obere Teil wird
Par Brahmand genannt, und man kann den Geists darin mehr mit den subtilen
Formen der Materie vergleichen. Im niederen Teil, genannt Daswan Dwar, sind
beide (Geist und Materie) zu gleichen Teilen vertreten. Es ist die Region des
Universalen Bewußtseins, und wird von
den verschiedenen Meistern mit unterschiedlichen Namen bezeichnet. Hier sind
Geist und Materie in subtilster Form vermischt, und letztere ist dem
vorgenannten völlig untergeordnet. Der Geist dominiert in dieser Region und ist
die höchste Kraft darin. Diese Region unterliegt der Umwandlung bei der
Zerstörung des Universums in der Auflösung (Praylaya1). In dieser Region ist
der Mensch sicherer als in der darunter liegenden. Die dritte Region ist die große Aufteilung von Geist
und Materie in ihrer gröbsten Form; sie wird And genannt. Sie umschließt
Trikuti und die Sahasrar-Ebenen. Es ist der Bereich von Maya oder der Materie.
Hier hat die Materie die Oberhand, und der Geist ist ihr so sehr untergeordnet,
daß er sich von ihr für seine Offenbarungen abhängig glaubt. Wegen seiner Verbundenheit
mit der Materie hat er auf dieser Ebene ungeahntes Leid zu erdulden und ist dem
Gesetz der Wiederverkörperung unterworfen. Diese beiden Unterteilungen werden
auch als Kal und Maha Kal bezeichnet. Wenn man sich über das Körperbewußtsein erhebt,
befindet man sich zunächst in And (der dritten großen Aufteilung), überall von
Materie umgeben. Danach muß man zu Brahmand, der Region des Universalen
Bewußtseins, aufsteigen. Dort fühlt man sich bedeutend wohler, aber noch ist
man gefeit gegen Gefahr und Verderbnis. Die erste Region, oder der sichere
Hafen ist Sach Khand oder der Bereich der Wahrheit, der für Maha Kal oder die
große Auflösung unerreichbar ist. Dies ist kurz eine Skizze des Makrokosmos, des großen
Weltuniversums. Die gleichen drei Aufteilungen sind im Menschen in einem
Miniaturausmaß zu finden. Wenn man etwas über den Makrokosmos wissen will, muß
man erst den Mikrokosmos kennen. So sagt Guru Nanak: Alles ist im
Körper: die spirituelle Region, die himmlischen Ebenen und die
materiellen Bereiche. Im Körper weilt der höchste Herr,
der alles erhält. Im Körper lebt der Formlose, der
Unbegreifliche, jenseits des menschlichen Gsichtskreises.
Jene, die nur körperliche Augen haben, suchen Ihn vergeblich
in den äußeren Dingen. Im Körper ruhen die kostbaren
Kleinodien der Gottheit. Im Körper gibt es alle materiellen
Reiche und Ebenen. Der Körper birgt den Schatz des
heiligen Naam, der nur durch Meditation über das Wort des
Meisters erlangt wird. Im Körper findet man alle
Gottheiten: Brahma, Vishnu und Shiva, wie die ganze Schöpfung selbst. Rag Suhi M.3 1: Im Pralaya wird die materielle Welt aufgelöst; im
Maha Pralaya die feinstofflichen Welten. Ein anderer Heiliger sagt: Brahmand befindet sich im Menschen
in einem Miniaturausmaß, und wer es sucht,
wird es finden. O Pipa, die höchste Wahrheit kann
nur durch den Meister erkannt werden. Dhanasri Pipa Diese Tatsache
wird auch von den Moslem-Heiligen verkündet: Der Makrokosmos ist im Mikrokosmos,
und so gelangst du zu Gott. Im menschlichen Körper finden sich die Aufteilungen,
auf die oben Bezug genommen wurde, in einem Miniaturausmaß wieder. Der Mensch ist
ein Abriß der drei großen Schöpfungsbereiche 1. Der Geist oder die Seele repräsentiert die Region
des spirituellen Bereichs. 2. Das Gemüt oder die Mentalebene bezieht sich auf
den Bereich des Universalen Bewußtseins. 3. Der physische Körper und die materiellen Ebenen
bestehen aus drei Körpern: dem kausalen, dem australen und dem grobstofflichen. ·
Der
grobstoffliche ist das fleischliche Kleid, das wir tragen. Es besteht aus
grober Materie und groben Sinnes- und Betätigungsorganen: Augen, Ohren, Nase,
Zunge, Haut, Ausscheidungs- und Zeugungsorgane. Es wird beim Tod abgelegt. ·
Der
Astralkörper besteht aus feiner Materie und feinstofflichen Organen und wird im
Traumzustand aktiv. Innerhalb dieses Körpers befindet sich das Gemüt. ·
Der
Kausalkörper ist die Grundursache der vorher erwähnten beiden Körper. Seine
Betätigung ist auf den Tiefschlaf beschränkt. Die letzteren beiden Körper zusammen mit dem Gemüt
existieren nach dem Tode weiter und schaffen bei jeder Wiedergeburt eine neue
Form oder ein anderes physisches Kleid. So existiert der Makrokosmos im Mikrokosmos
des menschlichen Körpers. Das Wissen um den letzteren dient als Mittel, den
ersteren zu verstehen. Wenn einer darin fortschreitet, die Region des Geistes
in seinem Innern zu erlangen, indem er diese Umhüllung ablegt, kann er
jeglichen Schmerz und alles Leid abwerfen und sich immerwährender Wonne und
unsagbaren Friedens erfreuen. Ein materielles Leben ist lauter Elend, dem man
nicht entgehen kann, solange man nicht in der Lage ist, sich davon zu lösen. Somit ist es erforderlich, die spirituelle Region zu
erreichen, denn dies allein kann zur Stätte ewiger Freude und höchster
Glückseligkeit führen, selbst wenn man noch in diesem physischen Körper lebt.
Nur wenn man vom Tonstrom des heiligen Naam (der ewigen Musik im Menschen)
getragen wird, kann dieser Zustand mit Hilfe eines wahren Meisters erreicht werden.
Das heilige Naam - das Wort - kommt von der höchsten spirituellen Ebene, der
Region der Wahrheit, auf die materiellen Ebenen herunter. Es ist die
„Rettungsschnur“, welche die Seele in die Ebene, die jenseits des Bereichs der
Auflösung liegt, führt. Alle anderen Mittel reichen nicht aus, um das Ziel zu
erlangen. Das Reich Gottes ist in deinem Innern, so suche es
dort! Es ist in deinem begrenzten Körper, wo die Verbindung mit dem Wort
hergestellt werden kann; und dies bringt dich zuletzt in die Region der ewigen
Wahrheit „Sach Khand“. Die
Möglichkeit der Verbindung der Regionen des Mikrokosmos mit denen des Makrokosmos Nun wollen wir sehen, ob die Möglichkeit besteht,
den Mikrokosmos und den Makrokosmos zu verbinden. Wie festgestellt wurde, ist
der Mensch ein Abriß des Makrokosmos. Es gibt Nervenzentren im Menschen, die
sich in einem schlafenden Zustand befinden und die durch die Praxis des
göttlichen Wortes - das Tonprinzip - belebt werden können. Es sind sechs reflektierende Zentren in Pind oder
dem physischen Körper, die mit den sechs Zentren in Brahmand oder dem Kosmos
übereinstimmen. Diese sind wiederum Reflektionen derer in Par Brahm oder der
rein spirituellen Region. Die niedrigen sechs Zentren sind die Ganglien im
Rektum, Zeugungsorgan, Nabel, Herz, Kehle und das sechste in der Mitte zwischen
den beiden Augenbrauen, das Til oder Ajna (siehe Vers XXI des Jap Ji) genannt
wird und der Sitz der Seele im Menschen ist. Von hier aus kommt der Geistesstrom
in den Körper und gibt der physischen Form und seinen einzelnen Gliedern Kraft
und Leben. Dieser Geistesstrom spielt in der Erhaltung des Körpers eine
wichtige Rolle, und wenn er von irgendeinem Teil abgeschnitten ist, verliert
dieser alles Leben und arbeitet nicht mehr. Die sechs Zentren von Brahmand und den spirituellen
Regionen liegen ebenfalls in uns. Wenn der Tonstrom mit diesen Zentren in
Einklang kommt, kann man mit den ihnen entsprechenden Ebenen Verbindung
aufnehmen. Konzentration
des Geistesstromes ist unerläßlich, bevor man in die höheren spirituellen Bereiche
gelangen kann Diese Zentren entsprechen denen des Makrokosmos in
Brahmand und den spirituellen Regionen. Der Geistesstrom befähigt dazu, einen
Blick in jene großen Aufteilungen zu tun. Darum ist die Entfaltung der
elementaren Kräfte des Geistes besonders wichtig. Die Konzentration des
Geistesstromes spielt bei diesem Bestreben die größte Rolle. Wendet man ihn auf
den physischen Körper an, gewinnt man an Stärke, wenn auf den Intellekt,
entwickelt man große mentale Kräfte. Wird andererseits der Geist zum Gegenstand
der Konzentration gemacht, führt dies unweigerlich zu spirituellem Leben und
höchster Glückseligkeit. Es gibt einen unsichtbaren Nerv, der alle diese
Zentren miteinander verbindet und Sushumna Nari oder Shah-rug genannt wird.
Durch diesen gelangt der Geistesstrom von der niedrigsten Ebene bis zur
höchsten Region der Wahrheit. Die Konzentration des Geistesstromes ist der
Vorgang, mit dem das Fortschreiten des Geistes in die höheren Regionen beginnt.
Solange man nicht alle nach außen gehenden Kräfte in sich gesammelt und
konzentriert hat, erhält der Geist nicht ausreichend Kraft, um sich zu erheben.
Es gibt zehn nach außen strebende Kräfte oder Indriyas: fünf grobe, wie Augen,
Ohren, Nase, Zunge und Haut, durch welche die fünf anderen, subtilen Indriyas -
nämlich Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen - den Menschen an die
äußere Welt festgebunden halten. Es erscheint somit, daß es der stete Gedanke
an diese Kräfte ist, der den Menschen veräußerlicht. Durch die drei Hauptquellen denken wir beständig an
die Welt. Zunächst durch die Augen, welche uns die äußere Erscheinungswelt
sichtbar werden lassen und sie in unser mentales Blickfeld bringen. Durch sie
nehmen wir nicht weniger als 83 Prozent unserer äußeren Eindrücke auf. Die
zweite Quelle sind die Ohren, welche die Aufmerksamkeit auf die äußeren Laute
ziehen und uns an die Dinge der objektiven Welt erinnern. Durch diese nehmen
wir 14 Prozent der äußeren Eindrücke auf. Die dritte Quelle ist die Zunge (der
Gaumen), welche durch Geschmack und Sprache die Erinnerung an die äußere Welt
immer frischhält. Die übrigen 3 Prozent der äußeren Eindrücke werden zum Teil
durch die Zunge und der Rest durch die Sinnesorgane aufgenommen. Durch diese
Hauptfähigkeiten bleibt der Mensch in ständiger Verbindung mit der äußeren Welt
und befaßt sich stets damit, entweder äußere Eindrücke aufzunehmen oder durch
seine eigenen Gedanken andere Menschen zu beeindrucken. Auf diese Weise wird
dem Gemüt Kraft entzogen, wird der Mensch kraftlos. Der Meister ermahnt uns,
diese Kraft nicht zu verschwenden. Wir müssen sie ansammeln und bewahren, auf daß wir
imstande sind, die verschiedenen materiellen Hüllen, die unsere Seele umgeben,
zu sprengen: Der Geist oder die Seele ist wegen der objektiven
Eindrücke, die ständig aufgenommen werden, an die äußere, objektive Welt
gebunden. Solange die nach außen strebenden Kräfte nicht unter Kontrolle
gehalten werden können und der Geist von den Gegebenheiten des Lebens nicht
befreit ist, kann er sich nicht über das Körperbewußtsein erheben. Die drei
Fähigkeiten der Sprache oder des Geschmacks, des Gesichts oder des Gehörs
verursachen ein dauerndes Ausfließen von Kraft durch ihre jeweiligen
Sinnesorgane. Um die Seele zu entpersonifizieren, ist es jedoch notwendig, daß
wir unsere Energie einwärts und aufwärts lenken, und dies durch einen Prozeß
der Umkehrung und Selbstanalyse. Der Meister erklärt diesen Vorgang mit nachfolgenden
Worten: Durch ständige
Beschränkung der drei Organe kann man die Anhad hören. O Nanak,
in tiefer Versunkenheit kennt man nicht Abend
noch Morgen. Boo Ali Qalandar, ein mohammedanischer Heiliger,
sagt darüber: Schließe deine Augen, Ohren und
Mund; und wird dir dann trotzdem das Geheimnis der Wahrheit
nicht kund, magst du mich verlachen. Kabir beschreibt das gleiche auf seine eigene
unnachahmliche Weise: Der Meister hat mir die Kanäle
gezeigt, durch die der Gemütsstoff nach außen
geht. Wenn ich den nach außen strebenden
Kräften Einhalt gebiete, höre ich die Weisen
des Ewigen Gesangs. Sorath Kabir Und Guru Arjan sagt: Wer seine zehn Sinne unter Kontrolle
hält, wird das Licht Gottes im Innern
aufdämmern sehen. Gauri Sukhmani M.3 Die Organe wie Zunge, Augen und Ohren usw. sind im
physischen Körper am Werk, während man sich im Wachzustand befindet, und sie
arbeiten ebenso in der Astralebene, wenn man im Traumzustand ist. Die
Wirkungsweise dieser Organe wird erhöht und verstärkt, wenn ihr Ausströmen beschränkt
wird. Auf diese Weise erlangt man Kraft, um die subjektive Welt zu ergründen;
denn ohne den belebenden Impuls der Seele liegen sie ungenutzt. Die Anwendung
der drei Beschränkungen und ihr Vorgang Die drei Beschränkungen kann man anwenden, indem man
die Kräfte daran gewöhnt, innen zu wirken. Die erste Beschränkung, nämlich die
der Rede, besteht im Ausüben von Simran, der beständigen Wiederholung des
Namens Gottes mit der Zunge des Gedankens. Lippen und Zunge sind dabei nicht
vonnöten. Anwendung und Wirkung von Simran wurden auf den vorhergehenden Seiten
beschrieben. Die zweite Beschränkung bezieht sich auf die
Fähigkeit des Sehens und besteht in der Betrachtung der spirituellen Bilder im
Innern, welche in vollem Glanz durchbrechen. Wenn man Tratak übt oder
Konzentration auf einen schwarzen Fleck, der sich außen befindet, und die Augen
fest darauf heftet, wir das eigene innere Licht nach außen projiziert.
Entsprechend kann man, wenn man den inneren Blick genau in der Mitte und hinter
den beiden Augenbrauen fixiert (dem Sitz der Seele im Menschen) sein eigenes
Licht im Innern sehen. Dieses Licht ist dein eigenes, und es ist bereits dort,
doch du mußt deinen inneren Blick darauf heften. Wo das Wort ist - das heilige
Naam - , dort ist Licht; wo Ton ist, da ist auch der Glanz, denn beide sind
unzertrennlich. Die Lichtreflexe sind von fünferlei Art, die mit den fünf
verschiedenen Tonarten korrespondieren, welche man sehen und hören kann, sobald
der Geist in die fünf unterschiedlichen Ebenen aufsteigt. Die Manduk Upanishad
spricht von den „fünf Feuern im Kopf“. Es gibt Schriften, die das Fixieren des inneren
Blickes auf das Gesicht des Meisters vorschreiben; doch darf man nicht über das
Fleisch und die Knochen im Gesicht des Meisters meditieren, sondern über das,
was durch das Gesicht hindurchscheint. Gesicht und besonders Augen und Stirne
bilden den Sitz, wo der Geist des Meisters voll wirksam ist. Daher bereitet das
Meditieren über die Augen des Meisters eine Seele für das Aufdämmern der
Gottheit vor, indem sein Wesen aufgenommen wird. Dies hilft dem Schüler viel.
Während du an den Meister denkst, erhebst du dich in ihn. Wie du denkst, so
wirst du. Die Form des
Heiligen erstrahlt in vollem Glanze. Weise und Seher leben in dem
zeitlosen Einen, und darum kann man über sie
meditieren. Sarang M.6 Des Meisters Form ist das der Gottheit
Nächstliegende, denn er ist der Sohn Gottes. Einer, der den Sohn nicht kennt,
kann auch den Vater nicht kennen. Deswegen heißt es: Meditiere über
die Form des Meisters und nimm seine Worte als buchstäbliche Wahrheit.
Laß die Schritte des Meisters in den Tiefen deines
Herzens widerhallen. Der Meister ist der Unendliche,
beuge dich ihm. Gond M.5 Denke an die Füße des Meisters in
deinem Herzen. Durch ständiges Denken an ihn wirst
du das Meer der täuschenden Materie überqueren. Gond M.5 Durch die Meditation über die Form
des Meisters, wirst du hier und im Jenseits
geehrt. Gond M.5 Und wieder heißt es: Gedenke des wahren Meisters in dir
und wiederhole das von ihm gegebene Wort im Geiste. Mit
den Augen stelle dir die Gestalt des wahren Meisters vor,
und mit den Ohren höre das heilige Naam - des Ewigen
Sang. Wer innen und außen vom wahren Meister, dem
personifizierten Wort, erfüllt ist, erwirbt den Ehrensitz
in seiner Gegenwart. Nanak sagt: wem auch immer der Herr
Seine Gnade schenkt, dem verleiht er diesen
Zustand. Doch wenige nur sind die Auserwählten, die diese
Gnade erlangen. Gujri War M.5 Hierbei müssen wir auf der Hut sein, denn wenn der
Meister, über dessen Form du meditierst, nicht wirklich spirituell ist, wirst
du zu dem, was er ist. Dieser Weg ist darum gefährlich; es sei denn, du bist
dir der Vollkommenheit des Meisters sicher. Du kannst jedoch nicht den Rechten
vom Falschen unterscheiden, und deswegen ist es besser, den inneren Blick auf
das Licht zu heften, das dir ein kompetenter Meister bei der Initiation gibt.
Nach einer Zeit der Übung wird im Verlaufe des Fortschritts der wahre Meister
im Innern in seiner strahlenden Form erscheinen. Die Echtheit der Erscheinung
läßt sich immer durch das Wiederholen der geladenen Worte, die der Meister
gegeben hat, prüfen. Nur ein kompetenter Meister kann bei der Initiation oder
später, während der Meditation (nach einiger Praxis), im Innern erscheinen.
Dies wird vor jeder Täuschung oder Versuchung bewahren. Die dritte Beschränkung bezieht sich auf die
Fähigkeit des Hörens. Dieses sollte auf die ewige Musik abgestimmt werden, die
in allem und durch alles ertönt. Der Ton ist die wahre Substanz Gottes. Der Meister sagt: O meine Ohren, eilt, eilt und hört
die Wahrheit, deretwegen ihr an den Körper
gebunden wurdet, und lauscht der ewigen Musik - dem
wahren Bani. Ramkali M.5 Das bedeutet nicht, daß wir den Gebrauch dieser
Organe im Bezug auf die äußere Welt vernachlässigen sollten. Sie sollten jedoch
so trainiert werden, daß sie positive Hilfe auf dem Weg der spirituellen
Entfaltung sind und somit doppelten Nutzen bringen. Die Übung soll dazu
verhelfen, daß sich das Gemüt in sich selbst festigt und seine Substanz daran
hindert, unnütz nach außen zu fließen. Der erste Vorgang, Simran, bildet die
Grundlage des spirituellen Strebens. Man muß damit fortfahren, bis das Ziel
erreicht ist. Der zweite und dritte Vorgang, Dhyan und Bhajan,
folgen von selbst. Hindere den Gemütsstoff daran, durch
die neun Tore des Körpers hinauszuströmen; denn
dies wird dir Zugang zum zehnten Tor verschaffen,
das zur wahren Heimat des Vaters führt. Dort erklingt
die unendliche Musik bei Tag und Nacht; durch
Gurmat (die Weisungen eines Gottmenschen) wird dieser
Gesang im Innern hörbar. Mahi M.5 Wajhan Sahib sagt: Wieso sagst du, der Gatte sei fort?
Du kannst ihn sehen, wenn du die zehn Tore verschließt.
Dann wird die ewige Musik an dein Ohr klingen, und du
wirst dich von einem Sklaven in einen König verwandeln.
Alle Melodien sind im Körper, und bezaubernder, lieblicher
Gesang ertönt. O Wajhan! Wie groß ist das Glück
dessen, der diese Musik hört! Diese drei Beschränkungen helfen im höchsten Grade
bei der Konzentration. Als erstes bringt der „Simran“ der geladenen Worte, die
vom Meister gegeben wurden, das Gemüt von außen nach innen und zieht den Geist
vom Körper zum Sitz der Seele zurück. Er sinkt von der Peripherie unseres
Wesens zu seinem Mittelpunkt. Dies läßt uns immer an das höchste Ideal, das dem
Menschen vor Augen gehalten wird, denken, nämlich an die Selbsterkenntnis und
Gotterkenntnis. Der zweite Vorgang, der „Dhyan“ , hilft ebenso bei
der Konzentration und festigt die Seele im Innern. Der letzte Prozeß, „Bhajan“,
oder das Hören auf die innere Musik im Menschen, leitet die Seele ins Jenseits,
zum Ursprung, von dem der Lebensstrom, oder das Tonprinzip des heiligen Naam,
die ewige Musik, ausgeht. Genau wie in
einer pechschwarzen Nacht, in der man nichts sieht und weder hinten noch vorne
etwas erkennen kann, einem das ferne Bellen eines Hundes oder das von weitem
sichtbare Aufflackern eines Lichtes bei der Weiterreise hilft, so hilft auch
die spirituelle Musik und das strahlende Licht einer suchenden der Seele auf
dem Pfad bei ihrem einsamen Aufstieg in die wahre Heimat des Vaters. Der lange Entwicklungsgang beginnt mit der
Konzentration am Sitz der Seele im Körper, der genau zwischen und hinter den
beiden Augenbrauen liegt, wo der geistige Simran mit voller Ernsthaftigkeit zu
üben ist. Dies macht das Zurückziehen des Geistesstromes möglich, der sich
gegenwärtig über den ganzen Körper ausbreitet, und sammelt ihn am Sitz der Seele,
was zur Folge hat, daß die Grenzen der groben Materie des Körpers und der
äußeren Welt aufgehoben werden. Wenn der Geist einmal von seinen Fesseln und
somit von seinem endlichen Dasein befreit ist, hat er Zugang zu Til
(Nukta-i-Sweda - oder dem „Dritten Auge“) und geht von da aus mit der Hilfe
einen Gott-Menschen weiter in die höcheren Regionen. Nachdem man die Astralebene
voller Zuversicht durchquert hat, erreicht man Daswan Dwar mit der heiligen
Quelle des Nektars, das wahre Amritsar (Mansarover oder Prag-Raj) im Menschen.
Die Moslems nennen es „Hauz-i-Kausar“. Ein Bad oder eine Taufe darin, befreit
den Geist von den astralen und kausalen Körperhüllen und der feineren Materie.
Es ist die wahre und wirkliche Taufe mit dem heiligen Wasser der Unsterblichkeit.
Der sich nunmehr selbst überlassene Geist erstrahlt in vollem Glanze durch ein
Licht, das leuchtender ist als das von mehreren Sonnen. Da er nun Wissen über
sein wahres Wesen hat, das das gleiche ist, wie das von Gott selbst, schreitet
er mit Hilfe der strahlenden Form des Meisters weiter, bis er die rein
spirituelle Region Sach Khand, neues Jerusalem oder Muquami-Haq erreicht, wo
Sat Purush - der Formlose - seinen Wohnsitz hat. Von hier aus und unter dem
Beistand der Gnade des letzteren geht er Stufe für Stufe weiter dem Namenlosen
Einen entgegen. Dieser Aspekt des Aufstiegs der Seele von den materiellen
Bereichen in die spirituell-materiellen, bildet das Thema des XXI. Verses des
Jap Ji. Der Meister befaßt sich darin mit den drei wichtigsten der fünf spirituellen
Stufen: Til (der Startpunkt), Daswan Dwar und Sach Khand. Die fünf Regionen
werden ebenfalls am Ende des Jap Ji erklärt. Ein Mensch, der Zugang zu Til hat und im Glanz der
strahlenden Astralform des Meisters badet, wird ein Sikh oder Schüler des
Meisters (Ergebener) genannt. Wenn er weiter fortschreitet, erreicht er Daswan
Dwar, die dritte der Entwicklungsstufen, und wird ein Sadh, eine geschulte
Seele. Erlangt er die Region des Reinen Geistes, wird er ein Sant oder
Heiliger. Einer, der die höchste spirituelle Region des Namenlosen Einen, des
Unerkennbaren und Unerfaßbaren, erreicht hat, wird ein Param Sant, der Heilige
der Heiligen, genannt. Diese Begriffe sind im Text der Reden des Meisters zu
finden. Es Wörter mit einer wichtigen weiteren Bedeutung; sie haben keinerlei
Beziehung zu jenen, die sich mit äußeren Formen und Formeln, dem Ausüben von
Riten und Nachtwachen usw. befassen. Guru Nanak war ein Heiliger der höchsten Ordnung,
ein Param Sant, welcher die Region des Namenlosen Einen erreichte, was aus
seinen eigenen Worten ersichtlich ist: Fliege über
die Region der Wahrheit, des Reinen Geistes, hinaus; dann erreiche die Ebene des
Unerkennbaren und Unbegreiflichen. Über dieser liegt
die Wohnstatt der Heiligen, und dort weilt der geringe
Nanak. Ohne einen
Gott-Menschen wird das Mysterium der Seele niemals enthüllt Bei allem, was hier gesagt wurde oder noch gesagt
werden mag, bleibt das Mysterium der Seele ein versiegeltes Buch. Keine
sprachliche Wendung vermag die Wahrheit zu enthüllen, die sich hinter der
Schöpfung verbirgt. Ein Aufstieg der Seele zu den höheren Regionen ist
unmöglich, solange man nicht in diese Ebenen hineingeführt wird. Man kann
natürlich den inneren Geistesstrom durch „Simran“ vom Körper hinter die beiden
Augenbrauen zurückziehen, oder zeitweilig ein Licht sehen, aber es ist nichts
da, das einen nach oben bringen wird. Viele schon wurden auf diesen
Anfangsstufen für lange Zeit festgehalten, und es kam keine Hilfe, die sie
aufwärts führte. Manche nannten diese Stufe das Ein und Alles; aber noch halten
sie sich lediglich am Rande der gröberen Materie auf und im Bollwerk der
feineren. Hier ist die Hilfe einer kompetenten Persönlichkeit vonnöten, um die
Ergebenen aus dem eisernen Griff der feineren Materie zu befreien. Es muß ein
Mensch sein, der selbst durch die verschiedenen Entwicklungsstufen
hindurchgegangen und zur Region des Reinen Geistes, des Sat Naam, gepilgert
ist, die weit über dem Einflußbereich der Materie liegt. Der Meister sagt: Der, welcher den Sat Purush erkannt
hat, ist der wahre Meister; in seiner
Gemeinschaft allein wird ein Sikh (ein Ergebener) befreit. O
Nanak! Er wird den Herrn sehn und zum Ruhme des
Allmächtigen singen. Gauri Sukhmani M.5 Drei
Kernpunkte für den Fortschritt der Seele zu Gott Es gibt drei wesentliche Punkte für den Fortschritt
der Seele, die sie befähigen, sich mit Gott zu vereinen. Sie können
folgendermaßen zusammengefaßt werden: 1. Satguru oder der wahre Meister, 2. Sat Sangat oder die Gemeinschaft
der Initiierten, unter dem Vorsitz des Meisters, 3.
Sat
Naam oder das wahre Naam. Die Meister bilden eine heilige Bruderschaft in
Gott. Sie sind das Kostbarste, was die Menschheit hat; sie haben ihre Evolution
beendet und sich ins Gottesbewußtsein erhoben. Sie haben völliges Einssein mit
Gott erreicht und fließen über vom heiligen Wort, oder dem göttlichen Leben in
all seiner Fülle. Sie sind Inkarnationen in menschlicher Gestalt, um die Geschicke
der Menschenkinder zum Ziel des Lebens zu leiten. Sie bilden gleichsam das
verbindende Glied zwischen Mensch und Gott. Sie gehören der Ordnung der
„Großen“ an, die mit der Pflicht beauftragt sind, über die Menschheit zu
wachen. Sie nehmen aufrichtige Sucher nach Gott unter ihre Obhut, um die
Verwirklichung ihrer Einswerdung mit dem Einen Wesen zu beschleunigen. Die
Qualifikation eines Gott-Menschen Ein wahrer Meister kann nicht sogleich erkannt
werden. Er ist ein Gottmensch. Nur ein Gottmensch kann einen Gottmenschen
wirklich erkennen. Man kann ihn beschreiben als einen, der von Spiritualität
überfließt und weit über dem Leben der Sinne steht. Er hat sich selbst von den
verschiedenen Umhüllungen der groben und feinen Materie befreit und den
Allwahrhaftigen innen und außen mit seinen eigenen Augen gesehen. Er ist kompetent,
die spirituellen Möglichkeiten, die latent im Menschen liegen, zu entfalten.
Alle sind im Innern mit derselben Energie ausgestattet, genau wie eine bereits
geladene Batterie. Er ist aber derjenige, der sich mit der großen Batterie des
Herrn verbunden hat und direkte Botschaften von ihm empfängt. Er ist das
Sprachrohr des Ewigen. Jeder von und hat dieselbe Kraft in sich, aber unsere
Batterien sind nicht angeschlossen. Wir müssen erst wieder verbunden werden,
damit wir ebenfalls als geladene Batterien dienen können und imstande sind,
direkte Botschaften vom Herrn zu erhalten. Wir brauchen also einen, der selbst
angeschlossen ist und der umgekehrt unsere Batterien mit dem Höchsten verbinden
kann. Er hat das strahlende Licht des Unendlichen in sich und ist in der Lage,
unsere ausgegangenen Lampen wieder mit Licht zu versehen. Eine Lampe ohne Licht
kann andere Lampen nicht entzünden. Alle sind spirituell blind, wenn sie sich
zu den Füßen eines Meisters niederlassen. Er öffnet das verborgenen innere Auge
und setzt sie instand, das Licht Gottes zu schauen. Gleichfalls öffnet er ihre
Ohren, um sie die lieblichen Weisen der göttlichen Musik, das Wort oder Naam,
vernehmen zu lassen. Christus sagte: „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel
vollkommen ist.“ Alle Menschen sind dazu bestimmt, vollkommen zu werden, und am
Ende werden sie die Vollkommenheit erreichen. Was wir gegenwärtig auch immer
sind, ist die Folge unserer früheren Gedanken und Handlungen. Das, was wir
jetzt denken und tun, wird unsere Zukunft formen und bestimmen; aber dieses
Formen unserer Zukunft schließt nicht aus, daß wir von außen Hilfe bekommen.
Genau wie ein Obstbaum, der sich für gewöhnlich selbst überlassen ist, zu
gegebener Zeit, beispielsweise nach fünf oder sechs Jahren, Frucht trägt, der
aber, wenn er auf sachgemäße Weise mit Dünger usw. behandelt wird, um zwei oder
drei Jahre eher und in Fülle Frucht bringt. So wird auf ähnliche Weise die
Entfaltung spirituellen Lebens durch die Hilfe eines Meisters beschleunigt. Ein solcher Beistand ist von unschätzbarem Wert. Die
äußere Hilfe belebt die inneren Möglichkeiten der Seele. Sie erweckt das
spirituelle Leben in uns und bringt uns schließlich zum höchsten Ziel. Schriften
können die Spiritualität nicht erwecken! Dieser belebende Impuls kann nicht aus heiligen
Büchern abgeleitet werden. So wie Licht von Licht kommt, geht Leben von Leben
aus. Eine Seele muß die Lebensimpulse durch die innigen Blicke einer
Meisterseele erhalten. Bloßes Buchwissen, ja intellektuelle Entfaltung, kann
Spiritualität nicht erwecken. Der Intellekt ist gewiß vollgestopft durch
Buchgelehrsamkeit, aber der Geist ist ohne Nahrung. Das ist der Grund, warum
jeder von uns so wunderbar über spirituelle Dinge sprechen kann; aber unser
eigentliches Leben verrät wirklich nicht das geringste davon. Wir mögen
endlos lesen und können es hingebungsvoll Monate und Jahre, ja unentwegt unser
ganzes Leben lang tun; aber, o Nanak, dies alles
füttert und mästet nur das Ego allein und ist sonst von
keinem Nutzen. Asa
War M.1 Ein lebendiger Geist kann nur durch die lebendigen
Impulse einer Meisterseele belebt werden. Man mag einen solchen Menschen nennen
wie man will, er ist jedenfalls eine Notwendigkeit. Jede Religion hat bezeugt,
daß eine solche Existenz erforderlich ist. Wir leugnen nicht die Notwendigkeit äußerer Hilfe in
allen unseren objektiven Belangen. Gewöhnlich suchen wir sie bei einem, der in
einer bestimmten Sache erfahren ist. Warum sollten wir uns dann schämen, Hilfe
zu suchen in einer Sache rein subjektiver Natur - nämlich Hilfe für den
spirituellen Pfad, der unserer äußeren Sicht verborgen und ganz in Geheimnis
gehüllt ist? Wie dankbar sollten wir sein, wenn uns einer in die inneren Tiefen
der subjektiven Welt führen will. Wer auch immer sich zu den höchsten
spirituellen Ebenen erhoben hat, die weit über den Gesichtskreis der grob- und
feinstofflichen Materie liegen, kann uns Kraft übertragen und uns heil über das
Meer der täuschenden Materie geleiten. Maulana Rumi, ein Moslem-Heiliger, sagt: Wenn du eine Pilgerreise (zum
Göttlichen) machen willst, so nimm einen mit dir, der sie
bereits kennt; es hat dabei nichts zu sagen, ob er ein Hindu,
ein Türke oder ein Araber ist. Allseitige Entartung ist das Merkmal unserer Zeit.
Die buchstäblichen Worte der Schriften, ohne den Geist oder die Bedeutung, die
hinter ihnen stehen, haben die Stelle des lebendigen Lebens für die meisten von
uns eingenommen. In völliger Unwissenheit sind die meisten von uns der Meinung,
alles zu wissen, und bieten sich an, andere auf ihre Schultern zu nehmen. So
führen Blinde die Blinden, und beide fallen in den Graben. Die Welt ist voll
von sogenannten Lehrern. Solche Lehrer haben die Welt in Unwissenheit getaucht.
Diese Geschöpfe der Finsternis, klug in ihrer Einbildung, geben vor,
unermeßliche Schätze der Gottheit zu verteilen. Sie gleichen einem Bettler, der
ein Geschenk von einer Million machen will. Somit kann ohne einen solchen, der die Wahrheit des
Jenseits in sich aufgenommen hat, kein Fortschritt auf dem Pfad der Spiritualität
gemacht werden. Der Meister hat gesagt: Wahrlich, unvergleichlich ist der
Mensch, der die Gottheit kennt. Wenn einer von Tür
zu Tür betteln geht, dessen Leben wird verflucht
sein und verflucht die Gemeinschaft, zu der er gehört. Bihagra
War M.3 Und nochmals sagt der Meister: Wer sich selbst einen spirituellen
Lehrer nennt und betteln geht, dem wirf dich nie zu
Füßen. Ein wahrer Meister verdient seinen
Lebensunterhalt selbst und teilt ihn mit anderen. O Nanak! Nur
ein solcher kann den Weg zu Gott kennen. Sarang
War M.1 Die
Notwendigkeit eines Gott-Menschen „Wer einen König sehen will, muß zuerst die
Gemeinschaft eines solchen suchen, der in des Königs Gunst steht. Wer auch
immer schmerzlich nach dem Herrn verlangt, sollte nach einem forschen, der eins
mit ihm geworden ist.“ Wieder heißt es: Möge sich kein
Mensch auf der Welt der Täuschung hingeben; ohne einen Gott-Menschen
kann keiner das andere Ufer erreichen. Gond
M.5 Maulana Rumi sagt: Wenn einer die Gegenwart Gottes
sucht, so sage ihm, er solle in die Gemeinschaft der
Heiligen gehen. Die Heiligen sind kompetent, unseren Lebensablauf
von Grund auf zu wandeln; sie können uns gottwärts leiten. Sie empfangen
Offenbarungen vom Höchsten, und was sie auch immer sagen, ist tatsächlich die
Wahrheit. Der Meister sagt: Hört auf das wahre Zeugnis der
Heiligen, denn sie sagen das, was sie tatsächlich mit
ihren eigenen Augen gesehen haben. Ramkali
M.5 Ihr braucht euch nicht um ihre äußere Erscheinung zu
kümmern. Bleibt aus Ergebenheit zu ihren Füßen. Alle, die Gott lieben, seien es
Hindus, Moslems, Christen oder Menschen anderer Glaubensrichtungen, sind eins
für sie. Sie haben die Sonne der Gottheit hinter ihrer äußeren Gestalt
verborgen. Sie sind die Musik des Ewigen Gesangs. Der Meister erklärt diese Tatsache im fünften Vers
des Jap Ji. Solcher Art sind die Meister, welche den Ewigen Gesang in uns
offenbaren und ihn für uns hörbar machen. In ihnen ist alle Erleuchtung und Vollendung.
Ein solcher Meister verkörpert alles, was gut und vortrefflich ist. Er ist ein
Gott-Mensch, nein, Gott polarisiert - ein Pol, von dem aus die Kraft Gottes in
der Welt wirkt. Wer ist der
Guru? In der Heiligen-Terminologie wird der Heilige, der
die Wissenschaft des Wortes anwendet und lehrt, ein „Guru“ genannt. Das Wort „Guru“ stammt von der Sanskritwurzel „Giri“
ab, was „tönen“ oder „sprechen“ bedeutet. Das Wort „Guru“ weist somit auf einen
hin, der das Tonprinzip praktiziert, der damit in Einklang steht und der es im
Menschen hörbar macht. Paltu Sahib erklärt den Guru als das Wesen, welches
das Wort - die Ewige Musik - von den himmlichen Sphären herunterbringt und uns
hören läßt. Auch Guru Nanak sagt: Der, welcher die wirkliche Heimat in
diesem Körper zeigt, ist der wahre Guru - der
Allmächtige. Er läßt das fünftönige Wort im Menschen
widerklingen, und so tönt es weiter als Schlüssel zum Wort. Malar War M.1 Soami Shiv Dayal Singh Ji beschreibt den Guru so: Ein Guru ist der, welcher das Wort
liebt. Er verehrt nichts anderes als das
Wort. Derjenige, welcher das Wort praktiziert, ist
der allmächtige Guru. Sei glücklich im Staub seiner Füße
und halte demütig an ihm fest. Und Kabir sagt: Alle Sadhs sind groß, jeder auf seine
eigene Weise. Aber der, welcher sich mit dem Wort
verbindet, ist der Anbetung würdig. Doch einem
solchen Guru zu begegnen, ist allein
durch göttliche Fügung möglich. Im Überschwang Deiner Gnade läßt Du
uns einen Gottmenschen finden. Ohne die Anweisung eines Gottmenschen kann man sich
nicht mit dem Wort verbinden; und wenn diese Verbindung zustande kommt, führt
es die Seele zum Herrn, von dem das Wort ausgeht, und all unser Mühen hat
seinen vollen Lohn. Verbindung mit
dem Wort bedeutet Verbindung mit dem Herrn, und alles Mühen sprießt
weiter dem ersehnten Ziel
zu. Sri Rag M.3 Wenn man durch ein unfaßbares Glück eine solchen
Heiligen findet, dann sollte man beharrlich mit ganzem Herzen und mit ganzer
Seele an ihm festhalten, denn durch ihn kann man das Ziel des Lebens erlangen -
die Selbstverwirklichung und Gottverwirklichung. Seht nicht auf den Glauben
oder auf die Rasse. Lernt von ihm die Wissenschaft des Wortes, und weiht euch
mit Herz und Seele der Praxis des Wortes. Der Guru ist eins mit dem Wort. Das
Wort ist in ihm und inkarnierte sich im Fleisch, um der Menschheit Weisungen zu
erteilen. Im Evangelium heißt es: Und das Wort
ward Fleisch und wohnte unter uns. Wenn wir lernen, das sterbliche Kleid nach Belieben
abzustreifen, uns über das Körperbewußtsein zu erheben und die Astralwelt zu
betreten, erscheint der Meister in seiner strahlenden Astralform und hilft uns
weiter zu den darüber liegenden Ebenen. Er verläßt uns nicht, bis wir den
Allmächtigen erreicht haben. Christus hat in klaren Worten gesagt: Ich will dich nicht verlassen, noch
versäumen, bis an das Ende der Welt. Mit den Worten des Meisters: Bani oder das Wort ist der wahre
Lehrer, und der wahre Lehrer ist das personifizierte
Wort. Nat M.4 und Ramkali M.1 Und wieder heißt es: Im Innern ist das himmlische Licht,
und aus ihm geht Bani oder der Ton hervor. Er
stimmt die Seele auf den wahren Herrn ab. Sorath M.1 Dort, in der verborgenen Quelle,
brennt ein Licht ohne Öl und Docht; und von diesem
strahlenden Licht gehen erhabene Symphonien aus. Paltu Sahib Nun erhebt sich die Frage: Wo können wir das Licht
und den Ton finden? Es ist weit entfernt vom Blick des Sterblichen und von
mehreren materiellen Schichten umgeben. Wir müssen uns über die Festung der
Materie erheben, wenn wir es zu finden trachten. Es kann wohl gesehen und
empfunden werden, aber mit Augen, die anders sind als die sterblichen Augen des
Fleisches. Wir haben alle Achtung und Anerkennung für die heiligen Schriften,
weil wir darin die Lehren vom Wort - Bani - finden. Aber, um es genau zu
nehmen, sind Tinte, Papier und der Druck nicht Gegenstand unserer Verehrung;
mit ihnen jedoch wird das Wort - der Weltlehrer - beschrieben. Auf ähnliche
Weise verehren wir im physischen Körper des Heiligen das personifizirerte Wort
in seiner Person. Aus diesem Grund sind beide ungetrennt zu respektieren. Es
ist genauso, als ob ein Geliebter im Innern eines Hauses sitzt, dessen Türen
fest verschlossen sind. Wir wollen uns verneigen, aber wie können wir es? Wir
wissen, daß es der Geliebte ist, vor dem wir uns verneigen wollen, und nicht
der Lehm, Kalk und Mörtel des Hauses, in dem er weilt. Vor wem verneigen wir
uns, wem liegen wir zu Füßen? Nun, vor dem Bewohner des Hauses, der sich hinter
den Mauern befindet; wenn es auch den Anschein hat, als ob unsere Verehrung den
Lehmmauern gelten würde. Das Wort oder Bani ist der wahre Lehrer für die
ganze Menschheit. Es ist der eine Lehrer für alle. Es war der wahre Lehrer in
der Vergangenheit, ist es in der Gegenwart und wird es in allen zukünftigen
Zeiten sein. Es gibt keinen zweiten Lehrer oder Guru der Menschheit. Der
Mensch, der ihn (das Wort - den Guru) gefunden hat und der eins mit ihm - dem
Wort in ihm - geworden ist, ist mit uns auf dieselbe Weise verbunden wie der
Geliebte, auf den oben Bezug genommen war. Es ist die aus sich selbst
leuchtende, strahlende Form im Innern des Fleisches und der Knochen des äußeren
Menschen, die der wahre Lehrer ist und eins mit dem Herrn. Es ist kein anderer
als der Herr selbst, denn Gott erscheint wahrhaftig in Gestalt
eines Sadh. Gauri Sukh M.5 Die großen Schätze des Guru Granth Sahib, wie alle
anderen heiligen Schriften, rühmen einen solchen Gott-Menschen, der uns mit dem
Herrn verbinden kann und uns über das Meer der Materie bringt. Wir lesen in diesem Zusammenhang: Der, welcher
seinen Sitz über den Himmeln hat, bringt die Ewige Musik hervor; o
Nanak! Den Ruhm eines Sadh können die heiligen
Schriften nicht ergründen. Ohne das Wort herrscht völliges
Dunkel im Innern. Der Mensch hat es nicht; und er
entgeht nicht dem endlosen Zyklus der Geburten. Der Schlüssel
ist in den Händen eines Gott-Menschen, und kein
anderer darf das Tor aufschließen. Ein seltenes Glück
bringt den Gott-Menschen zur Rettung herbei. Majh M.5 Der Gott-Mensch und der Herr
betrachten sich als eines; sei darüber nicht bestürzt in deiner
Unwissenheit. Gond M.5 Ihr alle, die ihr nach innerer Ruhe,
genannt Sahaj, verlangt, seid sicher, ohne einen
Gott-Menschen führt kein Weg dahin. Sri Rag M.3 Wer immer den Gott-Menschen
verherrlichte, kennt den Herrn. Alle Not wird zunichte, alles Leid
aufgehoben, wenn man den wahren Shabd - das Wort
- findet. Asa M.1 Kommt man mit einem Gott-Menschen
zusammen, läßt das Gemüt von allen
Verzweigungen ab, und man erhält Zugang zur wahren Heimat im
Innern. Asa M.3 Groß ist der Gott-Mensch - der Sat
Purush, denn er verleiht Sättigung und
Befriedigung. Wadhans War M.4 Das köstliche, erfrischende Wasser
kosten, für das du in die Welt kamst, kannst du nur
durch die Gnade eines Gott-Menschen. Sorath M.1 Der Dienst für den Meister macht den
Tonstrom hörbar, und dann erfährt man die Erlösung. Sorath M.3 Das Wort des Meisters offenbart das
göttliche Licht. Bilawal M.5 Hat man einen Gott-Menschen
gefunden, tritt der Herr in Erscheinung. Bhairon Nam Dev Durch die Gnade eines Gott-Menschen
wirst du den Tempel des Herrn in dir schauen. Parbhati M.3 Bei aller Geschicklichkeit kannst du
dich auf dein Geheiß nicht mit Naam verbinden; denn es
kommt als ein Geschenk des Gott-Menschen. Malar M.5 Betrachte den Gott-Menschen und den
Herrn als ein und denselben; denn was dem einen
wohlgefällt, ist auch für den anderen annehmbar. Gond M.5 Die Schätze von Naam - der
spirituelle Strom - sind im Tempel Gottes (dem Körper). Die
Unwissenden erkennen sie nicht. Durch die Gunst des
Meisters werden sie uns gewahr, und der Herr wird ins
Innerste des Herzens gebettet. Parbhati M.3 Der Prophet sagt, daß Gott verkündet habe: Die Erde, der Himmel und die höheren
Regionen reichen alle nicht aus, Mich aufzunehmen.
Ich kann nicht in ihnen sein, wisset dies, ihr Lieben.
Doch so seltsam es auch scheinen mag, Ich wohne im Herzen
eines Heiligen. So wenn ihr mich also sucht, dann
sucht mich dort. Maulana Rumi Darum lerne, den Satguru zu verehren. Guru Amar Das
Ji sagt: Verehrung des wahren Meisters ist
Verehrung des Herrn. Aus grenzenlosem Mitleid verbindet
er dich mit Naam und leitet dich über das Meer der
täuschenden Materie. Jene, die das Leblose und die Gräber
verehren, mühen sich umsonst. Malar M.4 Der
Gott-Mensch ist der einzige wahre Freund Alle menschlichen Verbindungen hören beim Tod auf.
Alle Freunde und Verwandten, Frau und Kinder müssen sich trennen. Wer ist nun
da, um mit dir in die andere Welt zu gehen? Nicht einer! Aber das Wort - das im
Gott-Menschen personifizierte Wort - geht mit dir. Es hilft dir bei allen
Unternehmungen hier und im Jenseits. In der Todesstunde, wenn ihn alle anderen
im Stich lassen, empfängt der Gottmensch den Initiierten. Wie ein nie versagender
Freund streckt er dir in Wohl und Weh immer seine helfende Hand entgegen. Der Meister sagt: O Nanak! Löse alle Verbindungen, die
vergänglicher Natur sind, und suche die feste
Freundschaft eines Heiligen; denn alle anderen verlassen dich schon
bei Lebzeiten, während er bis zuletzt und noch
darüber hinaus unerschütterlich zu dir steht. Maru War M.5 Wer auch immer die Geburts- und
Todesqualen fürchtet, sollte nach einem Heiligen suchen. Gauri Sukh M.5 Wer sich selbst dem Willen des Meisters ergibt,
stellt sich unter die beschützende Kraft des Meisters, der sich beeilt, die
Gottheit in ihm zu erwecken. Der Meister verläßt den Schüler, den er einmal
angenommen hat, niemals, bis dieser Gott erreicht, dessen Urbild der Meister
auf Erden ist. Er spricht mit seinem Ergebenen von Angesicht zu Angesicht und
gibt ihm in Zeiten der Not seinen Rat. Er formt den Schüler Gott ähnlich und
macht ihn zum lebendigen Tempel göttlichen Bewußtseins. Der mich nicht
in Wohl noch in Weh verläßt, nicht am Anfang, jetzt, noch am Ende, nach
einem solchen Freund verlangt mein Herz. Gauri M.5 Ergreife den Saum des Kleides
dessen, o mutige Seele, der das Geheimnis aller Ebenen
kennt; der oberen und der unteren; und der hier und in
alle Ewigkeit bei dir ist. Maulana Rumi Es gibt drei Dinge, die von einem Sikh oder Schüler
in Bezug auf seinen Meister verlangt werden und die ihn befähigen, eine
Empfänglichkeit für des Meisters Gunst zu schaffen. Er muß Körper, Gemüt und
alles, was ihm gehört, opfern - nein, sein bloßes Leben sollte er dem Meister
zu Füßen legen. Es ist nicht deswegen, weil der Meister irgendeinen Dank von
dem Schüler erwarten würde, sondern damit der Schüler ihm alles, was ihm in
diesem Leben teuer ist, opfert. Der Meister nimmt nicht das Geringste davon,
sondern gibt es unberührt als eine Opfergabe zurück. Er weist den Schüler an,
sich nicht zu beschmutzen, indem er seinen Besitz mißbraucht, sondern den
bestmöglichen Gebrauch davon zu machen zum Wohle seiner Brüder, der Armen und
Bedürftigen, der Kranken und Schwachen, um so zu der harmonischen Entwicklung
von allem, was um ihn ist, beizutragen. Mag der Schüler vor seinem Meister stehen und ihm
alles zu Füßen legen, so würde der Meister doch nichts davon nehmen. Aber er
hätte auf diese Weise alles aufgegeben, bereit, die Gnade des Meisters zu
empfangen und einen Teil der Verwirklichung. Er muß sich selbst zum Werkzeug
des Meisters machen, so wie eine Violine oder eine Leier, die gespielt wird und
liebliche Symphonien des heiligen Naam hervorbringt. Alle gesellschaftlichen
Verbindungen, alles Haften an weltlichen Besitz, alles Festhalten an Name und
Ruhm, aller physische Komfort und alle üblen Gedanken, die sich im Gemüt
erheben, sollten vor den Meister gelegt werden, auf daß er seinen Willen durch
ihn wirken läßt. Wahre Schülerschaft besteht in nicht nachlassender
Hingabe und Unterwerfung unter den Willen des Meisters. Sie besteht jedoch
nicht darin, daß man des Meisters Gestalt sieht, vielmehr darin, daß man sich
auf seinen göttlichen Willen abstimmt. Bei völliger Hingabe wird das mentale
Geschwätz über Bord geworfen, und es gibt kein Begehren und kein Verlangen
mehr. Der ungestüme Trubel des Sinnenlebens wird durch Ruhe und gesammelter
Heiterkeit ersetzt, welche aus der Unterwerfung und wahren Entsagung geboren
ist. In diesen stillen Stunden beginnt das spirituelle Bewußtsein aufzudämmern. Die Bande der Beziehung zwischen Meister und Schüler
sind die stärksten der Welt. Selbst der Tod vermag sie nicht zu lösen, denn sie
sind durch den Heiligen und allmächtigen Willen Gottes geknüpft. O Herr, es ist allein durch Deine
Gnade, daß wir zum Satguru geführt werden. Suhi Asptpadian M.4 Der Meister ist immer mit dem Ergebenen, wo dieser
auch sein mag. Entfernung und Tod sind in der Beziehung zwischen Meister und
Schüler unwesentlich. Er ist immer an seiner Seite, sei es hier oder im
Jenseits. Der Meister wirkt als Leitstern in allen
spirituellen Bestrebungen. Er gewährt dem Schüler alle nur mögliche Hilfe durch
seine äußeren und inneren Ermahnungen; er hält ihn stets auf dem rechten Weg
und bringt ihn zurück, sollte er einmal in falscher Richtung gegangen sein.
Örtliche Entfernung ist dabei kein Hindernis. Des Meisters helfende Hand
streckt sich dem Ergebenen immer
entgegen, sei er nah oder fern, im brennenden Wüstensand, auf schneebedeckten
Bergeshöhen oder selbst in einer öden Wildnis. Er übt einen gesunden und verbessernden
Einfluß auf die spirituellen Aspiranten aus, indem er Kräfte innerhalb seines
Einflußbereiches frei macht, so wie ein mächtiger Leitstern, der innerhalb
seines magnetischen Feldes eine erstaunliche Anziehungskraft ausübt. Der wahre Meister nährt die
Ergebenen mit seinem eigenen Lebensblut. Der dem Meister
nachfolgt, ist stets in einem Zustand
anhaltender Glückseligkeit. Gauri Sukhmani M.5 Maulana Rumi wiederholt dasselbe: Die Hand des Meisters ist die Hand des Herrn.
Weit-und hochreichend durchdringt sie die sieben Himmel. Der Meister spricht mit seinen Ergebenen auf allen
Ebenen von Angesicht zu Angesicht und gibt seinen weisen rat immer, wenn sie
dessen bedürfen. Guru Nanak sagt: Der Meister
ist immer mit mir und so auch der Herr. Alle meine Arbeit verrichte ich in
ständiger Erinnerung an ihn. Asa M.2 Der Meister schaut nach mir an allen
Orten, welche Furcht sollte ich dann
unterhalten? Majh M.5 Wie erkennt
man einen Gott-Menschen? Aber wie sind solche erhabenen Persönlichkeiten zu
unterscheiden, die auf die Welt der Sterblichen herniederkommen, um der
Menschheit auf ihrer Reise zur höchsten Quelle des Geistes zu helfen! Wann
immer wenn sie kommen, offenbaren sie sich selbst, und diejenigen, die mit der
spirituellen Schau begabt sind, wissen, wie man sie erkennt. Ein Mensch der
Verwirklichung allein kann eine verwirklichte Seele erkennen. Gauri M.5 Doch nicht jeder ist spirituell fortgeschritten. Es
gibt natürlich einige bestimmte und hervor- stechende Merkmale im Leben und Gebaren der
Heiligen. Mit diesem Wissen mag ein fleischliches Auge imstande sein, sie von
der gewöhnlichen Art zu unterscheiden. Ein wirklicher Meister ist ein Welt-Lehrer, und
nicht Lehrer einer bestimmten Sekte oder Glaubensrichtung. Er schaut auf die
Menschheit von der Ebene der Seele aus und wendet sich an alle beseelten Körper
gleicherweise. Ein wahrer Meister ist bekannt für die Universalität
seiner Lehren, denn sein Aufruf ist ein universaler und gilt allen. In seiner
Herde sitzen alle als Glaubensbrüder zusammen, ungeachtet der Rasse und der
Religion. Ferner ist ein wahrer Meister nicht hinter äußeren
Pomp und Zurschaustellung her, sondern lebt von seinem eigenen Einkommen und
ist niemals abhängig von anderen, was seinen Lebensunterhalt betrifft. Wer auch immer
sich selbst einen Lehrer nennt und von der Mildtätigkeit anderer lebt,
vor ihm beuge dich niemals. Einer, der seinen
Unterhalt im Schweiße seines Angesichts verdient und mit
anderen teilt, o Nanak! Nur der allein kann den Weg
kennen. Sarang War M.1 Wie können wir in die Gemeinschaft
des Einen kommen, in dessen Gegenwart das Gemüt ruhig
wird? Die Heiligen sind die wahren Freunde, denn sie
allein flößen göttliche Trunkenheit ein. Suhi M.3 Wenn man mit all-liebender Hingabe
einen Gottmenschen sieht, wird nicht nur das Gemüt
still, auch alles Leid wendet sich ab. Suhi M.5 Wann immer jemand mit offenem Herzen in die
Gegenwart eines wirklichen Meisters gelangt, findet er Wellen des Trostes, die
ihm entgegenströmen und fühlt dadurch eine Woge der Erhebung in sich. Seine
persönliche Aura hat diese wunderbare Wirkung auf uns. Seine Worte, so wie sie
sind, sind mit hoher Spiritualität geladen, sie sinken tief in die Herzen der
Zuhörer hinein und sind niemals ohne Wirkung. Gott-Menschen sprechen immer mit einer Autorität,
die aus der Überzeugung geboren ist, denn sie besitzen Wissen von allem, das
aus der direkten Verbindung mit der ursprünglichen Quelle oder dem universalen
Urgrund herrührt. Sie sprechen vom Standpunkt der Seele aus, zu welchem die
gelehrte Philosophie keinen Zugang hat. Alle Heiligen haben diese Wahrheit
verkündet. Je mehr man sich literarischen Bestrebungen zuwendet, desto mehr
wird man sich im Irrgarten des Buchwissens verlieren. Es ist mehr Wahrheit in
seiner Rede, als alle Worte gelehrter Philosophie jemals aufzeigen können. Wir
sollen, so gut es geht, den besten Gebrauch davon machen, aber wir dürfen uns
nicht in sie verlieren, denn „der Verstand ist zwar eine Hilfe, aber er ist
auch ein Hindernis“. Der wahre Meister ist einer, der selbst vom Wasser
des Lebens - die Wahrheit - in Fülle trinkt und es auch anderen anbietet. Er
ist kompetent, das innere Auge der Sucher zu öffnen, damit sie das Licht Gottes
schauen können, und er kann ihr inneres Ohr entsiegeln, um sie die Stimme
Gottes - das Tonprinzip - hören zu lassen, das in der ganzen Schöpfung
erklingt. Wahrlich, ein
wirklicher Meister nimmt den Schleier vom Auge weg und gewährt einen
Schimmer von der wahren Wohnstatt. Und wieder: Wer uns Gottes Wohnstatt im Körper
zeigen kann, o, nehmt ihn in der Tat als den
wahren Meister an. Gauri M.5 Die Glorie
eines Sadh umfassen selbst die Veden nicht vollständig, sie ist bar
jeglicher Beschreibung. Gauri M.5 So legen die Heiligen natürlicherweise mehr
Nachdruck auf persönliche Erfahrung. Sie kommen zu den grundlegenden oder
zentralen Standpunkt aller Religionen, welcher die Aussagen der Heiligen aller
Glaubensrichtungen betrifft. Gott-Menschen schauen nicht auf die äußeren
Erscheinungen noch auf die unterschiedliche Kleidung der verschiedenen Orden,
vielmehr akzeptieren sie die wahren Werte des Lebens. Sie mischen sich nicht in
altherkömmliche Glaubensansichten, zu denen sich ihre Schüler bekennen, und
auch nicht in die Art ihres sozialen Lebens. Im Gegenteil: Sie legen allen
nahe, in ihren sozialen Religionsgemeinschaften zu verbleiben und zu lernen,
den spirituellen Sinn dieser zu leben. Sie gründen keine neuen
Glaubensgemeinschaften oder Religionen. Jene, die nach innerer spiritueller
Erhebung trachten, können von Gott-Menschen Nutzen ziehen, ohne daß sie die
Religionsgemeinschaft, der sie angehören, verlassen. Jedoch befürworteten die
Heiligen nicht die Ansicht, daß man das höhere Leben durch objektives Streben
suchen sollte. Sie sehen den menschlichen Körper als den lebendigen Tempel
Gottes und weisen ihre Schüler an, Gott darin zu suchen durch die Praxis der
Wissenschaft vom heiligen Wort. Wahrlich
dieser Körper ist der Tempel Gottes, und das Wort wird in ihm offenbar.
Für den Unwissenden lebt Gott getrennt vom Menschen und
ist unerreichbar. Parbhati
M.3 Gott selbst schuf den Tempel des
Menschen und wohnt darin. Durch die Gnade des Meisters
kann man Gott finden, nachdem alles äußere Verhaftetsein
ausgemerzt ist. Shalok
M.3 Suche Gott niemals in der äußeren
Welt, denn Seine Wohnstatt liegt in deinem Haus (dem
Körper). Der Unwissende kennt nicht den Wert
des Tempels Gottes, und er verliert sein irdisches Leben
für nichts. Ramkali
War M.3 Gottmenschen messen Pilgerorten keine große
Heiligkeit zu, wohl aber der Gemeinde der Heiligen. Sie lenken unsere
Aufmerksamkeit auf die großen Seelen, welche die Plätze, die heute Pilgerorte
genannt werden gesegnet haben. Heiligen zu begegnen und in ihrer
Gemeinschaft zu sein, ist die größte Pilgerfahrt. Einen
Heiligen zu sehen, vermittelt einem den Segen von allen
68 Pilgerorten zugleich.1) 1) Es gibt 68 Pilgerort in Indien. Heilige schreiben keine andere Form der Verehrung
oder Ausübung eines Rituals vor als die der Verbindung mit dem Wort - dem
heiligen Naam. Sie legen uns die Verehrung des Göttlichen im lebendigen Tempel
des menschlichen Herzens nahe. Dies ist
in der Tat die wahre Verwirklichung des universalen, segenspendenden spirituellen
Stromes in diesem Erdenleben, welcher die ganze Schöpfung durchdringt. Die Schätze
von Naam sind im Tempel Gottes (dem Körper), aber die Unwissenden
finden sie nicht darin. Parbhati M.3 Die Reinen sind diejenigen, welche
in Verbindung mit dem Wort sind. Ohne das Wort gibt es
keine Verehrung. Die ganze Welt steckt in
abergläubiger Unwissenheit. Ramkali M.3 Das Zweitwichtigste beim Fortschreiten der Seele auf
dem Pfad ist die heilige Gemeinschaft (Sat-Sangat), da diese eine erhebende
Wirkung auf sie ausübt. Die ganze Atmosphäre ist mit dem Lebensimpuls, der vom
Meister übertragen wird, geladen, und die Ergebenen, welche an dieser
Zusammenkunft teilnehmen, ziehen ungeheuren Nutzen daraus, wenn der Meister den
Vorsitz führt. Es ist praktisch eine Schule, in der den Schülern durch Worte
und Gedanken geholfen wird. Das ganze Mysterium des Wortes wird erklärt und den
Ergebenen als das Ein und Alles für sie verständlich gemacht. Sat-Sangat
(oder die heilige Gemeinschaft) ist der Ort, an dem kein anderes Thema als das
heilige Naam oder des Wortes gelehrt und erklärt wird. Sri Rag M.1 Es wird dort keine Buchgelehrsamkeit der
philosophischen Schulen verschiedener Geistesrichtungen vertreten. Ein Leben in
der Gottheit ist die einzige Sache von Wert in dieser Richtung. Die Seele, die
sich in ihm erhoben hat und sich Seiner allezeit bewußt ist, ist die bewegende
Kraft der ganzen Gemeinschaft. Die innigen Blicke solcher gottberauschten
Menschen erwecken nicht nur das schlummernde Empfindungsvermögen der Schüler,
sondern bringen es nach und nach völlig in Gang. Ihre Augen sind voller Leben,
da sie in Einklang sind mit der Großen Urquelle des Lebens. Sie übermitteln
denen, die zu ihnen um Hilfe kommen, lebensspendende Strahlen. Ihre
gnadenreichen Blicke befähigen die Schüler, die himmlische Musik - das Wort -
zu fassen, welche in ihnen ertönt. Sie erlangen leicht den Reichtum der
Spiritualität, wenn sie in dieser heiligen Gemeinschaft sind. Durch Ermahnungen
und Praxis wird ihnen auf ihrem Weg zum göttlichen Ziel geholfen. Sie sind die
Sucher nach dem höheren Leben durch den Einfluß vorbereitet, den sie von der
magnetischen Auswirkung erlangen, welche durch die persönliche Aura
gottberauschter Eingeweihter in der heiligen Gemeinschaft hervorgerufen wird.
Jeder hat ein bestimmtes Einflußgebiet, innerhalb dessen er alle, die in dieses
hineinkommen, beeindruckt. Dieser Bereich des persönlichen Magnetismus ist der
Kraft der jeweiligen Persönlichkeit entsprechend größer oder kleiner. Es wird besonderer Nachdruck darauf gelegt, an
diesen heiligen Gemeinschaften teilzunehmen, und dies so sehr, daß der
Sat-Sangat oftmals etwas höher bewertet wird als der Gottmensch selbst. Dies
wird durch die Tatsache offenbart, daß er außer dem Gottmenschen auch noch
andere gottberauschte Ergebene einschließt. Die heilige Gemeinschaft ist ein
Ort, an dem die nach außen gehenden Neigungen und üblen Regungen des Menschen,
der sie besucht, leicht gewandelt, geformt und der magnetischen Kraft des Meisters
oben unterworfen werden. Der Meister bezeichnet den Sat-Sangat als den einzig
wahren Pilgerort, wo die Schüler dem göttlichen Ziel - der höchsten
spirituellen Ebene - Sach Khand - entgegenschreiten. In einem
wahren Sangat wird die Verbindung mit dem heiligen Naam- dem Wort -
hergestellt. O Nanak, pflege keinen Umgang mit Menschen,
die selbstische Ziele haben! Gujri War M.5 Wo keine solche Persönlichkeit ist, die den Vorsitz
führen kann, können die Vorteile eines Satsang nicht genutzt werden. Der Meister sagt: Ohne einen Gott-Menschen gibt es keinen Sangat, und
ohne das Wort kann keiner das andere Ufer erreichen. Gond Kabir Ist der Meister abwesend und die Ergebenen sitzen in
Gedenken an ihn zusammen, erlangen sie die Segnungen des Meisters. Christus hat gesagt: Denn wo zwei oder drei versammelt
sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter
ihnen. Math 18,20 Die dritte Notwendigkeit beim Fortschreiten der
Seele ist das wahre Naam - Shabd oder das göttliche Wort -, das der wahre
Meister lehrt. Das heilige Naam hat zwei Aspekte: Der eine kann in gesprochenen
und geschriebenen Worten mit Hilfe der Lippen und der Zunge oder mittels einer
Feder erklärt werden und wird Varn-Atmak genannt. Der andere Aspekt kann als solcher
nicht ausgedrückt werden und ist bekannt als Dhun-Atmak. Die Wiederholung von
Varn-Atmak Naam wird für Simran-Zwecke auf vier verschiedene Arten gebraucht: 1) mit der Zunge, 2) in der Kehle, 3) im Herzen und 4) im Nabel. Diese Methoden werden entsprechend folgendermaßen
benannt: 1) Baikhri, 2) Madhima, 3) Paschanti und 4) Pra. Durch die Wiederholung auf eine der oben genannten
vier Arten wird Antish Karan (das Gewissen) gereinigt, und man erlangt einige
übernatürliche Kräfte, wie die Verausschau und Hellsehen; aber der Gebrauch
derselben wird ausdrücklich mißbilligt und untersagt. Glückseligkeit, Demut und
Liebe für das Wort werden auf diese Weise ebenfalls ein wenig hervorgebracht.
Da es sich hier um die niedrigen Zentren oder Chakras handelt, die zur
Meditation im menschlichen Körper benutzt werden, wird dem wahren Sucher
angeraten, den konzentrierten Simran mit der Zunge des Gedankens am Zentrum
hinter den beiden Augen (welches das sechste und höchste der sechs Zentren in
Pind oder dem menschlichen Körper ist) zu üben. Naam, das über diesem Zentrum
ertönt, zieht die Seele an wie ein mächtiger Magnet und bringt sie aus den
niedrigen physischen Ebenen in die feinstofflichen und spirituellen Bereiche
empor. Der Aufstieg der Seele in die spirituellen Regionen ist nur durch die
Verbindung mit Naam möglich. Dhun Atmak ist etwas in seinem wahren Aspekt. So
wird zum Beispiel der Ton, der von einer Glocke ausgeht, „tun-tun“ genannt. Man
kann es nicht so einfach mit Worten erklären, doch das Wort oder der Ton
erklingt in den lebendigen Tempeln aller physischen Körper. Das Tonprinzip hat
die Macht, die Seele den Menschen zur höchsten spirituellen Region zu bringen,
von der es ausgeht. Diese himmlische Musik rührt vom inneren Licht her und geht
aus von ihm hervor. Mit den Worten des Meisters gesagt: Im Innern ist das himmlische Licht,
und aus ihm geht ein Ton (Bani) hervor; eine
Verbindung mit ihm bringt die Seele in Einklang mit dem Herrn. Sorath
M.1 Er darf aber nicht dem Ton verwechselt werden, der
durch den Blutkreislauf etc. entsteht und durch die Ohren vernommen wird; denn
dieser bezieht sich einzig und allein auf die Elemente. Dieser Aspekt von Naam
ist, obgleich man ihn nicht zum Ausdruck bringen kann, dennoch sehr real und
ewig. Es ist ein transzentender spiritueller Strom, der von Gott ausgeht und
die ganze Schöpfung durchdringt. Es gibt keine Worte, die seine wahre Bedeutung
genau bezeichnen oder beschreiben. Der Meister aber beschreibt es folgendermaßen: Die 52 Buchstaben des Alphabets und
die drei großen Aufteilungen - die rein spirituelle
Region, die spirituell- materielle und die
materiell-spirituelle Region - sind in diesem Wort. Alle Buchstaben können
wegfallen, aber diese Wort wird ewig bestehen. Gauri
Kabir Das heilige Wort oder Naam ist allein ein Geschenk
des Meisters. Ohne dieses kann Gott nicht erkannt werden. Wahr ist sein
Wort und wahr Seine Ewige Musik (Bani). Ein wahrer Gurmukh kann es
vernehmen. Durch Sättigung mit dem wahren Wort wird Verzicht
erreicht, und das Kommen und Gehen hat ein Ende. Maru M.3 Kabir sagt: Das Wort zieht die Seele wie ein
Magnet zu den spirituellen Bereichen empor. Ohne Hilfe des
Wortes kann sich keiner über den Körper erheben, mag
er versuchen, was immer er will. Und: Wenn das Wort berührt wird, hat man
den Herrn gefun- den, und dann ist alles Mühen von
Erfolg gekrönt. Sri Rag M.3 Ohne das Wort ist die ganze Welt
entfremdet, und keiner kann etwas daran ändern. Wen auch
immer der Herr erretten will, wird auf das Wort
abgestimmt. Shalok M.3 Ohne das Wort kann man den Geliebten
nicht finden, und die menschliche Geburt war dann
umsonst. Sri Rag M.3 Mein Herr, der Ewig-Seiende, wird
durch die Praxis des Wortes (des heiligen Naam) gefunden.
Er ist unvergänglich; weder kommt Er noch geht Er. Bleibe
in Verbindung mit Ihm, der alles durchdringt, und
meditiere nicht über einen, der an das vergängliche Rad gebunden
ist. Gujri War M.3 Soami Shiv Dayal Singh Ji sagt, indem er von Shabd
spricht: Wahrlich
wunderbar ist die Kraft von Shabd, wie kann ich beschreiben die Glorie
von Shabd? Jene, die gekostet haben die Süße
von Shabd, sie allein kennen die Größe von
Shabd. Jeden Augenblick empfinde ich die
schützende Kraft von Shabd; wie vermag ich zu schildern die
Erhabenheit von Shabd? Ohne Shabd wandelt man in
Unwissenheit und kennt nicht seinen Wert. Jene, die das Geheimnis lösten von
Shabd und starke Liebe haben für Shabd und Shabd im rechten Ernste üben, sind wirklich die Gesegneten. Es gibt keine Kontrolle über das
Gemüt, ohne Shabd; darum stimme dich ein auf Shabd. Vergebens war die menschliche
Geburt, erlangt man nicht die Schätze von
Shabd. In den Tiefen der Seele ertönet
Shabd; warum lauschst du nicht den Klängen
von Shabd? Sitze allein und bringe dein Gemüt
zum Schweigen, denn nur dann wird sich dir Shabd
offenbaren. Lege Stumpfheit, Schlaffheit und
Müdigkeit ab und bleibe immer in Verbindung mit
Shabd. Im Innern erklingt das auf fünf
Arten tönende Shabd; so lerne zu lauschen auf Shabd. Ich habe viel gesprochen über Shabd, aber leider müht sich keiner zu
folgen dem Shabd. Für nichts verwirken sie das
menschliche Leben, die nicht die Rettungsschnur von
Shabd ergreifen. Ich beende nun diese Rede über
Shabd, keiner, nur dem es bestimmt ist,
erlangt Shabd. Die Verbindung mit dem Wort oder Shabd ist die
einzige wahre Verehrung. Ohne diese Praxis vermag nichts die eingewurzelten
üblen Neigungen des Gemüts auszurotten. Wer immer über die sich schnell
ausbreitenden Verzweigungen des Gemüts klagt, hört nicht die Musik des Wortes.
Doch im Verlauf der Zeit schleicht sich die Unwissenheit ein, und die erhabenen
Wahrheiten, welche durch die Meister kundgetan wurden, bleiben unverstanden,
und ihre wahre Bedeutung wird aus den Augen verloren. Im Guru Granth Sahib erscheint sehr häufig der
Begriff Gur-Bani (das Wort). Wo darin der Ausdruck Shabd vorkam, glaubten
manche, daß damit die Hymnen gemeint seien, die im Guru Granth niedergelegt
sind. Dies rührt daher, daß sie von dem bewußten Tonstrom oder dem Wort nichts
wußten, das in der ganzen Schöpfung und durch sie hindurch erklingt. Wir wollen
uns dem Guru Granth Sahib selbst zuwenden, um zu ermitteln, was er darüber zu
sagen hat. Die nun folgenden Hymnen werfen genug Licht auf die Tatsache, daß
das Wort etwas Bewußtes ist, und dies viel mehr, als Worte zu schildern
vermögen. Wenn wir uns mit „Shabd“ verbinden, erheben wir uns
in ein neues Leben. Der Weg zur
Erlösung führt über Shabd. Körper und Gemüt werden gereinigt
durch Shabd; selbst Gott wird auf der Ebene des
Gemüts verdeckt. Ohne die Verbindung mit Shabd sind
wir blind und taub, und die menschliche Geburt war
umsonst. Ohne den Nektar von Hari Naam zu
kosten, ist das Leben nur ein Schatten, eine Fata Morgana,
und man bleibt endlos im Zyklus der Geburten und
Tode. Gleich schmutzigen Würmern fühlen
wir uns wohl im Unrat eingehüllt in den Schleier höchster
Unwissenheit. Sorath M.3 Jene, die das Wort nicht kennen,
sind blind und taub (denn sie sehen nicht sein Licht und
hören nicht seinen lieblichen Gesang). Welchen Nutzen
hat ihr Kommen in die Welt? Sie erfreuen sich nicht des süßen
Elixiers von Hari Naam und verlieren für nicht das irdische
Leben. Und weiter bleiben sie im endlosen
Zyklus der Geburten und Tode. Schmutzigen Würmern gleich
ziehen sie sich selbst in die Niedrigkeit der
Sinneswelt. Wahrlich, ohne Vernunft fühlen sie
sich wohl und gedeihen im Dunkel der
Unwissenheit. Sorath M.3 Bani (das Wort) hallt durch die vier
Yugas und kündet allen die Wahrheit. Sri Rag M.3 Im Tonprinzip (Dhun) ist tiefe
Konzentration; nun weiß ich, was Konzentration
wirklich bedeutet. Das Wort, durch den
Meister offenbart, ist unaussprechlich (Akath). Ramkali M.1 Der vollendete Meister enthüllt das
wahre Wort (Sachi Bani), das durch „Sukhman“
führt und zu „Sahaj“ (dem Zustand der
Ausgeglichenheit) leitet. Maru
M.5 Der Bani des Meisters (das Wort)
erklingt in der ganzen Schöpfung. Maru M.5 Auch die Bezeichnungen „Akath-Katha“
(unbeschreiblicher Gesang), „Dhun“ (Harmonie), „Anhand Bani“ (unbegrenzte
Musik) wurden von Guru Nanak im Granth Sahib gebraucht und sind alle
gleichbedeutend mit ein und demselben Prinzip, nämlich „Naam“, „Shabd“ oder
„das Wort“. Das Wort liegt über dem Gesichtskreis von „buddhi“ (der
Denkfähigkeit) und wird nur gehört, wenn man sich über den Körper erhebt. Ein Verstehen
des Wortes kommt allein, wenn es sich der Seele direkt offenbart. Alles Wissen und die Meditation
rühren vom Tonprinzip (Dhun) her, aber was das Tonprinzip ist, kann
nicht erklärt werden. Sri Rag M.1 Der wahre „Bani“ wird durch den
Meister gegeben und erklingt im „Sukhman“. Maru M.5 Der „Bani“ des Meisters durchdringt
alles. Er geht von ihm aus, und er selbst
offenbart ihn. Maru M.5 Die unübertreffliche Musik wird über
die Gnade eines Gottmenschen gehört; nur wenige gibt
es, die sich mit ihr verbinden. Ramkali M.1 Vollendet ist der grenzenlose Gesang
(„Anhad Bani“), und der Schlüssel dazu ist bei den
Heiligen. Ramkali M.5 Ein Heiliger gibt seinem Schüler bei der Initiation volle
Instruktionen über das „wahre Naam“ (das Wort). Er ist es, der das heilige Naam
eingibt und es den Initiierten offenbart. Er zeigt ihnen auch, daß die Schätze
der Gottheit in ihnen verborgen sind, und er sagt, wie sie mit ihr in
Verbindung kommen können (in Jap Ji, Vers VI). Dieser Körper
ist der heilige Tempel Gottes. Das Licht des Allwahrhaftigen
scheint darin. Unvergleichlich sind die Kleinode,
die im Tempel des Körpers verborgen sind; aber wenige gibt es, die sie durch
die Weisungen des Meisters finden. Gauri War M.4 Schule deinen Körper, dein Gemüt und
meditiere über das Wort des Meisters. O Nanak! Forsche im Körper nach den
Schätzen von Naam. Durch die grenzenlose
Liebe des Meisters kannst du sie finden. Asa M.3 Der Bani des Gott-Menschen ist in jedem von uns. Er
geht von Gott aus, und Er selbst macht ihn hörbar. Wer auch immer sich mit dem
Wort verbindet, wird erlöst und erreicht die ewige Region der Wahrheit. „Bani“
oder das „Wort“ des Meisters wird im „Sukhman“ gehört und stimmt einen auf
„Sahaj“ (Zustand der Ausgeglichenheit) ab. Wie der Meister sagt, sind vier Dinge von bleibendem
Wert, während alles andere im Verlaufe der Zeit dem Verfall und der Zerstörung
unterworfen ist. Es sind dies „Naam“ oder „Bani“, „Sadh“ oder eine entwickelte
Seele, die sich selbst im Vater sieht und den Vater im Meister - dem
personifizierten Wort (Guru) - und der Herr (Gobind). Wer auch immer mit ihnen
ein Bündnis schließt, wird erlöst und überschreitet den Bannkreis der Zerstörung. Naam allein ist ewiger Reichtum. Alle anderen
Schätze kommen und gehen. Feuer kann diesen Reichtum nicht verbrennen, und
Diebe können ihn nicht stehlen. Dieser Reichtum des Herrn durchdringt die
Seelen aller und ist immer mit der Seele. Er wird durch den vollendeten Meister
gefunden und fällt niemals einem zu, der sich dem Sinnesleben hingibt. In der Tat
groß ist der Kaufmann, o Nanak, der den Reichtum von Naam erwirbt. Gujri War M.3 Guru Gobind Singh, der zehnte Guru der Sikhs, hinterließ
dem Sikh-Heiligen ein bleibendes Fundament. Er gab uns die mystische Form des
Guru Granth Sahib als maßgebenden Führer und als Richtschnur. So können
menschliche Irrtümer, die sich durch Unwissenheit einschleichen, vermieden
werden. Die Darlegungen der Heiligen aus nahezu allen Glaubensrichtungen - der
Hindus, Mohammedaner, Brahmanen und anderen -, finden alle gleichermaßen einen
Platz im Guru Granth. Dies zeigt, daß die spirituellen Führer trotz der
verschiedenartigen Gemeinschaften gleich willkommen waren, um an dieser
himmlischen Festtafel teilzuhaben. Als ein praktisches Beispiel möge dienen,
daß Guru Nanak den Bhai Bala, einen Hindu, und Mardana, einen Mohammedaner, als
ständige Gefährten auf seinen Reisen durch ganz Asien bei sich hatte. Die ganze
Menschheit, ohne Unterschied des Glaubens und der Rasse, ist auf dem Weg der
Spiritualität willkommen, lehrte er. Guru Gobind Singh hat im Guru Granth Sahib deutlich
einen Weg zu Gott durch Shabd (das Wort) gezeigt. Hinsichtlich dessen machte er
den Sat-Sangat oder die heilige Gemeinschaft, die sich aus fünf Piaras (oder
Geliebten Gottes) zusammensetzt, zur Pflicht und nannte sie die Khalsas - die
Reinen. Er verstand nach seiner Definition darunter diejenigen, die im vollen
himmlischen Licht erstrahlen, und er versprach, immer und für alle Zeiten in
ihnen gegenwärtig zu sein. Seine eigenen Worte sind: Khalsa ist
meine eigenen Form, und ich wohne in ihr. Der Meister
schärft dem Schüler (Sikh) ein, nur von
solchen Khalsas oder Reinen die Initiation zu erbitten, die als Pahul
oder Amrit bekannt sind. Er sagt: Wer auch immer langes Haar trägt,
ohne Pahul (von den fünf Khalsas, den Reinen
oder Piaras), der trägt nur das äußere Kleid und
ist der Unwissendste im Gefolge. Die Khalsas sind die Sadhs, von deren Ruhm der Guru
Granth Sahib in Bänden spricht. Guru Nanak war eine Personifizierung von Shabd.
Er wechselte seine Form und kam als Guru Angad, der sich in Guru Amar Das
umwandelte, welcher sich wiederum als Guru Ram Das erhob und dann in Guru Arjan
Dev überging. Shabd verkörperte sich weiterhin, bis er die Form von Guru Gobind
Singh, dem zehnten Guru der Sikhs, annahm, der deutlich machte, daß er für alle
Zeiten in den Khalsas - den Reinen - weiterleben werde. Natürlich haben alle
Heiligen ihr immerwährendes Dasein in der Form von Shabd versprochen. Die
Khalsas sind somit das „personifizierte Wort“, das Wort in ihnen und sie im
Wort. So stellt Guru Gobind Singh die Dreieinigkeit der Religion im
Sikh-Heiligtum auf eine dauerhafte Grundlage: 1) Shabd oder Naam 2) Satsang oder die heilige
Gemeinschaft, und 3) die Einsetzung der Khalsas zum
Zweck der Initiation, oder daß man ihren zu Füßen Zuflucht
nehme für die Unterweisungen, die in den Vorschriften
des Guru Granth Sahib, dem richtungsweisenden
Führer, enthalten sind. Weiter berichtet uns Guru Nanak von den
Anfangsgründen, die zum Fortschritt auf dem spirituellen Pfad führen. Diese
Stufen bilden das Hauptthema der Verse XXVIII und XXIX des Jap Ji. Die
Eigenschaften, die den Ausübenden befähigen, die spirituellen Studien aufzunehmen,
sind in Vers XXXVIII genannt. Am Ende des Jap Ji ist eine Beschreibung der fünf
spirituellen Ebenen gegeben, welche die Pilgerseele auf ihrem Weg zurück zu
Gott zu überqueren hat. Die Erfahrungen unserer eigenen Seele werden den
Beweis erbringen, daß diese Auffassung der Religion, wie sie Guru Nanak im Jap
Ji lehrt, die richtige ist. Wir brauchen dieserhalb nicht bis zum Tode zu
warten. Der Meister hält nichts von Versprechungen auf guten Glauben. Wenn der
Mensch nicht Gott findet, solange er im Körper lebt, wer möchte dann an das
Erreichen des Lebenszieles nach dem Tode glauben? O Herr, wenn Du uns nach dem Tode
erlösest, was kann uns das nutzen?-Oh, nichts. Namdev Wenn man sich der praktischen Seite der Lehren
hingibt, wird dies die Wirksamkeit der Mittel beweisen, die Guru Nanak uns
riet. Eine Art Ruhe und höchste Freude beginnt den Geist gleich von Anbeginn an
zu beherrschen. Und im Laufe der Zeit werden bei weiterer Praxis im lebendigen
Tempel des menschlichen Körpers wunderbare Weisen vernommen, und eine ganze
Welt himmlischen Lichts leuchtet auf. Zuletzt wird der Mensch dorthin geleitet,
wo das himmlische Licht in vollem Glanze erstrahlt. Und schließlich wird er dem
„Strahlenden Geist“ in seiner vollen Schwingung gegenübergestellt. Erst dann
erscheint das Universum voll des Herrn und läßt erkennen, daß es nichts auf der
Welt gibt, das nicht das Wort ist. Der Meister möchte, daß jeder von uns die flüchtigen
Formen und Schablonen durchdringt und von den Erscheinungen der Natur zum Gott
der Natur übergeht. Er warnt uns vor den Irreführungen der verlockenden
Attraktionen und vor dem phantastischen Zauber, welche Mutter Natur durch ihre
Reize und ihre vergängliche Schönheit ausbreitet. Wir sollten sie als Hinweise
auf den Herrn, den Ewigen Gott, erkennen, der im Innern wohnt und jedes ihrer
allzu rasch vergehenden Werke durchdringt. Weiterhin hofft er, daß wir alle
unsere Kräfte aufrufen und sie in unseren Dienst zwingen, um unseren Körper zum
lebendigen Tempel der göttlichen Musik, des Wortes, zu machen, solange wir noch
auf Erden leben. Er sagt darum: O Mensch, du bist in die Welt
gekommen, ein gutes Geschäft zu machen. Aber leider gibst du dich mit den
fruchtlosen und verwirrenden Dingen des Lebens
ab. Die Nacht (des irdischen Lebens)
geht ihrem Ende zu. Sri Rag M.3 Das Gut, mit dem du handeln sollst,
ist das alles durchdringende Naam - das
Wort, das von den Heiligen zu haben ist. Gauri Sukhmani
M.5 Du bist als Mensch geboren worden, und das ist die günstige
Gelegenheit, dich mit Gott zu verbinden. Asa M.1 „Jetzt oder nie“, heißt die Parole, die Guru Nanak
aufgestellt hat. Die Bindung an die Sinnesgegenstände, das prunkhafte
Zurschaustellen von Reichtum und Wohlstand, der luxuriöse Überfluß und die
Fülle, das zügellose Sinnestrachten nach Wohlleben und Behaglichkeit - dies
alles trägt zur Unausgeglichenheit des einfältigen Gemüts bei. Es sind dies die
Disteln und Dornen, welche die Schönheit des ungetrübten Geisteszustandes
beeinträchtigen, der der rechte Boden und bestens geeignet ist für das
Aufdämmern der Gottheit. Jeder Tag, jede Stunde und jede vorübergehende Minute
führt und immer mehr in die Gebundenheit der sinnesfreudigen Erscheinung der
Welt. Guru Nanak sagt: Da wir der objektiven Welt verhaftet
sind, wie können wir einen Blick von Dir,
o Herr, dem ewig-seinenden Einen, erlangen? Bilawal M.5 Wir müssen kurz innehalten, um zu sehen, wo wir uns
befinden und in welche spirituellen Höhen uns zu führen der wahre Meister
gekommen ist. Der Zweck des
Lebens Der Meister setzt uns das Ziel, völliges Einssein
mit dem Herrn - dem Einen Wesen - zu erlangen. Wir können uns mit der Quelle,
von der wir dereinst ausgegangen sind, wieder vereinen und unsere bleibende
Wohnstatt in der Heimat unseres Vaters wiedergewinnen, wo jenseits des Bereichs
der Zerstörung und der Unwissenheit und über allem Elend des unruhigen Meeres
des Lebens Freude und Frieden herrschen. Der Meister ermahnt uns, ihn in unserer Seele zu
erkennen, ja, uns in ihm zu erheben, indem wir jeden Sinn für das kleine Ego
„Ich“ im lebendigen Tempel unseres Körpers aufgeben. Das Reich Gottes liegt in
uns. Wir müssen den „inneren Menschen“ als Gottes Ebenbild erkennen, den
physischen Körper als den Tempel Gottes, das Tabernakel des heiligen Geistes,
in welchem sich der Herr offenbart. In diesem lebendigen Tempel müssen wir
unsere Seele mit Gott in Einklang bringen und in enger Gemeinschaft mit Ihm
leben. Der Tempel
Gottes ist unser Körper, in welchem das Kronjuwel allen Wissens in
Erscheinung tritt. Der Unwissende läßt sich diese
Möglichkeit niemals erträumen. Für ihn kann der Mensch
kein lebendiger Tempel Gottes sein. Parbhati
M.3 Diesen lebendigen Tempel (den
Körper) hat Gott selbst erschaffen, und Er selbst wohnt
darin. Durch die Weisungen des Meisters
wird Er darin gefunden, nachdem alle Bindungen und
Täuschungen ausgemerzt sind. Shalok
M.1 Guru Nanak zufolge ist die ganze Schöpfung als ein
einziger großer Tempel Gottes anzusehen, den Er ganz und gar durchdringt. Wir
müssen die Flöte für die Stimme des Herrn werden. Unser
Universum ist der Tempel Gottes; aber ohne den Meister (den Gott-Menschen) herrscht
tiefe Finsternis. Und diejenigen, welche anders
denken, sind die Un- wissendsten unter den Menschen. Parbathi
M.3 Diese Universum ist die Wohnstatt
des Wahren Einen, und der Wahre Eine weilt wahrhaftig
darin. Asadiwar
M.2 Mit diesen Worten wird der Leser nun eingeladen, in
den Text des Jap Ji einzudringen, mit der innigen Bitte an den Herrn, daß Er
uns die Gunst erweisen möge, mit Shabd in Verbindung zu kommen, damit wir uns
zu Ihm erheben können. Kirpal Singh DAS JAP
JI In der Eingangsstrophe versucht Guru Nanak in Form
eines Prologs eine Definition des Wesens des Allmächtigen, so undefinierbar Er
auch ist, indem er sich auf Seine Zeitlosigkeit, Seine Größe, die Ungeschaffene
Erste Ursache aller Dinge, die Er ist, bezieht. Und er fährt fort, die Mittel
und Wege anzudeuten, durch welche Er zu erreichen ist. Dieses Thema wird im
weiteren Verlauf eingehender untersucht und in seinem ganzen Umfang durch eine
Strophe klar abgerundet, die der ersten in ihrer Konzentration, ihren inneren
Gehalt und ihrer literarischen Vortrefflichkeit in nichts nachsteht. Der Prolog
bezieht sich auf das Wesen Gottes und zeigt die Mittel und Wege zur Erlösung.
Der Epilog faßt das Wesen von Gottes Schöpfung wundervoll zusammen und schließt
mit einem Triumpflied für diejenigen, welche Erlösung erlangen. PROLOG Es gibt eine Wirklichkeit, den
Unoffenbarten-Offenbart; Immer seiend ist Er Naam (der
bewußte Geist). Der Schöpfer, der alles durchdringt, Ohne Furcht, ohne Feindschaft; Der Zeitlose, der Ungeborene und aus
sich selbst Bestehende, Vollkommen in sich selbst. Durch die Gnade Seines Wahren
Dieners, des Meisters, Kann Er erkannt werden. Er war, als da nichts war, Er war vor dem Beginn aller Zeiten. Er ist jetzt, o Nanak, Und Er wird in alle Ewigkeit sein. Dieser Text bildet das Mool-Mantra, oder die
Grundprinzipien, wie sie von Guru Nanak gelehrt werden. Gott wird als das eine
höchste Wesen (Nirankar) beschrieben; der Unoffenbarte-Offenbart (Ekankar); die
Ewige Wahrheit; der bewußte Geist, der alle Formen durchdringt, die von Ihm
ausgehen - Er, der die ganze Schöpfung aufrecht erhält. Er ist nicht getrennt
von Seiner Schöpfung, sondern wohnt jeder Form inne. Dieses
Universum ist die Wohnstatt des Wahren Einen, und der Wahre Eine hält sich darin
auf. Er ist der Schöpfer von allem, der nichts
Seinesgleichen hat, und darum braucht Er keinen zu fürchten oder zu beneiden.
Wiederum steht er über aller Ursächlichkeit; Er existiert in sich selbst und
ist Geburt und Tod nicht unterworfen. Er, der zeitlose Eine, der vor jeder Zeit,
gegenwärtig und jenseits aller Zeit existiert, ist der einzige Gegenstand der
Verehrung und kann nur durch die Gnade Seines heiligen Wortes im Menschen
erreicht werden. Nanak faßt die verschiedenen „Systeme“ menschlichen
Denkens zusammen, die für die Verwirklichung des Einsseins mit Gott verkündet
wurden. Er legt ihre Unzulänglichkeit dar, um die große Wirklichkeit zu
enthüllen. Philosophie, Verstandeskraft, äußerliche Vorschriften, wie das
Reinhalten des Körpers (was die Sündhaftigkeit des Gemüts nicht entfernen
kann), Schweigen und Fasten etc., sind nur unzulängliche Bestrebungen, um zum
Ziel zu gelangen. Es gibt nur einen Weg, auf dem Er zu erreichen ist, und der
ist nach Guru Nanak, daß man Gottes Willen zu seinem eigenen macht. Sein Wille
ist bereits ein Teil unseres Seins, aber wir sind uns seiner nicht bewußt. Es
geht nicht darum, etwas Neues zu finden oder zu schaffen, sondern daß man sich
mit dem, was bereits da ist, in Einklang bringt. STROPHE 1 Man kann ihn nicht durch den
Verstand erfassen, denkt man auch ewig darüber nach. Man kann durch äußeres Schweigen
nicht inneren Frieden finden, und bliebe man für immer
stumm. Nicht mit allem Reichtum der Welt
läßt sich Zufriedenheit erkaufen, noch kann man ihn durch
alle geistige Findigkeit erreichen. Wie kann man die Wahrheit erkennen
und die Wolken des Falschen durchbrechen? Es gibt einen Weg, o Nanak! Seinen
Willen zu dem unseren zu machen, Seinen Willen, der
bereits in unser Dasein eingewirkt ist. Hukam oder der Wille selbst ist etwas, das man nicht
mit Worten schildern kann. Er spricht jeder Beschreibung Hohn. Den göttlichen
Willen kann man nur verstehen, wenn er der Seele direkt enthüllt wird. In der
Absicht, diesen Gedanken verständlich zu machen, erklärt der Meister das
mannigfaltige Wirken, das durch seinen Willen gelenkt wird. Er weist auf den
Prüfstein hin, mittels welchem man jene erkennen kann, die mit Seinem Willen
eins geworden sind. Das Erkennen des göttlichen Willens bedeutet die
Vernichtung des Ego. STROPHE 2 Alle Dinge sind Offenbarungen Seines
Willens, doch Seinen Willen kann man nicht
beschreiben. Durch Seinen Willen wird Materie zum
Leben erweckt; durch Seinen Willen wird Größe erlangt; durch Seinen Willen werden diese
hoch und jene niedrig geboren; durch Seinen Willen ist des Menschen
Freud und Leid bestimmt; 1) durch Seinen Willen erlangt der
Fromme Erlösung; und durch Seinen Willen unterliegen
die Gottlosen fortwährender Seelenwanderung. Alles besteht durch Seinen Willen, und nichts ist außerhalb davon. Wer mit Seinem Willen in Einklang
ist, o Nanak, ist gänzlich vom Ego befreit. _______________ 1) Dies bezieht sich auf das karmische Gesetz von
Ursache und Wirkung. Unsere Freuden und Leiden sind alle vorherbestimmt, da sie
die Folge unserer früheren Handlungen sind. Wie man sät, so ernte man, ist eine
allgemeine Redewendung. Guru Nanak sagt: „Die dahingleitende Feder Seines
Willens bewegt sich entsprechend unseren Taten.“ _______________ Als ein großer Lehrer nimmt Nanak die Verwirrung,
die sich im Herzen mancher „Sucher“ durch das Studium der verschiedenen
Schriften ergeben mag, vorweg. Diese sagen über den Willen Gottes nicht immer
dasselbe aus; doch braucht man darum nicht zu zweifeln und skeptisch zu sein,
denn das, was sie tatsächlich beschreiben, ist nicht Gottes Wille (der als
solcher unbeschreibbar ist), vielmehr sein mannigfaltiges Wirken und seine
Offenbarungen. Gottes Wille durchdringt und lenkt Seine Schöpfung; aber er ist
etwas mehr, etwas, das in sich selbst und über und jenseits der Schöpfung
besteht. STROPHE 3 Manche besingen Seine Größe, doch
nur nach dem Ausmaß an Kraft, das ihnen verliehen
wurde; manche besingen Seine Gaben und
nehmen sie als Zeichen von ihm; manche besingen Ihn als den
Unbegreiflichen; manche besingen ihn als den, der
Staub zu Leben und Leben zu Staub verwandelt: als
den Schöpfer und Zerstörer, der das
Leben gibt und es wieder nimmt. Manche singen von ihm als dem
Nächsten und doch den am weitest Entfernten. Es gibt keine Grenze, wenn man Ihn beschreiben will. Unzählige haben versucht, von ihm
ein Bild zu geben; aber dennoch steht er über jeder
Schilderung. Die von Ihm empfangen, mögen müde werden, aber Er in Seiner Großmut ist
unermüdlich; seit Ewigkeiten hat der Mensch davon
gelebt. Sein Wille lenkt die Welt, und dennoch, o Nanak, weilt Er
jenseits von Sorg`und Müh`. Gottes Wille ist nicht zu beschreiben, und so erhebt
sich die Frage: Wie können wir eins mit ihm werden? Guru Nanak entgegnet: Das
Beste, was wir tun können, ist, zur frühen Morgendämmerung zu meditieren und
uns mit Seinem heiligen Wort zu verbinden. Unser Tun und Streben zählt
zweifellos, wir erlangen ja dadurch unsere Geburt als Menschen - aber, fährt
Guru Nanak fort, wir können dadurch noch nicht die Erlösung erlangen; denn sie
muß als Sein Gnadengeschenk kommen. Guru Nanak wendet sich im Jap Ji immer
wieder diesem Paradox zu, daß die Erlösung nur durch Seine Gnade möglich ist,
doch daß es unserer Anstrengung bedarf, um sie zu erlangen. STROPHE 4 Wahr ist der Herr, und wahr Sein
heiliges Wort. Seine Liebe wurde als unendlich
beschrieben. Die Menschen bitten um Seine Gaben,
die Er unermüdlich gewährt. Wenn alles Sein ist, was können wir Ihm dann zu Füßen
legen? Was können wir sagen, um Seine Liebe
zu gewinnen? Zur ambrosischen Stunde der frühen
Dämmerung verbinde dich mit dem göttlichen
Wort und meditiere über Seine
Herrlichkeit. Unsere Geburt ist die Frucht unserer
Werke; doch Erlösung kommt nur durch Seine
Gnade. O Nanak, wisse, daß der wahre Eine
allem innewohnt. Die Verbindung mit dem heiligen Naam - dem
göttlichen Wort - zusammen mit der Meditation über Seine Herrlichkeit ist das
„Sesam-öffne-Dich“ für die Verwirklichung des Einen Wesens. Das Wort ist die
Substanz und die Kraft, durch welche alles Leben geschaffen ist. Die heilige
Verbindung mit ihren zauberhaften Melodien ist ein Geschenk, das nur durch
einen lebenden Meister erlangt werden kann. In Seiner Gemeinschaft führt man
ein Leben heiliger Inspiration und Liebe zu Gott, und das innere Auge wird
geöffnet, um Gottes Gegenwart in allen Dingen zu sehen. Guru Nanak hat in
seinem Prolog bereits darauf hingewiesen und fährt nun fort, die Größe und
Bedeutung einer solchen Seele zu beschreiben. Ein wahrer Meister ist nicht nur
ein menschliches Wesen, sondern eines, das eins geworden ist mit Gott und das
die Kräfte aller Götter und Göttinnen in sich birgt. Er ist wahrhaftig das
Wort, das Fleisch und Blut geworden ist. Die einzige Lektion, die ein solcher
Meister den Schüler gibt, ist, immer über Gott, den Schöpfer von allem, zu
meditieren und ihn niemals zu vergessen. STROPHE 5 Er kann nicht erzeugt und nicht
geschaffen werden; der Formlose Eine ist grenzenlos
vollendet in sich selbst. Jene, die Ihn anbeten, werden
geehrt. Nanak rühmt immer das Schatzhaus
aller Tugenden. Laßt uns Ihm singen und mit dem Wort
Verbindung halten, voll liebender Hingabe im Herzen; denn dann werden alle Sorgen enden,
und wir werden freudvoll heimwärts geleitet. Der Meister1) ist die Ewige Musik oder das personifizierte Wort; er ist die Veden und alle
Schriften2), er ist vom Göttlichen durchsättigt. Er ist Siva3), er ist Vishnu3) und
er ist Brahma3) und ihre Gefährtinnen Parvati4),
Lakshmi4) und Saraswati4) dazu. Die Größe des Meisters kann, selbst
wenn man sie kennt, nicht mit irdischer Beredsamkeit
geschildert werden. Mein Meister lehrte mich das eine: Er ist der Herr von allem, Ihn kann
ich niemals vergessen. _______________ 1) Das im Original gebrauchte Wort heißt „Gurmukh“,
was zugleich „das Sprachrohr Gottes“ bedeutet und „der Meister“, der seine
Schüler auf Gottes Pfad führt. 2) Der Meister besitzt das „Wissen der Gottheit“, auf
dem alle Schriften fußen. 3) Der Meister zeigt alle Attribute der Gottheiten,
welche die Hindu-Trinität darstellen: Brahma, Vishnu und Siva, die Symbole des
Prinzips der Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung. Wie Brahma, der die Veden
deutet, göttliches Wissen vermittelt und dadurch seinen Schülern eine neue
Geburt, die Geburt aus dem Geist gibt; wie Vishnu, der sie vor allem Schaden
bewahrt und beschützt, und wie Siva, der alle üblen Neigungen in ihnen
zerstört. 4) Gleicherweise sind die Göttinnen Parvati, Lakshmi
und Saraswati Symbole der Hingabe, des Reichtums und der Gelehrsamkeit. Er ist
das Urbild all dieser Tugenden. ______________ In dieser Strophe entwickelt Guru Nanak ein Paradox,
daß in Strophe 4 berührt wurde, noch ausführlicher. Man kann durch Beachten
bestimmter äußerlicher Handlungen nicht die Vereinigung mit Gott erlangen - zum
Beispiel durch das Lesen der Schriften, das Aufsagen von Gebeten, durch
Wallfahrten, Schweigen, Fasten und Nachtwachen, oder durch Ausüben von Riten
und Ritualen; dies alles bildet nur einen Teil von Apara Vidya, das den Boden
bereitet, um Interesse für das höhere Leben zu erzeugen und Hingabe zu
entwickeln. Man mag den besten Gebrauch davon machen; aber die äußeren Werke
können nicht zur Erlösung führen. Sie sind, für sich genommen, bedeutungslos.
Worauf es ankommt, das ist Sein Gnadenblick. Hat man ihn erlangt, dann ist man
wahrlich gesegnet. Und dennoch, wenn auch die Erlösung allein von Gottes Liebe
abhängt, so laßt uns nicht träge sein. Ein müßiges Leben kann zu nichts führen;
denn Gott hilft jenigen, die sich selbst helfen. Ohne Zweifel wird Erlösung
durch Gnade erlangt, aber dieser Gnade muß man sich erst wert machen. Der
einzige Weg, es dahin zu bringen, ist, dem Pfad zu folgen, der durch einen
wahren Meister gelehrt wird. Indem wir uns des göttlichen Plans bewußt werden,
machen wir Seinen Willen zu den unseren. STROPHE 6 Wenn ich nur Ihm gefalle, ist´s der
Pilgerfahrt genug; wenn nicht, sind weder Riten noch
Mühen von Nutzen. Wohin ich auch immer schaue, sehe
ich, daß in seiner Schöpfung keiner ohne Seine Gnade
die Erlösung fand - ungeachtet aller Karmas1). Du kannst in dir ungeahnten
spirituellen Reichtum entdecken, wenn du nur den Lehren
deines Meisters folgst. Mein Meister lehrte mich das eine: Er ist der Herr von allem, möge ich Ihn niemals vergessen. _________________ 1) Karma: Handlungen. Dieser Begriff bezieht sich im
indischen Denken auf eine sehr komplizierte Hindu-Lehre. Sie hebt die
Überzeugung hervor, daß unsere gegenwärtigen Handlungen unsere Zukunft
bestimmen, und daß nicht nur in diesem Leben, sondern auch im künftigen. Es
gibt keinen Zufall. Der Mensch handelt, infolge einer Kettenreaktion von
Ursache und Wirkung. Obgleich spirituelle Erlösung nicht ohne Gnade möglich
ist, sagt Guru Nanak, daß wir uns diese Gnade dennoch durch unsere Karmas oder
Handlungen in diesem oder den vorangegangenen Leben verdienen mußten. 2) Meister: Dieser Begriff findet sich oft im Jap Ji
und wird häufig in den Sikh-Schriften gebraucht. Er bezeichnet einen
spirituellen Lehrer; und immer, wenn Nanak ihn anwendet, meint er damit nicht
irgendeinen, der sich zum spirituellen Führer aufgestellt hat, vielmehr einen,
der auf der spirituellen Reise die höchste Ebene erreicht hat und nicht mehr
vom Allmächtigen getrennt ist, sondern zu Seinem Sprachrohr wurde. ________________ Durch gewisse Yoga-Übungen kann man sein Leben
verlängern und übermenschliche und übernatürliche Kräfte erlangen. Aber, sagt
Guru Nanak, sie bringen nicht notwendigerweise die Gunst Gottes ein, ohne die
alles nichtig ist. Tatsächlich erklärt Guru Nanak in einer späteren Strophe
XXIX, daß solche übernatürlichen Kräfte meist Hindernisse auf dem Weg zur
völligen Gottverwirklichung sind. STROPHE 7 Wenn einer sein Leben über vier
Zeitalter1) ausdehnen, nein, es sogar auf das zehnfache
verlängern könnte; wenn einer durch alle neun
Schöpfungsebenen hindurch bekannt wäre und jedermann dort ihm
mit Achtung begegnete; wenn jede Kreatur ihn bis in den
Himmel rühmte - das alles und noch mehr ist ohne
Wert, wenn Gottes Auge nicht wohlgefällig auf ihm ruht; ohne Seine Gunst wird er als der
geringste Wurm unter den Würmern betrachtet, und die Sünder werden ihn der Sünden
beschuldigen. O Nanak, Er verleiht jenen Tugenden,
die keine haben, und vermehrt sie bei den
Tugendhaften. Aber es geht nichts, das man Ihm
verleihen könnte. Nach kurzem Abschweifen (in Strophe 7) kommt die
Sprache wieder auf die Geheimnisse der Spiritualität. Es ist bereits gesagt,
daß Einssein mit Gott nur dann möglich wird, wenn wir Seinen Willen zu dem
unseren machen, und dies wiederum durch die Verbindung mit dem Wort, dessen
Geheimnis von einem lebenden Meister enthüllt wird. Nun erklärt er die Frucht
einer solchen Verbindung. Man erhebt sich über das Körperbewußtsein und gelangt
zum Kosmischen Bewußtsein. Man wird ein wirklicher Heiliger, und das Mysterium
der Schöpfung ist enthüllt. _____________ 1) Hier bezieht sich Nanak auf die alte Hindu-Lehre
von den vier Yugas oder Zeitzyklen, die der westlichen Anschauung vom Goldenen,
Silbernen, Kupfernen und Eisernen Zeitalter gleichkommt. Nanak gebraucht häufig
diese Begriffe und Lehren der alten Hindu-Überlieferung, aber er bezieht sich
auf sie nicht im Geiste wissenschaftlicher Wahrheit, sondern vielfach als göttlicher
Dichter, der Andeutung und Mythologie gebraucht, um seine Sache durchzuführen. _____________ Kabir sagt dasselbe: Wenn du dich ins Jenseits erhebst, hörst du eine ganz feine Stimme. Diese Stimme kann nur ein „Brahm-Gyan“ vernehmen. Diese innere Stimme, die man in Augenblicken tiefer
Meditation hört, darf nicht mit der Stimme des Gewissens verwechselt werden,
was häufig vorkommt. Unser gewissen ist nichts mehr als die Summe unserer
früheren Handlungen und ein Urteil über unsere jetzigen. Als solches ist es von
Mensch zu Mensch verschieden. Hingegen ist die innere Stimme der wahren
Meditation etwas Universales, etwas, das sich nicht ändert, sondern für alle
gleich ist. Die nächsten drei Strophen (9, 10 und 11) behandeln die Frage, welche Frucht die
Verbindung mit dem Wort bringt, durch welche alles mögliche erreicht werden
kann, sei es materiell, intellektuell oder spirituell, und die letzten Endes
zur Gottheit führt. STROPHE 8 Durch die Verbindung mit dem Wort
kann man ein Siddha1), ein Pir2), ein Sura3)
oder ein Nath4) werden. Durch die Verbindung mit dem Wort
kann man die Mysterien der Erde, des tragenden
Bullen5) und der Himmel verstehen. Durch die Verbindung mit dem Wort
werden die irdischen Regionen, die himmlischen
Ebenen und die niederen Welten enthüllt. Durch die Verbindung mit dem Wort
können wir unversehrt durch die Pforten des Todes entkommen. O Nanak! Seine Ergebenen leben in
ständiger Verzückung, denn das Wort wäscht
alle Sünden und Sorgen fort. ___________________ 1) Siddha: eine Mensch, der mit übernatürlichen
Kräften begabt ist. 2) Pir: ein Moslem-Heiliger oder spiritueller
Lehrer. 3) Sura: Gottheit. 4) Nath: Yogi - ein Adept in Yoga. 5) Dhaul: ein erdichteter Bulle, der angeblich
Himmel und Erde trägt. ____________________ STROPHE 9 Durch die Verbindung mit dem Wort
kann man die Kräfte von Siva, Brahma und Indra erlangen; durch die Verbindung mit dem Wort
kann man die Achtung aller gewinnen, ungeachtet
seiner Vergangenheit; durch die Verbindung mit dem Wort
kann man die Einsicht eines Yogi in die enthüllten
Geheimnisse des Lebens und des Selbst gewinnen; durch die Verbindung mit dem Wort
kann man den wahren Sinn der Shastras1), Smritis2) und
der Veden3) erkennen. O Nanak! Seine Ergebenen leben in
ständiger Verzückung, denn das Wort wäscht alle Sünden und
Sorgen fort. Strophe 10 Durch die Verbindung mit dem Wort
wird man zur Wohnstatt von Wahrheit,
Zufriedenheit und wirklichem Wissen; durch die Verbindung mit dem Wort
erwirbt man die Früchte des Badens an den
achtundsechzig Pilgerorten4); durch die Verbindung mit dem Wort
erlangt man die Achtung der Gelehrten; durch die Verbindung mit dem Wort
erlangt man Sahaj5). O Nanak! Seine Ergebenen leben in
ständiger Verzückung, denn das Wort wäscht alle Sünden und
Sorgen fort. STROPHE 11 Durch die Verbindung mit dem Wort
wird man zur Wohnstatt aller Tugenden; durch die Verbindung mit dem Wort
wird man ein Sheikh, ein Pir und ein wahrer König der
Spiritualität; durch die Verbindung mit dem Wort
finden die spirituell Blinden ihren Weg zur
Verwirklichung; durch die Verbindung mit dem Wort
durchquert man das grenzenlose Meer der täuschenden
Materie. O Nanak! Seine Ergebenen leben in
ständiger Verzückung, denn das Wort wäscht alle Sünden und
Sorgen fort. ___________________ 1) Shastras: philosophische Abhandlung der Hindus. 2) Smritis: die alten Hindu-Schriften. 3) Veden: die ersten Bücher des menschlichen
Denkens. 4) Ath-Sath: hier bezieht sich Nanak auf den
Hinduglauben, wonach ein Bad an achtundsechzig (die buchstäbliche Bedeutung)
Pilgerorten, Reinigung von allem sündhaften Tun bringt. 5) Sahaj: dieses Wort bezieht sich auf den Zustand,
in dem die Wirren der physischen, astralen und kausalen Welt mitsamt ihrem
zauberhaften Panorama überschritten sind und das große Lebensprinzip im Innern
geschaut wird. _________________ In den vorangegangenen vier Strophen suchte Nanak
die Früchte der Verbindung mit dem Wort zu beschreiben und fährt nunmehr fort,
über den Zustand desjenigen zu sprechen, der seinen Willen auf den göttlichen
Willen abgestimmt hat, was nicht zu schildern ist, da Sein Wille jenseits aller
Beschreibung steht. Was als kontrollierende Kraft in dieser Welt vorgestellt
wird, kann als der Wille Gottes verstanden werden. Gott selbst ist formlos,
doch Er nahm Gestalt an und wurde das Wort oder Naam. Durch dieses Wort kamen
die verschiedenen Schöpfungsebenen, eine nach der anderen, ins Dasein. Wer die
Praxis des Wortes übt, d.h. seine Seele vom Körper zurückzieht und sie durch
die Kraft der göttlichen Musik des Wortes emporheben läßt, kann von einer
spirituellen Ebene zur anderen fortschreiten, bis er die Quelle erreicht und
eins mit ihr wird. Sowie er seine Reise fortsetzt, weitet sich auch sein mentaler
und spiritueller Gesichtskreis. Seine Seele wird von den früheren Sünden und
den bindenden karmischen Ketten befreit. Auf diese Weise überschreitet sie das
Leiden und entrinnt dem Rad der Seelenwanderung. Hat man einmal wahre Erlösung
erlangt, kann man auch anderen auf dem Pfad helfen. Wirklich groß ist die Macht
des Wortes, aber unglücklicherweise gibt es nur wenige, die sie kennen. Das
alles wird in den Strophen 12 bis 15 behandelt. STROPHE 12 Keiner kann den Zustand desjenigen
beschreiben, der Gottes Willen zu seinen eigenen
gemacht hat. Wer immer versucht, es zu tun, muß
seine Torheit erkennen. Keine Menge an Papier, Federn oder
Schreibkunst kann je den Zustand eines solchen
Menschen schildern. O, groß ist die Macht des Wortes,
aber wenige gibt es, die das wissen. STROPHE 13 Durch die Praxis des Wortes erhebt
man sich ins universale Bewußtsein und entwickelt
rechtes Verstehen; durch die Praxis des Wortes gelangt
man zu Hellsichtigkeit und Übersicht über die ganze
Schöpfung; durch die Praxis des Wortes wird man
von Sorgen und Leiden befreit; durch die Praxis des Wortes braucht
man nach dem Tode nicht zu Yama1) zu gehen. O, groß ist die Macht des Wortes,
aber wenige gibt es, die das wissen. _______________________ 1) Yama: den Menschen, welche die jenseitige Welt
kennen, ist bekannt, daß die Seelen, wenn sie ihr sterbliches Kleid ablegen,
durch bestimmte Boten, die Todesengel (Yamduts), in die andere Welt gebracht
werden. Sünder werden von ihnen schlecht behandelt; während die übrigen
unterschiedslos vor „Yama“, den König des Todes, kommen. Doch einer, der die
Praxis des Wortes übt, entgeht „Yama“ ganz; denn er wird in der Astralwelt von
der strahlenden Form des Meisters empfangen und durch ihn in die spirituellen
Ebenen geleitet. ____________________ STROPHE 14 Durch die Praxis des Wortes gelangt
man ungehindert in die höheren spirituellen Ebenen; durch die Praxis des Wortes erreicht
man die spirituellen Bereiche offen und ehrenvoll; durch die Praxis des Wortes entrinnt
man den Seitenwegen Yamas, des Königs des Todes; durch die Praxis des Wortes kommt
man in enge Berührung mit der Wahrheit. O, groß ist die Macht des Wortes,
aber wenige gibt es, die das wissen. STROPHE 15 Durch die Praxis des Wortes erlangt
man am Ende Erlösung; durch die Praxis des Wortes führt
man seine Freunde und Verwandten ebenfalls in
die Freiheit; durch die Praxis des Wortes erlöst
man nicht nur sich selbst, sondern, wenn man ein Adept wird,
viele andere, die man leitet; durch die Praxis des Wortes entkommt
man, befreit von Wünschen, dem Rad der
Seelenwanderung. O, groß ist die Macht des Wortes,
aber wenige gibt es, die das wissen. Die heilige Verbindung mit dem Wort oder „Naam“ ist
das alleinige Mittel, um Einssein mit dem höchsten Herrn zu erlangen, sagt
Nanak. Nichts anderes kann dem Menschen zu diesem Ziel verhelfen. Es ist der
Geistesstrom, der von dem einen Sein ausgeht und dabei alle spirituellen und
materiellen Ebenen bildet und in und außerhalb von ihnen erklingt. Er kommt von
den reinsten spirituellen Ebenen herunter zu den materiell-spirituellen und
dann zu den materiellen Welten, indem er jeweils den Ton ändert, wenn er durch
die verschiedenen Sphären dringt. Die Hauptunterteilungen der spirituellen und
astralen Ebenen sind fünf an der Zahl, wie durch die verschiedenen Schriften
dargelegt wird. Es sind somit fünf unterschiedliche Töne. Diese fünf Töne
werden von den Meistern oder den Adepten in dieser Wissenschaft Panch Shabd
(fünf Worte) genannt: „Panch“ bedeutet wörtlich auch „Kopf“, und Guru Nanak
bezieht sich an dieser Stelle auf beide Bedeutungen. Das Wort wurde Fleisch und
wohnte unter uns. Alle Heiligen sind sich ein und desselben Wortes bewußt,
welches als das „Fünftönige Wort“ bezeichnet werden mag. Naam, Bani (oder Wort)
und Hukam (der Wille) werden von Guru Nanak als nahezu identisch gebraucht.
Diejenigen, welche sich immer des göttlichen Wortes oder der Gottheit bewußt
sind, werden zu Seinem Sprachrohr, und man nennt sie Sants. Sie sind geehrt in
Seinem Reich und sind Seine Hauptarbeiter. Es ist durch die Verbindung mit
diesem „Fünftönigen Wort“, daß man die Vereinigung mit Gott erlangt. Alle
anderen Mittel versagen. Durch dieses Wort kam die ganze Schöpfung zustande,
und sie geht bei ihrer Auflösung wieder zu Ihm zurück. Es ertönt in jedem von
uns, und des Menschen Körper ist wahrhaftig ein lebendiger Tempel Gottes. Die
Heiligen aller Glaubensrichtungen sprechen vom Wort als dem einzigen Mittel,
durch welches man die letzte Wirklichkeit erlangen kann. Die Mohammedaner nennen es Bang-i-Asmani oder die
Stimme, die vom Himmel kommt. Shamas Tabrez und Khawaja Hafiz Shirazi sprechen
von ihm, wie in der Einführung bereits zitiert wurde. Die Hindus drücken es mit
den Worten Nad (Sphärenmusik), Akash Bani (die Stimme vom Himmel) und Udgit
(Musik des Jenseits) aus. Der heilige Johannes sagt in der Bibel: Am Anfang war
das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbige
war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbige
gemacht, und ohne dasselbige ist nichts gemacht, was
gemacht ist. STROPHE 16 Der Heilige (oder das
personifizierte Wort) ist angesehen in Seinem Reich und der
Haupterwählte darin; der Heilige ziert Gottes Schwelle
und wird selbst von Königen geehrt. Er lebt durch das Wort und meditiert
über das eine Wort. Wer immer das Mysterium Seiner
Schöpfung erörtert und erklärt, erkennt, daß die Werke des
Schöpfers jenseits aller Beurteilung sind. „Dharm“ oder das Wort, aus Seiner
Gnade geboren, ist der sprichwörtliche Bulle1), der
die Schöpfung in Harmonie erhält. Wer dies erkennt, dem ist die
Wahrheit sicherlich bekannt. Es ist nichts als das Wort, das die
überwältigende Last der ganzen Schöpfung trägt; denn würde die Erde von einem Bullen
getragen, müßte dieser wieder von einem anderen
Planeten gestüzt werden und dieser von einem weiteren und so
fort bis ins Endlose. Welch ungeheure Last! Welche andere Kraft könnte sie
tragen? Keine außer dem Wort. Es gibt kein Ende der Schöpfung. Es gibt zahllose Lebensformen,
verschieden in Name, Art und Farbe, für die objektive Welt durch die
ewig dahinfließende Feder des Schöpfers bestimmt. Wer vermag die Werke Seiner
Schöpfung aufzuzählen, und könnte es einer, wie groß wäre
dann die Zahl? Wie groß ist Seine Macht und wie
herrlich Sein Werk! Wer kann das Maß Seiner liebenden
Gnade ermessen? Nur mit einem einzigen Wort2)
brachte Er diese gewaltige Schöpfung ins Sein, Und tausend Lebensströme sind ihr
entsprungen. ____________________ 1) Dhaul: ein erdichteter Bulle, der angeblich
Himmel und Erde trägt. 2) Die Hindus glauben, daß das Wort „Eko-Aham Bahu
Syam“ es war, was bedeutet: „Ich bin
einer und will viele werden“. Die Mohammedaner sagen, daß es das Wort „Kun-
fi- Kun“ gewesen sei, nämlich: „Er
wollte, und siehe, das ganze Universum erstand.“ Welche Kraft habe ich, Dein
wunderbares Wesen zu begreifen? Zu gering bin ich, mein Leben Dir zu
opfern. Was immer Dir gefällt, ist gut. Du bist immer und ewig, o Formloser Einer. In dieser Strophe gibt Guru Nanak ein Bild von
jenen, die gute Werke verrichten, und von solchen, die Ihn auf verschiedene
Weise zu erreichen suchen. Diese festgelegten Wege sind, obgleich lobenswert,
doch nicht zu vergleichen mit der Gottesschau, welche durch die Verbindung mit
dem heiligen Wort und die Praxis desselben möglich wird und wodurch man allein
Gottes Willen zu seinem eigenen machen kann. STROPHE 17 Zahllos sind jene, die an Dich
denken und zahllos jene, die Dich lieben. Zahllos sind die, die Dich anbeten
und zahllos jene, die Dich in Härten und Bußen suchen, zahllos sind die, die Deinen Ruhm
aus heiligen Büchern künden, und zahllos jene, die in Yoga vertieft,
der Welt mit Gleichmut gegenüberstehen. Zahllos jene Deiner Ergebenen, die
über Deine Eigenschaften und Deine Weisheit
sinnen; und zahllos jene, die Wahrheit und
Barmherzigkeit üben. Zahllos sind jene, die dem Schwert
des Feindes mutig ins Gesicht schauen, und zahllos jene, die Schweigen gelobten
und mit stetiger Liebe über Dich meditieren. Welche Kraft habe ich, Dein
wunderbares Wesen zu begreifen? Zu gering bin ich, mein Leben Dir zu
opfern. Was immer Dir gefällt, ist gut; Du bist immer und ewig, o Formloser Einer. Während Nanak erst von den Gottesfürchtigen
gesprochen hat, wendet er sich nun den Gottlosen zu. STROPHE 18 Unzählbar sind die Toren, völlig
blind in ihrer Unwissenheit, und unzählbar die Diebe und Schwindler,
die durch unrecht erworbenes Gut gedeihen. Unzählbar jene, die Tyrannei und
Unterdrückung ausüben, und unzählbar die Halsabschneider,
die durch ruchlose Verbrechen leben. Unzählbar jene, die in schamlosen
Sünden schwelgen, und unzählbar die Lügner, die in Trug
und Falschheit leben. Unzählbar die Gottlosen, die sich
von verderblicher1) Speise nähren, unzählbar die Verleumder, die ihre
Last vermehren, indem sie andere schmähen. Zu viele an der Zahl für den
geringen Nanak, sie zu beschreiben. Welche Kraft habe ich, Dein wunderbares
Wesen zu begreifen? Zu gering bin ich, mein Leben Dir zu
opfern. Was immer Dir gefällt, ist gut. Du bist immer und ewig, o Formloser Einer. ______________________ 1) Die im Original gebrauchten Worte sind „Mal“ und
„Bhakh“ und bedeuten: verderbliche, ungesunde Nahrung aufnehmen; sie
beziehen sich auf nicht vegetarische Speise und Rauschmittel. Selbst
vegetarische Speisen und andere harmlose Getränke, die durch unrechte Mittel
beschafft sind, gelten als schädlich, und so erweist sich ihre Verwendung als
unbedingtes Hindernis auf dem Pfad. ________________________ Mannigfaltig ist Seine Schönheit, und gewaltig ist
Seine Schöpfung. Man kann sie unmöglich beschreiben. Worte können sie nicht
angemessen schildern. Aber selbst wenn Worte unzulänglich sind, so sind sie
doch das einzige, uns zur Verfügung stehende Mittel. Gott selbst ist namenlos,
und die verschiedenen Namen, mit welchen Er benannt wird, wurden von den
Meisterseelen gebraucht; und obschon sie dem, der unbeschreiblich ist, niemals
gerecht werden können, geben sie doch eine vage Vorstellung und einen Ansporn
für den Pfad. STROPHE 19 Ohne Zahl sind Deine Namen und ohne Zahl Deine Stätten; schwer erreichbar und unzugänglich
Deine unzähligen himmlischen Ebenen. Selbst durch die Worte „ohne
Zahl“1)können wir Dich nicht beschreiben. Mit Worten schildern wir Dich, und
mit Worten rühmen wir Dich. Durch Worte erwerben wir göttliches
Wissen, und mit Worten werden Dir Hymnen gesungen
und Deine Eigenschaften gepriesen. Es sind Worte, die wir in Rede und
Schrift gebrauchen, und in ihnen ist unser Los
beschlossen. Doch Er, der es so ordnet, steht
über diesem Gesetz. Wie Du es bestimmst, so kommt es zu
uns. Du wohnst allem inne, und es ist
nichts, wo Dein Wort nicht ist. Welche Kraft habe ich, Dein
wunderbares Wesen zu begreifen? Zu gering bin ich, mein Leben Dir zu
opfern. Was immer Dir gefällt, ist gut. Du bist immer und ewig, o Formloser Einer. __________________ 1) Die Worte „Zahl“ und „ohne Zahl“ sind für den Allmächtigen ohne Bedeutung.
Er, der allem innewohnt und das Leben der Schöpfung selbst ist, kennt jedes
kleinste Teilchen davon. __________________ Unsere Seele wandert unter der Herrschaft des Gemüts
und den nach außen strebenden Kräften und wird durch die Eindrücke der äußeren
Welt befleckt; dies so sehr, daß wir uns mit dem Körper identifizieren und
unser Selbst und Gott vergessen haben. Wie nun das Gemüt vom Schmutz der Sünden
zu reinigen und die Seele von der Bindung an die Materie zu befreien ist, das
bildet das Thema dieser Strophe. Seinen Willen zu dem eigenen zu machen durch
die Verbindung mit dem Wort ist das einzige Mittel, um dies zu erreichen. Handlungen, seien sie gut oder schlecht, können
diese innere Verbindung nicht zustande bringen, da sie einen an äußere Dinge
ketten, wodurch die Seele an die Materie gefesselt wird. Lord Krishna sagt: „Gute wie schlechte Taten sind
Fesseln, welche die Seele gleicherweise an
die Welt binden; ungeachtet dessen, ob sie aus Gold oder aus Eisen
sind.“ Der Horizont des Geistes ist verdunkelt durch die
Nebelschleier der Sünden, die sich aus früheren Geburten angesammelt haben.
Solange sie nicht entfernt sind, kann die Sonne der Gottheit nicht in ihrem
vollem Glanz erstrahlen. Naam - das göttliche Wort - und nichts anderes kann
diesen Dunst beseitigen und dem Geist seine ursprüngliche Transparenz
wiedergeben. Es gibt kein größeres Heiligtum als das eines geläuterten Geistes. STROPHE 20 Wenn Hände, Füße und Körper
schmutzig sind, werden sie mit Wasser rein
gewaschen. Wenn die Kleider beschmutzt und
fleckig sind, werden sie mit Seife gereinigt. Ist das Gemüt durch Sünden unrein
geworden, kann es nur durch die Verbindung mit
dem Wort wieder sauber werden. Durch Worte allein werden die
Menschen nicht zu Heiligen oder Sündern, aber durch ihre Taten, die sie mit
sich tragen, wohin sie sich auch wenden. Wie man sät, so erntet man. O Nanak, die Menschen kommen und
gehen durch das Rad1) der Geburten und Tode nach
Seinem Willen. Gute Taten, wie Werke der Barmherzigkeit und
Nächstenliebe, haben, obgleich sie an sich lobenswert sind, keinen bedeutsamen
Einfluß auf das höchste spirituelle Ziel. Sie hören auf, von Wichtigkeit zu
sein, wenn die Seele einmal ihre innere Reise von Til oder dem inneren Auge aus
beginnt: „Wenn dein Auge einfältig ist, so
wird dein ganzer Leib licht sein.“ Matth.
6,22 Vom Strom des Wortes getragen, erreicht die Seele
Amrit-saar oder Amritsa, die Quelle des Nektars, oder das Amritsar im Menschen.
Dort werden alle Unreinheiten, die der Seele noch anhaften, endgültig
weggewaschen. So wird sie für die Weiterreise zur höchsten spirituellen Ebene -
Sat Naam - befähigt, die von unaussprechlicher Erhabenheit und Herrlichkeit
ist. STROPHE 21 Pilgerfahrten, Barmherzigkeit,
Nächstenliebe und Almosengeben hören auf, von
Bedeutung zu sein, wenn man Zugang zu Til1a), dem
inneren Auge, erlangt. Die Verbindung mit dem heiligen Wort
und seine Praxis mit hingebungsvollem Herzen,
bewirken den Zutritt zu den inneren spirituellen
Bereichen und waschen den Schmutz der Sünden an der
heiligen Quelle2) ab. Alle Tugenden sind Dein, o Herr; ich
besitze nicht eine. Ohne die Praxis des heiligen Wortes
kann es keine Verehrung geben. Von Dir ist Bani, das heilige Wort
ausgegangen, welches der Pfad zur Erlösung ist. Du bist die Wahrheit3), bezaubernd
süß, und mein Geist verlangt nach Dir. Bei welcher Gelegenheit, in welcher
Epoche, zu welcher Woche, an welchem Tag, zu welcher Jahreszeit, zu welcher
Stunde war es, als Du zuerst ins Dasein tratest und Dir selbst Ausdruck verliehen hast? Die Pandits konnten es nicht
ermitteln, sonst würde es in den Puranas4)
stehen; und auch die Kazis5) konnten es
nicht bestimmen, sonst würde es im Koran zu finden
sein; noch konnten es Yogis und andere
verkünden. Der Schöpfer allein kennt die
Stunde, zu der Er in Erscheinung trat. ___________________ ____________________ 1) Das unerbittliche Gesetz des Karma oder das
Gesetz von Ursache und Wirkung arbeitet ebenfalls unter Seinem Willen. 1a) Til bedeutet wörtlich „das Senfkorn“. Hier wird
es jedoch gebraucht für das Nervenzentrum zwischen und hinter den beiden Augen.
Die Hindus nennen es Shiv Netra oder das dritte Auge. Im Evangelium wird es das
„einfältige Auge“ genannt. Die Sufis sagen Nukti-i-Sweda. Es ist der Sitz der
Seele im Menschen; und es ist die erste Stufe , auf der sich die Seele sammelt
und fähig wird, sich in höhere spirituelle Bereiche zu erheben. Guru Ramdas
sagt in diesem Zusammenhang: „Das Gemüt schweift jede Sekunde ab, solange es
Til nicht erreicht hat.“ Auch Kabir hat in seinen Versen auf Til Bezug
genommen. Tulsi Sahib sagt, daß das Mysterium Gottes erst enthüllt wird, wenn
man über Til hinausgeht. 2) Die heilige Quelle des Nektars ist Amrit-saar
oder Amritsar, im Menschen. Man darf diese nicht verwechseln mit dem Amritsar,
der heiligen Quelle, die von Guru Ramdas, dem 4. Guru der Sikhs, erschlossen
und von Guru Arjan Dev, dem 5. Guru, fertiggestellt wurde. Die heilige Quelle,
auf die Guru Nanak hier verweist, liegt in der dritten spirituellen Ebene, die
Daswan Dwar benannt ist. Die Mohammedaner nenne sie Hauz-i-Kausar und die
Hindus Prag-Raj. Hier erhält die Pilgerseele ihre wirkliche Taufe, wird von
allen Unreinheiten befreit und erlangt ihre ursprüngliche Reinheit wieder. 3) Die Wahrheit oder Sat Naam wohnt in Sach Khand,
welches die höchste der fünf spirituellen Ebenen ist, in der der Formlose Eine
weilt. Dies wird in den Strophen, die sich den verschiedenen Ebenen zuwenden,
am Schluß des Textes erklärt. 4) Pandits oder die Gelehrten, die in den
Hinduschriften bewandert sind, wie den Veden und den Puranas - den uralten
Abhandlungen. 5) Kazis oder gelehrte Moslems, die in der
religiösen Gesetzgebung und Theologie bewandert sind. ____________________ Wie soll ich
mich an Dich wenden, wie Dich preisen, o mein Herr? Wie soll ich Dich beschreiben, wie Dich erkennen? O Nanak, alle sprechen von Dir, und einer klüger als der andere. Groß bist Du, und noch größer ist Dein heiliges Wort. Was Es will, geschieht. Du allein kennst Deine Größe. Und jene, o Nanak, die vorgeben, das
meiste zu wissen, erfahren keine Ehre im jenseitigen
Leben. Gottes Schöpfung ist voller Vielfalt und über allem
menschlichen Begreifen. Das Endliche kann sich das Unendliche nicht vorstellen.
Alle Versuche, Ihn und Seine Schöpfung zu erkennen, scheitern. Doch eins, sagt
Nanak, ist sicher, nämlich, daß alles von der einen Quelle ausgeht. STROPHE 22 Es gibt Millionen niederer Regionen,
und Himmel über Himmel. Endlos ist der Mensch gewandert auf
der Suche nach Ihm. Auch die Veden sagen das. Die Bücher der Moslems sprechen von
achtzehntausend Welten; und es ist die gleiche
Kraft, die sie alle erhält. Könnte sie erklärt werden, so hätten
wir einen Bericht darüber; doch alle Versuche einer
Beschreibung mißlangen. O Nanak, gestehe Seine Größe; Er allein kennt sich. Selbst wenn sich einer durch die Verbindung mit dem
göttlichen Wort mit dem Unendlichen vereint, kann er Seine Tiefen noch nicht
ergründen; denn das Grenzenlose hat keine Grenzen. Es ist genug, wenn sich der
Strom ins Meer verliert. Gesegnet sind jene, deren Herzen von göttlicher Liebe
erfüllt sind; denn kein irdischer Besitz läßt sich damit vergleichen. STROPHE 23 Seine Ergebenen rühmen Ihn, doch
erlangen sie nie volles Wissen über den Unendlichen; So wie Flüsse, die sich ins Meer
ergießen, dessen Tiefen nicht erkennen. Selbst Kaiser und Könige mit
unermeßlichem Besitz und riesigen Reichen können sich nicht mit einer Ameise
vergleichen, die voll der Liebe zu Gott ist. Gottes Schöpfung ist grenzenlos. Viele schon suchten
ihr Mysterium zu ergründen; doch keiner kann Ihn erkennen, bis er nicht Seine
Höhe erreicht. Die Seele schaut Gott, wenn sie Sach Khand, die höchste der
spirituellen Ebenen, betritt. Wie könnte es anders sein? Wie könnte man mit
diesen materiellen Augen schauen, was reiner Geist ist? Man muß die materielle
Ebene auf den Schwingen des Wortes übersteigen, und das ist durch Seine Gnade
möglich. STROPHE 24 Endlos ist Sein Ruhm, endlos die
Worte der Lobpreisung; endlos Seine Werke und endlos Seine
Gaben. Endlos Seine Schau und endlos Seine
Inspiration. Endlos und über allem Begreifen ist
Seine Ansicht; endlos Seine Schöpfung und endlos
ihre Ziele. Endlos der Menschen angstvolle Suche
nach Seinen Grenzen, aber Seine Grenzen sind nicht zu
finden. Endlos ist Er, und keiner weiß, wo
Er aufhört. Je mehr wir sagen, desto mehr ist
Er. Erhaben ist der Herr und erhaben
Seine Wohnstatt; noch erhabener ist Sein heiliges
Wort. Wer Seine Höhe erreicht, der allein
kann Ihn schauen. O Nanak, Er allein kennt Seine
Größe; und nur Sein Gnadenblick kann und
auf Seine Höhe erheben. Seine
Großmut überragt alles. Hochherzig wie Er ist, schüttet Er Seine Gaben auf alle
hernieder, seien sie gut oder schlecht. Jeder erhält seinen Anteil, keiner wird
übersehen. Er kennt uns alle besser, als wir selbst uns kennen, und gibt uns
das, was am Besten für uns ist. Doch die größte Seiner Gaben ist die der Ewigen
Musik. Wenn Er diese dem Menschen aus Seiner Gnade gewährt, wird er dadurch zum
König der Könige: STROPHE 25 Sein Wohlwollen ist mannigfach, und
niemand kann es aufzeichnen; Er gibt alle Dinge und verlangt
nichts dafür zurück. Zahlreiche Krieger gibt es, die
Bettler sind an Seiner Tür, und viele andere mehr, die man nicht
zählen kann. Viele sind es, die Seine Gaben
mißbrauchen und der Sinnlichkeit frönen; und viele, die Seine Wohltaten
empfangen, verleugnen Ihn. Viele sind der Toren, die nur essen
und genießen und dabei nicht an den Spender
denken. Und viele liegen darnieder, von
Hunger, Not und Schmerz geplagt, die ebenfalls Deine Gaben sind, o Herr. Knechtschaft und Erlösung, beides
ist nach Seinem Willen; und kein anderer hat dabei etwas zu
sagen. Sollte einer wagen, etwas zu
behaupten, wird er bald Grund haben, seine Unbesonnenheit zu beklagen. Er weiß alles und gibt
dementsprechend; aber wenige sind es, die das
erkennen. O Nanak, wem Er Seine Gnade der
himmlischen Musik verleiht, der ist der König der
Könige. Hier verweist Guru Nanak auf die Einzigartigkeit der
Attribute Gottes. Nicht nur Er ist einzigartig und unvergleichlich, sondern
auch Seine Regenten (die Meisterseelen), die das unschätzbare Gut Seines
heiligen Wortes weitergeben. Viele haben zu Seinem Ruhme gesungen, und noch
Unzählige werden kommen, die das gleiche tun. Dennoch war der Allmächtige immer
unbeschreiblich, ist es jetzt und wird es immer bleiben. STROPHE 26 Unvergleichlich1) sind Seine
Attribute und unschätzbar1) Seine Werke. Unvergleichlich sind Seine Händler
und unschätzbar Seine Güter und Seine Vorräte. Unvergleichlich sind die Kunden,
welche kommen, und unschätzbar die Waren, die sie
kaufen. Unvergleichlich ist Seine Liebe und
unvergleichlich jene, die in ihr aufgehen. Unvergleichlich ist Sein Gesetz und
unvergleichlich Sein Gericht. Unvergleichlich sind die Waagschalen
Seiner Gerechtigkeit und unvergleichlich
das angelegte Maß. Unvergleichlich ist Sein Großmut,
unvergleichlich Seine Gunst. Unvergleichlich Seine Barmherzigkeit
und unvergleichlich Seine Gebote. _________________ 1) Das Wort, das an dieser Textstelle im Original
gebraucht wird, ist „Amul“, Es ist schwierig, es exakt mit nur einem Wort in
einer anderen Sprache wiederzugeben. Wörtlich bedeutet es „unschätzbar“, wird
aber häufig als „unvergleichlich“ gebraucht. Demgemäß fand in der Übertragung
beides Verwendung. ___________________ Wie
unvergleichlich! Wie unschätzbar! Wer vermag Ihn zu beschreiben? Seine Ergebenen, die zu Seinem Ruhme
sangen, verfielen in Schweigen; und so auch die Veden, die Puranas
und die Gelehrten. Die Brahmas und Indras singen von
Ihm, und die Gopis2) und Govind3) tun das
gleiche. Siva und die heiligen Siddhas4)
rühmen Ihn. Die Sterblichen wie die
Unsterblichen, alle singen zu Seinem Ruhm. Unzählige sprechen von Ihm, und
unzählige machen den Versuch. Unzählige mehr sind dahingeschieden,
indes sie von Ihm sangen. Doch Er ist und bleibt
unbeschreiblich. Der Mensch kann Ihn nur erblicken,
wenn Er sich ihm enthüllt. O Nanak! Erkenne Ihn als den einzig
Wahren. Und jene, die Ihn zu begreifen
vorgeben, sind sicher die Dümmsten unter den
Menschen. ________________ 2) Gopis oder Hirtenmädchen - die mythischen
Bewunderer von Lord Krishna oder Govind - von denen gesagt wird, daß sie
unermüdlich darin waren, seinen Ruhm zu besingen. 3) Siva: eine bedeutende Hindu-Gottheit. 4) Siddhas: entwickelte Seelen, d.h. Weise und Seher. _________________
Nanak entwirft nun in hoher lyrischer Sprache ein
Bild von Gott, der von Seiner Wohnstatt aus über Seinen vielen Schöpfungen
wacht, die sich vor Ihm in Ehrfurcht neigen. STROPHE 27 Wie wunderbar ist Deine Pforte, wie
wunderbar Deine Wohnstatt, von der aus Du über Deine große
Schöpfung wachst. Zahllos sind die Instrumente und
Harmonien, die darin erklingen; zahllos die Takte und zahllos die
Sänger, die Deine Herrlichkeit preisen Die Elemente - Wind, Wasser und Feuer
- singen von Dir, und von Dir singen der König des
Todes und die ihm berichtenden Engel1). Dir singen die Götter und Göttinnen, denen Du ihre Schönheit gabst. Dir singen Siva, Brahma und auch
Indra von seinem Thron. Dir singen die Siddhas in ihren
Meditationen und Sadhs in
ihrer Betrachtung; Dir singen die Asketen, die
Rechtschaffene, die Zufriedenen und die
Heldenmütigen nicht minder. Dir singen die gelehrten Pandits und
die Rishis zu aller Zeit und rezitieren aus den heiligen
Veden. Dir singen die herzbestrickenden
Nymphen des Himmels, der Erde und der niederen Reiche. Dir singen Deine Edelsten (die
Heiligen) und dazu die achtundsechzig
Pilgerorte. Die singen die mächtigen Krieger,
die tapferen Helden und alle lebenden
Geschöpfe2). Dir singen die irdischen Regionen,
die Himmel und die Universen, erschaffen und
erhalten durch Dich. Auch jene, die Dir wohlgefallen,
singen Dir zum Ruhme und sind gesättigt in der Liebe und
Hingabe zu Dir. Und es sind unzählige mehr, die Dir
lobsingen, derer man sich nicht einmal besinnen
kann; alle liegen jenseits von Nanaks
Gesichtskreis. Er ist und bleibt allein der ewig
seiende Herr. Er ist die Wahrheit, und wahr ist
Sein heiliges Naam. Er ist und wird in alle Ewigkeit
sein. Er, der alle Schöpfungen gebar, wird
niemals vergehen, wenn auch die Welten schwinden. Er, der die Natur mit all ihren
Farben und Formen schuf, schaut auf Sein Werk, wie es Seiner
Größe ziemt. Er ist der höchste Meister und tut, was ihm gefällt. Er ist der König der Könige, der
Allmächtige Herr - und uns, o Nanak, bleibt nur, in Seinem Willen zu beharren. _________________ 1) Dharam Raj: Hüter des Gesetzes, der das Urteil
spricht, wenn die Seelen den Körper verlassen haben, und dies ihren Taten
gemäß, die von Chitr und Gupt, den beiden berichtenden Engeln,
niedergeschrieben sind. 2) Khanis: Hier bezieht sich Nanak auf die vier
Khanis oder Kategorien der lebenden Geschöpfe hinsichtlich der Art ihrer
Geburt, z.B. Andaj, solche, die aus Eiern geboren sind, wie Vögel, Schlangen,
Fische usw.; Jeraj, solche, die aus dem Foetus (der Leibesfrucht) geboren sind,
wie Menschen und Tiere, Utbhaj, solche, die aus der Saat aufkeimen, wie Bäume,
Sträucher und die übrigen Pflanze; Setaj, solche, die aus Schweiß, Schmutz usw.
gewachsen sind, wie Läuse und Gewürm usw. __________________ Nun wendet sich Nanak von seiner Betrachtung des
Allmächtigen ab und konzentriert sich auf die Art des Lebens, die erforderlich
ist, um Seine Pforte zu erreichen. Zu seiner Zeit war der Hinduismus zu bloßem
Ritualismus und Kastengeist herabgesunken. Die Riten waren geblieben, aber der
Geist war verloren. Die Welt wurde als die Wurzel allen Übels betrachtet, und
ein Yogi zu werden und bestimmte festgelegte Praktiken zu verfolgen, wurde als
das einzige Mittel zur Erlösung angesehen. Nanak weist auf die Unzulänglichkeit einer solchen
Ansicht hin und betont nachdrücklich, daß es die innere Schulung ist und nicht
die äußeren Regeln, die echten spirituellen Fortschritt nach sich zieht. Statt
der hölzernen Ohrringe und des Bettelsackes der Yogis empfiehlt er
Genügsamkeit, Selbstachtung und Anstrengung; statt den Körper mit Asche zu
beschmieren, Umhang und Stab zu nehmen, empfiehlt er Meditation,
Todesbereitschaft und Zuflucht zu den Lehren eines lebenden Meisters. Erlösung
ist nicht das Monopol der sogenannten Yogis. Sie ist nur unter bestimmten
spirituellen Voraussetzungen möglich, und diejenigen, welche sie erlangen,
können den Höchsten erreichen, auch wenn sie keine Yogis sind; umgekehrt können
jene, die zwar äußerlich Yogis sind, aber diese Voraussetzungen nicht erfüllen,
niemals Gottes Tür erreichen. Diese spirituellen Voraussetzungen verlangen
nicht nur eine strenge innere Schulung, sondern eine universale Lebensauffassung
- eine Einstellung, bei der man alle als ebenbürtig betrachtet und in allem
Seine Hand sieht. STROPHE 28 Möge Genügsamkeit euer Ohrring sein und Streben nach dem Göttlichen und
Achtung für das höhere Selbst euer Beutel. Ständige Meditation über Ihn sei
eure Asche. Bereitschaft für den Tod soll euer
Umhang sein, und euer Körper sei wie eine reine
Jungfrau. Eures Meisters Lehren mögen der Stab
sein, der euch stützt. Höchste Religion1) ist, sich zur
Universalen Bruderschaft2) zu erheben, ja, alle Geschöpfe als euresgleichen
zu betrachten. Besiegt euer Gemüt; denn Sieg über
das Ich ist Sieg über die Welt. Heil3), Heil Ihm allein, dem Ersten, Reinen, Ewigen,
Unsterblichen und allezeit Unvergänglichen. _________________ 1) Aa-ee Panthi: die höchste Yogi-Sekte 2) Sagal-Jamati: klassenlose Klasse oder eine
Klasse, die keinen Unterschied macht unter den Schülern, die aus allen
Glaubensrichtungen kommen und in Liebe und Wohlwollen zusammen zu den Füßen
eines Meisters sitzen. 3) Aa-des ist ein zusammengesetztes Wort, das aus
Aadi (der Erste) und Eesh (Gott) besteht; es ist auch eine Grußform unter den
Yogis. Nanak empfiehlt, die äußeren Praktiken der Yogis
durch innere spirituelle Schulung zu ersetzen und legt nahe, göttliches Wissen zu
unserer Speise zu machen (der Mensch lebt nicht vom Brot allein); er schärft
Nächstenliebe und Barmherzigkeit ein und sagt, daß wir uns auf die Musik des
göttlichen Wortes abstimmen müssen. Nanak nimmt auch die Gefahren vorweg, die einem auf
der spirituellen Reise begegnen. Nicht nur Reichtum ist ein Hindernis, sondern
auch die Kraft, die man durch Selbstdisziplin und spirituellen Teilerfolg
gewinnt, kann zum Hemmnis auf dem Weg der weiteren Verwirklichung werden. Man
beginnt mit diesen verborgenen Kräften zu praktizieren, und wenn man in sie
vertieft ist, neigt man dazu, das wirkliche Ziel darüber zu vergessen. Daher
warnt uns Nanak vor dieser Möglichkeit. Wir dürfen nicht ruhen, schwanken oder
abschweifen, wenn wir einmal die Reise zu Gott begonnen haben. STROPHE 29 Möge göttliches Wissen dein Brot1)
sein, möge Barmherzigkeit dein Aufwärter1)
sein; die in allem vibrierende göttliche
Musik sei deine Trompete1). Er ist der einzige Herr2) und hat
die Schöpfung nach Seinem Willen geschaffen. Reichtum3) und übernatürliche
Kräfte4) entfremden uns dem Herrn. _________________ 1) Der Hinweis bezieht sich auf die symbolischen
Rituale der Yogis. Wenn ihre Speise bereit ist, bläst der Aufwärter die
Trompete, um die Yogis zusammenzurufen, damit sie daran teilhaben. Während sich
Nanak an sie wendet, ruft er alle auf, zum Ziel zu gelangen und die Gottheit
oder das Brot des Lebens zu kosten, indem sie sich mit dem heiligen Wort
verbinden, das in allen erklingt und die Gläubigen zum spirituellen Mahl ruft. 2) Nath: Die Yogis neigen sich vor Gorakh Nath,
ihrem Lehrer. Aber Nanak rät ihnen, nur einen Nath oder Meister anzuerkennen,
der über die ganze Schöpfung herrscht. 3) Ridh: bedeutet Reichtum.4) Sidh: Das im Original
gebrauchte Wort ist „Sidh“, d.h. „zu vervollständigen“. Gewöhnlich wird es
gebraucht, um die Beherrschung übernatürlicher Kräfte anzudeuten. Nanak lehnt
nicht nur Reichtum ab, sondern auch den Gebrauch dieser Kräfte als Hindernisse
auf dem Pfad. Die ganze Welt bewegt sich nach den
zwei Prinzipien der Vereinigung und Trennung5), und alle erhalten ihren Anteil, wie Er es bestimmt. Heil, Heil Ihm allein, dem Ersten, Reinen, Ewigen,
Unsterblichen und allezeit Unveränderlichen. Nachdem Guru Nanak von den Mitteln zur Erlösung
gesprochen hat, wendet er seine Aufmerksamkeit nun dem Wirken von Gottes
Schöpfung zu. Das Universum bewegt sich nach drei Prinzipien, welche die
Schöpfung, die Erhaltung und die Auflösung betreffen. Alle diese Prinzipien
wirken nach Seinem Willen und sind lediglich seine Mittler. Aber obgleich Gott
über diesen Mittlern wacht, können sie ihn, den Subjektiven und Formlosen
sonderbarerweise nicht erkennen, da sie ein Teil der objektiven Schöpfung sind. __________________ 5) Sanjog und Vijog: Diese Worte wurden im Original
für die beiden Prinzipien der Trennung und Vereinigung verwandt, durch die sich
das Spiel des Herrn entfaltet. Durch Gottes Ratschluß ist der Mensch, der von
Ihm getrennt lebt, in die Welt der Handlungen geboren. Hier wird er in den
menschlichen Irrtum verstrickt, der darin besteht, sich an die sinnenhaften
Phänomene der Welt zu binden. Solange er sich der Gottheit bewußt bleibt,
welche die Welt durchdringt, lebt und besteht er in Ihm. Wenn ihn aber sein
kleines Ego vom Herrn abschneidet, er seine Unabhängigkeit erklärt und die
Rolle des aktiv Handelnden annimmt, ist er unwissentlich in der Seelenwanderung
oder dem Kreislauf der Geburten und Tode gefangen. Im irdischen Leben leidet er
Not und Schmerzen, bis er sich durch seinen ihm angeborenen Wunsch nach Frieden
selbst erneuert (wiedergebiert) und dafür arbeitet. Dies führt ihn dahin, die
Wiedervereinigung mit dem Schöpfer zu suchen, dem Urquell beständiger Freude
und Frieden. Wenn dieses Prinzip der Auferstehung und
Wiedervereinigung im Menschen nicht wäre, gäbe es kein Erwachen und keinen
spirituellen Fortschritt, und das mächtige und prächtige Spiel der Welt würde
zunichte werden. Somit bewirkt das zweifache Prinzip von Vijog (Trennung von
Gott) und Sanjog (das innewohnende Verlangen nach der Wiedervereinigung mit
Ihm) den Lauf der Welt. „... und ruhelos ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Dir.“ Augustinus __________________ STROPHE 30 Die Große Mutter1) empfing und
brachte drei Regenten hervor: Als ersten den Schöpfer, als zweiten
den Erhalter und als letzten den Zerstörer. Was Er will, vollbringen sie. Sie wirken unter Seinem Willen. Doch groß ist das Wunder; denn
obgleich Er über ihnen wacht, erblicken sie ihn nicht. Heil, Heil Ihm allein, dem Ersten, Reinen, Ewigen,
Unsterblichen und allezeit Unveränderlichen. _________________ 1) Maee: Dieses Wort im Original kann sowohl Mutter
als auch Maya (die täuschende Materie) bedeuten. Nanak bezieht sich auf beide
und betrachtet hier Maya als Mutter, die drei Söhne geboren hat, welche die
drei Prinzipien symbolisieren, die ihren Bereich aufrechterhalten. Es sind die
drei Gottheiten, welche die Trinität darstellen: Brahma, Vishnu und Siva, bzw.
Schöpfer, Erhalter und Zerstörer. Aber sie alle wirken nur unter Seinem Willen
und haben nichts unabhängig zu befehlen. Deswegen empfiehlt Nanak die Verehrung
des Höchsten allein und nicht die der Götter und Göttinnen einer niedrigeren
Ordnung. _________________ Und nun kommt Nanak nochmals auf den Allmächtigen
Schöpfer zurück. Er hat Seine erhabene Wohnstatt in den verschiedenen Ebenen
der ganzen Schöpfung. Welche Anordnungen Er auch immer getroffen hat, sie sind
entscheidend und endgültig. Er hat in allen Bereichen dauerhafte Gesetze
geschaffen, durch welche die Schöpfung in Gang gehalten wird. Er ist die
unveränderliche Beständigkeit. STROPHE 31 Er wohnt in allen Ebenen der
Schöpfung und birgt in ihnen Seine großzügigen
Gaben, die nur einmal hineingegeben wurden und keiner Ergänzung bedürfen. Was immer wir empfangen, empfangen wir auf Sein Geheiß. Er allein hat Seine Schöpfung
geschaffen. Und Er wacht über sie. O Nanak! Die Werke des Wahren Einen
sind wahr1), Heil, Heil Ihm allein, dem Ersten, Reinen, Ewigen,
Unsterblichen und allezeit Unveränderlichen. Aber die Verbindung mit Naam wird durch die
irdischen Wünsche, die unsere Herzen bewegen, behindert; sie führen uns von der
subjektiven Wahrheit weg in die äußere Welt. Wie kann man diese Wünsche
überwinden, ist die Frage. Nanak prägt uns ein, daß das Mittel im Simran oder
dem beständigen Denken an Gott liegt. Andere Heilige und Weise haben dasselbe
gesagt. Über Simran wurde bereits in der Einführung ausführlich gesprochen. Es sind zwei Kräfte im Menschen am Werk: Die Pranas
oder motorischen und die spirituellen oder sensorischen Strömungen. Viele Yogis
haben in ihrem Forschen nach dem Höchsten versucht, diese beiden Ströme
zurückzuziehen. Aber die Meister (unter ihnen Guru Nanak) haben gelehrt, daß es
unnötig sei, die Pranas unter Kontrolle zu bringen. Man kann die sensorischen
Ströme, ohne daß man die Pranas berührt, durch Simran zurückziehen und durch
Konzentration der Aufmerksamkeit hinter den Augen am Sitz der Seele. Wenn man
einmal alle Sinnesströme an dieser Stelle zurückgezogen hat (der Körper setzt normalerweise
seine Funktionen der Atmung, Verdauung, Kreislauf etc. fort), kann die Seele
auf dem spirituellen Pfad weitergehen. Dies ist ein leichter und natürlicher
Weg. Der Meister sagt: „ O Nanak, lerne den Lebensstrom
zurückzuziehen solange du lebst; lerne einen
solchen Yoga zu üben.“ Und nochmals: „Lerne zu sterben, damit du zu leben
beginnen kannst.“ Dadu Ji Eben hierauf bezieht sich Nanak in dieser Strophe,
wenn er auch nicht im einzelnen darauf eingeht, wie er es an anderer Stelle in
seinen Lehren getan hat. Und noch einmal sagt er, daß es, um Erlösung durch
Naam zu erlangen, nicht nur der Bemühung, sondern auch Seiner Gnade und Seines
Willens bedarf. STROPHE 32 Möge eine Zunge sich in
hunderttausende vermehren, nein, selbst zwanzig mal mehr, und jede von ihnen endlos Seinen
heiligen Namen preisen. Auf diesem Weg liegen die Stufen,
die zu Gott1) führen, und wenn man sie emporsteigt, wird
man eins mit Ihm. Wenn sie vom Himmel hören, trachten
selbst die Würmer danach, ihn zu erreichen, ohne zu wissen, daß Erlösung nur
durch Seine Gnade2) kommt: Und jene, die etwas anderes sagen, sind eitle Schwätzer und Lügner. ________________ 1) Ekis: Der im Original gebrauchte Begriff ist Ekis
oder Ek-Ish. Ek bedeutet „eins“ und Ish heißt „Gott“ d.h. Einssein mit Gott
oder Vereinigung mit Gott. 2) Auch hier betont Nanak, daß es zur Erlösung nicht
nur unserer Anstrengung bedarf, sondern auch Seiner Gnade und Seines Willens. Indem er den Gedanken an die Notwendigkeit Seiner
Gnade und Seines Willens für die Erlösung des Menschen weiter verfolgt, bemerkt
Nanak, daß auch in anderen Dingen - in der Tat in allen - Sein Wille das
Höchste ist. STROPHE 33 Du hast die Kraft zu sprechen oder
stille zu sein, keine Kraft zu verlangen oder zu
geben. Du hast nicht die Macht über Leben
und Tod, keine Macht über Reichtum und Stand, wofür du immer rastlos bist. Du hast keine Macht über
spirituelles Erwachen, keine Kraft, die Wahrheit zu
erkennen oder deine eigene Erlösung zu
erlangen. Möge der, welcher die Kraft zu haben
glaubt, es versuchen. O Nanak! Keiner ist hoch oder
niedrig, außer durch Seinen Willen. Von hier ab beginnt der letzte Teil des Jap Ji.
Nanak gibt darin einen flüchtigen Überblick über die verschiedenen spirituellen
Bereiche, welche die Seele auf ihrer Heimwärtsreise zu durchqueren hat. Es sind fünf an der Zahl: 1) Dharm Khand oder der Bereich des
Handelns; 2) Gyan Khand oder der Bereich des
Wissens; 3) Sarm Khand oder der Bereich der
Verzückung; 4) Karm Khand oder der Bereich der
Gnade; 5) Sach Khand oder der Bereich der
Wahrheit. Der erste ist der Bereich von Dharm, den die Seele
gänzlich verwirklichen muß, ehe sie sich zur nächsthöheren spirituellen Ebene,
die darüber liegt, erheben kann. Es ist die Stufe, auf der sich die
verkörperten Seelen völlig bewußt machen müssen, daß Er ist es, der die
Erscheinungen der Welt mit all ihren unveränderlichen Gesetzen, durch die sie
alle gebunden sind, geschaffen hat. Keiner kann dem Gesetz von Ursache und
Wirkung entgehen. Was der Mensch sät, das muß er ernten. Niemand ist außerhalb
Seines Bereiches. Die Taten des Menschen gehen nach dem Tode mit ihm und werden
auf der Waage der göttlichen Gerechtigkeit gewogen. Diejenigen, die gefehlt
haben, werden gemäß ihren Handlungen wieder zurückgeschickt. Das einzige, das
in Seinem Reich annehmbar ist, ist die „Verbindung und Praxis mit dem
göttlichen Wort“. Jene, welche daran festhalten, werden geehrt. STROPHE 34 Als Er den Tag und die Nacht, die
Monate und die Jahreszeiten, das Feuer, den Wind, das Wasser und
die niederen Regionen schuf, begründete Er inmitten all dessen
die Erde als Dharm Khand oder die Arena des
Handelns. Und Er bevölkerte sie mit Geschöpfen vieler Farben und Formen; Geschöpfe, deren Menge nicht zu
zählen ist. Alle werden nach ihren Taten
beurteilt; denn wahr ist der Herr und makellos
Sein Gesetz. Jene, die Ihm wohlgefällig sind, werden geehrt in Seinem Reich, und es ist nur durch Seine Gnade, daß man diese Auszeichnung erfährt. Die Unvollkommenen werden dort1)
vollkommen. O Nanak! Es ist dort, wo sich dieses
Mysterium enthüllt. _______ 1) Die letzten zwei Zeilen - „Kach pakai uthe
pa-aya, Nanak gia japey ja-aya“- wurden von verschiedenen Übersetzern stets so
ausgelegt, als ob dort die Wahren und die Falschen erkannt würden und nicht
länger zu täuschen vermögen. Aber das scheint an dieser Stelle nicht gemeint zu
sein; denn offenbar wird die Tatsache übersehen, daß die Zeilen nach dem
Hinweis auf jene folgen, die bei Gott angesehen sind; und der bildliche
Ausdruck „roh und reif“ eher Unreife und Reife bezeichnet als Falschheit und
Wahrheit. ______________ In dieser Strophe beschreibt Nanak die ungeheure
Ausdehnung des Gesichtskreises der Seele, wenn sie Gyan Khand oder die Ebene
des Wissens, erlangt. Hier sieht der Ergebene die vielfältige Natur mit all den
geschaffenen Dingen. Auf dieser Ebenen nimmt er die bezaubernden Weisen des
wohlklingenden Gesangs auf, der in der ganzen Schöpfung widerhallt. Er empfindet
eine überwältigende Freude, da er die Natur mit ihren unveränderlichen Gesetzen
begreift und ihre Unendlichkeit an Formen und Erscheinungen, an mannigfaltigen
Schöpfungen und vielfältigen Segnungen wahrnimmt. STROPHE 35 Soviel vom Bereich des Dharma. Und nun zu Gyan Khand, dem Bereich
des Wissens: Zahllos sind seine Elemente, Luft,
Wasser und Feuer; und zahllos die Krishnas und Sivas; zahllos die Brahmas, welche die
vielen Schöpfungen mit unzähligen Formen und Farbtönen
gestalten. Zahllos die Handlungsbereiche1), zahllos die goldenen Berge2) und zahllos die Dhrus3), die darin
meditieren. Zahllos die Indras, zahllos die
Sonnen und Monde, und zahllos die irdischen Regionen
und die der Sterne. Zahllos die Siddhas, die Buddhas,
die Naths, und zahllos die Götter und Göttinnen. Zahllos die Danus4) und die Weisen,
und zahllos die mit Juwelen besetzten
Meere. Zahllos die Quellen der Schöpfung,
zahllos die Harmonien und zahllos jene, die
ihnen lauschen. Zahllos sind die dem Wort Ergebenen. Endlos und unendlich, o Nanak, ist
dieser Bereich. ________________________ 1) Karm Bhumi: Ort, an dem man mit einem freien
Willen ausgestattet ist und die Früchte seiner eigenen Taten erntet. Diese Welt
wird Karm Bhumi genannt, denn hier herrscht das Prinzip von Ursache und
Wirkung. 2) Sumer: Die goldenen Berge, die von den Ergebenen
in dieser spirituellen Ebene geschaut werden. 3) Dhru: Ein Heiliger, dessen unentwegte Meditation
sprichwörtlich ist. 4) Danus: Halbgötter. ________________________ Von der Beschreibung Gyan Khands oder dem Bereich
des Wissens, geht Nanak weiter zu Sarn Khand oder dem Bereich der Verzückung.
Hier ist alles bezaubernd schön und von wunderbarer Seltenheit, so daß man es
nicht mit Worten zu schildern vermag. Es ist hier, wo die Seele durch die Kraft
des Wortes vergeistigt wird und einen Einblick in die wirkliche Natur der Dinge
erhält. STROPHE 36 Göttliche Erkenntnis erleuchtet
alles im Bereich des Wissens, während himmlische
Symphonien unendliche Musik ertönen lassen, und Freude und Wonne alles überragt. Als nächstes kommt der Bereich der
Verzückung, in dem das Wort bezaubert. Alles dort geschaffenen ist von
wunderbarer Seltenheit und jenseits aller Beschreibung. Wer immer ihn zu schildern sucht, hat seine Torheit zu beklagen. Hier werden Gemüt, Vernunft und
Verstand vergeistigt, das Selbst kommt zu sich und
durchdringt in seiner Entfaltung die Götter und
Weisen. Im Bereich
der Gnade erhebt sich der Mensch über die schwindenden Reize der Erscheinungswelt.
Er sieht die ganze Natur ergeben zu Gottes Füßen und Ihm zu Diensten. Sein Wort
reinigt die Seele von den Sünden und erweckt die schlummernden Kräfte in ihr.
Nicht länger verdunkelt die Materie die innere Schau. Er sieht, daß der Herr alles
durchdringt und wird sich Seiner nunmehr völlig bewußt. Man steht hier dem Wort
in seiner reinen Substanz gegenüber. Er erkennt nun sich selbst und seine wahre
Herkunft, denn er sieht sich wesenseins mit Gott. Zuletzt erreicht die Pilgerseele Sach Khand oder die
Wohnstatt der Wahrheit. Hier kommt das vollständige Einssein zustande und sie
sieht, wie alle Universen nach Seinen Willen in ergebener Ehrfurcht und
Verehrung wirken. Selbst der Gedanke an eine solche Schau ist segensreich; doch
die Vision selbst ist der Art, daß sie kein Auge je gesehen hat. Das Herz kann
sie nicht erfassen und die Zunge kann sie nicht beschreiben. STROPHE 37 Höher noch steht Karm Khand, der
Bereich der Gnade. Hier ist das Wort alles in allem,
und nichts anderes gilt. Hier weilen die Tapfersten der
Tapferen, die Besieger des Gemüts, von
göttlicher Liebe erfüllt. Hier weilen die Ergebenen voller
Hingabe, unvergleichlich wie die Sitas1). Erleuchtet von unaussprechlicher
Schönheit, ihre Herzen ganz von Gott erfüllt,
leben sie jenseits vom Reich des Todes und der
Täuschung2). Hier weilen die Bhagats oder die Weisen aus allen Regionen, die sich in dem Wahren Einen
erfreuen und für ewig glücklich sind. Sach Khand, oder der Bereich der
Wahrheit ist der Sitz des Formlosen Einen. Hier bewirkt Er alle Schöpfung und erfreut sich des Erschaffens. Hier gibt es viele Regionen,
himmlische Systeme und Universen, die zu zählen ein Zählen von
Unzählbarem wäre. Aus dem Formlosen heraus nehmen hier die himmlischen Ebenen und alles
andere Gestalt an; alles ist dazu bestimmt, sich nach Seinem Willen zu bewegen. Wer mit dieser Schau gesegnet ist,
erfreut sich ihrer Betrachtung. Aber, o Nanak, der Versuch, diese
Schönheit zu beschreiben, hieße, ein Unmögliches3) zu
versuchen. __________________ 1) Sita: Gemahlin Ramas, die für ihre große
Ergebenheit bekannt war. 2) Das Wort „Täuschung“ bezieht sich hier auf die
Täuschung durch Maya oder die Materie. 3) Karara Sar: bedeutet wörtlich „hart wie Eisen“,
bildlich „unmöglich“. _________________ Bevor Nanak nun endet, läßt er uns die Eigenschaften
wissen, die für einen Ergebenen erforderlich sind, damit er auf dem
spirituellen Pfad Erfolg haben kann. Es sind sechs an der Zahl. Die erste von ihnen ist Reinheit in Gedanken, Worten
und Taten. Sie ist das erste Erfordernis, damit das höhere Leben aufdämmern
kann und die Grundlage, auf welche der
spirituelle Oberbau zu errichten ist. Auch Christus sagte: „Selig sind, die
reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.“ Reinheit ist wahrhaftig der
Schlüssel, der das Tor der Meditation aufschließt und zur Wohnstatt des Herrn
führt. Als zweites muß man Geduld entwickeln, was einem
befähigt, alles, was sich auch ereignen mag, heiter zu ertragen. Zum dritten muß man seine Gedanken unter Kontrolle
halten und von allen Wünschen ablassen, um Gleichgewicht des Gemüts zu sichern. Viertens die stetig tägliche Praxis des Wortes und
die Verbindung mit ihm in vollem Glauben an den Meister. Fünftens sollte man in demütiger Ehrfurcht vor
Seiner Gegenwart leben und sich unermüdlicher Anstrengung anspornen, um die
schließliche Vereinigung mit Ihm zu erlangen. Vor allem anderen muß man Ihn lieben mit einer
Stärke, die alle Unreinheiten verbrennt und den Weg zu Seiner Tür hin
erleuchtet. STROPHE 38 Mache die Reinheit1) zu deinem
Schmelzofen und Geduld zu deiner Schmiede; mache des Meisters Wort zu deinem
Amboß und wahres Wissen zu deinem Hammer. Mache Ehrfurcht vor Gott zu deinem
Blasebalg und entzünde damit das Feuer der
Härte; und im Schmelztiegel der Liebe
schmelze den göttlichen Nektar. Nur in einer solchen Prägung kann
der Mensch eins werden mit dem Wort. Doch diejenigen allein, die in
Seiner Gunst stehen, können diesen Pfad beschreiten. O Nanak, auf wen Er voller Gnade
schaut, den erfüllt Er mit ewigen Frieden. _________________ 1) Die Reinheit bezieht sich hier nicht allein auf
die physische Sauberkeit, sondern noch mehr auf die geistige mit makellosen
Gedanken, Worten und Taten. ________________ Am Schluß gibt Nanak in Form eines Epilogs einen
Überblick über das Leben, seine Natur, seines Zwecks und seiner Erlösung. Wir
sind alle wie Kinder, die Mutter Erde nährt. Jeder sät die Samen seiner
Handlungen und erntet die Frucht davon. Gottes Gerechtigkeit ist makellos.
Jene, die gut handeln, kommen Ihm näher, und diejenigen, welche das nicht tun,
entfernen sich von Ihm. Sie allein werden errettet, die das heilige Wort
praktizieren - und nicht nur sie, sondern durch sie unzählige mehr, nämlich ihre
Gefährten und Schüler. SCHLUSS Die Luft ist der Meister, das Wasser
der Vater und die Erde die Mutter; Tag und Nacht sind die beiden Ammen,
in deren Schoß sich die ganze Welt abspielt. Unsere Handlungen, ob gut oder
schlecht, werden vor Seinen Richterstuhl
gebracht, und unsere eigenen Taten werden uns
aufwärts steigen lassen oder in die Tiefe stoßen. Jene, die sich mit dem Wort
verbunden haben, deren Mühen werden enden. Und ihr Antlitz wird voll Glanz
erstrahlen. Nicht nur werden sie erlöst sein, o
Nanak, sondern viele andere werden mit
ihnen die Freiheit finden. Hier werden alle Lebewesen mit Kindern verglichen.
Das Wasser (d.h. der Same) ist der Vater, der ihnen das Leben gibt. Die Erde
versorgt sie wie eine Mutter mit Nahrung. Der Tag versieht sie mit Arbeit und
ist deswegen der männliche Hüter, während sie die Nacht in Ruhe wiegt wie eine
Amme. Der Atem des wahren Meisters gibt das göttliche Wort ein, ohne das des
Menschen Seele tot ist. |