Sant Kirpal Singh DIE KRONE DES LEBENS
DIE YOGALEHREN
UND DER WEG
DER MEISTER-HEILIGEN Dem
Allmächtigen Gott gewidmet, der durch alle
Meister wirkt, die gekommen sind, und zu Baba Sawan Singh Ji Maharaj, zu dessen
Lotosfüßen der Autor das Heilige
Naam – das Wort- aufnahm. Vorwort Die vorliegende Studie, ein Vergleich der
verschiedenen Yogasysteme, ist ursprünglich durch die vielen Fragen angeregt
worden, die Sucher und Schüler aus dem Westen immer wieder zu diesem Thema
gestellt haben. In dem Bemühen jedoch, diese Fragen auf systematische und
umfassende Weise zu beantworten, hat die Untersuchung einen viel größeren
Umfang angenommen, als ursprünglich beabsichtigt war. Wie sie aber nun vorliegt
, wird sie aber, so hoffe ich, nicht nur für jene von Nutzen sein, deren Fragen
für die Abfassung den ersten Anstoß gaben, sondern für alle Sucher, die wissen
wollen, was Yoga ist, welche verschiedenen Systeme es gibt , welche Praktiken
diese umfassen und welche spirituelle Wirksamkeit sie haben. In dieser Zeit der Veröffentlichung gibt es keinen
Mangel an Büchern über Yoga. Aber wenn man sie sorgfältig prüft, findet man,
daß die meisten von ihnen in der einen oder anderen Hinsicht unzureichend sind.
Entweder behandeln sie den Yoga als ein System von asanas und körperlichen Übungen oder als ein abstraktes höchst
monistisches Gedankensystem, welches die Einheit alles Bestehenden und die
schließliche Einswerdung der individuellen Seele mit der Überseele postuliert.
In jedem Fall ist die Vorstellung von Yoga, die wir so erhalten, unvollständig.
Von einem praktischen weg spiritueller Transzendenz und Vereinigung mit dem
Absoluten wird er auf ein System der Körperschulung oder auf eine (oder
mehrere) Schulen der Philosophie eingeschränkt. Um der Möglichkeit eines solchen Irrtums
auszuweichen, wird das letzte Ziel aller Yogas – die Einswerdung mit dem
höchsten Herrn – als Brennpunkt für alle Erörterungen , die sich bei diesem
Studium ergeben, im Auge behalten. Alle bedeutenden alten und neuen Formen
werden wieder aufgegriffen, ihre Praktiken erklärt und diskutiert und ebenso
das Ausmaß, bis zu welchem uns jeder von ihnen dem letzten Ziel entgegenführen
kann. Dieser letzte Aspekt einer vergleichenden Yogastudie führt wohl am
leichtesten zu Mißverständnissen und Verwirrungen. Für die mystische Erfahrung
ist es bezeichnend, daß die Seele , wenn sie sich auf eine höhere als die
gewohnte ebene erhebt, dazu neigt, dies Ermangelung höherer Führung irrtümlich
als die allerhöchste Ebene anzusehen, als den Bereich des Absoluten. Und so
finden wir, daß die meisten Yogas, indem sie uns bis zu einem gewissen Punkt
auf eine innere Reise bringen, diesen irrsinnigerweise für das Ziel halten und
sie für etwas, das relative Gültigkeit hat, eine absolute beanspruchen. Der einzige Weg, durch den wir den spirituellen Wert
einer jeden Yoga-Art abschätzen und so dem gegenwärtig verworrenen Zustand
entkommen können, ist der, daß wir die allerhöchste >Form< des Yoga,
dessen Wirksamkeit absolut und nicht nur relativ ist, zu unserem Maßstab
nehmen. Dieser Maßstab ist durch den Surat Shabd Yoga gegeben, der auch als Sant Mat bekannt ist (der Pfad der Sants
oder Meister dieser mystischen Schule), der wahrhaft die Krone des Lebens ist.
Indem die Adepten diese Pfades seine Praktiken unter genauer Führung übten,
sind sie zu Bereichen gelangt, die anderen Schulen der Mystik gar nicht bekannt
sind, und haben sich zuletzt mit dem höchsten Herrn in seinem absoluten und
Namenlosen Zustand vereint. Sie haben in ihren Schriften wiederholt die
unvergleichliche Überlegenheit dieses Yoga des Tonstromes bestätigt und sind,
indem sie durch innere Wahrnehmung die variierende spirituelle Reichweite
anderer Yogas beschreiben , selbst weitergegangen und haben den absoluten
Charakter ihres eigenen Yogas dargelegt. Wenn ein Sucher einmal die Perspektiven der
vergleichenden Mystik, die Sant Mat
aufzeigt, verstehen kann, wird er, so glaube ich, finden, daß ihm diese äußerst
verwickelte Sache nach und nach immer klarer wird. Er wird sehen, daß die
Widersprüche, die so viele verwirren, wenn sie sich anfangs dem vergleichenden
Studium der Mystik zuwenden, für die mystischen Erfahrungen als solche gar
nicht von Bedeutung sind, sondern Folge der Verwechslung einer relativen
Wahrheit mit der absoluten – ein Irrtum, der für diejenigen nicht existiert,
die, indem sie den höchsten Pfad gehen, alle inneren Stufen aus erster Hand
kennengelernt haben und um die Ziele wissen, zu denen jeder Yoga führen kann.
Er versucht dann nicht weiter, der Frage nach Spiritualität auszuweichen, indem
er sie lediglich als alten Aberglauben abtut. Er wird sie als eine zeitlose
innere Wissenschaft sehen, die ihre eigenen unveränderlichen Gesetze und
variierenden Wirkungsformen hat, aber eine Wissenschaft, deren Erkenntnisse
nicht statisch sind, sondern sich entfaltet haben, so wie sich die Menschen von
den niedrigen zu den höheren Formen des Yoga entwickelt haben. Und vor allem
wird er erkennen, so hoffe ich, daß die Einswerdung mit dem höchsten Herrn kein
bloßer Tagtraum ist oder das
hypothetische Postulat einer monistischen Philosophenschule ist, vielmehr eine
lebendige Möglichkeit, deren Verwirklichung das Ziel der menschlichen Existenz
ist und die zu erreichen durch richtige Führung, die richtige Methode und die
rechte Anstrengung in Reichweite aller liegt, ungeachtet des Alters, des
Geschlechts, der Rasse oder des Glaubens. Kirpal Singh Erster Teil DIE YOGA – LEHREN 1. Kapitel YOGA, EINE EINFÜHRUNG Die großen Menschheitslehrer aller Zeiten und
Ländern – die Rishis der Veden, Zoroaster, Mahavira, Buddha, Christus,
Mohammed, Nanak, Kabir Baba, Farid Hazrat Bahu Shamas, Tabrez, Maulana Rumi,
Tulsi Sahib, Soamiji und viele andere – haben in der Welt nur einen Sadahn oder
eine spirituelle Übung gegeben. Wie es nur einen Gott gibt, kann es auch nur
einen Gottespfad geben. Die wahre
Religion, der Weg zurück zu Gott, ist von Gott selbst geschaffen worden. Er ist
daher sowohl der Älteste wie auch der natürlichste Weg – frei von irgendwelchen
Machenschaften und ohne etwas Gekünsteltes. Für die praktische Ausübung dieses
Systems ist die Führung durch einen Adepten oder einen Lehrer erforderlich, der
in Theorie und Praxis des Para Vidya oder der Wissenschaft vom Jenseits, wie
sie genannt wird, wohlerfahren ist; denn es liegt außerhalb der Reichweite des
Verstandes und der Fähigkeit der Sinne. Dort, wo alle Philosophen der Welt
enden , beginnt die wahre Religion. Die Heiligen Schriften geben uns
bestenfalls einen Bericht über den Pfad, insoweit dies in unvollkommenen Worten
zum Ausdruck gebracht werden kann, aber sie können uns nicht zum Pfad bringen
noch uns auf dem Pfad leiten. entpersönlicht
– kann die spirituelle Reise unternehmen. Der innere Mensch, die Seele im
Menschen, muß sich über das Körperbewußtsein erheben, ehe sie zu höherem
Bewußtsein gelangen kann, dem Bewußtsein des Kosmos und des Der spirituelle
Pfad ist seiner Natur nach ein Pfad der Praxis. Nur der Geist – befreit und
Jenseits. All das und noch mehr wird möglich, wenn man sich durch seine Gnade
einer Meisterseele dem > Surat Shabd Yoga< zuwendet, der Vereinigung des Selbst im Menschen ( surat oder Bewußtsein) mit dem
<Tonprinzip< (Shabd) . Um von
den Lehren der Meister, wie sie seit der ältesten Vergangenheit bis in die
Gegenwart wirksam sind, eine klare Vorstellung zu erhalten, ist es der Mühe
wert, daß wir das Wesen und die Reichweite der Lehren das Surat Shabd Yoga
studieren, und zwar im Vergleich mit den verschiedenen Yoga-Systemen, wie sie
durch die Alten gelehrt wurden, und mit den Prinzipien des >Advaitismus<
wie sie Shankaracharya vorgelegt hat. Das Wort Yoga ist von der Sanskritwurzel >juj<
abgeleitet und bedeutet: Begegnung, Vereinigung, Verbindung, Ziel, Abstraktion,
Verwirklichung, Versenkung oder metaphysisches Philosophieren der höchsten
Form, was eine unmittelbare Annäherung zwischen der Seele und der Überseele
(Jiva-atma und Para-atma oder Brahman) verspricht. Patanjali, der
berühmte Vater des Yoga-Systems, definierte den Yoga nach Art seines Vorgängers
Gaudapada als ein Ausschalten der >vritis< oder Modulationen, die
beständig den Gemütsstoff oder >chit< in Form von kleinen Wellen in
Bewegung halten. Er nennt es >chit vriti nirodha< oder Ausschaltung der
vritis<, das heißt Befreiung des Gemüts von den mentalen Schwankungen. Nach
Maharishi Yagyavalkya bedeutet Yoga, die Einheit der individuellen Seele mit
Ishwar oder Brahman zustande zu bringen. Die Yogis definieren ihn allgemein als
eine Befreiung des Geistes von den zahlreichen ihn umgebenden Hüllen, in die er
während seiner irdischen Existenz gekleidet ist. Sant Mat oder der Pfad der
Meister akzeptiert und bestätigt alles, was oben gesagt ist, völlig und stimmt
auch bis zu einem gewissen Grad den genannten Bestrebungen und Zielen zu,
betrachtet sie aber bestenfalls als bloße Mittel, die zum Ziel weisen. Sant Mat
hört dort nicht auf, sondern geht weiter und berichtet von dem >Weg
hinaus< aus dem gewaltigen Irrgarten des Universums und dem >Weg
hinein< ins himmlische Reich des Vaters; über die spirituelle Reise, die der
Geist vom Tod zum unsterblichen Leben (von Fana zu Baqa) unternehmen muß, indem
er sich mit Hilfe eines regelrechten Systems der Selbstanalyse durch
Zurückziehung der Geistesströme vom Körper und durch Sammlung derselben am Sitz
der Seele (Tisra Til) über das Körperbewußtsein erhebt, wie er dann allmählich
die sich dazwischen befindlichen Zentren, die jenseits von >Bunk-Naal<,
dem umgekehrten tunnelartigen Durchgang, liegen, durchquert, bis er die letzte
Stufe der Vollendung erreicht und Einssein mit seinem Ursprung erlangt. Hier mag man fragen, ob die
Vereinigung der Seele mit der Überseele notwendig ist, wenn beide gleichen
Wesens und bereits ineinander eingebettet sind. Vom theoretischen Standpunkt aus ist das richtig,
aber wie viele von uns sind sich dessen bewußt und praktizieren im Licht und
Leben dieser Erkenntnis und Bewußtheit? Und andererseits läßt sich die Seele stets vom Gemüt
leiten, das Gemüt wiederum von den Sinnen und die Sinne von den
Sinnesgegenständen. Das Ergebnis ist, daß die Seele seit undenkbaren Zeiten
durch die ständige Gemeinschaft mit dem Gemüt und den Sinnen ihre eigene
individuelle (ungeteilte) Identität gänzlich verloren und sich für alle
praktischen Zwecke mit dem Gemüt gleichgesetzt hat. Diesen Schleier der
Ungewissenheit, der sich zwischen die Seele und die Überseele geschoben hat,
gilt es zu entfernen, damit die Seele zu sich kommen kann, um die ihr
innewohnende Natur zu erkennen und dann ihre wahre Heimat zu finden, wodurch
sie ewiges Leben erlangt. Ursprünglich waren alle Religionen von den Menschen
einzig zu diesem Zweck geschaffen worden, aber bedauerlicherweise entfernt sich
der Mensch im Laufe der Zeit von der Wirklichkeit und wird zum Sklaven seines
eigenen Werkes und der Religionen; sinken diese doch ab und zu institutionellen
Kirchen und Tempeln und starren Gesetzbüchern moralischer und sozialer
Verhaltensweisen, welche die lebendige Berührung und den vibrierenden
Lebensimpuls der Gründer vermissen lassen. “
Ich kenne keine Krankheit der Seele außer der Unwissenheit “ sagt Ben Jonson. Das größte Problem ist, wie man den Schleier der
Unwissenheit entfernen kann. Denn wir haben zugelassen, daß er zu einem
mächtigen Felsblock geworden ist, zu hart, als daß er gesprengt werden könnte.
Aber die Weisen haben uns verschiedene Mittel gegeben, mit denen die sonst
undurchdringliche Scheidewand gespalten werden kann, nämlich den Jnana Yoga,
Bhakti Yoga, Karma Yoga und andere Praktiken. Das Licht wahrer Erkenntnis, wie
es durch Jnana Yoga vor Augen geführt wird, kann das Dunkel der Unwissenheit
zerstreuen, gleichwie eine brennende Kerze die Dunkelheit eines unbeleuchtenden
Raumes entfernt. Durch Bhakti Yoga kann man fähig werden, Gefühle des Hasses,
der Spaltung und Trennung in solche der Liebe für alle umzuwandeln, in solche
der Versöhnung und Einigkeit mit allen lebenden Geschöpfen, und wird dadurch in
der allumfassenden Liebe für alle Wesen begründet sein. Zuletzt kann man
mittels Karma Yoga die Fähigkeit erlangen, Gefühle des Egoismus und der
Selbstgefälligkeit, der Selbsterhöhung und der Eigenliebe auszumerzen und statt
dessen menschenfreundliche Mildtätigkeit und Mitgefühl zu üben, was der ganzen
Menschheit allgemein zum Nutzen gereicht. Man kann Liebe für alle erwerben, die
Wiederspiegelung des Universums in sich selbst sehen und die des eigenen Selbst
in jedem anderen, um schließlich das Prinzip der Vaterschaft Gottes und der
Bruderschaft der Menschen zu verwirklichen. Dies sind in der Hauptsache die
drei Wege, oder besser, die drei Aspekte eines einheitlichen Pfades des Kopfes,
des Herzens und der Hand, wodurch man das erwünschte Ziel erreicht, die
Vereinigung der Seele mit der Überseele. Man kann das kurz einen Prozeß der
Selbstbemeisterung, der Selbstveredlung und Selbstaufopferung nennen, ein
Prozeß, der letzten Endes zum kosmischen Bewußtsein oder dem Gewahrwerden der
allesdurchdringenden Wirklichkeit führt, welche die Grundlage von allem ist,
was existiert. Das Ziel ist in jedem Falle dasselbe, und jeder strebt dem
nämlichen zu, wenn auch alle von Ihnen auf den Anfangsstufen von dualistischen
Überlegungen ausgehen. Man beginnt im Dualismus und endet im Nicht-Dualismus
(Advaitismus), und darum kann man sich dem Pfad des göttlichen Wisssens
zuwenden, der universalen Liebe und Hingabe oder dem selbstlosen Dienst an der
Menschheit. Das Ziel
bleibt immer dasselbe, obschon der Bogenschützen, die es treffen wollen, viele sind. Rajab
Im Jnana Yoga zum Beispiel
muß man die Fähigkeit des Unterscheidens entwickeln, um imstande zu sein,
>Agyan< und >Gyan< auseinanderzuhalten, das heißt, Unwissenheit und
wahres Wissen, den illusorischen Charakter von Maya und die Wirklichkeit von
Brahman.
Und wenn einer von den dem letzteren überzeugt ist,
sieht er nur noch Brahman, das in Seinem grenzenlosen Wesen alles durchdringt
und allen Formen und Farben innewohnt, die ihre Muster und ihre Tönung allein
von ihm nehmen. Dies ist das Aufdämmern wahren Wissens und göttlicher Weisheit. Auf ähnliche Weise beginnen wir im Bhaki Yoga mit
den doppelten Prinzipien von >Bhagat< und >Bhagwant< oder dem
Ergebenen und der Gottheit; der Ergebene verliert nach und nach sein kleines
Selbst und sieht, daß seine Gottheit alles durchdringt, und sein eigenes
kleines Selbst weitet sich aus, um das Gesamte zu umfangen, wie es sein
>Isht Dev< tut. Wer immer ein Salzbergwerk betritt, wird salzig. Wie du
denkst, so wirst du. Beim Karma Yoga begibt man sich in den >Karma
Kshetra< oder das Gebiet der Handlungen, am Anfang von einer zwingenden
Kraft getrieben; doch im Verlaufe der Zeit lernt man den Wert des selbstlosen
Karmas kennen. Wenn Karmas (Handlungen) um ihrer selbst willen verrichtet
werden und ohne daß man den Früchten, die sie tragen, verhaftet ist, binden sie
nicht, und allmählich wird man >Neh Karma< (unbewegt im Handeln) oder ein
Ruhepunkt in dem sich ständig drehenden Lebensrad. Wenn einer so von der
Peripherie seines Wesens aus zu seinem Zentrum gelangt, erwirbt er Untätigkeit
in der Tätigkeit und ist von der bindenden Wirkung der Karmas befreit. Was sind Vritis ? Wenn ein Strom, der vom Geist ausgeht, irgend
etwas berührt – sei es etwas Körperliches, ein inneres Empfinden, eine
Vorstellung oder eine Sinneswahrnehmung – und zu seiner Quelle zurückkehrt,
wird das >vriti< genannt. Vritis verursachen eine Veränderung im
Gemütsstoff. All unser äußeres und inneres Wissen von der Welt rührt von den
Vritis oder den Gedankenstrahlen her. Ein Lichtstrahl, der von einem Gegenstand
ausgeht oder reflektiert wird, dringt über die Augen ins Gehirn und wird dort
in gedankliche Eindrücke umgesetzt, so daß wir uns des Gegenstandes bewußt
werden.
Es gibt fünf Arten von Vritis: 1)
>Parman<:
Die Beziehung zwischen der >freien Seele< oder der Natur wird
>Parman< genannt. Im Kern aller geschaffenen Dinge findet die reine Seele
ihr eigenes Wesen wieder, und nichts ist davon getrennt und verschieden. 2)
>Vipreh<:
Die Beziehung zwischen der >erkennenden Seele< und >Prakriti< oder
dem Gegenstand der Natur wird >Vipreh< genannt. Die geoffenbarte Form
wird angenommen und akzeptiert, wie sie ist, bleibt aber gegenüber dem einen
und aktiven Lebensprinzip, daß ihr zugrunde liegt, skeptisch. 3)
>Vikalp<:
Es ist die Beziehung ,welche die vom Gemüt beherrschte Seele mit den
Gegenständen hat und die Zweifel und Täuschung hervorruft hinsichtlich der
Gegenstände selbst, ihrer Existenz, ihrer wesentlichen Natur und der
Lebensessemz, die ihenen innewohnt. 4)
>Nidra<:
Es ist die Beziehung , welche die von <Panna< bedeckte Seele mit den
Gegenständen hat. Hier wird der zustand des Träumens und des Tiefschlafes
einbezogen, und dies ungeachtet der existierenden Umwelt. 5)
>Smriti<:
Dies ist die Beziehung der >verkörperten Seele< mit den Dingen der Welt
auf der physischenn Ebene. Alle diese Vritis bilden die vielen Hürden auf dem
Weg der Seele, ihre wahre und wesenhafte Natur zu verstehen, die in
Wirklichkeit keine andere als die von Gott ist. Deswegen
sagt Kabir: “Die Seele ist vom selben
Wesen wir Gott.” Denselben Gedanken bringen auf ähnliche Weise die
Moslem-Heiligen zum Ausdruck, wenn sie von der Seele als >Amar-i-Rab-bi<
oder dem Licht Gottes sprechen. Wenn man nur >Chit< von den >Vritis<
(genannt: chit vriti nirodha) freihalten könnte, dann würde nichts
zurückbleiben als das reine Wesen der Gottheit. Darum haben wir, wie schon
gesagt, die oft wiederholten, bekannten Ansprüche über Yoga: 1)
Chit
vriti nnirodha (Reinigung des Gemüts von den mentalen Schwingungen) ist das
Wesen des Yoga. 2)
Das
Einssein der Seele mit der Überseele ist Yoga. 3)
Loslösung
der Seele von den materiellen Bindungen des Lebens, ihre Befreiung von den sie
umgebenden Hüllen , ist Yoga. Der leichteste, der älteste und der natürlichste Weg
,um die Früchte des Yoga zu erwerben, ist, wie Kabir, Nanak und andere vor und
nach ihnen gelehrt haben, der von Shabd Yoga oder Sahaj Yoga, der von allen
Meister-Heiligen seit undenkbaren Zeiten vermittelt wurde. Wenn der Geist in der Lage ist, durch spirituelle
Übung oder Sadhan eine Umhüllung nach der anderen abzuwerfen, wird er ein
reiner Geist und vollkommen in sich selbst, eine bewußteWesenheit,
selbstexistent und selbstleuchtend, immer derselbe auf ewig frei. Nach den Heiligen ist Yoga eine Verbindung der Seele
mit dem heiligen Wort 1 (dem sich zum Ausdruck bringenden Gott), der
Kraft Gottes und dem Geist Gottes : Sruti, Sarosha, Zikr, Naam oder dem
heiligen Geist, wie es durch die verschiedenen Weisen zu ihrer jeweiligen Zeit
beschrieben wurde. 1 Für eine
eingehendere Erklärung wird auf das Buch >Naam oder das Wort< vom selben
Autor verwiesen.
Die Seele und die Überseele 1.
Die
Seele ist die Wirklichkeit und der Geist. Sie ist das Eine wie auch das
Ganze.und die Übersee Im Einen ist immer die Täuschung des Vielen enthalten,
und das Ganze schließt in sich das Vorhandensein von vielen Teilen ein. Die
Vorstellungen sowohl vom Teil als auch vom Ganzen laufen dicht nebeneinander,
und beide, der Teil wie auch das Ganze, sind durch die Gleichartigkeit der
ihnen innewohnenden Wesensnatur gekennzeichnet. 2.
Das
Wesen eines Dinges besitzt die ihm eigene Natur, und die beiden können nicht
voneinander getrennt werden. Genau wie das Wesen zugleich eines und vieles ist,
so ist es auch der Fall mit der ihm beigegebenen Natur. 3.
Das
Wesen eines Dinges ist sein Johar, sein Lebensodem. Es ist das einzige
ursprüngliche Prinzip, das alles durchdringt und die Wirklichkeit hinter allen
Formen und Farben ist. 4.
Die
einem Ding eigene Natur ist sein wesentlicher, von ihm untrennbarer Bestandteil
das sie ihm innewohnt. Nehmen wir den Fall des Lichts. Kann Licht als etwas von
der Sonne Getrenntes angesehen werden oder die strahlende Vitalität losgelöst
von einem Menschen, der vor Gesundheit strotzt? Das eine kann nicht ohne das
andere bestehen, da die beiden untrennbar miteinander verbunden sind und
ineinander ruhen. 5.
Versuche,
die Natur und ihr Wesen als zwei gänzlich voneinander getrennte Dinge zu
betrachten, und sei es nur in der Vorstellung, sind dazu angetan, Gedanken
einer Dualität Raum zu geben. 6.
So
ist also die Seele das Lebensprinzip und die Ursache im Innersten von allem,
denn ohne sie kann nichts ins Dasein treten. Sie hat eine belebende Wirkung und
überträgt ihren Lebensimpuls auf die anscheinend träge Materie durch die
Berührung mit ihr. Es liegt im Leben und Licht dieses belebenden Impulses der
Seele, daß die Materie so viele Formen und Tönungen annimmt mit ihrer Vielfalt
an Mustern und Gestaltungen, die wir im Universum sehen. 7.
Dieser
Lebensstrom oder die Seele ist äußerst subtil, ein selbstleuchtender Funke des
göttlichen Lichts, ein Tropfen vom Meer allen Bewußtseins, ohne Anfang und Ende
und auf ewig derselbe, eine unveränderliche Permanenz, grenzenlos, vollkommen
in sich selbst, immer seiend, eine alles empfindende Wesenheit, die jeder Form
innewohnt, sichtbar wie auch unsichtbar, denn alle Dinge offenbaren sich um
ihretwillen. Es gibt nichts, das nicht durch diesen Lebensstrom entstanden
wäre. 8.
Genau
wie die Sonne ihre Strahlen in die Welt aussendet, das Meer auf seiner
Oberfläche die Wogen und das Wellengekräusel, die Gezeiten und die Strömungen
trägt, und ein Wald eine Ansammlung von unzähligen Bäumen ist, so scheint sich
die Überseele oder Gott, wenn man durch seine Schöpfung hindurchschaut, in
viele Formen aufgeteilt zu haben und das Licht und Leben Gottes in einem großen
Panorama von bunten Färbungen zu zeigen; doch Gottes Geist durchdringt alles
gleich einer Schnur, auf der die Perlen aufgereiht sind. 9.
Die
erste nach unten gerichtete Projektion des von Gott ausgehenden spirituellen
Stromes brachte den Äther (akash) in Erscheinung, der das feinstofflichste der
Elemente ist und sich überall im Raum ausbreitet. Er hat zwei Aspekte. Der eine
ist der des Geistes oder der Seele, der im Äther ungeoffenbart bleibt. Der
andere ist der offenbarte Äther, der durch eine weitere Verbindung der
positiven und der negativen Kraft, die ihm innewohnen, die Luft (vayu) hervorbrachte.
Auf genau dieselbe Weise brachte die Luft das Feuer (agni) hervor und dieses
wiederum erzeugte das Wasser (jal), und das geoffenbarte Wasser führte zur
Formation der Erde (prithvi), indes der Geist eines jeden Elements, der im
Wesen derselbe ist, gänzlich ungeoffenbart blieb. Genau so, wie oben erklärt, hat das, was wir Gott nennen, dem Wesen nach eine Göttlichkeit, die absolut und erscheinungslos ist, das Leben und der Geist des Universums und doch zugleich das Universum selbst mit seinen vielfältigen Schöpfungen, die so viele Formen und Farben offenbaren und die erscheinen und wieder vergehen wie die Wellen im Meer des Lebens. Der ungeoffenbarte und unpersönliche Gott ist von allen Attributen frei. Seine individualisierten Strahlen hingegen, wie sie in den unzähligen Formen und Farben offenbart sind, halten sich durch die ständige Berührung mit >Maya<, >Prakriti< und >Pradhan< (das Physische, das Feinstoffliche und das Kausale) und infolge Unkenntnis ihrer wahren Natur begrenzt und getrennt voneinander. Dadurch geraten sie in den Umkreis des unerbittlichen karmischen Gesetzes oder des Gesetzes von Ursache und Wirkung, welches für jede Tat, jedes Wort und jeden Gedanken eine entsprechende Folge nach sich zieht. Was in dem einen Leben unerfüllt blieb, wird in einem anderen erfüllt, und so dreht sich das gewaltige Rad des Lebens und des Todes beständig weiter. Hierin liegt der Unterschied zwischen einer individualisierten Seele auf der einen Seite und der großen Seele des Universums (genannt Gott) auf der anderen. Die eine ist gebunden und begrenzt, die andere hingegen ohne alle Beschränkungen und Begrenzungen. Prakriti oder Materie >Prakriti<ist ein zusammengesetztes Wort,
abgeleitet von der Sanskritwurzel >pra<, was >erst< bedeutet, und
>kar<, was >tun< besagt. Und so heißt >prakriti<
ursprüngliche Materie (latente Energie), die, wenn die positive Geisteskraft
auf sie einwirkt, viele Formen und Muster in der gewaltigen Schöpfung des
Großen Urhebers hervorbringt. Dies wird >Maya< genannt, und alles, was
durch einen der Sinne wahrgenommen und empfunden werden kann, fällt in diese
Kategorie der Materie oder >Prakriti<. Materie ist, wie oben gesagt, eine
verborgene Energie auf der niedrigsten Stufe, die zur Wirksamkeit gebracht
(aktiviert) wird, indem sie viele verschiedene Formen annimmt, die deutlich
zutage treten und wahrgenommen werden können. Dieser Prozeß von der Passivität
zur Aktivität der Energie führt zur Schöpfung oder Offenbarung der bis dahin
ungeoffenbarten Geisteskraft. Brahman oder die Geisteskraft tritt nur durch eine
grobstoffliche Umhüllung (kava) ins Sein. So wie die Gesamtheit der anscheinend
individualisierten Seelen die Überseele (Gott) ausmacht, wird der gewaltige
Zauber der erschaffenen Wesen und Dinge, mit ihren vielfältigen Formen und
Farbtönungen, in ihrer Gesamtheit >Prakriti< genannt. Prakriti kann weder aus sich selbst heraus bestehen,
noch kann es für sich mit den Sinnen wahrgenommen werden. Es kommt nur zur
Offenbarung, wenn die Geisteskraft darauf einwirkt. Genauso wie die
Sonnenstrahlen nicht ohne die Sonne existieren können und nur in Erscheinung
treten, wenn diese sich am Horizont erhebt, so nimmt Prakriti in Verbindung mit
dem Lebensimpuls unzählige Formen und Gestaltungen an, die über den
menschlichen Gesichtskreis hinausreichen. Und die eine unsichtbare Seele
scheint in viele individualisierte Teile mit unterschiedlichen Benennungen und
in mannigfaltige Arten vervielfacht zu werden, die jede Beschreibung und Lösung
vereiteln. Aber die Yogis haben die fünf >Koshas< oder die den
Geistesstrom umgebenden Hüllen in Rechnung gezogen, die sich im Verlaufe seines
Abstiegs auf ihn legen, und haben Mittel und Wege ersonnen und formuliert, um
diese wieder zu entfernen. Diese >Koshas< oder Hüllen können kurz
beschrieben werden als: 1)
Vigyan-mai-kosh:_
die Hülle des mentalen Werkzeugs oder des Intellekts mit seinen zwei
Erscheinungen. Die eine hat mit dem Wissen (Gyan) auf der physischen Ebene zu
tun und die andere mit der Erleuchtung (Vigyan) auf der spirituellen. Dies ist
die erste Hülle, von der der Geist bedeckt wird, wenn er mit der
feinstofflichen Materie, genannt Prakriti, in Verbindung kommt. Das Licht der
Seele, wie es im intellektuellen Zentrum reflektiert wird, erhellt das, was
gewöhnlich als Intellekt bekannt ist, der aus der inneren spirituellen
Wahrnehmung und der äußeren Erkenntnis besteht. Mit dieser reflektierten
intellektuellen Fähigkeit wird die Seele erkennend und wahrnehmend. 2)
Man-o-mai kosh: dies ist die zweite Bedeckung oder
Hülle, welche die intellektualisierte
oder erkennende Seele durch die weitere intensive Verbindung mit Prakriti
umgibt und die nunmehr auch den
Gemütsstoff zu reflektieren beginnt; und durch diese hinzukommende Kraft strebt
die Seele dem Gemüt zu und wird nach und nach von ihm beherrscht. 3)
Pran-mai-kosh:
die Bedeckung der Pranas (Lebensenergien) bildet die dritte Hülle um die Seele.
Indem die denkende (kognitive) und gemütsverhaftete Seele noch mehr in Prakriti
(Materie) eindringt, beginnt sie durch die Pranas (die gemäß ihren verschiedenen
Funktionen aus zehn Arten bestehen) zu vibrieren. 4)
Anmai-kosh:
Wenn die denkende, vom Gefühl beherrschte und angetriebene Seele in Prakriti
eindringt, bildet sie dadurch noch eine andere Art der Umhüllung, die von
>Anmai<. Es ist die letzte der fünf Bedeckungen, zu deren Erhaltung sie einen ständigen Bedarf an >Ana<
oder Nährstoff hat sowie an anderen Sinnesgegenständen. 5)
Jedoch
ist Anand-mai-kosh (Glückseligkeit) die allererste dieser Koshas oder
Umhüllungen. Sie ist beinahe ein Teil der Seele selbst. Es ist die
feinstofflichste Hülle, die der eines dünnen Stoffes gleicht, der über einen
beleuchteten Kandelaber gezogen wird. Die Beziehung zwischen den
drei Körpern und den fünf Koshas Der menschliche Körper
besteht aus drei Gewändern: dem physischen, dem astralen oder feinstofflichen
und dem kausalen oder Ursachenkörper. Im physischen Körper finden
sich alle fünf Koshas, und das ist der Grund dafür, daß wir in unserem
Wachzustand Wissen und Erfahrung von allen fünf Dingen erlangen:
Glückseligkeit, innere und äußere
Erkenntnis, Aufmerksamkeit (chit und die vritis oder mentalen
Veränderungen), pranische Vibrationenen und das physische System. Wenn man sich in den Astral-
oder feinstofflichen Körper erhebt, verliert man das Bewußtsein der physischen
Existenz, während die Seele auf mentalem Weg die übrigen vier Stadien erfährt,
nämlich: Glückseligkeit, Erkenntnis, Aufmerksamkeit und die pranischen
Vibrationen. Sowie sich der Geist noch
höher, in den kausalen Körper, erhebt, fällt das Bewußtsein der physischen
Existenz weg, und es bleibt nur die Kraft der >Smriti< (Erinnerung)
zurück, welche von der Glückseligkeit, die man in diesem Zustand erfährt, zeugt
und Kenntnis gibt. Die Aufteilung der Schöpfung
entsprechend den Koshas Alle Wesen von den
Gottheiten bis zum Menschen und ebenso die anderen Lebensformen einschließlich
der Pflanzen werden je nach dem Übergewicht der einen oder anderen Kräfte in
fünf Kategorien oder Klassen eingeteilt: Rein erkennende Wesen wie
Brahma, Vishnu und Mahesh usw. Wesen, die mit Gemütsstoff
ausgestattet sind, wie Indra und andere Gottheiten oder Göttinnen usw. 1)
Wesen
mit pranischen Vibrationen wie Yakshas, Gandharbs und andere Geistwesen usw. 2)
Physische
Wesen wie Menschen, Säugetiere, Vögel, Reptilien und Insekten usw. Geschöpfe, die mit einem
physischen Körper ausgestattet sind, haben alle fünf Koshas oder Umhüllungen in
variierendem Dichtigkeitsgrad in sich (Anand-mai, Vigyan-mai, Mano-mai,
Pran-mai und Nan-mai), während solche mit pranischen Vibrationen nur vier Koshas
in sich haben und Ana-mai wegfällt. 1 Für weitere Einzelheiten
wird auf das Buch >Naam oder das Wort< verwiesen. Auf gleiche Weise haben
Geschöpfe, die mit Gemütsstoff ausgestattet sind, nur drei Umhüllungen; bei
ihnen fehlt außerdem Pran-mai. Rein erkennende Wesen wiederum besitzen nur zwei
Koshas, nämlich Anand-mai und Vigyan-mai, da sie von den Fesseln des Gemüts,
der Pranas und dem Bedarf an >Ana< oder Nährstoff frei sind. Es besteht somit eine sehr
enge Verbindung zwischen den fünf ursprünglichen Elementen (Erde, Wasser,
Feuer, Luft und Äther), aus denen sich die Körper zusammensetzen, und den
Koshas oder Umhüllungen. Tatsächlich sind die Koshas selbst mehr oder weniger die
wirksame Folge dieser Grundelemente, und sie statten die Geschöpfe mit den fünf
Fähigkeiten aus, die oben aufgeführt wurden. Die befreiten Seelen
(Jivan-mukta) haben nur den einen durchsichtigen Schleier von Anandmai kosh.
Der Schöpfer ist Geist in seiner reinen und unvermischten Form, die gesamte
Schöpfung geht daraus hervor und ist zuweilen bekannt als Maya oder
Shabd-Brahman. Es ist das aus sich selbst leuchtende Licht, das durch sich
selbst besteht und der grundlose Urgrund von allem Sichtbaren ist. Der Geist und Gott sind
ihrer Natur und ihrem Wesen nach gleich, das heißt Subtilität und
Glückseligkeit. Diese Glückseligkeit ist die allererste Folge der
Wechselwirkung von Seele und Prakriti und ist die erste Offenbarung der
Gottheit in der Seele; sie bleibt am längsten, bis zum Ende in ihrer ganzen
Fülle, trotz der anderen vier Hüllen, von denen sie umgeben ist und die ihren
Glanz trüben. Glückseligkeit ist die
wesentliche und untrennbare Eigenschaft der Seele, die ihrer wahren Natur
innewohnt. Das ist der Grund, warum die suchende Seele immer ruhelos ist und
den Verlust ihres Wesens in dem gewaltigen Wirbel der Welt schrecklich
empfindet. Und es ist auch der Grund, warum Christus
nachdrücklich betonte: So schaue darauf, daß nicht das Licht in dir Finsternis sei. Lukas 11, 35 Da wir die innere
Glückseligkeit verloren haben, suchen wir in den weltlichen Dingen Ersatz zu
finden und halten vergängliche Freuden für wirkliches Glück; doch schnell genug
werden wir unserer Illusion beraubt. Das führt zu der uns angeborenen Suche
nach wahrem Glück. Diese ewige Suche des menschlichen Herzens treibt einen an,
sich von den äußeren vergänglichen und dahinschwindenden Freuden nach innen zu
wenden. Das wiederum führt zu all den verschiedenen Yoga-Systemen, die den
Bedürfnissen der einzelnen Sucher entsprechen. 1)
Menschen
mit groben Anlagen, animalischen Instinkten und solche, die nur am Prozeß der
Körperbildung interessiert sind und Ana-mai Atma entwickeln, nehmen erfolgreich
zu Hatha Yoga Zuflucht. 2)
Menschen,
die unter Blähungen und Magenbeschwerden leiden, die von Pran-vayu in ihrem
Körpersystem herrühren, können diese mit Hilfe von Prana Yoga bekämpfen. 3)
Menschen,
die unter dem Einfluß von Mano-mai Atma stehen und unter >mal<,
>avaram< und >viksho<, das heißt mentalen Unsauberkeiten,
Unwissenheit und Wandlungen des Gemüts leiden, können dem mit Hilfe von Raja Yoga begegnen und Mano-mai kosh
durchdringen. 4)
Menschen mit starker intellektueller Anlage
sind immer mit dem Warum und Wofür der Dinge beschäftigt. Solche Sucher wenden
sich dem Pfad des >Vigyan< oder Jnana Yoga zu. 5) Diejenigen, die darauf bedacht sind, der Welt und allem, was weltlich ist, zu entrinnen und Glückseligkeit um ihrer selbst willen suchen, gehen den Pfad des >Anand Yoga< oder den Yoga wahren Glücklichseins, genannt Sahaj Yoga. Beim Sahaj Yoga braucht sich
der Übende keiner der strengen Schulungen unterziehen, welche die anderen Yogas kennzeichnen. Er muß ein
aufrichtiges, unaufhörliches Verlangen nach dem Endzweck aller Dinge haben, nach
dem Ziel aller Ziele und darf nicht mit der bloßen Meisterung seiner physischen
und mentalen Kräfte zufrieden sein. Wenn ein solches Verlangen vorhanden ist,
wird er früher oder später, so wie Ramakrishna
Totapuri begegnete, einen Adepten finden, der ihn auf den Pfad stellt. Ein
solcher Adept oder Meister bringt ihn mit dem lebendigen Tonstrom im Innern in
Verbindung, und dieser Strom wird ihn mit der ihm eigenen Kraft und Anziehung
nach oben bringen, und zwar ohne irgendwelche übertriebene Mühe und Anstrengung
seinerseits. Daher ist dieser Yoga in gewissem Sinne der leichteste von allen,
weshalb er wohl Sahaj Yoga (der mühelose Yoga), genannt wird. Er kann mit
gleicher Leichtigkeit von einem Kind wie auch von einem alten Menschen, von
einer Frau wie von einem Mann, von einem intellektuell begabten wie auch von
einem einfach denkenden Menschen, von einem Sanyasin (einem Entsagenden)
ebensogut wie von einem Hausvater ausgeübt werden. Er besteht im Einstimmen der
Seele auf den spirituellen Strom, der allezeit im Innern vibriert, und ist
daher als Surat Shabd Yoga oder Yoga
des Tonstroms bekannt. Mit diesen einführenden
Bemerkungen sind wir nunmehr in der Lage, das Thema >Yoga< mit seinen
variierenden Grundzügen zu erörtern, wie es durch Patanjali gelehrt wurde. Es
gilt zu verstehen, welche Rolle jede Yoga-Art spielt, welche Technik jeweils
zugrunde liegt, wie sich jede Stufe auswirkt und inwieweit die Yoga-Übungen
helfen, das erwünschte Resultat – die Befreiung der Seele von der Gebundenheit
durch Gemüt und Materie – zu erreichen. Ziel ist es, getrennt vom
Körperbewußtsein, zu erkennen und sich dann ins kosmische Bewußtsein und weiter
ins überkosmische Bewußtsein zu erheben, denn es ist die befreite Seele, die
die Erfahrungen der >>Bewußtheit<< auf verschiedenen Ebenen machen
muß, angefangen bei der Erkenntnis des >>Selbst<< bis zu der des
>>Kosmischen<< und zuletzt des >>Überkosmischen<< oder
Gottes. 2. Kapitel YOG VIDYA UND YOG SADHNA Der Pfad des Yoga in Theorie
und Praxis 1. Die Grundlage des alten
Yoga Ursprung und Technik des Yoga-Systems Aus dem Yagyavalkya Smriti
erfahren wir, daß Hiranyagarbha (Brahm) der ursprüngliche Lehrer des Yoga war.
Aber als ein System wurde der Yoga erst durch Patanjali, den großen Denker und
Philosophen, in seinen Yoga-Sutren, einige Zeit vor Beginn der christlichen
Ära, erklärt. Das Yoga-System ist eine der
sechs Schulen der indischen Philosophie (Khat Shastras), die systematisiert und
entwickelt wurden, um die indischen Gedanken hinsichtlich des Kosmos, der
individuellen Seele und der Beziehung zwischen beiden zu ordnen. Diese
Philosophien ergaben sich aus dem Versuch, die alten und ehrwürdigen Lehren
psychologischen und metaphysischen Inhalts in erneuerter Form
wiederherzustellen. Das Wort >Yoga<
bedeutet in der Umgangssprache >Methode<. Im technischen Sinn heißt es
zugleich >anjochen< oder >Vereinigung< der individuellen Seele mit
der Überseele oder Gott. >Anjochen< bedeutet soviel wie >verbinden<
oder >zusammenbinden< und >sich unter das Joch (Schulung) stellen<.
In diesem Zusammenhang bedeutet das Yoga-System eine >methodische
Schulung<, die einerseits >Viyog< (loslösen) oder Trennung der
individuellen Seele von Gemüt und Materie und andererseits >Yog< oder ihr
Anjochen an Brahman anstrebt. Deshalb
bedeutet und besagt es die Suche nach dem >Transzendenten und Göttlichen<
im Menschen. Es ist die Entdeckung des Wesenhaften in den Erscheinungsformen.
Dabei werden das physische und das metaphysische Sein auf ihre wesenhafte gemeinsame
Grundlage zurückgeführt, auf die Basis und das Substrat all dessen, was
sichtbar oder unsichtbar existiert. Als solches bedeuten und stellen die
>Yoga-Methoden< ein System dar, das gewaltige Anstrengung, eifrigstes
Bemühen und hartes Streben erfordert, um durch die Beherrschung des physischen
Körpers, des immer aktiven Gemüts, des sich selbstbehauptenden Egos oder
Willens, des forschenden und fragenden Verstandes, der pranischen Vibrationen
und der rastlosen Kräfte und machtvollen Sinne Vollkommenheit zu erlangen.
Bildlich wird der gegenwärtige Zustand der individualisierten Seele als eine
Fahrt im Kampfwagen des Körpers beschrieben, mit dem geblendeten Verstand als
Fahrer, dem betörten Gemüt als den Zügeln und den Sinnen als machtvolle Rösser,
die sich kopfüber ins Feld der Sinnesgegenstände und Sinnesfreuden stürzen. All
das zeigt, daß sich ein Student der Yoga-Schulung einer äußerst strengen und
geordneten Lebensweise unterziehen muß, die dabei hilft, die Seele zu
entpersonifizieren und von allem beschränkenden Beiwerk des Lebens -
dem physischen, mentalen und supermentalen - zu befreien, um sie
dann mit der Kraft Gottes zu verbinden und die Vereinigung mit Gott zu
erlangen. Das Wort >Yoga< darf
jedoch nicht mit >yog-maya< und Yogakräften verwechselt werden, die
jeweils die höchste Kraft Gottes an sich (welche die gesamte Schöpfung
hervorbringt, lenkt und erhält) bezeichnen und die psychischen Kräfte (Riddhis
und Siddhis), die man auf dem Yogapfad erwirbt. Wiederum hat >yog
vidya< oder die Wissenschaft des Yoga einen zweifachen Aspekt: den
physischen und den spirituellen. Im vorher erwähnten Sinne wird nun darunter
ein Yogasystem zur Entwicklung des Physischen verstanden, daß auf eine
allseitige Entfaltung der verschiedenen Teile des menschlichen Körpers abzielt.
Hier jedoch befassen wir uns mit dem spirituellen Aspekt des Yoga, der das
Wohlbefinden des Geistes oder der Seele, das wirkliche Lebensprinzip im
Menschen, anstrebt, das gegenwärtig gänzlich vernachlässigt und übergangen
wird. Der Begriff >Yoga< muß darum in diesem Zusammenhang streng auf eines
der Systeme philosophischen Denkens beschränkt werden, wie es aus den Veden
abgeleitet ist und das sich einzig mit dem Wiedergewinnen der Seele (durch
spirituelle Schulung) befaßt, die in die Betriebsamkeit des Gemüts und der
Materie, mit denen sie sich durch die beständige Gemeinschaft seit undenkbar
langen Zeiten identifiziert hat, verloren ist. So bedeutet >Yoga< kurz gesagt eine Technik zur Neuorientierung und Vervollkommnung des Geistes im Menschen, dem verlorenen Bereich seines wahren Selbst. Grundlegende Begriffe Yoga setzt zwei Faktoren
voraus, die der Schöpfung der Welt zugrunde liegen: 1. Ishvar oder Gott und 2.
Avidya oder Maya. Während der erstere voll intelligent ist, fehlt dem letzteren
jedwede Intelligenz. Auch der Mensch ist eine
Kombination dieser beiden Grundprinzipien. Jiva oder die individuelle Seele,
obwohl wesensmäßig vom selben Geist wie Gott, ist in Gemüt und Materie
gefangen. Die Seele, beschränkt wie sie ist in der Welt von Raum, Zeit und
Kausalität, kann nur unvollkommen wahrnehmen und die Wirklichkeit -
den Atman oder den göttlichen Urgrund, in dem sie ruht und von dem sie
ihr Licht hat - nicht sehen. Während >Antahkaran< oder
das Gemüt der Reflektor ist, ist Atman der Erleuchter, das Licht, das durch die
Sinne reflektiert wird, die die Welt wahrnehmen. Somit ist die Welt eine
Verbindung des >Sehers< und des >Gesehenen<. Die Zerstörung dieser
Verbindung ist das Entkommen, und vollkommene Einsicht ist das Mittel, das zum
Entkommen führt. Deshalb liegt Erlösung in der Absonderung des Sehers vom
Gesehenen, der vollständigen Loslösung des Subjektiven von allem, was objektiv
ist, sei es physisch, mental oder kausal, damit das >Selbst<, das der
Seher ist, sich in seinem eigenen Glanz oder dem >Licht der Leere<, wie
es genannt wird, sehen kann. Um die individuelle Seele
von den Fesseln des Gemüts und der Materie zu befreien, erfordert Yoga
unabdingbar 1. Konzentration, 2. wirkliche Anstrengung oder Streben, was
hingebungsvolle Übungen und mentale Schulung einschließt. Die höchste Form der
Materie ist >chit<, der unergründliche See unbewußter Eindrücke; und Yoga
strebt das Freiwerden des inneren Menschen oder des Geistes von diesen Fesseln
an. Es ist erwiesenermaßen das feinste Prinzip in der Materie, das >chit<
oder das kleine Selbst (Ego) im Menschen begründet. Obgleich in sich selbst
unbewußt, ist es durch das Wirken der dreifältigen >Gunas< Veränderungen
unterworfen. Es hat ebenso die Fähigkeit, sich zusammenzuziehen oder
auszudehnen, wie es der Natur des Körpers, in dem es von Zeit zu Zeit weilt,
entspricht oder den Umständen, in die es hineingestellt wird. Dieses >chit< oder
Gemüt, obgleich offenbar in jedem Menschen begrenzt, ist in Wirklichkeit ein
Teil des Universalen Gemüts. Die Yogasysteme haben die Umformung des begrenzten
und unbedingtes Universales Gemüt zum Ziel, indem man die >satva (reinen)
gunas< entwickelt und die >rajas< (aktiven) sowie >tamas (dichten)
gunas< unterwirft. In diesem Stadium erlangt der Yogi Allwissenheit und ist
eins mit dem Universalen Gemüt (dem Brahmandi oder Nij manas). Chit ist der reflektierende
Spiegel für die Seele und ist für >chaitanmaya< da oder die Materie, die
durch die Seele belebt wird, die selbstleuchtend ist und in deren Licht alle
Wahrnehmung stattfindet, einschließlich des Lichts der Erkenntnis, sei diese
mental oder supermental. Die Eindrücke, die ins Unterbewußtsein gelangen,
lassen Wünsche und Interessen wach werden, die wiederum Kräfte hervorrufen, und
diese werden dann durch die entsprechende Person verkörpert und halten das Rad
der Welt ständig in Bewegung. Wenn der Geist oder die Seele einmal von
>chit<, >manas<, >buddhi< und >ahankar< befreit ist,
kommt er zu sich, ist ohne Leidenschaften und entpersönlicht. Dies ist die
große Befreiung, die der Yoga den Yogis verspricht. Durch diese Trennung von
den vierfachen Fesseln des Gemüts wird die verkörperte Seele (jiva) zur
befreiten Seele (atman), sie ist nicht mehr individualisiert, leuchtet aus sich
selbst und erlangt als solche die Verwirklichung. Die Selbstverwirklichung ist
das höchste Ziel des Yoga. 2. Der Pfad des Ashtang Yoga und seine Abzweigungen Die Kunst des Yoga ist lang,
mühselig und schwierig. Die Wirklichkeit des Selbst liegt unter dem Schutt des
Gemüts begraben, das aus >mal<, >avaran< und >vikshop<
besteht, nämlich aus Schmutz und Unreinheiten, aus der Unkenntnis über die
wahren Werte des Lebens und aus den beständigen Schwankungen und Veränderungen
in chit. Die mentale Schicht muß deshalb von all dem befreit und dann
durchdrungen werden, um die göttliche Natur des Selbst oder den Atman zu
finden. Damit sie erreicht wird, muß man die Wünsche überwinden, Stetigkeit der
Gedanken entwickeln und Tugenden wie Enthaltsamkeit, Abstinenz, Mäßigkeit und
Rechtschaffenheit kultivieren und nicht zuletzt >vairagya< oder die
Loslösung anstreben. Um diese Hürden zu
überwinden und das Selbst zu erkennen, gibt Patanjali einen sorgfältig
ausgearbeitenden Bericht über das, was er als >Ashtang Yoga< bezeichnet,
der eine achtfältige Methode vorschreibt, die I. Yama, II. Niyama, III. Asana, IV. Pranayama, V. Pratyahara, VI. Dharma, VII. Dhyana,
VIII. Samadhi
einschließt. I. + II.
Yamas und Niyamas Yama: Der Begriff
>Yama< bedeutet dem Wortsinn nach soviel wie ausschließen, ausschalten
oder ausmerzen. Er besagt, daß man sich des Lasters enthalten und nicht
irgendwelche üblen Gedanken aufrechterhalten und negative Eindrücke aufnehmen
soll, da dies dazu führt, das Gemüt und den Willen zu schwächen. Niyama: Dies besagt hingegen
Annahme, Pflege, Beachtung und Entfaltung bestimmter Tugenden und das
Unterhalten guter Gefühle sowie die
Aufnahme dieser Tugenden in das eigene System. Somit bezeichnen diese
beiden Worte zusammengenommen die Ablehnung des Übels einerseits und die
eifrige Pflege und Annahme des Guten andererseits. Nachfolgend werden einige
Yamas und Niyamas gegenübergestellt:
Patanjali zählt diese
Enthaltungen und Beachtungen wie folgt auf: >Ahimsa< (nicht
verletzen, schädigen), >Satya< (nicht lügen), >Asteya< (nicht
stehlen),>Brahmacharya< (sexuelle Enthaltsamkeit) und >Aprigreha<
(keine Begehrlichkeit oder Besitzgier). Im Hinblick auf die
Enthaltungen ist gesagt: a)
Einer,
der in >ahimsa< verwurzelt ist, hat keine Feinde. b)
Einer,
der in >satya< verankert ist, dessen Worte könnenn nur wahr sein und
Frucht tragen. c)
Einer,
der in >asteya< gefestigt ist, ist ein wahrer Freund der Natur, und die
Natur gibt ihm all ihren Reichtum. d)
Einer,
der >brahmacharya< beachtet, erlangt die absolute Kraft. e)
Einer,
der >aprigreha< übt, löst das Rätsel des Lebens, und für ihn sind Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft ein offenes Buch. Was man man beachten sollte,
ist: >Shaucha< (Reinheit des Körpers und des Geistes), >Santosh<
(Zufriedenheit), >Tapas< (Härten, Buße), >Swadhyaya< (Studium der
Schriften einschließlich >Japa< usw.), und >Prasadhna< oder
>Ishvara Pranidhana< (Gedanken, die auf Gott abgestellt sind, und
absolute Abhängigkeit von Gott). a)
>Shaucha<
trägt Reinheit und Abneigung für >Sparsha< (Verbindung mit einem anderen
Körper) ein. b)
>Santosh<
macht zufrieden und somit geistig reich. c)
>Tapas
befreit von allen Unreinheiten und verleiht übernatürliche Kräfte (zum
Beispiel: sich selbst aufzulösen; alles Gewicht verlieren; jede Geschwindigkeit
annehmen können; sofortigen Zugang zu allen Orten zu erlangen; alle Wünsche
erfüllt zu bekommen; allesdurchdringend zu werden; göttliche Kräfte zu erwerben; alle Wesen und die
Elemente der Natur usw. zu beherrschen). All das kommt von selbst, wenn man
sich auf das Gegenteil von dem, was man tatsächlich wünscht, konzentriert und
darüber meditiert. d)
>Svadhyaya<
personifiziert die verehrte Gottheit. e)
>Ishvara
Pranidhana< bringt Sättigung und Wunschlosigkeit ein. In den Upanishaden jedoch besteht jede dieser Listen aus je zehn
Vorschriften für Enthaltung und Beachtung. So ist >aprigreha< in der
ersten Kategorie durch Güte, Redlichkeit, Vergebung, Geduld, Enthaltsamkeit und
Reinheit ersetzt. Auf ähnliche Weise wurde >Shaucha< in der zweiten Liste
an die Stelle von Glauben, Mildtätigkeit, Bescheidenheit, Intelligenz,
>Japa< und Fasten gesetzt. Doch ist das Ziel in jedem Falle das gleiche:
>Sadachar< oder rechtschaffene Lebensweise, was den Weg zu inneren
spirituellen Entfaltung bereitet. Die Listen der Tugenden, die eingeschärft
werden, und der Laster, die aufzugeben sind, können sich von einem Lehrer zum
anderen unterscheiden, aber der Zweck ist immer derselbe. So erklärt der Manu die Grundlagen von >Sadachar<
oder >Dharma< in Begriffen seiner eigenen Kategorien. Die Praxis der >Yamas<
und >Niyamas< - Beschränkungen und Beachtungen, stellen
>Sadachar< oder rechte Führung dar, was die Grundlage aller Religionen
der Welt bildet. Der Manu erklärt uns
das Wesen des Dharma als: >Ahimsa<,
>Sataya<, >Steyam<, >Shaucham<, >Indriya Nigreha< (Nichtverletzen, Wahrhaftigkeit, Reinheit, rechte
Lebensweise und Beherrschung der Sinne). Nach Sandalya Rishi umfaßt die Liste:
a)
Yshaucha<
(äußere körperliche Reinheit einschließlich der des Ortes und der Gegend und
innere Reinheit der Gedanken, Gefühle und Empfindungen); b)
>Daya<
(Barmherzigkeit und Erbarmen für alle lebenden Geschöpfe, ganz gleich unter
welchen Umständen); c)
>Arjava<
(ausgeglichenes und stetiges Gemüt bei allem Tun und in jeder Lage); d)
>Dhriti<
(Seelenstärke und Ausdauer in allen Situationen); e)
>Mit-ahara<
(diszipliniertes Leben allgemeiner Mäßigkeit, insbesondere hinsichtlich der
Speisen und Getränke). Auch Lord Krishna legt in der Bhagavad
Gita großes Gewicht auf die Praxis der Yamas und Niyamas. Der mitleidsvolle Buddha
schreibt seinen Anhängern ebenfalls den erhabenen Pfad der Rechtschaffenheit vor,
der rechtes Glauben (Wissen), rechtes Denken, rechtes Handeln (Verhalten),
rechtes Leben, rechtes Streben (Ziele), rechtes Gedenken (Einsicht) und rechtes
Sichversenken (Hingabe) umfaßt. Vor allem legte er großen Wert auf den rechten
Umgang oder die rechte Gesellschaft mit solchen, die >die Wahrheit erlangt
haben und den Glauben erwecken<; die durch einen Prozeß der Osmose
(Durchdringung) den Aspiranten Glauben und Hingabe einflößen. Bikkhu Buddharakkita beschreibt den >Majjhima Patipada<, den
Mittelweg oder die Goldene Mitte zwischen den beiden Extremen der Nachsicht
gegen sich selbst und der Selbstkasteiung und zeigt uns damit den
buddhistischen Weg der Entfaltung und Schulung durch >bhavna<, nämlich 1.
Shila
Bhavna: ethische Reinheit 2.
Chita
Bhavna: mentale Reinheit 3.
Ptagna
Bhavna: intuitive Einsicht Der gleiche Autor betont die
Notwendigkeit, >shila< oder die moralische Reinigung als Grundlage für
alles zu entwickeln, sei es im weltlichen Leben oder für den spirituellen
Fortschritt. Buddha erklärte, daß dem wirklichen Tugendhaften fünf Vorteile
erwachsen: ein gutes Schicksal durch Fleiß, allerorts ein guter Name, Achtung
bei allen Gemeinschaften, ein reines Gewissen bis zum Ende und eine
Wiedergeburt mit einem günstigen Schicksal. Das mindeste, was der
buddhistische Laie zu beachten hat, sind die fünf Vorschriften oder >Panch
Shila<, die zu rechtem Handeln (Verhalten) führen, welches, wie oben
beschrieben wurde, eine der wichtigsten Stufen auf dem achtfältigen Pfad ist.
Diese Vorschriften sind: Nicht töten, nicht stehlen, keine sexuellen
Fehltritte, nicht lügen, keine berauschenden Getränke zu sich nehmen; damit
verbunden ist das Beachten positiver Tugenden: >Maitri< (Freundlichkeit
gegenüber allen), >dan< (Mildtätigkeit), >brahmacharya<
(Keuschheit), Festhalten an der Wahrheit und Mäßigkeit. In der >Panch
Shila< von Buddha finden wir eine genaue Parallele zu den >yamas< und
>niyamas<, wie sie die Alten vorgeschrieben hatten. >Shila< oder der
Prozeß der Reinigung ruht auf zwei Fundamenten: >Hiri< (Gewissen) und
>Ottappa< (Schamgefühl), denn man läßt vom Übel ab aus Selbstachtung und
Bedenken einerseits und Achtung voreinander sowie Furcht vor Tadel oder einem
Verweis andererseits, mit der Folge, daß man Bescheidenheit zusammen mit
Redlichkeit und Anständigkeit entwickelt. Was für den Buddhismus gilt, trifft
auch auf die Denkweise der Jains zu, die fünf große Gelübde verlangen, wie:
keine Gewaltanwendung, nicht stehlen, Enthaltsamkeit von allem Begehren,
Wahrhaftigkeit und Keuschheit. Die zweifache Betonung der
>yamas< und >niyamas< ist nicht nur eine Vorliebe der alten
indischen Denkweise. Sie müssen von allen Menschen beachtet werden, die
wirklich eine religiöse Erfahrung anstreben. Wenn wir die Entwicklung der
jüdischen und christlichen Denkweise untersuchen, begegnen wir derselben
Erscheinung. So legte Moses die Zehn Gebote nieder, welche die Schwächen
aufzeigen, denen es entgegenzutreten gilt (nämlich: die Verehrung von anderen
Göttern, die Anfertigung von Götzenbildern, leere Wiederholung der Namen Gottes,
Entweihung des Sabbath, Mißachtung gegenüber den Eltern, des Begehen von
abstoßenden Verbrechen wie Töten, Ehebruch, Stehlen, und schließlich soziale
Übel wie falsches Zeugnis geben und des Nächsten Weib und Habe begehren –
Exodus 20, 4, 17). Es blieb Jesus vorbehalten,
das Bild zu vollenden, als er in den zehn Seligpreisungen die Eigenschaften
betonte, die es zu entwickeln gilt (Armut im Geiste, Leid tragen, Sanftmut,
Hungern und Dürsten nach der Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Reinheit des Herzens,
Friedfertigkeit, Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen und gelassenes
Hinnehmen aller Schmähung und Verleumdung – Matth. 5, 1-11). Er sagte mit Recht:
>>Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern zu
erfüllen.<< Die Lehren des Islam legen Nachdruck auf
>shariat< (Einhaltung moralischer Gebote), >tauba<(Buße),
>faqr< (Entsagung), >tazkiya-i-nafs< (Unterwerfung der Sinne),
>tawakal< (Glauben an Gott), >zikr< (spirituelle Disziplin) und
>tawhid< (Einigkeit); und die Sikh-Gurus
( die die Entfaltung wichtiger Tugenden vorschreiben wie Keuschheit,
Geduld, Verstehen, Erkenntnis, Gottesfurcht, Härten, Liebe und Mitgefühl),
obwohl sie viel später kommen, verkünden eine ähnliche Lehre. Guru Nanak setzte kurz die wahre
Lebensweise über alles: Die Wahrheit
ist höher als alles andere, aber noch höher ist die wahre Lebensweise. Sri
Rag Warum dies gelten soll, ist
nicht schwer herauszufinden. Um spirituell fortschreiten zu können, sind Friede
und Gemütsruhe unbedingt notwendig. Solange einer Sklave der verschiedenen
Wünsche ist, gibt es keine Harmonie. Darum muß man alle Wünsche ausmerzen, die
das Selbst von dieser Harmonie wegführen. Aber die Natur liebt die Leere nicht,
und was für die physischen Erscheinungen gilt, trifft auch auf die
psychologischen zu. Der einzige Weg, um das Gemüt von seinen negativen und
zersetzenden Impulsen zu reinigen, ist, sie durch positive und redliche zu
ersetzen.Aber der Wahrheitssucher muß daran denken, daß >sadachar< nur
ein Mittel ist und nicht das Ende, und indem er das erkennt, muß er darüber
hinaus zu seinem spirituellen Ziel gelangen. Swami Vivekananda, der diesen
Vorgang in >Das Geheimnis der Arbeit< mit großer Klarheit analysiert hat,
legt es folgendermaßen dar: Du mußt dessen eingedenk sein, daß die Freiheit der Seele das Ziel
aller Yogas ist ... Eine goldene Kette ist genauso eine Kette wie eine aus Eisen. Wenn in
meinem Finger ein Dorn ist, brauche ich einen weiteren, um den ersten
herauszubekommen, und wenn mir das gelungen ist, dann werfe ich beide weg ...; so soll man den üblen Neigungen durch gute entgegenarbeiten, und
die schlechten Eindrücke im Gemüt sollten durch die frischen Wellen von guten
entfernt werden, bis alles Üble schwindet oder bezwungen ist. Auf diese Weise wird das >>Gebundene ungebunden<<. III. Asanas Das Wort >asana< hat
zwei Bedeutungen: Sitz wie auch Haltung oder Stellung bei der Yoga-Übung. Es
ist eine weitere äußere Hilfe in der Yoga-Praxis. Ein Asana muß stetig, fest, angenehm
und bequem sein, um den Körper während der Übung ruhig und zugleich wach zu
halten. In der Svetasvatara
Upanishade, Kapitel II, Shalok 8, heißt es: Halte den
Oberkörper: Brust, Nacken, Kopf, gerade aufgerichtet, und bändige im Herzen die
Sinne und das Gemüt. Der Weise
überquert mit Brahmans Floß alle machtvollen Ströme der Welt. Ähnlich heißt es in der Bhagavad Gita, Kapitel VI,
11-14: Begierdenfrei,
an einem reinem Ort, der nicht zu
niedrig ist und nicht zu hoch, dort soll er
bleiben. Sein Besitztum sei das
Lendentuch, Rehhaut und Kusagras; Gemüt und Herz
auf den Einen richtend, ein Meister
seiner Sinne und Gedanken, in seinem
Sitze ruhend, sorgenfrei. So soll er
Yoga üben, um die Reinheit der
gottergeb`nen Seele zu erlangen. Sein Körper,
Kopf und Hals sei unbewegt, und fest auf
seiner Nasenspitze soll sein Auge
haften. Abgeschieden muß er völlig sein
und sich um nichts bekümmern. Voller
Seelenruhe, frei von aller Furcht, und im Gelübde
unerschütterlich, an mich nur
denkend und in mich versenkt, ergibt er sich
mit seinem ganzen Wesen in mich. Der Begriff >asana<
bedeutet dem Wortsinn nach >leicht< und >bequem<. Patanjali legte eine Haltung nahe, die
zugleich einfach und angenehm ist (Yoga Darshana II, 46). Diese Haltung ist die
beste, die dem Yogaschüler erlaubt eine längere Zeit - zwei bis drei Stunden
hintereinander - mit Leichtigkeit bewegungslos zu bleiben. Es
wird damit beabsichtigt, die körperlichen Reaktionen aufzuheben und das Gemüt
in der Meditation aufzulösen. Stetigkeit in der Haltung verleiht dem Körper
Steigkeit und somit auch dem Gemüt. Nach der Überlieferung gibt es theoretisch
so viele Asanas wie Gattungen in der Welt, und demnach belaufen sie sich
auf 8 400 000; aber aus all diesen wurden
nur 84 als bedeutsam und vier allgemein als grundlegend und von großem Wert
anerkannt. 1)
>Sukh
Asana<: Es bedeutet leicht und
bequem, da er einfach auszuführen ist. Er besteht darin, dass man mit
gekreuzten Beinen sitzt, indem man den linken Fuß unter dem Oberschenkel des
rechten Beines legt; die offenen Handflächen ruhen auf den Knien, während man
mit Daumenspitze und Zeigefinger einen Ring bildet. 2)
>Sidh
Asana<: Das Wort deutet eine
geschulte oder vollendete Haltung an. Auch hier sitzt man mit gekreuzten
Beinen, wobei man jedoch im Unterschied zu der oben genannten Übung den rechten
Fuß auf das linke Vorderbein legt, wodurch die Fersen auf dem Schambein ruhen,
ohne irgendeinen Druck auf die Geschlechtsteile auszuüben; die Handflächen
liegen aufeinander. 3)
>Padam
Asana<: Dies ist eine
Lotos-Stellung, wie der Name bereits andeutet. Bei dieser Haltung bilden die
beiden überkreuzten Füße mit nach innen gerichteten Fußsohlen die Lotosblätter.
Er ist schwierig für Menschen mit steifen Gelenken, aber er ist sehr wichtig
für den Hatha Yoga. Man kennt ihn auch als >anand-asana<, da er einen
Vorgeschmack von Friede und Glück gibt und den Übenden der Meditation zugeneigt
macht. Er bringt Heilung von allerlei Krankheiten und Leiden und befreit das
System von Vergiftungen und Giftstoffen. Er hilft auch gegen Trägheit,
Müdigkeit und mentale Schwäche. 4)
>Swastika
Asana<: die glückliche und günstige
Stellung. Sie hat alle Vorzüge, die ihr Name andeutet. Für den spirituellen Fortschritt sind >Sukh<
und >Sidh Asana< gut geeignet. Außer diesen sind einige der bekannten Asanas:
>Gaoo asana< (die Kuh-Stellung), >Simha asana< (Löwensitz),
>Vajra asana< (Diamantensitz), >Hal asana< (Kopfstand), >Sarwang
asana< (Kerze), >Dhanur asana< (Bogensitz), >Shava asana<
(Totenstellung), >Markat asana< (Affenpose), >Mayur asana<
(Pfau-Stellung), >Kakuta asana< (Hahn-Stellung), >Garud asana<
(Adler-Stellung), >Ushtr asana< (Kamel), >Vatyan asana<
(Pferd-Stellung), >Bhujang asana< (Kobra-Stellung), >Salabh asana<
(Heuschreckensitz), >Pada-hast-asana< (Rumpfbeuge), >Trikon asana<
(das Dreieck) und >Vriksh asana< (Baumstellung) usw. Dies zeigt die
Aufnahmebereitschat des menschlichen Geistes, auch von Tieren und anderen
Dingen zu lernen. Asana als eine Form des Yoga Manche Menschen sind der
Meinung, daß die Asanas einen Yoga für sich bilden, und gaben ihm die
Bezeichnung >Asana Yoga<. Die Asanas sollten jedoch nicht lediglich
deswegen ausgeführt werden, um physische Kunststücke und Fertigkeiten zur Schau
zu stellen, wie es Turner tun, oder als ein Mittel, um dadurch seinen
Lebensunterhalt zu verdienen. Er ist ein Yoga insofern, als man ohne eine
disziplinierte Haltung die >vritis< oder die mentalen Ströme, die sich
beständig im Gemütsstoff oder in dem unergründlichen See des Gemüts (chit)
erheben, nicht kontrollieren, ausmerzen und ausschalten kann. Das Yoga-System
wird allgemein in zwei Teile eingeteilt: >Pran-kala< oder der Pfad der
Pranas und >Chit-kala< oder der Pfad des Chit. Während sich Hatha Yoga mit
Pran-kala befaßt, hat Raja-Yoga mit Chit-kala zu tun; und die Asanas bilden
einen wesentlichen Teil in diesen beiden Yoga-Systemen und sind tatsächlich
bedeutende Sadhans in jeder Art von Yoga. Dies ist der Grund dafür, daß sie
genau wie >Dharna< und >Dhyan< zu einem selbständigen Yoga-System
erhoben wurden. Der Körper muß notwendigerweise eine beträchtliche Zeit, daß
heißt etwa drei Stunden, in ein und derselben Haltung verweilen können, denn,
wenn diese fortwährend geändert wird, kann man sich nicht erfolgreich in die
Yoga-Praxis vertiefen, weil mit jeder Veränderung sich auch die >vritis<
zu bewegen beginnen und so das Gemüt niemals stetig und ruhig werden kann.
Deswegen die Notwendigkeit für eine feste und unbewegliche, aber doch bequeme
Haltung, damit der Übende nicht ermüdet, während er >Chit-Vriti-Nirodha<
(das Aufheben der mentalen Bewegungen) anstrebt. Vorteile der Asanas Sie sind nicht nur eine Hilfe bei der Kontrolle des
Gemüts. Der stetige Asana bringt viele Vorteile mit sich, die wie folgt
klassifiziert werden können: 1.
Physische
Vorteile: a)
Die
Muskulatur und das Arteriensystem kommen in Ordnung. b)
Der
ganze Körper wird mit Gesundheit, Stärke und strahlender Vitalität geladen. c)
Das
Nabelzentrum des Körpers wird erhitzt, was der Verdauung zuträglich ist. d)
Die
Pranas oder Lebensenergien im Körper funktionieren regelmäßig und rhythmisch. e)
Furchtlosigkeit,
Standhaftigkeit und Willenskraft kommen von selbst. f)
Man
erwirbt Kontrolle über den Körper und ist nie ermüdet, deprimiert oder
niedergeschlagen. g)
Man
empfindet eine innere Freude und geistige Spannkraft und das Gesicht strahlt aus. 1.
Mentale
Vorteile: a)
Das
Gemüt wird stetig und wohlausgerichtet; man erwirbt die Gewohnheit, mit
konzentrierter Aufmerksamkeit zu arbeiten. b)
Geistige
Frische. c)
Rasches
Verstehen und Klarsicht. d)
Entfaltung
der Vorstellungskraft und Hilfe beim Konzentrieren der Aufmerksamkeit oder
>dhyan<. e)
Die
Gewohnheit tiefen und konzentrierten Denkens über sonst schwerverständliche
spirituelle Probleme. 1.
Spirituelle
Vorteile: a)
Durch
das Zurücktreten des physischen Bewußtseins infolge der körperlichen
Stabilität kann man sich über die
Gegensätzlichkeit oder das Stadium der Dualität erheben, das heißt über Hunger
und Durst, Hitze und Kälte, Verhaftetsein und Loslösung usw. b)
Man
kann >tamogun< (Trägheit) und >rajogun< (Ruhelosigkeit) leicht
überwinden und erwirbt >satogun< (Frieden und Ausgeglichenheit). c)
Man
schreitet in seinem >sadhan< oder der spirituellen Übung ohne viel Mühe
ständig fort. Gewöhnlich werden einige
Vorsichtsmaßregeln anempfohlen, um den >sadhak< (Übenden) vor möglichen üblen Auswirkungen oder
Behinderungen zu schützen. Er soll die Asanas alleine üben, damit sie für ihn
nie zu einem Mittel werden, seine Geschicklichkeit zur Schau zu stellen, um den
Beifall anderer zu erhalten. Es ist ebenso ratsam, die Nähe eines Feuers, die
Gesellschaft von Frauen, unerwünschten Freunden und dergleichen zu meiden, um
seinen Körper oder sein mentales Gleichgewicht nicht einer Gefahr auszusetzen.
Er muß ein Zuviel an Speise und Trank genauso vermeiden wie das Fasten, denn
das eine belastet den Körper und zieht ihm Kraft ab, wohingegen das andere die
Lebenskraft untergräbt. Aus diesem Grunde hat Buddha seinen Schülern den Mittelweg
gelehrt, denn wie er in seiner ersten Predigt sagte: Sinnlichkeit schwächt; ein Mensch, der hierin Nachsicht mit sich
übt,ist ein Sklave seiner Leidenschaften; und vergnügungssüchtig zu sein ist
erniedrigend und gewöhnlich. Und: Wenn er leidet, ruft der abgezehrte Schüler Verwirrung und krankhafte
Gedanken in seinem Gemüt hervor, Kasteiung
trägt nicht einmal zu weltlichen Wissen bei, um wieviel weniger zum Sieg über
die Sinne! Die Regel von der goldenen
Mitte, die sich auf alles anwenden läßt, paßt auch für die Übung als solche:
Der vernünftige Sadhak wird niemals seine Kräfte in zu anstrengenden Übungen
wie Gewichtheben, Wettlaufen, Hoch- und Weitspringen verschwenden, noch wird er
sie durch Trägheit schwächen. Kurzum, Mäßigkeit und
Einfachheit müssen die Losungsworte seines Lebens sein. Diejenigen, die sich in
>Hatha Yoga< oder >Prana Yoga< spezialisieren, schaffen für ihr
Alltagsleben folgende Bedingungen: a)
einen
einsamen, etwas erhöhten Platz, b)
eine
mit Stroh bedeckte Hütte inmitten der grünen Natur, vorzugsweise in viereckiger
Form. c)
Sie
soll mit einem erhöhten Sockel aus Ziegeln oder Holz ausgestattet sein
(Takhat), auf den man sich setzen kann. d)
Der
Sitz soll mit Palmblättern oder trockenem Gras, einer wollenen Decke oder
Rehhaut bedeckt sein. e)
Die
Lage soll so gewählt werden, daß Temperatur und auch Klima das ganze Jahr
hindurch gleichmäßig sind. All diese Dinge müssen in
Erwägung gezogen werden, wenn man selbst nur eine Höhle (auf dem Berg oder
unterirdisch) für die spirituelle Übung auswählt. f)
Man
muß unbedingte Mäßigkeit in Speisen und Getränken beachten; am besten ist eine
Portion Haferbrei pro Tag. g)
Keinem
Andersdenkenden sollte erlaubt werden, das Heiligtum zu betreten. Gheranda-Samhita, eine
bekannte Abhandlung über Hatha Yoga, gibt einen ausführlichen Bericht über
Asanas und Praktiken, die mit ihnen verwandt sind, wie zum Beispiel
>Mudras< und >Bandhas<. Während es sich bei den
Mudras um ineinandergreifende Haltungen handelt, sind Bandhas genau festgelegt.
Die ersteren sind psychologischer Natur und werden oftmals als >Gesten<
bezeichnet, und die letzteren sind rein physischer Natur und lediglich >Muskelzusammenziehungen<,
die angewandt werden, um die Pranas an bestimmten Stellen zu halten. Während es
von den Mudras eine ganze Anzahl gibt, werden von den Bandhas nur wenige
genannt. Die bekannten Mudras oder Gesten sind: 1) >Maha-Mudra< (die
große Geste), 2) >Maha Bandha<, 3) >Maha Vetha<, 4) >Urgyan<,
5 )>Khechari< (Bewegung im leeren Raum), 6) >Vajroli<, 7) >Jalandhar<,
8) >Mulvanto<, 9) >Viprit karna< (sauwang), 10) >Shakti
Shalana< - oder >Prithvi<, >Ambhavi<, >Vaishvanavi<,
>Vayavi< und >Akashi<, die den fünf Elementen entsprechen: Erde,
Wasser, Feuer, Luft und Äther. Es gibt noch andere wie
>Nabho Mudra<, >Yoni<, >Manduki<, >Kaki<,
>Mantangi<, >Bhujangini<, >Ashvini usw. Ungezählte andere sind als
Abwandlungen der genannten zu betrachten. Wir wollen auf einige der
oben angeführten kurz eingehen: 1)
>Ashvini
Mudar<: Wie der Name andeutet, besteht dieser in der äußeren Ausdehnung und
der inneren Zusammenziehung der
Mastdarm-Muskeln, abgewechselt mit tiefem Ein- und Ausatmen, so wie es
>asvini< oder ein Pferd macht, wenn es sich der Exkremente entledigt hat.
Es hilft beim Reinigen der Eingeweide, des Dickdarms einschließlich der
Darm-Wände, und vertreibt die giftigen Gase. 2)
>Vajroli
Mudra<: Er besteht im inneren
Reinigen der Genitalien, indem man die Hauptkanäle zuerst mit einem Sauerstoff-
oder Luftbad mittels eines Katheders (Harnröhrensonde) und dann mit Wasser
spült, dem ein mildes antiseptisches Mittel beigegeben ist. Sie wird durch
>nauli< oder mit Hilfe eines Zerstäubers oder eines Irrigators
ausgeführt. In ihrer höchsten Technik muß man das Ausscheiden der
Geschlechtsabsonderung zurückhalten und sie dem System wieder zuführen. 3)
>Kechari
Mudra< (Bewegung im leeren Raum): Er besteht darin, daß man die Zunge
zurückbiegt und sie tief in die Kehle drückt. Dem Übenden wird die Zunge in
Form einer Gabel gespalten, so wie es bei den Schlangen ist. Diese gespaltene
Zunge wird dann mit einer Mischung von Milch, geklärter Butter und Asche
gewaschen, und bei der Prana-Übung schließt oder verstopft er die beiden
Nasenöffnungen mit je einem Ende der gegabelten Zunge und bleibt endlose Tage
in diesen Zustand vertieft. Gleich einer Schlange oder einer Schildkröte kann
er in einem unbewußten Zustand solange verbleiben, daß er aus sich heraus das
Bewußtsein nicht wiedererlangt, ohne die äußere Hilfe von anderen. Der ganze
Prozeß ist sehr kompliziert und kann von einem Laien, ohne die Hilfe eines
vollkommenen Yogi, nicht ungestraft ausgeführt werden. Wie der Name anzeigt,
bleibt der menschliche Geist in >Khe< oder in die Leere vertieft, und die
Zunge bleibt in der Leere des Schädels. Aber dieser >samadhi<
ist kein wirklicher; man erwacht dabei nicht in die kosmische Ordnung oder in
einen überbewußten Zustand. Er ist eine Art Trance, in der man das Bewußtsein
gänzlich verliert, was nicht das Ziel des wahren Yogas ist, der auf
>Chaitanya Samadhi< hinzielt und sich vom >Jar Samadhi<
unterscheidet. Ein Hatha Yogi kann, während er seine Pranas in >Sahasrar<
zusammenzieht, sich sogar in eine Kiste einschließen lassen, die monatelang
vergraben werden kann. Dieser >Jar Samadhi< bringt kein übersinnliches
Wissen, keine Weisheit und Erkenntnis ein, die den Chaitanya Samadhi kennzeichnen,
in dem man völlig bewußt ist und den man erreicht, wenn die Bewußtseinskraft in
ihrer wahren Natur begründet wird. Dieser Samadhi kann nach Belieben beendet
werden. Es ist >Kaivalya< oder
ein Zustand vollständigen Einklangs mit dem kosmischen und überkosmischen
Leben, der sich sehr stark von einem Zustand steinschwerer Trägheit
unterscheidet. Um die Konzentration zu
entwickeln, kann man folgende Übungen ausführen: 1)
>Agochari
Mudra< (die unmerkliche Geste): Hier sitzt man in seinem Asana und heftet
die Konzentration auf die Nasenspitze. 2)
>Bhochari
Mudra< (Geste der Leere): Hier heftet man die Aufmerksamkeit auf die Leere,
vier Finger breit unterhalb der Nase, bis wohin der Atem reicht. 3)
>Chacheri
Mudra<: Er wird die Geste der schwarzen Fliege genannt, denn in ihr ist die
Aufmerksamkeit auf die dunkle Stelle hinter den Augen zu heften. Während man sich mit der
Atemkontrolle oder Pranayama befaßt, kann man >Unmadi Mudra< oder
>Kevalya Kumbhak< üben. Das eine ist ein Zustand betäubender Berauschung
und das andere einer der friedvollen Ruhe. Wiederum muß man beim
Ausführen gewisser Asanas einige Muskelzusammenziehungen oder -verbindungen
üben, um die Lebensenergien unter Kontrolle zu bringen. Diese Zusammenziehungen
oder Verbindungen werden in der Fachsprache >Bandhas< genannt. Sie sind
besonders notwendig während der Pranayama-Übungen. Die bedeutendsten sind: a)
>Mula
Bandha<: Durch das Zusammenziehen des Basis-Plexus wird >Apana Vayu<
oder die Ausscheidungsenergie im Körper gehalten und ein- und aufwärts in den
Bereich des Prana gezogen. Dies bewirkt eine Verbindung des Prana mit Apana,
der Atmungs- mit der Ausscheidungsenergie. Es wird ausgeführt, indem man die
Ferse auf den Mastdarm (Rektum) drückt und dabei den Atem stark einzieht. b)
>Jalandhara
Bandha<: Zusammenziehen des Nacken-Plexus, wo alle Arterien zusammentreffen. Man führt ihn aus, indem man
das Kinn gegen die Höhlung des Schlüsselbeins in der Brust drückt. Dies
verhindert, daß der Nektar, der von >Sahasrar< kommt, vom Feuer des
Nabelzentrums aufgezehrt wird. c)
>Uddiyana
Bandha<: Hier werden die Nabelmuskeln hochgezogen, um während des Ein- und
Ausatmens die Lunge und den Magen zu stützen. Es läßt den Atem durch den
subtilen Kanal aufwärts fließen und ist daher auch unter dem Namen fliegende
Zusammenzieheung bekannt. Vollkommenheit in den Asanas
(Asana Siddhis): Es gibt drei Merkmale für
Vollkommenheit in den Asana Siddhis: 1.
Während
des Asanas ist der Körper in einem Zustand vollkommener Ruhe und Entspannung,
ohne jede Bewegung in irgendeinem Teil. 2.
Wiederum
sollte man sich über das Körperbewußtsein erheben, so daß man nicht einmal die
sensorischen und motorischen Ströme wahrnimmt, die sich selbst überlassen
bleiben, ohne daß ein Gedanke darauf verwandt würde. 3.
Zuletzt
sollte man tatsächlich Glück und Wonne im Innern empfinden und sich daran
erfreuen. Asana Siddhi kann man innerhalb eines Jahres erwerben, wenn man
regelmäßig ein bis sechs Stunden pro Tag übt. Ehe wir weiterfahren in
unserem Überblick über Patanjalis >Ashtang Yoga<, müssen wir uns daran
erinnern, daß eine Meisterschaft in Asanas und Mäßigkeit in der Lebensweise nur
als Mittel und nicht als Ziel anzusehen ist. Der Sadhak darf nicht vergessen,
daß die Entwicklung des Körpers eine Vorbereitung ist. Genau wie die Ethik der
Yamas und Niyamas angewandt wird, um seinen Geist für die innere Reise zu
reinigen, so muß er auch seinen Körper und seine tägliche Lebensweise einer
Schulung unterziehen, um dann seinem letzten Ziel, dem Einssein mit Brahman, entgegenzuarbeiten. Dieser Punkt bedarf der
besonderen Betonung, weil die menschliche Natur, wenn sie einen schwierigen Weg
verfolgt, dazu neigt, das letzte Ziel zu vergessen, da sie oftmals
irrtümlicherweise die Mittel als diese betrachtet. Viele Yogis geben sich der
Körperschulung hin, als ob sie der Inbegriff des Yoga wäre. Zwar haben sie
Erfolg im Ausüben der Asanas und der Mäßigung ihrer Bedürfnisse. Statt aber den Weg für einen
weiteren Fortschritt zu bereiten, bringt es in solchen Fällen vielfach Stolz
und Eitelkeit mit sich, was wiederum Selbstzufriedenheit und spirituelle
Trägheit zur Folge hat. Der unterscheidende Sadhak
lernt das Grundlegende dieses Yoga-Zweiges – das Geheimnis der Gesundheit und
die beste Haltung für die Meditation, aber er wird nicht versuchen, sich darin
zu spezialisieren oder all seine Feinheiten zu beherrschen, denn er wird
wissen, daß er, wenn er sich an die Mittel verliert, das Ziel vergessen wird. Die Nahrung >>Wie die Nahrung, so
der Sinn<<, ist eine uralte Redeweise, in der eine unbestreitbare
Wahrheit liegt, denn es ist die Nahrung, die den Körper und das Gehirn bildet. Die >Satvik<-Nahrung
spielt in der Vervollkommnung des Körpers, wie sie durch den Hatha Yoga
angestrebt wird, eine bedeutende Rolle und hilft, jeden Sadhan oder jede
Yoga-Übung ohne irgendeine Ermüdung, Erschlaffung, Mattigkeit und Schläfrigkeit
auszuführen. Es wird nicht unangebracht sein, hier einige Nahrungsmittel
anzuführen, die der Yoga-Übung förderlich sind oder aber sie behindern.
Kurzum, frisches und grünes
Gemüse, Blattgemüse, Obst und Nüsse, Milch, Butter, geklärte Butter (ghee)
bilden die ideale Nahrung für jeden Menschen. Dabei sind drei Mahlzeiten am Tag
mehr als genug. 1 Verschiedene hier
unbekannte Arten von Obst, Hülsenfrüchten und Gemüsen. 2 Andere Kürbisarten 3 Scharfes Würzmittel Wir müssen daran denken, daß
Speisen, die alt, stark gewürzt, halbgar oder zu sehr gekocht sind, und
Früchte, die noch nicht reif oder überreif sind, sowie Süßigkeiten und
Zuckerwerk gemieden werden sollten. Ebensowenig sollten kohlensäurehaltige
Getränke, Genußmittel wie Tee, Kaffee und Rauschmittel aller Art gebraucht
werden. IV: Pranayama oder Yoga-Atmung Wer Prana
kennt, der kennt die Veden.
Santis Bevor wir uns mit Pranayama
befassen, ist es notwendig zu wissen, was die Pranas (die Lebensenergien) sind,
ferner, ihre Aufteilung und ihre Funktionen usw. im Körper zu kennen sowie über
ihr Wirken und andere und andere damit verwandte Dinge informiert zu sein. Prana ist die Summe aller im
Universum vorhandenen Energie und die Gesamtheit aller Naturkräfte. Hitze, Licht, Elektrizität,
Magnetismus, Gravitation usw. sind alles Erscheinungen von Prana. Alle Kräfte und Energien wie
auch die Pranas selbst gehen aus ein und derselben Quelle hervor, dem Urquell
des >atman<. >Pran tatwan<
ist dem >manas tatwa< oder dem Gemütsprinzip um vieles überlegen, von dem
Guru Nanak sagt: >> Wer das Gemüt besiegt, besiegt die Welt. << Die motorische Kraft hinter
dem Gemütsstoff ist, wie schon gesagt, die des Prana, und deswegen ist die
Regulierung und Kontrolle dieser Energie, der ersten Kraft im Universum, von
vordringlicher Bedeutung und steht weit über anderen psycho-physischen Schulungen.
Im Gorak Samhita heißt es, daß der,
welcher um das Geheimnis des Prana weiß, auch das Geheimnis des Yoga kennt,
denn in der rhythmischen Regulierung des Prana liegt der praktische Aspekt des
Yoga in ganz besonderer Weise. Die Pranas sind in fünf
bedeutende Kategorien eingeteilt, die ihrer Funktionsweise entsprechen: a)
>Prana< hängt mit dem Atmungssystem zusammen. Es ist der Lebensodem, und
wie ein Vogel im Käfig gefangen, gibt er dem menschlichen System Lebenskraft.
Sein Sitz, so heißt es, ist in der Region zwischen den beiden Augenbrauen,
genannt >chid akash<, bis wohin
sich sein Wirkungsbereich erstreckt. b)
>Apana<
untersützt das Ausscheidungssystem, da ihm eine nach unten fließende Tendenz
eigen ist. Es wirkt in der Region unterhalb des Nabels. c)
>Samana< leistet den Verdauungsorganen Hilfe. Es wird
so genannt, weil es dem ganzen System gleichmäßig Nahrung zuführt. Sein Sitz
ist im Nabel; es verbreitet sich nach allen Seiten und ernährt den Körper insgesamt. d)
>Udana<
hängt mit dem Schlucken zusammen und wird so genannt durch seine Eigenschaft,
den den Atem aufsteigen zu lassen, ihn einzuziehen und zu lenken. Seine
Bewegung ist zwischen Kopf und Nabel wahrnehmbar. Sein Sitz ist im Hals, seine
Tendenz ist, aufwärts zu fliegen. e)
>Vyana<
hilt, das Kreislaufsystem des ganzen Körpers aufrechtzuerhalten. Es bewirkt die
innere Verteilung und Verbreitung und wird so bezeichnet, weil es den Körper
wie das ätherische Element durchdringt (Vyapati). Außer diesen ursprünglichen
Pranas gibt es fünf andere Arten, die von geringerer Bedeutung sind; nämlich: 1)
>Naga<,
das beim Aufstoßen wirksam wird. 2)
>Kurma<
hilft beim Bewegen der Augenlider und führt Schlaf herbei. 3)
>Krikala<
durchdringt die Gesichtsmuskeln und verbreitet sich beim Niesen. 4)
>Deva
datta< bringt das Gähnen zustande und führt zu sanftem Schlaf. 5)
>Dhanan-jay<
ist mit der Nahrungsumwandlung verbunden. Diese Lebensenergien
durchdringen die Haut, Knochen, Muskeln, Sehnen, Bänder und dergleichen. Plexi und Chakras Jede Stelle, an der sich
mehrere Nerven, Arterien und Adern kreuzen, wird ein Plexus genannt. Auf ähnliche Weise gibt es
im >suksham< oder den subtilen >nadis< verschiedene Zentren der
Lebenskräfte, welche >chakras< oder >padmas< genannt werden. Die
>nadis< sind astrale Kanäle, die aus Astralstoff bestehen. Sie dienen als
Verbindungsgänge für die feinstofflichen >pranas<, durch die sie im
feinstofflichen Körper wirksam sind, so wie die Nerven, Arterien und Adern im
grobstofflichen Körper. Alle diese subtilen Kanäle oder >nadis< entstehen
aus >kanda< oder dem Zentrum, wo am untersten Ende des Rückgrats
>sushmana nadi< auf das >muladhara chakra< stößt. Von diesen
>nadis< sind >ida<, >pingala< und >sushmana< die bedeutendsten.
Alle drei befinden sich im Rückgrat.
>Ida< und >pingala< liegen rechts und links von
>sushmana< oder >sukhman<. >Ida< (Chandra-Kanal)
läuft durch das rechte Nasenloch. Der Atem fließt gewöhnlich durch jedes
abwechselnd etwa zwei Stunden lang. Doch wenn er durch >sushmana (Agni
Kanal) fließt, wird das Gemüt stetig. Diese Stetigkeit oder >Unmani Avastha<,
wie sie genannt wird, ist der höchste Zustand im >Raja Yoga<, denn in ihm
hat man eine wunderbare Meditation. Zur Reinigung der >nadis< ist die
Pranayama-Übung notwendig, da der Atem, wenn diese nicht rein genug sind, den
mittleren Kanal nicht passieren kann. Das grobe >prana<
bewegt sich in den Nervensträngen des physischen Körpers, aber das
feinstoffliche oder psychische in den astralen Kanälen (>nadis<). Der
Atem ist die äußere Wirkung des groben >pranas<. Zwischen dem groben und dem
feinstofflichen >prana< besteht eine sehr enge und nahe Verbindung. Wenn Gemüt und >prana<
zu vibrieren aufhören, erheben sich keine Gedankenwellen mehr. Das Gemüt wird
durch >prana< in Bewegung gesetzt und von >prana<
(Leben) geht alles aus. Chandoggya Upanishade Wenn sich die >pranas<
vom Körper trennen, hören alle Organe zu wirken auf; denn es gibt im Körper
keine größere Kraft als die Lebensenergie (Prana). Die grundlegenden Übungen
des Pranayama Im Hatha Yoga Pradipka wird großer Nachdruck auf die Yoga-Atmung
gelegt, denn >alles Leben existiert nur von einem Atemzug zum anderen<,
und es heißt: >>Wer halb atmet,
der lebt nur halb.<< Wir müssen darum einen
Hunger nach Luft entwickeln. Denn >>die Lebensenergien<<, sagt
Hippokrates, <<sind die wirkliche Lebensnahrung<<. Tiefes Atmen ist
eine positive Hilfe bei der Selbstentwicklung und trägt zur Erhaltung von
Gesundheit, Jugend und Langlebigkeit bei. Die Gewohnheit, bewußt tief
zu atmen, ist eine gute Übung für die Atmungsorgane und sichert eine freie
Blutzirkulation. Die Atmung besteht in der abwechselnden Ausdehnung und
Zusammenziehung, da die Luft durch die Lunge und wieder ausgestoßen wird, was man
Einatmung oder Ausatmung nennt. Jedem Atemzug folgt innerlich eine kurze Pause.
So unterscheidet Pranayama vier Phasen: >Purak< oder
Einatmung, >Antar Kumbhak< oder inneres Zurückhalten und >Rechak<
oder Ausatmung, dem wiederum >Vahya Kumbhak< oder >Sunyaka<, das
heißt eine Atmungspause folgt. Man kann es durch beide
Nasenlöcher sehr, sehr langsam üben, und es soll zehn bis zwanzig Mal, jeweils
morgens und abends, ungefähr drei Monate lang wiederholt werden. Man kann mit
>Purak< und >Rechak< beginnen und nach einiger Zeit die anderen
beiden Praktiken der Atempause (Antar und Vahya Kumbhak) hinzufügen. Durch
Übung und Ausdauer kann man im Yoga-Atmen Leistungsfähigkeit erwerben. Das
Anhalten des Atems beim Ein- und Ausatmen nach Belieben wird >Kevalya
Kumbhak< genannt. Sukh Purvak Pranayama (eine
leichte und bequeme Übung) Wenn man im >Padam< oder >Sukh Asana<
sitzt, soll man das rechte Nasenloch mit dem Daumen der rechten Hand schließen
und die Luft langsam und rhythmisch in einem langen und ununterbrochenen
Ausatmen durch das linke Nasenloch entlassen. Nun ist das linke Nasenloch durch
den kleinen Finger oder den Ringfinger der rechten Hand zu schließen, und der
>Vahya Kumbhak< ist aufrechtzuerhalten, solange es bequem und ohne
Anstrengung möglich ist. Danach ist der Atem ganz langsam durch das rechte
Nasenloch einzuziehen, nachdem der Daumen entfernt ist, dem dann wiederum der
>Antar Kumbhak< folgt. Und nunmehr wird es umgekehrt geübt. Diese acht
Vorgänge bilden einen >Pranayama<. Man sollte mit fünf bis zehn
Pranayamas morgens und abends bei leerem Magen beginnen und sie nach und nach
bis auf zwanzig steigern, einschließlich des erweiterten >Kumbhak< oder
des Zurückhaltens des Atems, ohne daß es irgendeine Unbequemlichkeit
verursacht. Währende der Übung sollte
man den Gedanken aufrechterhalten, daß >Divya Sampardie (Niyamas) wie
Barmherzigkeit, Mitleid, Liebe, Friede und Freude in das System aufgenommen und
>Asuraya Sampardie< (Yamas) wie Ärger, Lust, Gier und Selbstsucht durch
das System ausgestoßen und abgelegt werden. Man kann während der
>Pranayamas< auch >Simran< üben. Bei den höheren Stufen des
>Pranayama< steigt die Lebensenergie in der >Sushmana Nadi< und
bewegt sich >sahasrar< entgegen. Die Bewegung wird zuerst wie die einer
Ameise empfunden und wandelt sich allmählich in die eines Frosches, bis sie mit
der Reinigung und Säuberung der >nadi< durch die fortwährende Praxis wie
ein Vogel zu fliegen beginnt. Es gibt verschiedene Arten,
den Atem unter Kontrolle zu halten, nämlich: 1)
Ausatmen
und Einatmen durch beide Nasenkanäle, verunden mit >Kumbhak<. 2)
Ausatmen
und Einatmen durch nur einen der Nasenkanäle, mit nachfolgendem
>Kumbhak<. 3)
Einatmen
durch beide und Ausatmen durch einen der beiden Nasenkanäle. 4)
>Shitkari<
und >Shitali<: Es sind zwei Arten, die Luft durch geschürzte Lippen und
die Zunge einzuziehen und aufzunehmen (nachdem beide Nasenlöcher geschlossen
wurden) und, nachdem man sie tief unten etwas angehalten hat, sie durch die
Nasenlöcher wieder zu entlassen. 5)
>Bhastrika<
besteht darin, daß der Atem in rascher Folge durch den einen Kanal genommen und
der ganze Atem dann langsam durch den anderen Kanal wieder ausgestoßen wird;
danach wird gewechselt. Diese Übung wird mit einem Blasebalg verglichen und darum
Blasebalg-Atmung oder >Bhastrika< genannt. >Pranayama< oder
Yoga-Atmung kann unter der Leitung eines Guru
oder Adepten auf diesem Gebiet
nutzbringend und erfolgreich geübt werden, wenn der Ausübende Wahrhaftigkeit,
Enthaltsamkeit, Gelassenheit, Mäßigkeit in der Diät, Geduld und Demut beachtet
und nicht irgendeinem Laster verfallen ist, und vor allem, wenn er von Herz-
und Lungenkrankheiten und von angeborenen Leiden frei ist. Das Höchste, was man
durch >Pranayama< erreichen kann, ist, daß die
zusammengerollte Schlangenkraft der Kundalini,
die im latenten Zustand am Wurzelzentrum liegt, erweckt und zu voller
Aktivität gebracht wird. Indem sie im >Sukhmana< immer höher steigt,
werden die verschiedenen Feinstofflichen Zentren in den subtilen >nadis<
erleuchtet, bis sie zuletzt >Sahasrar<, die Quelle des Lichts, erreicht.
Mit der Zerstörung des Schleiers, der über dem Glanz der Ewigkeit liegt, kommt
das Gemüt rasch zur Vertiefung, und die Konzentration ergibt sich von selbst. Die Muskel- und
Nervenkontrolle, die durch die Praxis von >Asanas< erlangt wird, ist nur
eine Vorbereitungsstufe. Die wirkliche Yoga-Technik beginnt mit dem
Nutzbarmachen der Lebensenergien oder der zehn Motoren im Körper. >Pranayama< führt zu
>Chit Shudhi<, >Manas Shudhi< und >Nadi Shudhi<; es beruhigt
dadurch das Gemüt, hilft bei der Konzentration und trägt dazu bei, die
Umhüllungen oder >koshas< der Seele zu zerstören. Es entfernt alle Wünsche,
verbessert die Verdauung, hilft
>brahmacharya< (Enthaltsamkeit) aufrechzuerhalten und führt zu
>ekagrata< (Zielstrebigkeit) und >kumbhak< (einem friedvollen
Zustand) mit oder ohne >purak< und >rechak< oder den Ein- und
Ausatmungsprozeß. >Pranayama< soll man üben,
nachdem man seine Notdurft verrichtet hat und nach gründlicher Reinigung der
>nares< oder Nasenkanäle mit reinem, lauwarmen Wasser und durch Gurgeln.
Man sollte die Übung ausführen, wenn man ganz alleine ist, in sitzender Haltung
und mit geschlossenem Mund. Die Fenster des Raumes sollten geöffnet sein, damit
frische Luft einströmen kann. Nachdem man fünfzehn Minuten
geübt hat, ist es gut, eine Tasse Milch zu nehmen. Man sollte nie unmittelbar
nach solchen Übungen baden. Ziel des Pranayama ist, die Wellen
(vritis) des Gemüts einzudämmen und den Gemütsstoff so stetig zu machen, wie
der Strahl einer Lampe ist, die an einem windstillen Platz steht. Jede Übung
(abhyas) ist dazu angetan, das Gemüt zu seiner Quelle - >Hirdya Guha< -
zu bringen, damit es im >atman< aufgeht. Die üblen >vritis< des
Gemüts können durch gute ersetzt werden, so wie Lust (kama) durch
Enthaltsamkeit ((brahmacharya), Stolz (madha) durch Demut (nimrta), Habgier
(lobh) durch Genügsamkeit (santosh), Knickerigkeit durch Großzügigkeit, Täuschung
durch Unterscheidung, Verderbtheit durch Redlichkeit, Wankelmut durch
Entschlossenheit, Überheblichkeit durch Höflichkeit, Eifersucht durch Großmut,
Bindung durch Loslösung, Feindschaft durch Freundschaft und so fort. Die Vedanta-Methode besteht
darin, daß man die Zweige des >sankalpa< vom Baum des Gemüts (manas)
abtrennt und dann den Baum selbst fällt, indem man die Wurzeln des Ego
abschneidet. Pranayama als Form des Yoga
(der Prana Yoga) Die Bedeutung des
>Pranayama< ist ein wesentlicher Teil des >Hatha Yoga< und >Raja
Yoga< ist so groß, daß ihn manche als unabhängige Form des Yoga für sich
betrachten und ihm den Namen >Prana Yoga< gegeben haben. Wie bereits erklärt, gehen
die >Ida< und >Pingala Nadis< vom >swadhistan chakra<, dem
Zentrum des Lebensodem, aus, laufen spiralförmig um den Hauptkanal
>sukhmana< und enden im linken bzw. rechten Nasenloch. Die eine ist vom
Mond und die andere von der Sonne beeinflußt, und als solches hat >Ida<
die Feuchtigkeit des Mondes in Fülle und repräsentiert das weibliche Prinzip,
während >Pingala< die Energie der Sonne zu eigen ist und das männliche
Prinzip in der Natur verkörpert. Diese beiden >nadis<,
die negative und die positive, wirken unter >prakriti< und
>purush<, das heißt Materie und Seele, zusammen. Wenn die durch die Sonne
beeinflußte >Pingala nadi< tätig ist, wird die aufgenommene Nahrung
leicht und schnell verdaut, und wenn die andere (Ida) einsetzt, gibt sie dem
System Stärke und Lebenskraft und hilft bei der Entwicklung des Körpers und der
Muskeln usw. Unter aktiven Einfluß dieser
Himmelskörper, die durch die >nadis< wirksam sind, wird das Wachstum in
der Natur und unter den menschlichen Gattungen, der weiblichen und der
männlichen, hervorgebracht. Die Feuchtigkeit des Mondes erzeugt bei den Frauen
>raj< und die lebensspendende Energie der Sonne >viraj< oder den
Samen beim Mann. Tagsüber ist meistenteils die >Solar-nadi< (Pingala) am
Werk, und deshalb sollte die Nahrung dann aufgenommen werden, solange die
Lebensenergie der Sonne aktiv ist, denn dadurch wird sie im System leicht
aufgelöst und somit zur Kraftquelle. Die Nahrung, die aufgenommen wird, nachdem
die Sonne untergegangen ist, trägt dazu bei, daß sich Umfang und Fett des
Körpers vermehren und die Verdauung in Unordnung gebracht wird, was zu einer
Störung im Gleichgewicht des elementaren Körperhaushalts führen kann, wie zu >Kaf< (Phlegma),
>Safra< (Hitze) und >Sauda< (gasförmige Vibrationen) usw. Prana- Schulung Die Schulung besteht, kurz gesagt, darin, 1)
ein
Zentrum innerhalb des Körpers zu errichten, beispielsweise das Herzzentrum oder
das Gebiet der Lebensenergien, wo >mano-mai atman< vorherrscht. 2)
Ein
anderes Zentrum außerhalb des Körpers zu errichten. 3)
Man
muß an beiden Zentren innen und außen arbeiten und zwischen den beiden Zentren
Pranayama üben. 4)
>Tratak<
oder Schulung der Schau ist zu üben, indem man die Aufmerksamkeit nach und nach
von außen nach innen bringt und sie für einige Zeit dort festhält. Will man außerhalb des
Körpers Zentren errichten, muß man zunächst dafür sorgen, daß man alleine ist.
Man malt auf weißes Papier einen gelben Flecken, legt das Papier auf den Tisch
oder befestigt es in Augenhöhe an der Wand und übt >Tratak<, das heißt
man heftet den Blick fest auf diesen Flecken, während >Pingala< tätig
ist, und konzentriert seine Aufmerksamkeit auf den inneren >Anahat<-Ton,
bis man sich allmählich in ihn vertieft. Wenn diese Übung einige Tage
ausgeführt wurde, ist dieser Flecken in blau umzuändern, danach in rot und
später in ein bläuliches Weiß; zuletzt wird er in einer leuchtend weißen Farbe
gehalten, nachdem einige Tage mit jedem der farbigen Flecken geübt wurde. Ziel der Tratak-Übung ist,
eine klare Sicht der Elementarfarben zu gewinnen, die die Farben von Erde,
Wasser, Feuer, Luft und Äther darstellen. Will man raschen Erfolg erzielen, muß
diese Praxis mindestens zwei bis drei Stunden am Tag geübt werden. Sie ist gut für das
Augenlicht und dient als große Hilfe bei der Beeinflussung anderer. Man muß auch auf die
richtige Entfernung zwischen den Flecken und dem Auge achten. Für den Anfang
sollte sie etwa 60 cm ausmachen, und nach ein paar Tagen Übung sollte sie auf
50 cm verringert werden; danach auf 30 cm und schließlich auf 15 cm. Sobald
dann diese Übung zu einem heiteren Vertieftsein führt, kann der Flecken bis zur
Nasenspitze gebracht werden, was dann tatsächlich die echte Übung darstellt,
worauf die Aufmerksamkeit allmählich zur Nasenwurzel zwischen den beiden
Augen-brauen zu bringen ist. Das Wesentliche liegt darin, daß die verstreuten
>vritis< am Wandern im Äußeren gehindert und an dem stillen Punkt im
Körper, dem Sitz des Geistes, gesammelt werden. Auf diese Weise nach innen
gekehrt, sind sie mit dem >Anhat<-Ton in Verbindung zu bringen. Dies
führt von selbst zu einem Rhythmus in den Pranas, und sie werden zu gleicher
Zeit auf die >vritis< abgestimmt. So kommen Gemüt und Pranas
in Harmonie, und die Seele kann durch die >mano-mai< und >pranmai
koshas< oder die sie umgebenden Hüllen entfliehen. Vorteile des Prana Yoga Die Praxis des >Prana
Yoga< hilft bei der Entfaltung aller Sinneskräfte, wie Gesicht, Gehör,
Geruch, Geschmack und Tastsinn. Ein Yogi kann mittels seiner Gedankenkraft alle
Kräfte, die er gebrauchen will und die dem Gedanken entsprechen, aus der
Atmosphäre zu seiner Hilfe herbeiziehen. Im sehr kalten Winter kann
der Sadhak im >Sidh asana< sitzen: das Kinn auf die Brust gedrückt, denkt
er an die Sonne und beginnt dabei die Übung mit Pingala oder dem >solar
nadi<. Auf diese Weise wird die Wärme von selbst kommen und ihn mit Schweiß
bedecken. Genauso kann er bei sommerlicher Hitze erfrischende Kühle erfahren.
Dies alles hängt von der Gedankenkraft ab und setzt voraus, daß man weiß, wie
die Aufmerksamkeit auf den Sitz der Seele zu heften ist. Es ist der Höhepunkt
des >Prana Yoga<. Man kann all diese Kräfte
entfalten, wenn man das Gemüt und die Pranas auf eine gemeinsame Ebene bringt.
Die Gedankenkraft geht vom Gemüt aus, und >Prana Yoga< besteht darin, daß
Prana auf der Ebene der Seele oder der göttlichen Ebene mit dem Gemüt in
Einklang gebracht wird. V. Pratyahara oder
Sinneskontrolle (Zurückziehung und
Loslösung) Es bedeutet das Zurückziehen
der Sinne von den Sinnesgegenständen. Das Gemüt wird durch die Praxis von
>Yama<, >Niyama< und >Pranayama< rein, und >Pratyahara<
bewirkt überlegene Meisterschaft über die Sinne. Die Beherrschung der Sinne ist
daher der erste Faktor in der Yoga-Wissenschaft. Solange die Sinnespferde in
ihrem tollen Lauf auf dem Gebiet des Vergnügens und des Genießens nicht
beherrscht und kontrolliert sind, kann das Gemüt unmöglich zur Ruhe kommen. Die
Sinne müssen darum von der Sinnesebene zurückgezogen und davor bewahrt werden,
alle von außen kommenden Eindrücke und Einflüsse aufzunehmen. Die visuelle
Wahrnehmung und das Gehör sind die beiden Hauptzugänge, von denen wir nicht
weniger als 88 bis 95 Prozent unserer Eindrücke ableiten, und der Rest von etwa
5 Prozent stammt von den anderen Sinnen. Somit ist es von ungeheurer Bedeutung,
die Schleusentore der Augen und Ohren herunterzulassen, um zu verhüten, daß die
äußeren Flutwasser eindringen und den See des Gemüts überschwemmen. Um das Gemüt nachhaltig
gegen die Angriffe von seiten der Sinne zu schützen, ist es für den
Yoga-Schüler notwendig, daß er sich täglich eine Zeit in die >klösterliche
Zelle< des Herzens zurückzieht; denn es ist eine Sache allgemeiner
Erfahrung, daß sich schmutziges Wasser von selbst klärt, wenn man es einige
Zeit ruhig stehen läßt. Man kann >Pratyahara<
(Kontrolle der Sinne als Voraussetzung, um einen Zustand des Träumens oder der
Zurückziehung der Sinne zu erreichen) durch Unterscheidung und Einsicht üben.
Mit dem Wissen um die wahren Werte des Lebens kommen wir dahin, daß wir die
ungesunde und wertlose Nahrung, welche die Sinne sonst erfreute, mißachten und
dadurch lernen, den Gemütsstoff zu beherrschen. Es bedeutet soviel wie die
Betriebsamkeit der Sinne in der Welt zu verlagern, indem man die Gebiete der
illusorischen Freuden mit der Sprengkraft der Unterscheidung zerstört.
Pratyahara ist sehr wichtig, um im Yoga Erfolg zu haben. Mit nach innen
gekehrten Sinnen kann ein Yogi für das Bewußte in sich arbeiten. Durch diese
Praxis wird das Gemüt gereinigt; es wird in der Selbstsicherheit gestärkt und
fähig, sich einer strengen Lebensweise zu unterziehen. In der Bhagavad
Gita lesen wir: >Die Sinne
bändigend sitze er in Andacht mir zugewandt. Wer Herr der
eigenen Sinne ist, bei dem nur ist die Weisheit
dauernd.< Die obigen fünf Punkte:
>yama<, >niyama<, >asana<, >pranayama< und
>pratyahara< - bilden die Vorbereitung für den Fortschritt
auf dem Yogaweg. Sie sind jedoch nur die begleitenden Dinge und nicht die
Hauptsache im Yogasystem. Sie helfen dem Körper, die Pranas, das Gemüt und die
>Indriyas< zu reinigen. Nun kommen wir zu den
direkten inneren Hilfen des Yogas. Es sind drei an der Zahl, nämlich
>Dharna<, >Dhyana< und
>Samadhi<, und sie bilden den >Antarang Sadhan< oder die innere
Schulung. VI. Dharan oder Samyam (Vertiefung oder
Konzentration) Hat der Yoga-Schüler durch
>Pranayama< die >Pranas und durch >Pratyahara< die Sinne unter
Kontrolle gebracht, muß er nunmehr sein Gemüt auf etwas konzentrieren. Man kann
die Aufmerksamkeit auf etwas Äußeres wie zum Beispiel auf ein Bild, ein Idol
oder ähnliches heften; oder sie kann auf etwas im Inneren, wie auf eines der
Körperzentren in >Pind<, auf eine Vorstellung oder auf eines der astralen
Zentren in >And< gerichtet werden. >Dharna< wiederum besteht darin,
das Gemüt nach Belieben auf eine bestimmte Stelle, einen Gegenstand, eine
Vorstellung oder ein Zentrum zu konzentrieren. >Dharna< hilft, das Gemüt
stetig zu machen, und ist somit auf seine Weise nutzvoll. 1)
>Dharna<
auf eine jede dieser Sinneswahrnehmungen verhilft zur Stetigkeit des Gemüts,
indem die wandernden Gedanken an einem Brennpunkt gesammelt werden: a)
auf
die Nasenspitze - gibt eine Erfahrung von >Divya Gandh< oder göttlichen
Wohlgeruch. Es wird >varta sidhi<
genannt. b)
auf
die Zungenspitze - gibt eine Kenntnis vom Geschmack des
göttlichen Stoffes (Divya-Essenz):
>manna< und Nektar. Diese Erfahrung ist bekannt als >asdavan<. c)
auf
die Zungenmitte - man erfährt die Berührung mit dem Göttlichen
oder der Nähe der erhabenen Gegenwart. Die ist als >vidana< bekannt. d)
auf
die Zungenwurzel - gibt die Erfahrung der göttlichen Töne oder
der göttlichen Harmonie. Man nennt es
>asravana<. e)
auf
den Gaumen - gibt die Erfahrung der göttlichen Farben oder des elementaren
Glanzes. Diese göttliche Gesicht wird
<adarsha< genannt. 1)
>Dharna<
auf den leuchtenden geistigen Punkt am Sitz des Gemüts. Erst wird der Atem
eingezogen und dann ausgestoßen, mit
dem Gedanken an die aufrechte Position des achtblättrigen Lotos unterhalb des
Herzens, der gegenwärtig in umgekehrter Stellung liegt. Dann wird die
Aufmerksamkeit auf das glänzende Licht in dem Lotos geheftet, durch den >Sukhmana< oder >Brahm nadi< läuft. 2)
>Dharna<
auf Meisterseelen, die von allen Wünschen befreit sind, wie Buddha, Christus
oder vorzugsweise auf einen noch lebenden Meister, befreit auch den Übenden von
allen Wünschen und mentalen Bindungen sowie von der Knechtschaft des Gemüts und
der Materie. 3)
>Dharna<
oder >samyam< auf äußere
Gegenstände: auf Himmelskörper wie die Sonne, den Mond und die Sterne usw. bringt
übernatürliche Erfahrungen ein. a)
Wenn
zum Beispiel auf die Sonne, bringt es Wissen von Brahmand, das aus vierzehn
>Bhavans< oder Sphären besteht, nämlich sieben oberen oder höheren Welten
oder >lokas< (bhur, bhuva, swah, maha, janah, tapah und satyam) und
sieben unteren oder niederen Welten oder >lokas< (sutala, vitala,
talatala, mahatala, rasatala, atala und patala). b)
Wenn
auf den Mond, bringt es Wissen von den Sternen ein. c)
Wenn
auf den Polarstern, bringt es Wissen um die Bewegung der Sterne ein. d)
Wenn
auf den Elefanten oder >hanuman<, erwachsen Kraft und Tapferkeit. e)
Wenn
auf die Körperform, verursacht es das Verschwinden des Körpers, weil die Kraft
des Begreifens gehemmt wird und die Verbindung zwischen dem Licht und den Augen
getrennt ist. 1)
>Dharna<
oder >samyam< auf innere Zentren,
auf das Selbst und die >indriyas<: Man kann diese Übung auf alles
ausführen, wie auf Tugenden, auf die inneren Zentren, >chakras< oder
>nadis<: a)
Wenn
auf >nadhi< oder den Nabel (manipura chakra), erlangt man Wissen über die
Zusammensetzung des Körpers. b)
Wenn
auf die Vertiefung in der Kehle (vishuddha chakra), wird man frei von Hunger
und Durst. c)
Wenn
auf >sahasrar<, erlangt man himmlische Visionen und den >darshan<
von >siddhas<. Die Methode des letzteren
geschieht durch Konzentration auf >Brahmarendra< oder die Höhlung von
Brahma; es ist eine Öffnung im Körper (mundhu), durch welche das göttliche Licht
nach unten fließt. >Nigrun upasakas<
führen die abstrakte Meditation auf dieses Zentrum - den
>sahasrar< - aus. d)
Wenn
auf das >anhat chakra< am Herzen, erlangt man Wissen über das Gemüt. e)
Wenn
auf die >kurma nadi< (den Astralkanal in der Brust unterhalb der Kehle,
durch den >kurma< oder das höhere >prana< die Augenlider bewegt),
gibt es dem Körper Festigkeit. f)
Wenn
auf das innere Licht des Herzens, bringt es Wissen über das Feinstoffliche
(Hellsichtigkeit), das Verborgene (vergrabene Schätze) und das Entfernte (Ferne
und Weite). 1)
Man
kann >samyam< über sich selbst üben. Es verleiht Hellsichtigkeit,
Hellhörigkeit und andere übernatürliche Kräfte – höheren Tastsinn, höheren
Geschmack, höheren Geruch usw., die alle durch Intuition oder >pratibha<
wahrgenommen werden, ohne einen anderen spezialisierten >samyam<. Durch >samyam< über
seine eigene wesentliche Natur (die Erkenntnisfähigkeit) erlangt man die Kraft
reinen Erkennens ohne die äußere Hilfe der Sinne und der Sinnesorgane. Durch
die >indriyas<, die in ihren jeweiligen Zentren schlummern, erfreut man
sich eines Zustandes unaussprechlicher Wonne (anand) der >Sanand Samadhi<
genannt wird. 2)
Durch
>dharna< oder >samyam< auf gewisse Besonderheiten des Körpers, wie
die Gesichtsfarbe, die Stimme oder ähnliches, lernt man den Zustand und die
Gemütsart anderer verstehen. 3)
Durch
>samyam<: a)
auf
das Gemüt (oder Gedanken) erfährt man über dessen Inhalt; b)
auf
die Zeit erlangt man Wissen über alles; c)
auf
Luft und Äther, oder auf die Beziehung zwischen diesen beiden, wird man mit dem
göttlichen Hören (shabd) ausgestattet und nimmt durch den reinen Willensakt
jeden subtilen Ton in der Ferne wahr. Auf gleiche Weise entfaltet man durch die
Verbindung mit >adhistana-bhutas< (vayu, tejas und prithvi usw.) die
Kräfte der anderen Organe in vollstem Umfang. d)
Durch >samyam< auf die Verbindung zwischen
Äther und Körper oder auf die Leichtigkeit der Baumwolle erwirbt man die Kraft
des Fliegens durch den Äther oder die Luft, denn der Körper wird
außerordentlich leicht, und man kann sich gleich einem Vogel überall im Raum
bewegen und sich sogar von den Strahlen der Sonne tragen lassen. Ein Yogi, der >sidhi<
im >kechari mudra< hat, kann auch in der Luft fliegen. (Einer, der
>shammohan vidya< oder >indra jala< kennt, kann sich gleichfalls
durch den Raum bewegen, aber das ist nur >jala< oder ein Trick und nichts
Echtes, denn in Wirklichkeit bleibt er auf der Erde stehen, und wenn man ihn
dabei fotographieren würde, erhielte man nicht das Bild eines Menschen, der
durch die Luft fliegt.)* e)
Wenn
auf die Veränderungen des Gemüts, bringt es Wissen um die Vergangenheit und die
Zukunft. f)
Wenn
auf >videha<, kann man den Körper nach Belieben verlassen und ohne ihn
wirken. g)
Wenn
auf die >sanskaras< (Gemütseindrücke), erlangt man Wissen um frühere
Geburten. 9) Durch Meisterschaft über:
a)
>Udana
vaya< endet jedwede Beziehung zu Wasser, Schmutz und Dornen, und man kann
seine Existenz nach Belieben beenden, denn durch >Udana< kann man den
Astralkörper vom physischen trennen und sich durch den Raum bewegen. b)
>Samana
vaya< ergibt Strahlkraft, und man kann Feuer und Lichtblitze vom Körper
ausgehen lassen. 10)
Durch
>samyam< auf Tugenden: a)
auf Freundlichkeit oder andere Vorzüge erlangt
man die Kraft, dies auf andere zu übertragen; b)
auf
Unterscheidungskraft (der besonderen Beziehung zwischen >satva< oder Reinheit
und >purush< oder der Seele) erlangt man die Fähigkeit der Allgegenwart
und Allwissenheit; c)
auf
>shabd< erlangt man Wissen von den Tönen aller lebenden Wesen
(einschließlich Tieren und Vögel); d)
auf
die >karmas< erlangt man Wissen über die Zeit des Todes. Wenn das Gemüt gänzlich rein
und bis zu den Wurzeln von >satva< durchdrungen ist, dämmert ganz
plötzlich Erleuchtung auf. Das Gemüt hat fünf Zustände: a)
>Kshipta<
oder das wandernde Gemüt, wo sich der Gemütsstoff in einem Zustand beständiger
Zerstreuung befindet. b)
>Mudha<
oder das träge und vergeßliche Gemüt in einem Zustand der Verwirrung und
Dummheit. c)
>Vikshipta<
oder das Gemüt, das sich vorübergehend sammelt und konzentriert, um sich dann
wieder zu verzetteln. Diesem Zustand
fehlt noch die Beständigkeit. d)
>Ekagrata<
oder das Gemüt, das mit zielbewußter Aufmerksamkeit und Beständigkeit der
Absicht begabt ist. e)
>Nirodha<
oder das Gemüt, das geschult, beherrscht und in Schranken gehalten wird. Unter den ersten drei
Umständen ist kein Yoga möglich. Er ist nur dann ausführbar, wenn sich das
Gemüt in dem unter d) und e) aufgeführten Zustand befindet. Außer den Vorhergenannten
gibt es acht Arten von >siddhis< oder Kräften, die gewöhnlich von
>siddhas< oder höheren Wesen ausgeübt werden: a)
>Anima<
- die Fähigkeit, alle Dinge, selbst ein Atom (anu) zu durchdringen und seine
innere Struktur zu erkennen. b)
>Laghima<
- die Fähigkeit, Schwerelosigkeit zu erlangen, so daß man sogar auf den
Sonnenstrahlen sitzen kann. Hiervon wird oftmals bei Levitationen und
Translevitationen Gebrauch gemacht, trotz den Gesetzen der Schwerkraft. c)
>Garima<
- die Fähigkeit, so schwer wie Stahl zu werden und jeden Gegenstand unbeweglich
zu machen. Es ist das Gegenteil von >Laghima<. d)
>Mahima<
- die Fähigkeit, ausgedehnte und alles durchdringende Größe gleich der des
Raumes zu erlangen und das Wirken weitentfernter Dinge zu sehen, wie die
Sonnensysteme und das Weltengesetz. e)
>Prapti<
- die Fähigkeit, an jeden beliebigen Ort und selbst auf den Mond zu gelangen.
Man wird mit einem alles durchdringenden Sinn ausgestattet. f)
>Prakamyam<
- die Fähigkeit, jeden Wunsch erfüllt zu bekommen. g)
>Vasitvam<
- die Fähigkeit, allen Geschöpfen und elementaren Kräften gebieten und sie
beherrschen zu können, wie dem Wind, dem Regen usw. h)
>Ishitva<
- die Fähigkeit, den Schöpfer, Erhalter und Zerstörer spielen zu können. Darüber hinaus gibt es viele
untergeordnete Ziele, die man durch den einfachen Prozeß der
Selbstbeherrschung und Konzentration,
genannt >samyam<, erwirbt. Zum Beispiel: 1.
die
Sprache der Vögel und Tiere zu verstehen; 2.
um
die vorhergehenden Geburten zu wissen und Vorkenntnis des Todes zu haben;
3.
die
innersten Gedanken anderer zu lesen; 4.
von
ferne Wissen über geheime und subtile Dinge zu haben, wie über Himmelskörper
und Sterne; 5.
zukünftige
Dinge vorauszusehen; 6.
sich
an jeden beliebigen Ort der Welt begeben zu können; 7.
durch
Berührung zu heilen; 8.
körperliche
Vollkommenheit in Form (rupa), Aussehen (ranga), Kraft und Stärke (bala),
Stetigkeit (sanhanan) und körperlichen Reiz (lavanya) usw. zu erwerben. Hier muß notwendigerweise
ein Wort der Warnung angebracht werden hinsichtlich der >riddhis< oder
der übernatürlichen Kräfte, die man im Verlaufe der Yoga-sadhna-Praxis oder
–Schulung oftmals erwirbt. Alle diese übernatürlichen Kräfte oder >siddhis<
muß man gewissenhaft meiden, denn sie sind unbedingte Hindernisse auf dem Weg
zu wirklichem spirituellem Fortschritt und dem Erreichen der Selbsterkenntnis
und Gotterkenntnis, dem großen Ziel und Zweck des Yogasystems. Die >Devatas< sind häufig eifersüchtig
auf die menschliche Seele, die sich auf dem spirituellen Pfad befindet. Sie kommen lächend, den Yogi
zu begrüßen, sobald er Zugang zu höheren Regionen erworben hat; sie laden ihn
mit süßen und listigen Worten ein und versuchen, ihn in die Falle zu locken und
zu stürzen. Selbst der große Yogi
Vishvamitra wurde durch die Schönheit eines himmlischen Wesens, eines Mädchens,
verführt, das Indra gesandt hatte, um
ihn zu versuchen. Er ging unversehens in die Falle und fiel zurück. Diese
Versuchungen befallen einen auf der zweiten Stufe der Reise. Sie können jedoch
einem, der am Pfad festhält und in seinen Übungen standhaft und beharrlich ist,
nichts anhaben. Gib die >siddhis< auf und vernichte die Saaten der Gebundenheit; erlange >kaivalya<, den Zustand völliger Ruhe
und Unabhängigkeit. Und wieder ist gesagt: Laß dich nicht
verführen durch das gewinnende Lächeln himmlischer Wesen, und meide den Umgang
mit allem, was nicht wünschenswert ist. Patanjali Dharna als Form des Yoga (der Mansik Yoga) Stetige Aufmerksamkeit ist
der erste und grundlegende Faktor der inneren Yoga-Übung, und ihre Bedeutung
kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. >>Wenn alle Sinne ruhig sind,
wird das Gemüt stetig und der Verstand wankt nicht – dies ist der höchste
Zustand, sagen die Weisen<< (Kath. Up. II: III-10). Zufolge dieser
Tatsache nimmt sie eine wesentliche Stellung im System ein und wird von manchen
als Form eines bestimmten Yoga betrachtet, dem sie den Namen >Mansik<
oder >mentaler Yoga< (Yoga der
Selbstversenkung) geben. Die meisten Schüler weihen
sich völlig und einzig der strikten Beachtung der >yamas< und kommen
dadurch auf dem Yogapfad, der nach Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis strebt,
kaum vorwärts; und solche, die ein wenig weiterkommen, bleiben dann in den
Yoga-Stellungen (asanas, mudras und bhandas) stecken und sind beständig damit
beschäftigt, ihren Körper zu entwickeln und die Muskeln zu stärken, und machen
dies zum einzigen Ziel ihrer Bemühungen. Sie beschränken sich somit selbst auf
den Aspekt der Körperentwicklung, um dadurch Krankheit, Altern und frühem Tod
zu trotzen. Ein paar begünstigte Seelen,
die durch >pranayama< vorwärtskommen, machen dies zum Inbegriff aller
Yoga-Übung; und wie eine Schildkröte (sie haben Freude daran, wenn sie ihre
>pranas< in >Brahmarendra< zusammenziehen) bringen sie die meiste
Zeit in ihrem Gehäuse, im >yog nidra<, zu und betrachten Trägkeit als die
höchste Form des >samadhi<. Dies alles sind einzig Mittel zu den höheren
Zielen des Yoga und sollten nur als solche praktiziert werden. Ziel des Yoga
ist Selbsterkenntnis durch einen regelrechten Prozeß der Selbstanalyse und der
Zurückziehung, was einen instand setzt, sich über das Körperbewußtsein ins
höhere kosmische und schließlich ins überkosmische Bewußtsein zu erheben. Wahrer Yoga ist ein ganz
natürlicher Prozeß, der nichts Gekünsteltes an sich hat. So sollte er leicht
verständlich und einfach zu üben sein. Aber durch den Mangel an richtigen
Lehrern, die sowohl in der Theorie wie auch in der Praxis des Yoga wohlerfahren
sind, ist er zu einer beschwerlichen und verwickelten Angelegenheit geworden;
zu schwer, um verstanden zu werden, und noch schwieriger, ihn auszuüben. Das
Leben ist heutzutage viel zu kompliziert, um dem Menschen genug Muße zu lassen
und Gelegenheit zu geben, alle Zweige des Yoga zu meistern (jeder einzelne hat
sich im Laufe der Zeit noch mehr spezialisiert), um dann dem letzten Ziel
entgegenzuschreiten. Die Folge davon ist, daß die Suchenden die eine oder
andere Yoga-Art irrigerweise als das letzte Ziel betrachten. Sie verzetteln
ihre Kräfte in diesem Streben und geben sich mit dem Erwerb psychischer oder
magischer Fähigkeiten zufrieden. Bei der wirklichen Erfahrung
befindet sich das Gemüt in einem Zustand tiefen Schlummers (sushupti)und kommt
gewissermaßen mit der niedrigeren Ebene der Glückseligkeit (anand) und der
niedrigeren Erkenntnis-Ebene (vigyan) in Berührung. Denn wenn man erwacht,
nimmt man den Eindruck der ungestörten und reinen Wonne dieses glückseligen
Schlafes in sein Bewußtsein auf. Aber all das ist eine unwillkürliche Erfahrung
in >pind< oder der Sinnesebene; sie ist nicht bewußt und willentlich
erworben. Wenn man den wirklichen >sadhan< genau versteht und ausübt,
kann man den Schleier heben und in die Quelle der Glückseligkeit auf einer
spirituellen Ebene eintauchen, wie und wann es einem gefällt. Und man kann
innen mit dem Lebensstrom, dem Ursprung wahren Glücks und wahrer Seligkeit,
verbunden bleiben. So wie man durch >pranayama< die Pranas mit dem Gemüt
berühren kann, ist es auch möglich, durch >pratyahara< und
>dharna<, die Ebene des Gemüts mit der der Erkenntnis zu verbinden, die
in den höheren spirituellen Zentren darüber liegt. Das Wort >pratyahara<
bedeutet >>beschränken<<. Gemeint ist damit, daß man den
Gemütsstoff und die Sinne davon abbringt, in die Welt hinauszufließen und
umherzuirren auf der Suche nach sinnlichen Freuden an den Sinnesgegenständen.
Aber das ist schwer zu erreichen, solange nicht die Sinne und das Gemüt mit
etwas Gleichartigem versorgt werden oder besser, mit etwas Erfreulicherem, als
es die weltlichen Dinge darstellen, und das zugleich als Anker dient, um sie im
Innern festzuhalten. Man nennt dies >dharna<, was soviel besagt wie
>>annehmen<< ( es stammt von der Wurzel >dharn< ),
>>von etwas angezogen<< und >>in etwas vertieft zu
sein<<. >Pratyahara< und
>dharna< gehören zusammen, denn das Gemüt muß einerseits von den äußeren
weltlichen Freuden entwöhnt werden, andererseits muß es im Innern etwas
Anziehendes bekommen. Indem die Yogis unbeweglich
in einem >asana< sitzen, bringen sie zuerst das Nabelzentrum unter ihre
Kontrolle und ziehen dann die >pranas< zum Herzzentrum, um es mit der
Gemütsebene zusammenzubringen. Danach versuchen sie durch verschiedene Übungen,
wie >tratak<, das Gemüt in ein höheres Zentrum zu leiten, damit es sich
dort zurückzieht. Der erste Teil wird >pratyahara< und der zweite, das
Zurückgezogen- und Vertieftsein in dem höheren Zentrum, wird >dharna<
genannt. Durch die bloße Macht der
Gewohnheit, die sich über lange Zeiten hin erstreckt, hat das Gemüt die Neigung
erworben, den Freuden der Welt nachzujagen. Diese können in fünf Kategorien
eingestuft werden: a)
>Rup<
und >rang< oder schöne Formen, Muster und Farben, die das Auge anziehen. b)
>Shabd<
oder wohlklingende und bezaubernde Melodien, die das Ohr gefangen nehmen. c)
>Ras<
oder delikate Lebensmittel und Speisen aller Art, die den Gaumen fesseln. d)
>Gandh<
oder Wohlgeruch, der den Geruchssinn unmittelbar anspricht. e)
>sparsh<
oder angenehme physische Empfindungen, wie sie durch Berührung hervorgerufen
werden. Im wachen Zustand, wenn die
Sinne voll aufnahmebereit sind, erfreut man sich des physischen Aspekts der
oben aufgeführten Freuden. Im Traumzustand, der mehr oder weniger eine
Wiederspiegelung des Astralen oder Feinstofflichen ist, freut man sich am meisten
über Töne, denn in diesem Zustand sprechen sie das Gemüt direkt an. Im
traumlosen und tiefen Schlaf, der eine Reflexion des kausalen Zustandes ist,
erlangt man Kenntnis von der tiefen Versunkenheit. Man muß sich daher mittels
>tratak< auf verschiedene Grundfarben, die mit Äther, Luft, Feuer, Wasser
und Erde verbunden sind, ins Herzzentrum zurückziehen. Auf diese Weise werden
sie in einem bezaubernden Glanz erstrahlen. Durch regelmäßige Praxis erwerben
die Yogis übernatürliche Kräfte und Fähigkeiten und sind in der Lage, die oben
genannten fünf Freuden in ihrer feinstofflichen Form aus weiter Entfernung zu
kosten. Sie kommen auf natürliche Weise in Übereinstimmung mit den
>pranas< und dem Gemüt. Die Praxis von >pratyahara< und
>dharna< muß mit Hilfe von >tratak< noch weiter entwickelt werden.
Man kann sich einwärts und aufwärts bewegen und vom Herzzentrum zur Schilddrüse
oder der Kehle (kanth chakra) zurückziehen und so mit der Ebene der Erkenntnis
in Berührung kommen. Diese Bewegung von einem höheren Zentrum erfolgt durch
>pratyahara<, wodurch man das untere Zentrum verläßt, und durch >dharna<,
womit man das nächsthöhere Zentrum erreicht und sich darin vertieft. Der Prozeß
wird so fortgesetzt, bis man zum >aggya chakra< hinter und zwischen den
beiden Augenbrauen gelangt, das der Sitz der Seele ist, wenn sie sich in der
physischen Welt im Wachzustand befindet. Indem sich die Sinnesströme
in diesem Zentrum sammeln und man alles über sich selbst vergißt, erhebt man
sich über das Körperbewußtsein. Hier dämmert nach und nach das innere
spirituelle Licht auf, und wenn man sich tief in dieses Zentrum versenkt (dharna),
nehmen Glanz und Strahlkraft immer mehr zu. Bei vollkommenem
>dharna< oder Versenkung auf dieser Stufe werden alle unteren Zentren bis
zum >mul chakra< oder >guda chakra< hell aufleuchten. In diesem Zusammenhang
können wir auf die Psychologie des Yogasystems zu sprechen kommen. Das zerebral-spinale System
ist die Hauptstütze des Körpers. Die Wirbelsäule wird in der
Yoga-Terminologie >Meru<
oder >Brahm Danda< genannt. Nach
dem Shiva Samhita gibt es im
menschlichen System nicht weniger als 350 000
>nadis< und von diesen spielen die nachfolgend aufgeführten eine
wesentliche Rolle: 1)
>Ida< -
beginnt am untersten Plexus (guda chakra) auf der rechten Seite der
Wirbelsäule und läuft spiralenförmig um den >Sushmana<-Kanal bis zur
linken Nasenöffnung. 2)
>Pingala<
bewegt sich vom selben >chakra<
aus auf der linken Seite der Wirbelsäule und windet sich spiralenförmig hoch
bis zur rechten Nasenöffnung. 3)
>Sushmana<
oder >Sukhmana< -
der Hauptkanal zwischen >Ida< und >Pingala<; er läuft durch
die Wirbelsäule von einem Ende zum anderen, das heißt vom >guda chakra<
bis zur großen Öffnung
>Brahmarendra< hinter den Augenbrauen. 4)
>Gandhari< -
erreicht das linke Auge, nachdem er sich von der Vorderseite des
Hauptkanals aus erhoben hat. 5)
>Hastijivha< -
erreicht das rechte Auge, nachdem er sich von der Rückseite des
Hauptkanals aus erhoben hat. 6)
>Pushpa< -
erreicht das rechte Ohr vom selben Kanal aus 7)
>Yashvini< -
erreicht das linke Ohr vom Hauptkanal aus. 8)
>Alambhush< -
erstreckt sich zur Wurzel der Arme. 9)
>Kuhu<
oder >Shubha< - reicht hinunter bis zur Spitze des
Zeugungsorgans. 10)
>Shankhini< -
reicht hinunter bis zum Rektum. Die ersten drei: >Ida<, >Pingala< und
>Sushmana< sind die allerwichtigsten. Bevor >Ida< und
>Pingala< in die Nasenwurzel gelangen, kreuzen sie sich und sind als
Ganglienstränge (Nervenstränge) bekannt. >Sushmana< oder
>Sukhmana<, der Hauptkanal, läuft durch die Wirbelsäule und durchquert
die sechs nachfolgenden Zentren: a)
>Muladhara<
(amSteißbein) mit dem vierblättrigen Lotos, der sich nach vier Seiten hin
erstreckt. b)
>Svathishtana<
(am Kreuzbein) mit dem sechsblättrigen Lotos, der sich nach vier Seiten
erstreckt; dazu eines, das nach unten, und eines, das nach oben gerichtet ist. c)
>Manipuraka<
(das Sonnengeflecht) mit dem achtblättrigen Lotos, der sich nach vier weiteren
Seiten zwischen den ursprünglichen erstreckt. d)
>Anahata<
(Thymusdrüse) mit dem zwölfblättrigen Lotos. Es ist ein Lotos des
unübertrefflichen Tones, wie der Name besagt. e)
>Vishuddha<
(Schilddrüse) mit dem sechzehnblättrigen Lotos. Ein alles durchdringender
ätherischer Lotos. Es ist ein Zentrum von großer Reinheit, wie der Name
anzeigt. f)
>Aggya<
(Stirnzentrum) mit dem zweiblättrigen Lotos. Es wird auch >Ajna chakra<
genannt, was soviel wie Befehlszentrum heißt. Außer den oben angeführten
Zentren gibt es noch >Antahkaran< (das aus >chit<, >manas<,
>buddhi< und >ahankar< besteht) mit dem vierblättrigen Lotos. So
sind es zusammen zweiundfünfzig Blätter, die den zweiundfünfzig Buchstaben des
Sanskrit-Alphabets,dem Grundstock aller Sprachen, entsprechen. Wir müssen uns jedoch über
die >chakras< zu einem Zustand erheben, der darüber liegt und der
>neh-chakra para< genannt wird. Es ist ein Zustand, der immer und auf
ewig besteht und von dem Kabir sagt: >>Die drei Lokas und die zweiundfünfzig Buchstaben sind dem Verfall unterworfen und werden vergehen. Aber das ewige und
immerwährende heilige Wort ist etwas ganz anderes und wird immer
bestehen.<< Je zwei Plexi ergeben ein >granthi< oder Band. Diese
sind: >Brahm granthi<, >Vishnu granthi< und >Shiva granthi<. Der Yogapfad, wie er oben
beschrieben wird, befaßt sich mit der Meditation auf diese sechs Zentren, wobei
am untersten zu beginnen ist und man allmählich mittels >pratyahara< und
>dharna<, wie bereits erklärt, zum nächsthöheren aufsteigt. Bei diesem
Vorgang ruft man durch >Hatha Yoga< die große Schlangenkraft oder
>Kundalini shakti< zu Hilfe, die schlummernd und wie eine Schlange in 3
1/2 Windungen zusammengerollt im >Vagus-Nerv< liegt. Diese latente
Energie wird mit Hilfe von >pranayama< erweckt. Der Yogi sucht alle
Lebensenergien im Körper zu sammeln, und bei diesem Vorgang erwacht auch die
latente Kraft der Kundalini. Vom >Ajna-Zentrum< aus ergreift er den
>anahat<-Ton und erreicht >sahasrar<, den höchsten Himmel der
Yogis. Es ist ein sehr langer, mühsamer und schwieriger Pfad. An jedem der Zentren hat man
jahrelang ohne Unterbrechung schwer zu arbeiten, bevor man es sich erfolgreich
erkämpft, um dann zum nächsthöheren aufsteigen zu können. Ohne einen starken
und robusten Körper, der dieser ununterbrochenen und mühevollen Beanspruchung
auf lange Sicht standhält, kann man sich dieser schweren Schulung nicht
hingeben und sie durchhalten. Zu Beginn hat der Yogi den
Augiasstall mit herkulischer Kraft zu reinigen, und zu diesem Zweck muß er
>Hatha Yoga Kriyas< oder Übungen wie >dhoti<, >basti<,
>neoli<, >gaj karam< und >vajroli< durchführen, dazu eine strenge
und genaue Diät-Kontrolle. Außerdem hat er sich, um Herrschaft über das Gemüt
zu erlangen, >pranayamas< oder wohlgeordneter Atmungsübungen zu
unterziehen, wie >purak<, >kumbhak<, >rechak< und
>sunyak<, die alle eine große Sorgfalt, Aufmerksamkeit und
Geschicklichkeit unter der Anleitung eines erfahrenen Lehrers erfordern. Der Yoga-Prozeß, wie er oben
dargelegt wurde, ist voll ungezählter Schwierigkeiten. Es ist ein Vorgang, der
dem eines kontrollierten Todes ähnlich ist. Es ist nicht nur ein gewaltsames
Herausziehen des Geistesstromes von einem Zentrum zum anderen, sondern auch
aller >pranas<, was ihn noch schwieriger macht. Und es entspricht in der
Tat dem Sterbeprozeß, denn es geht um die Umkehrung des Lebensstromes, der beim
Schöpfungsvorgang von einem Zentrum zum anderen heruntersteigt. Beim Tod entweichen die
Erdelemente aus dem >guda chakra< zum >indri chakra< und werden
dort in Wasser aufgelöst; so bleiben Hände und Füße ohne Leben. Sobald das
Wasser zum >nabhi chakra< gelangt, wird es durch das Feuer in der Nabel-Region
in Dampf verwandelt, und das Zeugungsorgan und werden dort in Wasser aufgelöst;
so bleiben Hände und Füße ohne Leben. Sobald das Wasser zum >nabhi
chakra< gelangt, wird es durch das Feuer in der Nabel-Region in Dampf
verwandelt, und das Zeugungsorgan wird lahmgelegt. Als nächstes wird das
Feuerelement durch das Luftelement im Herzchakra zum Erlöschen gebracht, und
dadurch wird alles unterhalb des Herzens völlig kalt. Da das Luftelement in
>kanth<, dem Sitz des Äthers, durch dessen Einwirkung ebenfalls
ätherisiert wird, werden Herz und Puls reglos. (Hierzu soll gesagt sein, daß
bei diesem System das Versagen des Herzens nicht das Lebensende kennzeichnet,
sondern ihm nur vorausgeht.) Bei der Ausübung des Sahaj-Yogasystems muß man
denselben Prozeß durchmachen und zurückverfolgen, nur mit dem Unterschied, daß
dieser natürlich vor sich geht, während der andere überlegt und kontrolliert
wird und darum äußerst schwierig durchzuführen ist. Jedes der >tatvas<
vereinigt sich dann wieder mit seinem Ursprung: >anna< mit >pranas<
mit >manas< mit >vigyan<, und >vigyan< mit dem >kanth
plexus<. (Es soll erwähnt sein, daß die Vishnuiten
und Kabir-Panthies Tulsiblätter tragen und die Shivaiten sich >shiv-ling< um den
Nacken legen, um sich daran zu erinnern, daß dort das >kanth chakra<
liegt, das sie sich zum Ziel gesetzt haben.) Um wieviel leichter und einfacher
ist es, wenn statt diesem schwierigen Umkehrungsprozeß des Yoga, vom Wurzelzentrum
zurück und aufwärts zur >Sahasrar<-Region der tausendfältigen Lichter,
die >pranas< ganz unberührt bleiben (wie es auch im alltäglichen Leben
gechieht). Statt dessen wird der Sinnesstrom gleich am Sitz der Seele im
>ajna chakra< gesammelt, wo wir uns im Wachzustand stets befinden. Mit
Hilfe des Tonstroms, dem ein magnetischer Zug nach oben eigen ist (und zu dem
die Yogis nur nach einer schwerden Schlacht über die sechs Körperzentren
gelangen), bewegt man sich geradenwegs aufwärts, um >sahasrar< zu
erreichen, sobald sich die Seele unter Leitung eines fähigen und völlig
kompetenten Meisters, der den Lebensimpuls in uns erwecken kann, über das
Körperzentrum erhebt. VII. Dhyan (Kontemplation oder Meditation) Fortgesetzte Konzentration,
wie durch >dharna< ins Auge gefaßt, führt zu einem beständigen Fluß der
Wahrnehmung, der >dhyan< oder
Kontemplation (Meditation) genannt wird. Es gibt zwei Arten des >dhyan<
oder der Meditation: eine grobe und eine feine (subtile). Es ist nahezu
unmöglich, sich sogleich der subtilen Meditation zuzuwenden, und darum muß man
zunächst mit der groben beginnen. Die grobe oder objektive
Meditation besteht darin, daß man über einen persönlichen Aspekt Gottes,
>Isht<, eines Gottmenschen oder eines Meisters (des lebenden
Meister-Heiligen) meditiert. In der subtilen Meditation
ist das Auge auf >Bindhu< oder
das Einzelauge geheftet, den stillen Punkt im Körper, der hinter und zwischen
den beiden Augenbrauen liegt. Hier begegnen sich Zeit und Zeitlosigkeit, wo das
Ungeoffenbarte offenbar wird (der Widerschein davon findet sich in >pind<
oder der niedrigen Region des Körpers, das heißt im >guda chakra<, in dem
die zusammengerollte Energie in einem unerschlossenen Zustand liegt). Nach einiger
Übung auf >Bindhu< erhellt sich
die dunkle Stelle, und das innere Licht nimmt ganz allmählich die strahlende
Form des Meisters an. Von hier aus beginnt dann das, was eine
Licht-Kontemplation genannt wird. Wenn in der Meditation der Gottmensch im Innern erscheint, sieht man
die Geheimnisse der Ewigkeit gleich einem offenen Buch. Maulana Rumi Während man bei der
grobstofflichen Kontemplation auf die sichtbare Form (swaroop) des
>Ishtdeva< oder des Gurus meditiert, geschieht es bei der subtilen Kontemplation
auf den >aroop< (das Formlose) oder den dunklen Punkt zwischen den
Augenbrauen, der nach und nach aufzuleuchten beginnt. An dieser Stelle soll für
die Wahrheitssucher eine Warnung vorgebracht werden. Wir können keine
zufriedenstellenden Ergebnisse bei der Meditation über die Form früherer
Meister erzielen, die ihre göttliche Mission auf Erden beendeten, indem sie zu
ihrer Zeit >jivas< oder Seelen verbunden haben, aber nun nicht mehr mit
der physischen Welt in Berührung stehen. Auch müssen wir bei unserer Suche nach
einem vollendeten Meister auf der Hut sein, denn eine Meditation auf die Form
eines unvollendeten Meisters wird nichts fruchten. Um alle Fallgruben zu
umgehen, ist es viel sicherer, wenn wir eine Meditation auf jegliche Form eines
früheren oder gegenwärtigen Meisters unterlassen. Es ist besser, seine Übungen
den Anweisungen entsprechend auszuführen; denn wenn der Meister vollendet ist,
wird seine Form von selbst im Innern erscheinen und sich der individuellen
Seele annehmen, sobald sie sich über das Körperbewußtsein erhebt. Gott selbst
offenbart sich in der Form eines Gurudev,
vorausgesetzt, natürlich, daß der Guru wirklich in die Gotteskraft eingebettet
ist. Diese Bemerkungen gelten, mit gewissen Einschränkungen, für die Meditation
auf >Ishtdevas<, wie sie
gewöhnlich ausgeführt wird. Meditieren über das Formlose geht über das
menschliche Begreifen hinaus, da man sich die Wirklichkeit, die jenseits aller
Begriffe liegt, nicht vorstellen kann. In einem solchen Fall kann man flüchtig
irgendwelche subtilen Elemente erblicken, die uns aber nicht weiterbringen
können. Das Lesen von Schriften und
anderer heiliger Bücher ist auf diesem Pfad nicht von großem Nutzen, es sei
denn, daß es ein Interesse in uns wachruft. Der größte Lehrer der Menschheit
ist der Mensch selbst. Es genügt, wenn einer weiß,
wie er das große lebendige Buch des menschlichen Herzens öffnen kann
(>Herz< bedeutet hier den Sitz der Seele, das heißt das >aggya<
oder >ajna chakra<), welches das einzige erschöpfende Schatzhaus allen
Wissens und aller Weisheit ist. Man braucht lediglich die Augen zu schließen,
die Sinne zurückzuziehen und das Heiligtum seines Herzens zu betreten, um dann
sein Sein mit der höchsten Seele in den innersten Tiefen zu verschmelzen. Er, der ewig Seiende, das
aus sich selbst leuchtende Licht, das vollkommen in sich selbst und auf ewig
das gleiche ist, wohnt im Tempel des menschlichen Körpers; und wer Ihn erkennen
und erreichen will, muß tief in sich selbst graben, dann wird sich ihm zweifellos
alles enthüllen. >>Klopfet an, so wird euch aufgetan<<, sagten die
Heiligen und Seher aller Zeiten und Länder. Dieses Eintauchen im Innern bringt
der Seele die Erfahrung von allem, was existiert, sei es sichtbar oder
unsichtbar, eine direkte intuitive Erkenntnis oder göttliche Weisheit; und dies
alles sind die Gaben, die einem dann von selbst frei und in Fülle zukommen,
wenn man die Welt, Freunde und Verwandte, seine Umgebung, oder besser – sein
ganzes körperliches Dasein vergißt. Freiwilliges Vergessen ist der größte
spirituelle >sadhan<. Indem man
alles vergißt, muß man über das Körperbewußtsein gelangen, denn das ist die
erste Bedingung einer richtigen Meditation. Und du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüte und von allen deinen Kräften. Mark. 12, 30 In der tiefen und
schweigenden Meditation muß man sein Sein in liebender Versenkung mit dem
Geliebten im Innern verschmelzen und sich selbst in die große Seele des
Universums verlieren. Das ist die höchste
Kontemplation, die zu dem meistbegehrten Ziel des >samadhi< führt. Dhyan als ein System des
Yoga (Yoga der Kontemplation) Nachdem wir die wesentlichen
Kennzeichen des >dhyan< betrachtet haben, ist es nunmehr möglich,
>dhyan< als eine Form des Yoga zu studieren. Das Gemüt durchdringt alles.
Kabir sagt, daß >manas< in
jedem Herzen zu finden ist und darum eine Mittelstellung im menschlichen System
einnimmt. Der mentale Strom bildet
stets seine eigenen Sphären, und dies besonders, wenn er sich nach unten hin
bewegt. Diese zentrale Lage der >mano-mai<-Hülle ist von wesentlicher
Bedeutung. Sie hat zwei weitere Hüllen über sich: >vigyan-mai< und >anand-mai< und zwei darunter: >pran-mai< und >anna-mai<. Eine
Hinwendung nach oben bringt die Wahrnehmung der Weisheit (Erleuchtung) und
Wonne mit sich, und eine Hinwendung nach unten eine Wahrnehmung der pranischen
und physischen Welt. 1)
>Ajna
chakra<, die Region des dritten Auges hinter den beiden Augenbrauen, ist mit
>anand-mai kosh< verbunden. 2)
>Kantha
chakra<, die Region zwischen dem dritten Auge und >hirdey<, ist das Zentrum von >vigyan-mai kosh<. 3)
>Hirdey
chakra<, die Region des Herzens, wo die >pranas< oder die
Lebensenergien vorherrschen, ist das
Zentrum von >mano-mai kosh<. 4)
>Nabhi
chakra< ist der Teil der
<hirdey-Region<, der sich bis zum Nabel hin erstreckt. Es ist das
Zentrum von >pran-mai kosh<. 5)
>Indri
chakra< oder die Region vom Nabel bis zum >guda chakra<. Es ist das
Zentrum von >anna-mai kosh<. 6)
>Guda
chakra< liegt am Steißbein oder der Wurzel, von wo alle feinstofflichen
Kanäle oder >nadis< ausgehen. Die fünf Hüllen (koshas)
sind die verschiedenen Punkte, von denen aus man auf den unterschiedlichen
Ebenen wirken kann: die beiden oberen
sind spirituell, die beiden unteren aber Sinnesebenen. Die >Anand-mai<-Hülle ist >karan<
oder der kausale Körper (Ursachenkörper), von dem alles andere ausgeht, nämlich
die feinstofflichen und die physischen Ebenen unterhalb. >Vigyan-mai< ist
eng damit verbunden und liegt ihm am nächsten. Die drei Hüllen
>vigyan-mai<, >mano-mai< und >pran-mai< bilden zusammen
den >suksham< oder den
feinstofflichen Körper im Menschen, der das Bindeglied zwischen den anderen
beiden, nämlich >anand-mai< oben
und >anna-mai< unten, das heißt
zwischen dem kausalen und dem physischen Körper, ist. >Anna-mai kosh< ist
sozusagen das Innenfutter des physischen Körpers und ist verbunden mit
>pran-mai kosh<. In allen drei Körpern ist
das Gemüt, das durch die Lebenskraft der Seele aktiviert wird, der aktive Teil
im Leben und Licht, durch das es wirkt. Es scheint, daß in jeder Hinsicht die
Gemütskraft allein die wirkende Kraft ist, die die anderen vier >koshas< in Ordnung hält. Im
physischen Körper ist es der Sitz, von dem aus die fünf Sinnesorgane und die
fünf motorischen Kräfte ihre Tätigkeit auf der irdischen Ebene ausführen. Auf
gleiche Weise führen von hier aus (das heißt dem Gemüt) die zehn subtilen
(pranischen) Energien, zusammen mit den mentalen Kräften von >chit<, >manas<,
>buddhi< und >ahankar<, ihr Werk auf der feinstofflichen
Ebene durch. Und wieder ist es das Gemüt, das, sobald es ruhig geworden ist,
alle latenten und gedanklichen Eindrücke mit sich führt und des Geistes Licht
und Ton reflektiert. Dies ist der ungeheure Einfluß des Gemüts, der sich von
der irdischen bis zu den kausalen Ebenen hin erstreckt und darum vielfach >Triloki Nath< oder Herr der drei
Welten genannt wird. Auf der kausalen Ebene dient es als Silberleinwand, die
die spirituellen Vibrationen in Form von Licht und Ton aufnimmt und widerspiegelt. Die Vorteile des Dhyan Yoga Die Vorteile des Yoga der
Kontemplation oder >dhyan< sind
unzählige. Wer sich mit dieser Yoga-Art befaßt, kann durch bloße Kontemplation
die Erfüllung all seiner Wünsche erreichen. >>Wie du denkst, so
wirst du<< ist ein bekannter Ausspruch. Durch Kontemplation über die
Eigenschaften Gottes kann man die besagten Attribute in sich selbst entfalten;
man wird Zeuge des himmlischen Lichts, und die Sinne erlangen transzendente
Kräfte. Das Gemüt kostet auch die Glückseligkeit von >vigyan<, wenn
die >chit vritis< oder die
mentalen Schwingungen beruhigt sind. Dieser Yoga befreit von
allen Sünden, und der Übende empfindet eine innere Wonne und friedvolle Stille.
Alle Arten mentaler Krankheiten wie Furcht, Scham, Wankelmut und
Selbstbehauptung schwinden allmählich dahin und geben Furchtlosigkeit, Mut,
Festigkeit und Glück Raum, und er erwirbt eine ausgeglichene Wesensart in all
den variierenden Umständen des Lebens. Er ist weder gebunden, noch hat er sich
abgesondert, sondern erhebt sich gleich einer Lotosblume über dem Schlamm des
gewöhnlichen Daseins. Mit dem Wissen über die wahren Werte des Lebens erlangt
er die Festigkeit in seinen Überzeugungen und ist nicht länger eine Beute
grundloser Befürchtungen und der Stürme, die über ihn hinweggehen. Er lobt
nicht und tadelt nicht, und somit spricht er wenig, aber er tut viel, und all
sein Tun bringt Güte und Wohlwollen allen gegenüber zum Ausdruck. Seine Worte
sind liebenswürdig und gewichtig. Er hat weder Stolz noch Vorurteile, sondern
lebt ein Leben völliger Enthaltsamkeit und Gerechtigkeit. Er besiegt Faulheit
und Trägheit, ißt wenig und schläft wenig; es gibt bei ihm kaum einen
Unterschied zwischen Wachen und Schlafen. Er bleibt immer derselbe, mit
leuchtendem und strahlendem Gesicht, das seine innere Größe verrät. Kabir sagt: Der Welt Gebundenheit ist nur ein Schein; und Kabir, der in Naam ruht, ist auf ewig frei. VIII. Samadhi Das Wort >samadhi< ist von zwei
Sanskrit-Wurzeln abgeleitet: von
>sam<, was
>>zusammen mit<< bedeutet
(griechisch/deutsch:
>>syn<<) und
>adhi< (das Ursprüngliche Sein) mit der hebräischen
Entsprechung >Adon< oder
>Adoni< was >>Herr<<
heißt, so daß beides zusammen,
>sam< plus >adhi<, einen Zustand bezeichnet, in dem der
Geist vollkommen im Herrn versunken ist. In ihm fallen alle begrenzenden Formen
ab, und der Mensch, gänzlich losgelöst von aller Individualität, erfährt darin
die große Wahrheit des - Ayam
Atma Brahma - >Ich bin Du<. Dies ist die letzte und
höchste Stufe in dem lange währenden Prozeß des auf Erfahrung beruhenden Yoga
und kann darum als die Blüte des Yogasystems angesehen werden. Dhyan selbst
entwickelt sich nach und nach zum Samadhi, wenn der Meditierende jeden Gedanken
an sich selbst verliert und das Gemüt
>dhya-rupa<, die Form seines Gedankens, annimmt. In diesem Zustand
ist sich der Strebende keines äußeren Gegenstandes bewußt; er erfährt nur das
Bewußtsein selbst, was alle Wonne und vollkommene Glückseligkeit mit sich
bringt. Es gibt zwei Mittel, durch
die man Samadhi erlangen kann: Die
>Vedehas< (solche, die sich über das Körperbewußtsein erheben)
erlangen ihn, indem sie die Natur des Gemütsstoffes zerstören, der beständig
hinter den materiellen Dingen her ist, und ihn zu einer inneren, auf ein Ziel
ausgerichteten Aufmerksamkeit bringen. Andere rufen diesen Zustand hervor,
indem sie zuerst Einsicht und Unterscheidung durch Glauben, Energie und das
Erinnerungsvermögen üben. Es gibt noch andere Arten des Samadhi. In >dhyan< oder der Meditation (die auf
ein Ziel gerichtete Aufmerksamkeit) unterscheidet man noch zwischen dem
Meditierenden und dem Gegenstand der Meditation; aber im Samadhi oder der
Identifikation mit dem Ganzen schwinden auch diese Unterschiede, da die eigene
Individualität gleichsam nicht mehr besteht. Es ist diese Versenkung in das
Unendliche, was die Befreiung von allem begrenzenden Beiwerk bringt, denn man
erhält dabei einen Einblick in den Kern aller Dinge und eine Erfahrung der
subtilen (adhi-devaka) und abstrakten (adhi-atmic) Aspekte von allem, was
existiert. Der Samadhi oder das
Einssein mit dem Absoluten kann von der Bewußtheit der eigenen Individualität
begleitet sein. In diesem Fall ist er als
>sarvikalpa< bekannt. Fehlt dieses jedoch ganz, wird er
>nirvikalpa< genannt. Der erste Zustand wurde von Shri Ramakrishna mit einer Wollpuppe verglichen, die, wenn sie ins
Wasser gesteckt wird, davon durchtränkt ist; den anderen vergleicht er mit
einer Salzpuppe, die sich, wird sie ins Wasser getaucht, darin auflöst und
verliert. >Nirvikalpa< ist der
eindeutig höhere >samadhi<,
denn >sarvikalpa< ist, wenngleich
er die Schau sehr erweitert, doch nur ein vorbereitender Schritt zum
unbedingten Zustand. Nicht alle Yogis können
>nirvikalpa< erlangen, und wenn sie dahin kommen, geschieht das
gewöhnlich nur einmal in ihrem Leben. Sie entrinnen dadurch schließlich dem
Bereich von Name und Form und werden befreite Wesen. Ihr unausgewirktes
vergangenes und gegenwärtiges Karma
(sanchit und kriyaman) kann sie dann nicht mehr gebunden halten, aber
das ihres gegenwärtigen Lebens (pralabdh) muß erfüllt werden, und sie müssen
bis zum letzten Augenblick leben. Wenn sie vom
>nirvikalpa< zum alltäglichen menschlichen Bewußtsein
zurückkehren, leben und bewegen sie sich wie andere Menschen auch, aber indem
sie ihren weltlichen Pflichten nachkommen, ruhen sie auf ewig im Göttlichen und
sind niemals mehr davon getrennt. Dieser Zustand der normalen
Betätigung auf der Sinnesebene, jedoch erfüllt von Gotterkenntnis, wird
>Sahaj samadhi< oder ein Zustand der
>leichten Einswerdung< genannt. Ob sie sitzen, stehen oder gehen, verbleiben sie stets in einem Zustand ewigen Gleichgewichts.
Kabir Es mag an dieser Stelle noch
eine andere Art >samadhi< erwähnt
werden, der >Bhava samadhi<, bei
dem sich der Ergebene in hingebungsvolle Musik und Gesang vertieft und dabei
jeden Gedanken an sich und die Welt ringsum verliert. Dieser >samadhi< ist für Menschen mit
gefühlvoller Gemütsart leicht zu erreichen; er gewährt augenblickliche
Verzückung und innere mentale Erleichterung; aber er führt nicht zur
Einswerdung mit dem Göttlichen und erweitert auch nicht das Bewußtsein. So läßt
sich der Begriff >samadhi< nur bedingt auf diese Art der Hingabe
anwenden, denn sie zeigt keines der wesentlichen Attribute eines überbewußten
Zustandes und ist darum auch nicht von großem Nutzen auf der inneren
spirituellen Reise. Der Zustand des >samadhi< ist nicht steinern und träge
oder einer, bei dem man sich wie eine Schildkröte in seinen Panzer zurückzieht.
Jeder von uns ist mit einem reichen inneren Leben voll unsagbarer spiritueller
Kostbarkeiten ausgestattet, deren wir uns natürlich im alltäglichen
Sinnesleben, das wir gewöhnlich führen, nicht bewußt sind. Wir können uns nach
innen wenden und unsere Schau ausdehnen, um innerhalb ihres Bereiches nicht nur
ein kosmisches Leben, sondern sogar ein noch höheres zu umfassen, das Ausblicke
freigibt, die weit über den menschlichen Gesichtskreis hinausreichen. Es ist
ein Seinszustand, eine direkte Wahrnehmung, eine wesenhafte Erfahrung der Seele,
ein unmittelbares und klares Erkennen des spirituellen >anubhav< (innere Verwirklichung), wie
es gewöhnlich genannt wird. Professor
Bergson, ein großer Philosoph, glaubte und empfand, daß es eine andere und
höhere Quelle des Wissens gebe als den Verstand, der lediglich auf
Schlußfolgerungen oder den Denkprozeß beschränkt ist. Er nannte es Intuition,
aber dieser Seinszustand geht noch über die Intuition hinaus, zu einem direkten
und unmittelbaren Wissen; denn Intuition ist nur ein anderer Name für die
Gesamtsumme unserer in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen. Der gewöhnliche
Mensch bedarf nicht der Überlegung oder der Intuition, um an die Existenz der
Sonne glauben zu können. Er sieht sie, es ist >prataksha<, und das macht jeden
Beweis überflüssig. >Jedes wahre Wissen existiert durch sich selbst und ist
von den Sinnen völlig unabhängig. Es ist die Tätigkeit der Seele und ohne die
Sinne vollkommen ...<, sagt Ben
Jonson. Und Henri Bergson erklärt: >Der sicherste Weg zur Wahrheit führt
über Wahrnehmung, Intuition und Gedankenarbeit bis zu einem bestimmten Punkt;
und dann muß man den tödlichen Sprung tun.< Es ist >divja drishti< oder
>jnana chakshu< (das heißt die direkte Erfahrung der Seele von der
Wirklichkeit selbst). Durch das Aufblitzen spiritueller Lichtschimmer aus dem
Jenseits erlangt man in Form spiritueller Einsicht, Inspiration und Offenbarung
einen Blick von der Wahrheit. Die spirituelle Erfahrung, obgleich sie durch
sich selbst besteht und über den entferntesten Grenzen des Verstandes liegt, steht
diesem nicht entgegen, sondern vervollkommnet ihn. Auch ist >samadhi< chaitanya oder Allbewußtheit und etwas anderes als >jar samadhi<. Ein Hatha Yogi zieht
seine >pranas< mittels >khechari mudra< im >Sahasrar chakra<, dem Sitz des
>jiva atma< oder der Seele, zusammen und kann in diesem Zustand der Leere
monate- oder jahrelang in einer Berghöhle oder einem unterirdischen Gemäuer
verbleiben. Es handelt sich hierbei um eine Art >Yoga Nidra< oder
Yogaschlaf, der weder ein übersinnliches Wissen noch eine spirituelle Erfahrung
mit sich bringt. Dagegen befindet man sich im
>chaitanya samadhi< in einem Zustand völliger Bewußtheit und kann
ihn nach Belieben mit einer neuen übersinnlichen Erfahrung und spirituellen
Weisheit beenden. Den >Jar
samadhi< kann man nicht selbst abbrechen; man braucht andere, die es mittels
einer komplizierten Massage usw. machen. Ein Raja-, ein Bhakta- oder ein Jnana
Yogi erwachen leicht, wenn man ihren Körper schüttelt und indem man ein
Muschelhorn bläst oder einen Gong anschlägt. Dieser >Chaitanya samadhi< wird erreicht,
wenn die Gunas, aller Bewegung bar, unwirksam werden und die Bewußtseinskraft
in ihrem Wesen gefestigt ist; er wird deswegen vielfach >Kaivalya samadhi< genannt oder der
ganz leichte und unabhängige
>samadhi<. Samadhi Yoga Wie bereits an anderer
Stelle gesagt, bedeutet Yoga Stetigkeit des Gemüts, die aus >chit-vriti-nirodha< (Zunichtemachen
des Gemüts oder das Aufheben aller mentalen Schwingungen darin) hervorgeht, und
der Begriff >samadhi<, der von den
beiden Sanskrit-Wurzeln >sam<
und >adhi< abgeleitet ist,
bedeutet Aufnahme, Vertiefung, Stetigkeit in der Kontemplation oder tiefe
innere Konzentration. Jeder Mensch kommt mit
seinem eigenen Hintergrund auf die Welt, der ihn für eine besondere Art des
Yoga aufnahmefähig macht, und darum sollte er sich den Yoga-Praktiken hingeben,
die ihm am meisten zusagen. Die höchste Art des Yoga ist der >samadhi Yoga<. Manche Kinder neigen
von Natur aus dazu, und manche Menschen können sich ihm sofort zuwenden, ohne
sich der schwierigen Schulung hingeben zu müssen, die für die Menschen im
allgemeinen angeraten scheint. Ihnen kann man die Ausübung dieses Yoga ohne
Bedenken nahelegen, da sie durch die früheren
>samskaras< dafür reif sind:
Das Gemüt erlangt >vigyan<
oder >jnana< im Kehl-chakra (das
im Wachzustand mit dem Sitz des Bewußtseins eng verbunden ist). >Vigyan< und >anand<, Bewußtsein und Glückseligkeit, dämmern nur in >sahasrar< oder >Sahasdal Kamal< auf, dem
tausendblättrigen Lotos hinter den beiden Augenbrauen; und Samadhi Yoga strebt
die Verwirklichung dieses Zustandes an, in dem man die der Seele innewohnende
Glückseligkeit bewußt wahrnimmt.
>Samadhi ist weiter ein Zustand reiner Wonne, welche die unmittelbare
Quelle alles anderen ist: von
>Vigyan< (jnana),
>manas< (Gemütsstoff),
>pranas< (Lebensenergie) und
>anna< (die physische Welt der Sinnesgegenstände). Da >anand< oder Glückseligkeit den wesentlichen und
grundlegenden Unterbau von allem, was existiert, darstellt, ist dies die
Ursache dafür, daß man in allen Geschöpfen ein angeborenes Verlangen nach
Sättigung, Glück und Wonne vorfinden kann. Nicht nur der Mensch, auch die
Tiere, die Insekten und wirklich alle erschaffenden Wesen sind, in
verschiedener Weise und unterschiedlicher Stärke (Intensität), auf ständiger
Suche danach – jedes entsprechend seiner eigenen Natur. Aber die volle
Bedeutung oder Bewußtheit davon dämmert erst im Menschen auf, wenn er sich im
Zustand des >samadhi< befindet. Es ist ein stufenweiser Prozeß, bei dem
man sich von einer Ebene zur anderen erhebt, bis >jnana< und die Glückseligkeit im >samadhi< vereint sind und man diesen wonnevollen Zustand
bewußt und klar erfährt. Dieses ist das einzige Ziel des Samadhi Yoga. Die wesentliche Eigenschaft
der Glückseligkeit ist kennzeichnend für die Seele oder den >atman<. Es ist der Schleier von >vigyan< oder >jnana<, der sich dazwischenlegt und
den wonnevollen Zustand überdeckt. Sobald jedoch dieser Schleier entfernt wird
und man sich über die höhere Ebene des Verstandes (das Ichbewußtsein) erhebt,
erfährt man das wahre Glück und den wonnevollen See des >atman<, der
einen von innen und außen zu unermeßlichen Tiefen und unfaßbaren Höhen
durchdringt. Die vier >koshas<, die dazwischen liegen: >anna<, >manas< und
>vigyan<, sind nur Haltestellen auf der Reise, um die Yoga-Übung
nach und nach zur vollen Blüte zu bringen und das Bewußtsein bei seinem
weiteren Abstieg mit Nahrung zu versorgen. Doch wenn es einmal stetig wird und
die spirituelle Wonne erfährt, weiß es um die echten und höheren Werte des
Lebens und hört auf, sich für die vergängLichen und wesenlosen Freuden der Welt
zu interessieren, sondern vertieft sich in die absolute Glückseligkeit und
Wonne. Dies ist der Höhepunkt des spirituellen
>sadhan< (Übung). Wenn dieser einmal erreicht ist, bleibt nichts
weiter zu tun übrig. Das Bedauerliche bei den meisten von uns ist jedoch, daß
wir oft >gyan< oder >jnana< für das Ziel allen
menschlichen Strebens halten und darum nicht versuchen, diesen Schleier zu
durchdringen und darüber hinaus zum Selbstbewußtsein zu gelangen, um von dem
wonnevollen Urquell der Seele zu kosten, der dahinter liegt. Indem wir daher
weder eine Verbindung mit der Bewußtheit dieser Wonne haben noch einen
Vorgeschmack von ihr, werden wir nur dem Namen nach >vachak gyanis< oder
>jnanis< und bleiben somit eine ständige Beute grundloser Ängste
und depressiver Gemütszustände, bedrängt von Zweifeln und Sorgen, die uns im
alltäglichen Leben dieser Welt verfolgen.
Darum heißt es ganz richtig: Ein wirklicher Jnani ist einer, der sich mit dem Wort verbindet. Nach alledem ist >vigyan< ein Zustand, der unter >anand< oder der wahren Wonne liegt. Diejenigen, die dem
physischen Körper huldigen, bleiben in das Gewebe der >anna-mai<-Hülle verstrickt; die sich den Sinnesfreuden
hingeben, in das Netzwerk von >pran-mai<
und die vom Gemüt Beherrschten in die
>mano-mai<-Hülle. So stecken viele der sogenannten >Jnanis< im Sumpf von >vigyan-mai
kosh<, ohne zu wissen, daß noch eine Stufe darüber liegt, welche von weit
größerer Bedeutung ist als jene. Die vier uns umgebenden Hüllen sind dick und
schwer, sie liegen dicht übereinander und bedecken das Kronjuwel vollkommener
Glückseligkeit (anand). Der große Juwelier, Gott, hält >anand< in der innersten und erlesenen
Kassette von >vigyan< verborgen,
die durch ihren farbenreichen Zauber selbst die sogenannten >jnanis< an das Körperbewußtsein
bindet. Die Ringer, solche die sich
der Körper-Entwicklung widmen, und die
>charvakas< oder Epikureer, die das körperliche Wohlergehen und
das Vergnügen als des Lebens Ziel betrachten, gehören zur Klasse der >anna-mai Jivas<; sie leben und
sterben allein für diese Sache. Als nächstes kommen die Menschen, die etwas
mutig, unerschrocken und unternehmungslustig sind. Sie nähren ihre Ideen,
Prinzipien und Überzeugungen ebenso wie ihre physische Form und sind immer
bereit, für sie einzustehen; zeitweise sogar auf Kosten weltlicher
Bequemlichkeiten. Sie gehören zu den
>pran-mai Jivas<, denn sie werden durch die >pranas< beeinflußt, von denen alles
Leben abhängt. Das Wasserelement überwiegt bei ihnen, denn >prana< bedeutet Leben, und Leben
kommt vom Wasser. In der Chhandogya
Upanishade heißt es, daß das Wasser und nicht die Nahrung die Quelle des
Lebens ist und das Leben vom Wasser abhängt. Menschen mit starken
Gefühlsregungen und Empfindungen bleiben ständig und mehr als alle anderen
den >manas< verhaftet, da in ihnen das Feuerelement
dominiert. Alle Dichter, Schriftsteller, Erfinder und Konstrukteure fallen
hierunter und gehören somit zu den
>mano-mai Jivas<. Ihre ganze Energie wird in Richtung des Gemüts
geleitet, und sie sind völlig in Anspruch genommen von dem, was ihr Herz gerade
verlangt. Sie sind Märtyrer auf dem Wege des Gemüts. Dann haben wir eine Gruppe
von Menschen, die, während sie in vernünftiger Weise ihr körperliches Wohl und
auch die Gedanken, Glaubensanschauungen und geistigen Bestrebungen unterhalten,
in der Hauptsache dem intellektuellen Denken und Schlußfolgern verschrieben
sind, indem sie das Warum und Wofür aller Dinge ergründen wollen. Diese
Menschen gehören zur Kategorie der
>vigyan-mai Jivas< und werden hauptsächlich durch das Luftelement
beherrscht. Die höchsten in der Skala der menschlichen Schöpfung sind die
>anand-mai Jivas<, die die Wonne und das wahre Glück allem anderen
vorziehen, die sich immer auf der Suche danach befinden und nicht ruhen, bis
sie es gefunden haben. Sie sind ätherische Wesen und leben im alles
durchdringenden Äther, ohne irgendeine Beschränkung. Es ist die subtilste der
uns umgebenden Hüllen, oberhalb derer nur noch Nirvana liegt – der Zustand immerwährender Glückseligkeit, befreit
von allen Umhüllungen, unaussprechlich klar, ein bewußtes Ruhen in der
Allwissenheit. 3.
Der Ashtang Yoga und der moderne Mensch Die ist das ganze Geheimnis
des Yogasystems, wie es ursprünglich von Hiranyagarbha
verkündet und der Welt durch Gaudapapa
und Patanjali, die bekannten
Philosophen und Denker, erläutert wurde. Auf diesen wenigen Seiten
ist der Versuch unternommen worden, einen kurzen Bericht über die
Yoga-Philosophie zu geben, wie sie uns aus grauer Vorzeit überliefert wurde und
auch heute noch als die Grundlage der uralten Weisheit Indiens betrachtet wird. Das Yogasystem ist eine
Schulung, die der intensiven Meditation in aller Einsamkeit bedarf, verbunden
mit körperlichen Übungen und Haltungen zur Kontrolle und Beherrschung des
Gemüts und der >pranas<. Denn diese
müssen in eine Richtung entwickelt werden, die bei der Unterwerfung der Sinne
hilfreich ist. Es ist als solches für die Reinigung des Körpers und Gemüts
gedacht und bereitet den Weg für eine beseligende Schau. Die Hingabe an Gott
oder den >Ishvar< spielt bei der Verwirklichung im Yoga eine große Rolle.
Der persönliche Gott der Yoga-Philosophie steht im Yogasystem fernab, weil das
letzte Ziel mancher Yogis die Trennung des
>atman< vom Gemüt und nicht die Einswerdung mit Gott ist. Darum
bewegt sich dieses System immer im Bereich des Dualismus. Sein Hauptziel ist
die Loslösung des umhüllten
>Jiva< aus dem verkörperten Zustand, damit er >atman< wird, befreit aus der
Bedingtheit des Gemüts und der Materie. Sowohl der verstandesmäßige Wille als
auch das schwankende Gemüt stellen dann ihr Wirken ein, werden ruhig und lassen
die Seele frei, auf daß sie in ihrem wahren und ursprünglichen Licht erstrahlt. Die Yoga-Übungen tragen im
allgemeinen Gesundheit, Kraft und Langlebigkeit ein und helfen bis zu einem
gewissen Grad, Krankheit, Verfall und frühren Tod zu trotzen. Man kann auch
psychische und übernatürliche Kräfte erwerben, wenn man die Natur und ihre
Gesetze beherrscht. Durch die verstärkte Sinneskraft vermag der Yogi in weite
Entfernung zu hören und zu sehen, in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
einzudringen, Gedanken zu übertragen und Wunder zu tun. Viele Schüler der heutigen
Zeit und mehr noch solche mit westlicher Denkweise neigten bei der ersten
Begegnung mit Yoga dazu, ihn als etwas abzutun, das nichts weiter als ein
sorgfältig ausgearbeitetes Mittel zur Selbsthypnose sei. Eine solche Einstellung
ist ganz unwissenschaftlich, wenn sie auch des öfteren unter dem Deckmantel der
Wissenschaft zutage tritt. Es ist gewöhnlich nichts als Voreingenommenheit, die
aus der Unkenntnis oder einem nur oberflächlichen Wissen über die Sache stammt.
Und es ist natürlich, daß wir den Versuch machen, Phänomene, mit denen wir
nicht vertraut sind und die unserer gewohnten Denkweise über das Leben
hohnsprechen, dem Bereich des Aberglaubens zuordnen; denn sie zu studieren, zu
verstehen, zu prüfen und sie zu akzeptieren würde Mühe und Beharrlichkeit erfordern,
was die meisten von uns nicht aufzubringen vermögen. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daß bei manchen sogenannten Yogis die Bezeichnung >Selbsthypnose< gerechtfertigt ist.
Aber diejenigen, welche den Namen Yogi wirklich verdienen, diese sehr wenigen,
die zu bescheiden sind, als daß sie der Öffentlichkeit zu gefallen suchten,
haben nichts an sich, was auf einen weltflüchtigen Neurotiker suggestiv wirken
könnte. Sie sind sich beständig in bemerkenswert sensitiver Weise des Lebens in
all seiner Vielfalt und Verschiedenheit bewußt. Diese Bewußtheit, verbunden mit
ihrer Bescheidenheit, läßt alles Reden über Selbsttäuschung als völlig
unpassend ja lächerlich erscheinen. Denn wenn man das Unwandelbare hinter dem
Wandelbaren und das Wirkliche hinter der bloßen Erscheinung sucht, kann das mit
Sicherheit nicht als Selbsthypnose bezeichnet werden. Viel eher zeigt sicht
hier ein forschender Geist, der in seiner Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit
ungewöhnlich ist, der sich mit nichts geringerem als mit der absoluten Wahrheit
zufrieden gibt. Und die Haltung des
Verzichts, die hierfür erforderlich ist, ist äußerst schwierig. Daher kommt es,
daß im Laufe der Zeit und in dem Maß,
wie das Wissen allmählich die Unwissenheit verdrängt, das frühere Philistertum
sich immer weniger behaupten kann. Dieser Fortschritt ist nicht zuletzt der
Entwicklung der modernen Naturwissenschaften zu verdanken; denn durch die
Enthüllung, daß in dieser physischen Welt alles relativ und die Materie nicht
eine solche an sich ist, sondern letztlich eine Form der Energie, hat sich
zumindest auf niederer Ebene die Vorstellung von der Welt bestätigt, wie sie
das Yogasystem kennt, und ihm eine wissenschaftliche Gültigkeit zugebilligt, wo
man früher Zweifel hegte. Man wird jedoch, auch wenn
man die Grundlage des >Ashtang
Yoga<, wie sie von Patanjali
überliefert ist, anerkennt, zugeben müssen, daß er alles andere als eine
leichte Schulung ist. Selbst Gaudapapa gab zu, daß ihm zu folgen dem Versuch gleicht, das Meer
mittels eines Grashalms tropfenweise zu leeren. Als er noch entwickelt wurde,
erforderte er schon eine sehr strenge Lebensweise, und die unabänderliche Folge
davon war das Ideal der vier
>ashramas<. Wenn einer etwas wesentliches erreichen wollte, mußte
er von Kindheit an damit beginnen. Die ersten fünfundzwanzig Jahre -
>Brahmacharya< - waren für die rechte Entfaltung von Körper und Geist
aufzuwenden, indem man physische und geistige Gesundheit anstrebte, die den
Unbilden des Lebens zu widerstehen vermochte. Die nächsten fünfundzwanzig Jahre
- >Grehastya< - waren einem Leben als Familienvater eingeräumt – als
Stütze für die Alten, als Beistand für die Frau und als ein rechter Lehrer für
die Kinder. Die Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft waren erfüllt, der
Tod kam näher, und das Leben hatte man bis zur Neige kennengelernt. Man war nun
frei, nach seiner inneren Bedeutung zu suchen, und reif, sie zu verstehen. Und
so waren die folgenden fünfundzwanzig Jahre in >Vanprasth<, der
Einsamkeit der Berge und Wälder, zu verbringen, bis man durch verschiedene >sadhans< (Übungen) und eifrige
Meditation Erleuchtung erlangte. So konnte man zuletzt ein >Sanyasin<
genannt werden. Für das letzte Viertel der Jahrhundertspanne sah ein vollkommenes
Leben vor, den Mitmenschen auf ihrer Suche nach spiritueller Freiheit
behilflich zu sein. Auch in der alten Zeit war das Ideal der vier >ashramas< kein leichtes. Es ist daher
nicht verwunderlich, daß der Yoga nur auf wenige Auserwählte beschränkt war und
nicht als Lehrgang propagiert wurde, dem die Allgemeinheit hätte folgen können.
Er bestand nur als eine Geheimschule, die die spirituelle Fackel vom Guru an
den Chela (Schüler) in strenger Folge
weitergab. Die modernen Verhältnisse haben seine Verwirklichung in dieser Form
ungleich schwieriger, wenn nicht unmöglich gemacht. Da das Leben an sich
komplizierter geworden ist und die verschiedenen Berufe sich immer mehr spezialisiert
haben, ist es den Menschen nicht mehr möglich, die ersten fünfundzwanzig Jahre
ihres Lebens einzig und allein der Entwicklung von Körper und Geist zu widmen,
als Vorbereitung für die letzte Suche. Sie müssen sie in Grundschulen,
weiterführenden Schulen und Institutionen zubringen, die zum Zweck der
Berufsausbildung den größten Teil der Energie in Anspruch nehmen. Man kann auch
nicht von dem einen, mitten im Leben stehenden Viertel der immer mehr
anwachsenden Bevölkerung erwarten, daß es den Lebensunterhalt für die anderen
drei Viertel aufbringt, wie das vielleicht einmal möglich war. Als ob das noch nicht genug
gewesen wäre, hat sich der gründliche achtfache Yoga des Patanjali mit der Zeit noch mehr spezialisiert und ist noch
komplizierter geworden. Jeder seiner Zweige hat sich bis zu einem Punkt
entwickelt, wo man annehmen könnte, er sei für sich schon vollständig. Somit
ist es kein Wunder, daß der Mensch, der alle Einzelheiten übt, die vielen >yamas< und >niyamas< meistert oder lernt, wie man die pranischen und
manischen Kräfte unter Kontrolle bringt, zu der Ansicht kommt, daß sein besonderes
Spezialgebiet nicht das ist, wie es Patanjali
gesehen hat, nämlich eine Sprosse in der Leiter des vollständigen Yoga, sondern
der Yoga schlechthin. Ohne Zweifel hat er den einen oder anderen Nutzen von
dem, was immer er praktiziert, und nicht selten erwirbt er große psychische und
physische Kräfte; aber diese Gaben werden hinsichtlich seines wirklichen
Fortschritts ein unbedingtes Hindernis sein und keine Hilfe, da sie seine
Aufmerksamkeit vom letzten Ziel ablenken. Nur ganz wenige Menschen,
die mit einer seltenen körperlichen Ausdauer, langem Leben und einer
außergewöhnlichen Befähigung ausgestattet sind und die das entfernte Ziel nicht
vergessen, können in unserer Zeit Patanjalis
>Ashtang Yoga< bis zu seinem logischen Schluß, seinem höchsten Ziel
verfolgen: der Einswerdung mit Brahman. Für die übrigen bleibt er entweder zu
schwierig, um ihn auszuüben, oder eben ein Prozeß, der sie verleitet,
irrtümlich die Zwischenstufen für das Letzte, die Mittel für das Ziel zu
halten, was die eigentliche Absicht vereitelt. Wenn Spiritualität einen
langsamen Aufstieg über alle Sprossen dieser schwierigen und verwickelten
Yogaleiter zur Folge haben muß, hat sie keine andere Wahl, als für die gesamte
Menschheit ein verschlossenes Geheimnis zu bleiben. Wenn sie jedoch als freie
Gabe der Natur so wie die Sonne, die Luft und das Wasser zu haben ist, dann muß
sie selbst für eine Technik Sorge tragen, die für alle annehmbar ist, für ein
Kind genauso wie für einen Erwachsenen, für den Schwachen ebenso wie für die
Starken und für den Familienvater so wie für den >Sanyasin<. Eine solche Technik geben uns Kabir und Nanak; wir wollen uns später mit ihr befassen. 3. Kapitel DIE YOGA-FORMEN Da wir nunmehr des
Yogasystem im allgemeinen erörtert haben, wie es Patanjali erläuterte, wollen wir uns jetzt den verschiedenen
Yoga-Formen zuwenden, wie sie sich in der Folgezeit ergeben haben. Die Überlieferung berichtet
uns zunächst von vier verschiedenen Arten, nämlich I. Mantra Yoga, II. Hatha
Yoga, III. Laya Yoga und IV. Raja Yoga. Die meisten davon stützen sich mehr
oder weniger auf Patanjali und sind
Neuformulierungen seiner grundlegenden Lehren, auf deren einen oder anderen
Aspekt sie sich spezialisiert haben. Dadurch läßt sich eine gewisse
Wiederholung nicht vermeiden; wir müssen das jedoch in Kauf nehmen, um einen
klareren und besseren Überblick zu erhalten. I. Mantra Yoga oder der Yoga der Anrufung Sie vergessen sogar, daß alle Gottheite in des Menschen Brust wohnen. William Blake Der >Mantra Yoga< befaßt sich in der Hauptsache
mit dem Erwerb der einen oder anderen materiellen oder geistigen Kraft, indem
ständig ein bestimmtes >mantra<
oder eine gesprochene Formel wiederholt wird, um damit die führende Kraft oder
Gottheit, auf welche sich das jeweilige
>mantra< bezieht, anzuziehen und sich diese Kraft, sei sie gut
oder übel, entsprechend dem Willen und Wohlgefallen des Ausübenden zunutze zu
machen. Einer, der solche Kräfte
braucht, um damit Übles zu bewirken und anderen dadurch Schaden zuzufügen,
läuft nicht selten Gefahr, selbst das Opfer zu werden, und wird gewöhnlich eine
Beute des Zornes dieser Gottheit. Diejenigen, die solche Kräfte für selbstische
Zwecke anwenden, um dadurch auf Kosten anderer materiellen Gewinn zu haben,
verlieren diese Kraft rasch und richten sich am Ende selbst zugrunde. Diese
erworbenen Kräfte können jedoch nutzbringend zum Wohle anderer gebraucht
werden, was nicht sehr schaden kann, obwohl jede Handlung dieser Art einen
Verlust an Lebensenergie nach sich zieht. Alle Arten von Wunder der niedrigsten
Ordnung, wie Gedankenlesen, Gedankenübertragung, Gesundbeten, insbesondere in
Fällen von nervösen und geistigen Krankheiten, fallen unter diese Kategorie. Es
ist darum viel besser, diese Dinge zu meiden und alle psychischen Kräfte, die
man erwirbt, ganz gleich, welcher Art sie sind, zu erhalten. Man sollte sie
benützen, um in selbstloser Hingabe wenigstens die niedrigen spirituellen
Ebenen und Regionen zu erreichen, die der Sitz der betreffenden Gottheiten
sind. Dann werden alle psychischen Kräfte von selbst wirken, ohne daß sie
irgendeinen Verlust in Bezug auf den eigenen
Fortschritt nach sich ziehen. Man muß jedoch beachten, daß die
Wiederholung von >mantras< an
sich nicht von Nutzen ist, es sei denn, daß die volle Aufmerksamkeit auf die
jeweiligen >mantras< gerichtet
wird, und dies mit intensiver Hingabe, was besondere Vibrationen auslöst, die
damit verbunden sind. Der >Mantra
Yoga< an sich hat bei der Selbsterkenntnis keinerlei Wert, und nicht selten
bleiben diejenigen, die sich dieser Form des Yoga verschreiben, beständig in
das nutzlose Streben der einen oder anderen Art, wie sie oben beschrieben
wurde, verstrickt, ohne daß es ihnen für die Erhebung des Selbst oder der Seele
Vorteil brächte. Hinsichtlich der Ausübung
von >mantra siddhis< oder
übernatürlichen Kräften, die die Meditation über >mantras< bewirkt, gibt uns Patanjali in seinen Yoga
Sutras eine deutliche Warnung: Sie sind Hindernisse für den Samadhi, Kräfte nur im weltlichen Leben. Die Technik des Mantra Yoga Der >Mantra Yoga< befaßt sich mit der
rhythmischen Wiederholung von streng versiegelten – heiligen und geheimen –
Formeln, die durch die uralten
>Mantrakaras< (Adepten in der Phonetik und in der Kraft der Töne,
einschließlich der des Ultraschalls oder der Töne, die jenseits des
menschlichen Fassungsbereichs liegen) zusammengestellt wurden. Jede dieser
Formeln war dazu gedacht, eine bestimmte Gottheit, die die eine oder andere
Naturkraft repräsentiert, für sich zu gewinnen. Man kann den >Mantra Yoga< mit oder ohne Hilfe eines
Rosenkranzes aus >rudraksha<
oder >tulsi<-Perlen üben, wie es
die Shivaiten beziehungsweise die Vishnuiten tun. >Mantras< stellen
Vibrationen dar. Das heiligste
<mantra< der Veden ist das
>gayatri<. Es ist das >mool mantra< der Veden und wird daher
als das bedeutendste angesehen. Man sagt, daß seine Wirksamkeit groß sei, und
sein >japa< oder die Wiederholung
wurde allen Hindus von frühester Jugend an eingeschärft. Die leichteste und
wirksamste jedoch ist die heilige Silbe Aum,
die das schöpferische Lebensprinzip symbolisiert; und daher beginnen die
meisten >mantras< mit dieser
heiligen Silbe. Die Advaitisten, die
die Kraft Gottes allen Formen innewohnen und alles durchdringen sehen, glauben
an das >mantra< der
Identifikation des >Atman< mit >Paratman<: >Aham Brahm Asmi<
(Ich bin Brahman) und >Ayam Atma Brahman< (Ich bin Du); sie sind oft
verkürzt zu >Soham< oder >Sohang< und >Hansa< oder
>Aham-sah<, was >Ich
bin Er< oder >Er ist ich<
bedeutet.
Die Vedanisten
wiederholen >Om Tat Sat< (Aum ist
die Wahrheit und die Wirklichkeit) und die
Buddhisten >Om Mani Padme Hum<: Als nächste in der Reihe der >mantras< folgen solche, die der einen
oder anderen Gottheit geweiht sind, an die man sich verehrend und lobpreisend
wendet, um sie zu versöhnen und ihre Segnungen zu erbitten. Die Wirksamkeit eines >mantras< hängt von der richtigen
Aussprache und der rechten Würdigung seiner Bedeutung ab, die oft sehr
tiefgründig ist; zudem von der richtigen Einstellung desjenigen, der >mantras< übt, und nicht zuletzt von
der Kompetenz des Lehrers oder Gurus, der nicht nur die Technik beherrscht,
sondern auch die im Innersten des
>mantras< verborgene Kraft erfolgreich offenbart hat und sie
sozusagen als >parshad< oder
Gnadengeschenk an seine Schüler weitergeben kann. Manche >mantras< zeigen rasche Resultate,
andere tragen zu ihrer Zeit Frucht, und bei weiteren hängt dies vom Verdienst
des Übenden ab. Einige jedoch sind verboten und daher von übler Art, und sie
erweisen sich nicht selten als schädlich. Wiederum hängt die Wirkung
des >mantras< davon ab, wie >japa< ausgeübt wird. Geschieht es im
Flüsterton, wird dies für verdienstlicher gehalten, als wenn man es laut
wiederholt; leise gemurmelt, ist es noch besser; am wertvollsten aber ist die
geistige Wiederholung, die Wiederholung mit der Zunge des Gedankens. Es gibt vielerlei Arten
von >japas<, entsprechend dem
jeweiligen Anlaß, der Jahreszeit sowie der Absicht des Ausübenden. Die >nitya japas< zum Beispiel sind jeden
Tag ganz routinemäßig zu üben. >Namittika< sind für
gewisse zeremonielle Gelegenheiten gedacht.
>Prayashchitta< wird zur Buße geübt, um irgendwelche Fehltritte
auf dem Pfad der Rechtschaffenheit zu sühnen. Weiter gibt es >chala< und >achala japas<, die zu jeder Zeit, bei
allen Anlässen und in jeder Lage geübt werden können. Andere dagegen erfordern
besondere Bedingungen hinsichtlich
>asanas<, Ort, Zeit und Ausrichtung, die mit einem regelrechten
und komplizierten Ritual verbunden sind, wie Opfern von Blumen, Weihrauch,
Wohlgeruch, Lichtschwenken und Glockengeläut,
>havan< und >tarpan<
(Rituale mit Feuer und Wasser) und mit Reinigungshandlungen. Um im >Mantra Yoga< Erfolg zu haben, ist es
notwendig, daß der >Sadhak< die
innere und äußere Reinheit beachtet und gläubige Hingabe, einen beispielhaften
Charakter und ein mustergültiges Betragen hat, bevor er irgendeinen Grad der
Konzentration und Kontemplation erlangt. Ähnliche Praktiken gibt es
bei den Moslem-Ergebenen, die
>vird< üben, eine Wiederholung heiliger Worte wie >Hu<,
>Haq<, >Analhaq<,
und zu diesem Zweck ein >Tasbih<
(Rosenkranz) gebrauchen. Auch die christlichen Mönche
beten den Rosenkranz und singen Hymnen und Psalmen. II
. Hatha Yoga Diese Yoga-Art befaßt sich
mit der Kontrolle des Körpers und der körperlichen Betätigungen als Mittel, um
das Gemüt zu beruhigen. Er zielt darauf ab, den menschlichen Körper stark zu
machen, damit er fähig wird, unter härtesten und schwierigsten Bedingungen zu
beharren und durchzuhalten, um gegenüber physischen Krankheiten und Leiden weitgehend
gefeit zu sein. Aber über einen starken Körper und ein vielleicht hohes Alter
hinaus – erreichbar durch die Praxis von
>pranayamas< oder >habs-i-dam<, wie es die Moslems nennen (Kontrolle und Regulierung des Atems) – ist
er allein von keiner großen Hilfe für die Selbstverwirklichung, aber er mag bis
zu einem gewissen Grad den Boden bereiten für die höhere spirituelle Schulung,
die dahin führt. Er ist gewissermaßen eine
>Leiter zum Raja Yoga<. Aber er kann nicht einmal dem Gemüt einen
hohen Grad der Beherrschung bringen, wie es jedoch für gewöhnlich angenommen
wird. Wenn man >Hatha Yoga< übt, kann man durch
bestimmte >asanas<, >mudras< und >bhandas< - physische Haltungen und Stellungen – und
durch >pranayama<-Übungen
einige >siddhis< oder psychische
Kräfte erwerben. Dieses System schließt auch das Beachten einer Anzahl von
Bußübungen und Härten ein, wie Fasten und Nachtwachen, >maun< oder ein Schweigegelübde, das
sich über Monate oder Jahre hin erstreckt,
>panch agni tapas< (das Sitzen inmitten von vier brennenden
Feuern, auf jeder Seite eines, und die sengende Sonne von oben), das Stehen auf
nur einem Bein, sich mit dem Kopf nach unten hängen usw. Einige christliche
Heilige gingen zu großen Extremen über, indem sie nägelbesetzte Tuniken und
Hemden aus Roßhaar trugen, sich geißelten und kasteiten, und dies alles in der
Nachahmung der Leiden Christi. Auch
bei den Moslem >shias< finden wir
Spuren der Selbstfolterung, als sie sich während der >Muharram<-Tage mit an Eisenketten befestigten Messern
Brust und Rücken schlugen, in Erinnerung an Hassan
und Hussain, die Enkel des
Propheten, die zusammen mit einer Handvoll ihrer Anhänger schreckliche Leiden
erdulden mußten, als sie ihren Glauben gegen eine andere Gruppe ihrer Religion,
unter Yazid, in der brennenden Ebene
von Karbla zu verteidigen hatten. Aber alle diese schrecklichen
Selbstkasteiungen, wie heroisch sie in sich auch sein mögen, bringen schwerlich
irgendeinen spirituellen Nutzen ein. Was nützt es, den Körper zu quälen und zu
züchtigen, wenn die Schlange des Gemüts weit unter der Oberfläche in Sicherheit
verborgen liegt und weiterhin ganz unversehrt wächst und gedeiht? Von diesen Formen der
Selbstfolterung abgesehen, strebt der eigentliche >Hatha Yoga< danach, den Körper als ein Werkzeug für höhere
Yoga-Arten zu vervollkommnen, und mag von daher einigen Wert haben, indem er
den Körper gegen Beanspruchung und Anstrengung, die damit verbunden sind,
widerstandsfähig macht. Aber selbst die tägliche Praxis der >Hatha Yoga Kriyas< ist eine zu schwere
Übung. Oft führt sie zu inneren Komplikationen, die sich zeitweise als von
ernster und unheilbarer Art erweisen und das Leben gefährden. Diese >kriyas< haben den Zweck, die Arterien
und andere Kanäle des Körpers von angehäuften mineralischen Ablagerungen, wie
Kreide, Kalk und Salze usw., zu reinigen, da sie das System belasten und eine
Grundursache von Krankheit und Verfall sind. Der Prozeß der Entgiftung
und Verjüngung wird mittels reinigender Übungen bewirkt, die unter der
Bezeichnung >shat karma< bekannt
sind. Es handelt sich um: 1)
>Neti
karma< (Reinigung der Nase): Ein
Stück aus dünnem Musselin von etwa 70 cm Länge wird zu einer Schnur
zusammengedreht und diese mit Wachs überzogen. Sie wird abwechselnd durch jedes
der Nasenlöcher geführt, und nachdem man ein wenig gerieben hat, um die Nase
vom Schleim usw. zu reinigen, durch den Mund herausgenommen. Dies hilft bei der
Heilung von Nasen- und Halskrankheiten. Es hält den Kopf kühl und verbessert
die Sicht. Menschen, die unter Nasen- und Augenkrankheiten oder an Säurebildung
leiden, können stattdessen >jala
neti< üben: Säuberung mit reinem Wasser. 2)
>Dhoti
karma< (Magenspülung): Ein etwa 6 1/2 m langes und etwa 7 1/2 cm
breites Stück Stoff wird mit lauwarmen Wasser getränkt und leicht ausgewrungen.
So ist es stückchenweise mit Hilfe von warmen Wasser zu schlucken, bis noch
etwa 60 cm zurückbleiben. Nachdem man es einige Minuten im Magen gelassen und
den Leib geschüttelt hat, wird es ganz langsam wieder herausgezogen. Dies
befreit den Verdauungskanal von Unreinheiten wie Schleim, Galle und anderen
Rückständen und heilt erweiterte Milz und Husten usw. Diese Übung erfordert
äußerste Sorgfalt und Aufmerksamkeit, damit sich der Stoff nicht mit den
Eingeweiden verwickelt und Komplikationen ernster Art nach sich zieht, die sich
als verhängnisvoll erweisen. Sie sollte nicht durchgeführt werden, wenn man an
Halsentzündung, Krankheiten der Bronchien, Magenreizung usw. leidet oder Husten
hat. 3)
>Basti
karma< (Reinigung der Eingeweide):
Es ist eine Art Klistierspritze, mit der den unteren Eingeweiden durch den
Mastdarm Wasser zugeführt wird. Nachdem es einige Zeit eingehalten wurde, wird
es seitwärts geschüttelt und wieder herausgelassen. Dies beseitigt Verstopfung
und löst innerlich verhärtete Abfallstoffe, die gewöhnlich zurückbleiben. Wenn
man dem lauwarmen Wasser etwas Glyzerin beifügt, ist es vorteilhafter. Es wird
bei Leiden angewandt, die mit dem männlichen Organ und dem After in Verbindung
stehen, und heilt Blähungsstörungen, Galle, Lymphe und Krankheiten der Milz und
der Leber. Wer täglich >basti<
übt, schwächt die zarten Eingeweide und kann eine innerliche Entzündung
hervorrufen. Daher ist eine sorgfältige Anleitung notwendig. Man kann sie, wenn
nötig, durch Reinigung mit Luft ersetzen, indem man statt Wasser Luft einzieht
und anschließend wieder herausläßt. 4)
>Gaja
karni< oder >Kunj karma<:
Diese Übung ist auch unter >Sankha
pashala< bekannt. Sie besteht darin, daß man den Magen mit Wasser anfüllt,
ihn durch die Muskeltätigkeit durchspült und das Wasser durch den Mund wieder
herausläßt, wie es der >Gaja<
oder Elefant mit dem Rüssel macht. Auf diese Weise werden zwei oder drei Liter
warmes Wasser getrunken und, nachdem man das innere System durch kreisförmiges
Bewegen der Muskeln gespült hat, wieder ausgebrochen. Diese Übung hilft besonders
jenen, die unter Gallenkrankheiten oder Säurebildung leiden. 5)
>Niyoli
karma< (Schütteln des Leibes): Diese
Übung wird ausgeführt, wenn man im
>sidha< oder >padma asana< sitzt und die Hände auf die Knie
gelegt hat. Der obere Körperteil mit den Eingeweiden wird in rascher Folge von
rechts nach links geschüttelt, um so alle Unreinheiten, die dem Körper innen
anhaften, zu entfernen. Diese Übung hilft bei Unterleibsleiden gastrischer oder
blähender Art, da sie das System von Verdauungsausscheidungen befreit. Sie ist
auch bei der Muskelzusammenziehung von Nutzen, was wiederum bei der Yoga-Atmung
oder >pranayama< hilfreich ist. 6)
>Tratak
karma< (Festhalten des Blickes):
Dies ist ein >drishti sadhan<: er
besteht darin, daß der Blick zunächst auf ein äußeres Zentrum geheftet wird und
dann allmählich auf innere Zentren zu verlegen ist, wie auf den vorangegangenen
Seiten unter >Yog Vidya< und >Yog Sadhna<, Abschnitt >>Pranayama<<, ausführlich
erläutert wurde. Durch diese Übung wird das Schauen stetig, und wenn es nach
innen gekehrt ist, beginnt man die Wunder der inneren Welt von >Trikuti< wahrzunehmen, dem höchsten
Himmel solcher Yogis 1. 1 Baba Garib Das sagt uns,
daß die Yogis >Til< als >Kshar<, >Sahasdal Kamal< oder
>Sahasrar< als
>Akshar< und >Trikuti< als
>Nehakshar< betrachten. Die Yogishwars gehen einen Schritt weiter
und beginnen von >Sahasrar< aus,
um dann in >Daswan Dwar<
einzudringen. Nach der Heiligen-Terminologie wird >Kshar< als
>Trikuti<, >Akshar<
als >Daswan Dwar< und >Nehakshar< als >Bhanwar Gupha< bezeichnet, und
jenseits davon folgt >Sat Lok<. In den Schriften wird >Akshar< das schöpferische
Lebensprinzip genannt, und es heißt, daß einer, der sein Wesen erkennt und
erfaßt, die Befähigung für den Pfad gottwärts hat. >Akshar Purush< ist mit Hilfe von >Anhad< oder dem immerwährenden Tonprinzip für die
Erschaffung der astralen und physischen Ebenen unterhalb >Trikuti< verantwortlich. Dies alles
ist der Auflösung unterworfen und ist als
>Kshar< bekannt, im Gegensatz zu
>Akshar<, dem unzerstörbaren
>Kutastha< und
>Avyakt< (was über dem
Verfall und der Auflösung liegt). Jenseits von
>Kshar< und >Akshar<
ist >Purshothan< oder >Param Atma< (die Überseele – Gott). Vergl. Bhagavad Gita Kap. 12: 3-4 und
Kap.15: 16-17. Die spirituellen Regionen, die über >trikuti< liegen,
existieren durch >Sat Shabd< (>sphota< oder die Essenz des Wortes),
und Herr dieser Aufteilungen ist
>Nehakshar<; aber auch er kann die große Auflösung nicht
überdauern. >Sat Lok< oder
>Mukam-i-Haq< ist der erste große Bereich, der jenseits der Grenze
der großen Auflösung liegt und auf ewig derselbe bleibt (Nehakshar Para), und
dies ist wahrlich die Heimstatt der Heiligen und ihr Geburtsland. Außer den
oben genannten gibt es noch zwei weitere Übungen: 1)
>Kapal
dhoti< (rasches Ein- und Ausatmen) zur Reinigung der Lunge. Diese Übung kann
leicht den Platz von >neti<
einnehmen, sollte jedoch in der Regenzeit und bei Krankheit gemieden werden. Die Atmung sollt rasch, aber
nicht hastig vor sich gehen, damit es nicht die Lunge oder das Atmungssystem
angreift. 2)
>Shankh
pashali<: Diese Übung besteht darin, daß man durch den Mund etwas Wasser
aufnimmt und es unmittelbar darauf durch den Mastdarm abführt, nachdem man den
Leib ein wenig geschüttelt hat. Dies reinigt das ganze Verdauungssystem, indem
es alle Rückstände daraus entfernt. Wenn diese Übungen insgesamt
nicht unter Anleitung, Führung und Kontrolle eines Adepten in den Yoga-Sadhans
ausgeführt werden, erweisen sie sich öfter als schädlich denn als nützlich und
hilfreich. Man muß auch zugeben, daß sie etwas Gekünsteltes und Unnatürliches
an sich haben, und es wurde über Vorfälle berichtet, worin sogar Adepten an den
Folgen dieser Übungen zu leiden hatten. Darum ist es besser, zu den
natürlichen Mitteln der einfachen, gesunden und frischen vegetarischen
Ernährung in ihrer natürlichen Form Zuflucht zu nehmen: Milch und Butter,
frisches Wasser, regelmäßige, jedoch nicht ermüdende Übungen, tiefes Atmen
usw., was alles frei von den Gefahren ist, die durch >Hatha Yoga-Übungen< hervorgerufen werden können. So sehen wir, daß man im
>Hatha Yoga< zunächst den physischen Körper in Ordnung bringen muß und
daß dies durch >Shat karmas< oder
die sechs einleitenden Praktiken erfolgt, wie sie oben beschrieben wurden.
Danach hat man, um diese Yoga-Art erfolgreich durchzuführen und darin etwas zu
erreichen, an folgende Übungen heranzugehen: a)
Gewissenhaftes
Beherzigen der >yamas< und >niyamas<; b)
Beachten
von >sanyam< oder Mäßigkeit und
Zucht auf allen Gebieten des Lebens und besonders in Gedanken, Worten und
Taten; c)
Körperliche
Haltung: >asanas<, >mudras< und >bandhas<; d)
>Pranayama<
oder Kontrolle und Regulierung des Atmungssystems, was alles unter >Ashtang Yoga< erläutert wurde. Nun wollen wir sehen, was
einige Schriftsteller über den Platz, den der
>Hatha Yoga< auf dem spirituellen Pfad einnimmt, zu sagen haben: Shri Yogindra spricht in der Einführung
zu seinem >>(Vereinfachten) Hatha
Yoga<< wie folgt darüber: Man muß dieses Yogasystem in
der weit zurückliegenden Vergangenheit für notwendig gehalten haben, als die
Erziehung und Heranbildung des Physischen zu einer wesentlichen Form der
Schulung und Beherrschung des Mentalen, Moralischen und Psychischen wurde. In diesem Zusammenhang wird
und sollte >Hatha Yoga< als
methodische Annäherung an das Höchste im Yoga betrachtet werden. Und da er sich
vor allem mit dem Physischen, dem menschlichen Körper, in Verbindung mit dem
Mentalen befaßt, wird er demgemäß auch als physiologischer Yoga oder
>Ghatasya Yoga< bezeichnet. Der Autor Alain Danielou in seinem Buch Die
Methode der Reintegration das Verfahren des >Hatha Yoga< als
Wiederherstellung durch Kraft und Stärke, weil >>das Selbst nicht in
Reichweite des Schwachen liegt<<, und indem er auf das Thema und die
Methode eingeht, sagt er: >>Hatha Yoga ist der Name, welcher der Technik und den Übungen
gegeben wurde, durch die der Körper und die Lebensenergien unter Kontrolle
gebracht werden können.Obwohl nur eines der Mittel des Yoga, dient er als erste
Vorbereitung auf dem Weg zur Wiedervollkommnung und ist für weitere Erkenntnis
wesentlich...<< Alle
Abhandlungen über Yoga betonen, daß es der alleinige Zweck der Körperübungen
des >Hatha Yoga< sei, das physische Hindernis auf dem spirituellen oder
königlichen Pfad der Wiedervervollständigung - >Raja Yoga< - zu
übersteigen. >Hatha<
bedeutet wörtlich >Willenskraft<
oder der unbezähmbare Wille, etwas zu tun oder etwas zu erreichen, wie
ungewöhnlich es auch immer schein mag. Die Bedeutung des Wortes >Hatha<
erklärt Danielou aus dem Goraksha Samhita: Die Silbe >Ha< repräsentiert die Sonne und die
Silbe >Tha< den Mond. Die Verbindung (Yoga) von Sonne und Mond ist darum
>Hatha Yoga<. Die Kosmischen
Prinzipien, die sich in der planetarischen Welt als Sonne und Mond offenbaren,
kann man in jedem lebenden Wesen vorfinden. Im Menschen erscheinen sie
hauptsächlich in zwei Formen; die eine im feinstofflichen Körper und die andere
im grobstofflichen. Im feinstofflichen Körper treten sie als zwei Kanäle zutage,
die sich zusammen mit unserem Wahrnehmungsvermögen zwischen dem feinstofflichen
Zentrum am Ende des Rückgrats und dem Stirnzentrum bewegen. Sie werden
>Ida< und >Pingala< genannt. Der eine entspricht dem kalten Aspekt
des Mondes und der andere dem warmen der Sonne. Im
grobstofflichen Körper entsprechen das lunare und das solare Prinzip den kühlen
Lebensenergien der Atmung und den warmen der Verdauung und werden >prana< und >apana< genannt. Durch Gleichschaltung dieser beiden
wirksamsten Lebensimpulse erreicht der Yogi sein Ziel. Im Hinblick auf die
Atmung wird die kalte Luft, die man einatmet, <prana vaya< genannt,
während die warme, die man ausatmet, als >apana vaya< bezeichnet wird. Der >Hatha
Yoga< hat gewisse, nicht zu leugnende Vorteile, von denen viele bereits in
den vorangegangenen Kapiteln beschrieben wurden und als >asanas<, >pranayama< oder
>pratyahara< zur Sprache kamen. Er stellt die Grundlage eines
gesunden Lebens dar und setzt einen in die Lage, durch das Ausscheiden der sich
im Körper befindlichen giftigen und unreinen Stoffe vielen physischen
Anforderungen standzuhalten. Zu einem Yogi kommt der Tod nicht als das
qualvolle Ende eines langen Verfallsprozesses, sondern so wie das Blatt oder
die reife Frucht vom herbstlichen Baum fällt – eine Trennung, die auf
natürliche Weise durch die innere Reife bewirkt wird. Das Erlangen der
Kontrolle über verschiedene physische Funktionen bringt auch eine gewisse
geistige Kontrolle mit sich, denn eine strenge Körperzucht ist nicht möglich
ohne gleichzeitige Willensschulung; die Entwicklung des einen führt auch die
des anderen herbei. Nichtsdestoweniger sind auch die physischen und psychischen
Kräfte, die der >Hatha Yoga< dem
erfolgreichen >Sadhak< sichert,
nicht ohne Fallstricke und Gefahren. Anstatt sie
für den weiteren spirituellen Fortschritt strikt verborgen zu halten, oder sie
nur für höchst humanitäre Zwecke zu gebrauchen, werden sie nicht selten dazu
mißbraucht, um öffentlichen Beifall und Reichtum zu erlangen. So ist es nicht
weiter verwunderlich, daß der gewöhnliche Mensch diesen Yoga mit Personen in
Verbindung bringt, die auf glühenden Kohlen gehen, Glasscherben und Metall
schlucken, Schlangenköpfe und Nagetiere essen, fahrende Autos anhalten oder
sich von einem Lastwagen überfahren und von Elefanten überrennen lassen. Der
ernstgemeinte Yogaschüler, der einen solchen Mißbrauch der Kräfte beobachtet,
wird seine Übungen ausschließlich als Sprungbrett zum >Raja Yoga< gebrauchen oder sie gänzlich unterlassen als
nur eine weitere Ablenkung vom Ziel, als ein anderes Mittel, um das Ego
aufzublähen, das eigentlich bezwungen werden sollte. Huston Smith hat dieses Thema in Die Religionen des Menschen
zusammengefaßt: >> Manche Menschen sind hauptsächlich an der Ausrichtung und
Auswertung ihres Körpers interessiert. Unnötig zu sagen, daß es in Indien das
gleiche gibt – Menschen, deren Hauptinteresse der Bemeisterung ihres Körpers
gilt. Wo der Westen Stärke und Schönheit gesucht hat, war Indien an der
Genauigkeit und Beherrschung interessiert, einer idealen und vollkommenen
Beherrschung des Körpers und jeder seiner Funktionen ... Julian Huxley hat
vorsichtig zu sagen gewagt, daß Indien einiges von dem entdeckt zu haben
scheint, wozu der Körper gebraucht werden kann
und wovon der Westen überhaupt keine Ahnung hat. Dieses umfassende
Lehrsystem schließt einen authentischen Yoga ein, den >Hatha Yoga<. Ursprünglich wurde er als Einleitung für den
spirituellen Yoga ausgeübt. Aber da er in diesem Zusammenhang heute
größtenteils eingebüßt hat, brauchen wir uns an dieser Stelle nicht damit zu
befassen. Das Urteil der Hindu-Weisen darüber mag auch das unsere sein:
Unglaubliches kann mit dem Körper vollbracht werden, falls du interessiert und
willens bist, dein Leben daran zu setzen. Aber diese Dinge haben kaum etwas mit
Erleuchtung zu tun. In Wirklichkeit nähren sie den Wunsch, sich zu brüsten.
Ihre Beherrschung trägt zum Stolz bei und ist darum für den spirituellen
Fortschritt von Nachteil.<< III.
Laya Yoga Es ist der Yoga der
Vertiefung oder der Verschmelzung.
>Laya< bedeutet wörtlich, sich an eine überwältigende Idee oder
eine vorherrschende Leidenschaft zu verlieren. Durch tiefe anhaltende
Versenkung mittels Konzentration kommt man allmählich in ein Stadium, in dem
man alles andere vergißt, einschließlich des körperlichen Ichs, und man hat nur
noch einen vorherrschenden Gedanken in sich – das Ziel der Verwirklichung, das
vor einem liegt. Diese Besessenheit gibt es für alle möglichen Dinge – für
weltlichen Gewinn, Macht und Geld, Name und Ruhm oder auch, um >riddhis< und >siddhis< zu erwerben, vor allem aber,
um die letzte Wirklichkeit, die wir Gott nennen, zu erreichen. Dies sind
verschiedenen Formen und Stufen des
>Laya Yoga<, und die höchsten sind natürlich Versenkung und
Kontemplation über Gott. Die Vorstellung der Yogis in dieser Hinsicht ist das
Astrallicht, das sie mittels der
>mudras< oder geschlossenen Haltungen erreichen, von denen viele
in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben wurden; denn >Laya Yoga< stimmt direkt mit Patanjalis Ansicht über >Dhyan< überein. Die höchste Form der
Kontemplation im >Laya Yoga<
bringt einen über das Körperbewußtsein und führt zum göttlichen Grund der
menschlichen Seele, zu
>Sahasrar<, der Zentralstelle der feinstofflichen Region im
tausenblättrigen Lotos, die in pyramiden förmiger Anordnung voller Lichter ist.
Alles zu vergessen außer dem Gegenstand fortgesetzter Meditation ist der
Schlüssel zum Erfolg bei dieser Yoga-Art. Es ist das natürliche Resultat von
>pratyahara< und >dharna<,
die zu >dhyan< führen und in
Verbindung miteinander die Grundlage für den
>Laya Yoga< bilden. Die Yogis
glauben an die doppelten Prinzipien von
>purush< und
>prakriti<, das positive Männliche und das negative Weibliche im
Menschen wie auch in der Natur. Im Menschen liegt diese Naturkraft
zusammengerollt im
>Wurzelzentrum< des
Körpers, und um sie zu aktivieren, werden
>asanas< und >pranayamas< ausgeübt, wodurch sie zum
Hauptkanal - >sukhman< - geleitet wird, bis sie das höchste Zentrum –
den >purush< in >sahasrar< - erreicht und mit ihm eins
wird. Daher wird diese Übung >Yoga
der Verschmelzung< genannt. Um im
>Laya Yoga< Erfolg zu haben, muß man auf das Licht der
verschiedenen Elemente bauen, die in den
>chakras< oder Zentren in
>pind< oder dem physischen Körper vorherrschen. Da diese Reise zur
Verschmelzung des Geistes in >chid akash< nicht ohne Gefahren ist, wird
es als notwendig erachtet, sie unter strenger Führung eines Adepten auf dem
Gebiet zu unternehmen. Der >Laya Yoga< unterscheidet sich von den
anderen Yoga-Arten wesentlich, da sich diese in der Hauptsache, durch
Konzentration und Kontemplation, positiv einem festgelegten Ziel nähern. Beim >Laya Yoga< ist diese Annäherung
negativer Art. Statt das Gemüt zu beherrschen, wie es die Yogasysteme gemeinhin
machen, konzentriert sich dieses System auf die Kontrolle der Lebensenergie
>Kundalini<, welche latent im Verborgenen liegt; und vielleicht wird er
darum als >Laya Yoga< bezeichnet,
weil er sich mit Verborgenem befaßt. IV.
Raja Yoga Wie der Name schon sagt,
bedeutet es >der königliche Weg zur Vervollkommnung< - der
Vervollkommnung der Seele, die sich gegenwärtig in einem Zustand der
Aufspaltung und Zerteilung befindet, denn sie hat durch den zerstreuenden
Einfluß des Gemüts, das durch so viele nach außen gehende Kanäle fließt, ihren
inneren Halt verloren. Dieser Weg bietet eine wissenschaftliche Annäherung an
Gott und ist bestens geeignet für wissenschaftlich denkende Menschen, die
sowohl in der äußeren Welt wie auf dem inneren Weg wissenschaftlich vorgehen.
Der >Raja Yoga< beruht auf der
Annahme, daß das wahre Selbst im Menschen ganz anders und viel wunderbarer ist,
als man gewöhnlich annimmt und als es im alltäglichen Leben erscheint, nämlich
Begrenzungen unterworfen, die es von allen Seiten bedrücken und belasten, so
daß es unter den Anforderungen praktischer Zwecke ein begrenztes Element zu
sein scheint und nicht, was es tatsächlich ist, die unbegrenzte Wirklichkeit. Wiederum muß man die
Experimente, die der >Raja Yoga<
einschließt, an sich selbst ausführen, ungleich jenen anderen Wissenschaften,
bei denen der ganze Vorgang ein Experiment mit der äußeren Natur ist. Von einem
Raja Yogi wird nicht erwartet, daß er etwas für selbstverständlich hält oder
blindlings eine Autorität annimmt, seien es die Schriften oder eine andere. Er
verfolgt im wesentlichen einen Pfad der Selbsterfahrung im Laboratorium des
Gemüts, und er kommt langsam, aber Schritt für Schritt vorwärts und hält nicht
an, bis das Ziel erreicht ist. Nach dem >Raja Yoga< ist der Mensch ein >überdecktes Wesen<, das in viele
übereinanderliegende Hüllen gekleidet ist, in den Körper, körperliche
Gewohnheiten, angeborene und erworbene Lebensformen, Sinne und Sinneshörigkeit,
Lebensenergien, in ein ruheloses Gemüt mit unzähligen mentalen Vibrationen, den
immer aktiven Willen, Ichbezogenheit usw., die alle Umhüllungen und Schleier
bilden und den >atman< bedecken.
In ihrem Innern liegt unter der Erscheinungsform der Persönlichkeit das
Kronjuwel des Selbst, das Ewige im Menschen. So besteht die vollkommene
Befreiung (mukti) in der gänzlichen Loslösung von all den zahllosen
begrenzenden Vorgängen, die das unbegrenzte Meer des schöpferischen
Lebensprinzips umgeben, um alle Macht, alles Leben, alle Weisheit, alle Freude,
alle Glückseligkeit und alles andere in Fülle zu erlangen. Mit anderen Worten
bedeutet es die Entpersönlichung der Seele, indem man die Persönlichkeit oder
die Maske, die der Schauspieler trägt, wenn er auf die Bühne kommt, um seine
Rolle zu spielen, buchstäblich herunterreißt. Die Arbeit des Raji Yogi ist
es, die Wirklichkeit, die in ihm liegt, zu demaskieren, indem die unzähligen
Masken oder falschen Indentifikationen entfernt werden. Dadurch wird das
große >>Selbst<< von den
Hüllen, die es umgeben und behindern, befreit. Der >Ashtang Yoga< oder der achtfältige Pfad des Patanjali führt zu dem, was gemeinhin
als >Raja Yoga< bekannt ist. Er
ist die Leiter, über die man >Nirbij samadhi<, >Unmani<,
>Sahaj-awastha< oder
>Turiya Pad< erreicht, was die Krone aller Yogasysteme bildet und
der Höhepunkt der Yoga-Kunst ist. Er befaßt sich mit der Schulung des Gemüts
und der physischen Kräfte, und die in einem Maße, daß Erleuchtung erlangt wird,
wobei man alles in seinem wahren Licht erkennt und man in voller
Ausgeglichenheit einen Zustand von wacher Trance erfährt. Die Seele ist dabei
unerschütterlich an ihrem Zentrum
>Sam< verankert, wenn es auch so scheint, als ob man wie die
übrigen Menschen in die weltlichen Dinge vertieft sei. Dieser Zustand ist der
Gipfel aller Bemühungen und Übungen des Yogi. Wenn er diesen einmal erreicht
hat, ist er, selbst wenn er noch in der Welt lebt, dennoch nicht mehr von der
Welt. Auf diese Weise kam es, daß Raj
Rishi Janaka und Lord Krishna,
der Herr der Yogis, in der Welt lebten und sich stets mit den weltlichen Dingen
befaßten und das Rad der Welt in ihren Händen in beständiger Bewegung hielten,
doch mit einem stillen Zentrum, das in der göttlichen Ebene ruhte. Alle ihre
Handlungen waren durch Tätigsein im Nichttätigsein gekennzeichnet. Das ist der
Höhepunkt im Yogasystem, ein Zustand, in dem die Sinne, das Gemüt und der
Intellekt zum Stillstand kommen. In der Katha
Upanishade ist darüber gesagt: Wenn alle Sinne ruhig sind und das Gemüt stetig ist, wenn der Intellekt sich nicht bewegt – das, sagt der Weise, ist der höchste Zustand – Kaivalya Pad (der Zustand höchster Verwirklichung). Er strebt nach >samadhi< (die letzte Stufe in Patanjalis Yogasystem), wobei das
Individuum als solches aufgehoben wird und sich die unbegrenzte und
unverkörperte, schrankenlose und freie Ganzheit erfährt, die gleich dem Äther
alles durchdringt. Man sieht alle Dinge unter dem Aspekt der Ewigkeit. Ein paar Worte über >samadhi< sollen hier nicht fehlen.
Der >samadhi< kann sowohl bewußt
wie auch überbewußt sein. In dem einen bleibt sich der Geist der Dinge bewußt,
während sich im anderen eine innere Ruhe zeigt, in der man die Dinge sieht, wie
sie wirklich sind, und blitzartig wahre Einsicht in sie bekommt. Es ist ein
Schauen mit der Seele (oder dem inneren geistigen Auge), wenn unsere
körperlichen Augen geschlossen sind. Dies ist unmittelbares und direktes
Wissen, zum Unterschied vom mittelbaren Wissen, welches durch das Medium der
rauchgeschwärzten Gläser der Sinne, des Gemüts und des Verstandes gewonnen
wird. Es ist ein Zustand >>völligen
Schweigens<<, der weit über dem betäubenden Gewühl der äußeren Welt
liegt. Es ist ein mystischer Zustand, in welchem >chit<,
>manas<, >buddhi<
und >ahankar< ihre Funktionen
eingestellt haben und das losgelöste und entpersönlichte >Selbst< allein in seinem eigenen
Glanz erstrahlt. Über diesen Zustand sagt uns Vyasa: >>Yoga kann am besten durch Yoga erkannt werden, denn Yoga wird
durch Yoga offenbar.<< (Yoga Bhasya 111-6). Die heiligste Silbe bei den
Raja Yogis ist Aum. Die Mandukya Upanishade enthält einen
ausführlichen Bericht über dieses Wort. Es ist dasselbe wie das heilige Wort
des Johannes-Evangeliums. Es ist das >Kalma< oder >Bang-i-Quadim< der Moslems, >Akash Bani< oder >Vak Devi< der alten Rishis,
>Udgit< oder >Nad< der Upanishaden,
>Sarosha< des Zoroaster und
>Naam< oder >Shabd<
der Meister. Die Welt und die Veden
stammen von dieser Silbe Aum ab. In
der Bhagavad Gita heißt es: >>Der Brahmane, der
Aum wiederholt und darüber sinnt, wandelt, den Körper verlassend, auf der
höchsten Bahn.<< Lord Krishna sagt von sich: >> Ich bin
>Omkar<, ich bin
>Pranva< in all den Veden; in der Rede bin ich >Ek-Ashra< (die eine Silbe).<<
In den Upanishaden lesen wir: >>Aum ist der Bogen und der Geist ist der
Pfeil; Brahman ist das Ziel. Erkennt das Brahman durch Konzentration, erreicht
das Ziel durch ungeteilte Schau (Ekagrata) und werdet dann wie der Pfeil eins
mit dem Ziel – die individuelle Seele wird sich mit Brahman eins
wissen.<< Eine einzige Vibration
in >Brahman< - Eko Aham Bahusiam
– verursachte alle >Lokas< und
schuf alle Ebenen, die spirituellen, kausalen, astralen und physischen mit
ihren zahllosen Aufteilungen und Unterteilungen. Die physischen Vibrationen im
Menschen stehen im Einklang mit der Urvibration, die zur Projektion der >Shrishti< führte oder dem Universum
samt seinen Trinitäten wie >Brahman,
Vishnu und Shiva<;
>Satva<, >Rajas<
und >Tamas<; >jagrat<, >swapan< und
>sushupti<, die alle in
>Aum<, dem Herrn der drei Welten, enthalten sind. >Yama<, der Todesgott,
erklärte Nachiketa: >>Vom Ziel, das alle Veden uns
verkünden, das zu erreichen, sich die Menschen Bußen und Opferdienste
auferlegen und ein Leben der Enthaltsamkeit
(tapas), von diesem will ich kurz dir sprechen. Es ist >Aum<. << So bedeutet auch der
Begriff >pranva< etwas, das ewig,
immer neu, unwandelbar und beständig ist (kutastha nitya) wie das Verhältnis
zwischen >Shabd< und seiner Bedeutung
– im Gegensatz zu >parinama nitya<, das sich immer wandelt. Durch obiges ersehen wir,
daß jede der vier klassischen Yoga-Formen nur ein Bestandteil des Yogasystems
in seiner Ganzheit ist, wie es von Patanjali
kundgetan wurde, doch mit besonderer Betonung des einen oder anderen Aspekts,
und wir sehen, daß diese eine fortschreitende Entwicklung zeigen, vom >Mantra siddhi< zum >Raja Yoga<, wobei jeder Schritt den
Weg zur nächsthöheren Stufe auf dem Yogapfad bahnt. Um den Yoga gangbarer zu
machen, wurden in späteren Zeiten für verschiedene Menschentypen, dem
individuellen Temperament und der beruflichen Tätigkeit entsprechend,
unterschiedliche Formen geschaffen. Während sich Personen, die sehr
intellektuell waren und alles durchdachten, häufig dem >Jnana Yoga< oder dem >Yoga des Wissens< zuwandten, wurden
mehr gefühlsbetonte Menschen von >Bhakti Yoga< oder dem >Yoga der Hingabe< angezogen, der in
ergebungsvollen Übungen wie dem Singen von Hymnen und Psalmen (so wie es Prinzessin
Mira und Chaitanya Mahaprabhu taten) besteht. Wiederum waren jene, die sich
hauptsächlich mit äußeren weltlichen Tätigkeiten befaßten, am besten für >Karma Yoga< oder >Yoga des Handelns< geeignet, der aus
Härten und Bußen, Fasten und Nachtwachen, Ableisten von >yajnas< und anderen wohltätigen
Werken besteht, und aus verdienstvollen Taten, wie Wallfahrten zu heiligen
Orten, Lesen der Schriften usw., und vor allem dem Pfad des selbstlosen
Dienstes. Auf diese Weise entstanden drei Arten des >volkstümlichen Yoga<, nämlich der des Kopfes, der des
Herzens und der der Hand - >Jnana Yoga<,
>Bhakti Yoga< und >Karma
Yoga<. Diese Yogas finden ihre erste klare und unzweideutige Darlegung in
der Bhagavad Gita; und Lord Krishna steht mit ihnen auf gleiche
Weise in Verbindung wie Patanjali mit
den vier traditionellen Arten. Es muß jedoch gesagt werden,
daß man diese drei Yoga-Arten nicht in enge und abgegrenzte Klassen aufteilen
kann. Keine von ihnen kann nur für sich selbst und unter völliger Ausschließung
der anderen ausgeübt werden. Sie weisen lediglich auf die vorherrschenden und
angeborenen Charakterzüge im Wesen eines Strebenden hin. Bloßes theoretisches
Wissen über Yoga, ohne Hingabe und Handeln, gleicht einem Baum, der des Laubes
und der Früchte beraubt und somit gerade gut genug für des Holzfällers Axt ist.
Wiederum ist Hingabe an sich bedeutungslos, wenn man die Sache nicht
verstandesmäßig begriffen und eine tatsächliche Erfahrung von ihr hat und tätig
danach strebt. Die Handlungen an sich,
seien sie gut oder schlecht, ohne Hingabe und Kenntnis, halten einen in
beständiger Gebundenheit gleich Fesseln aus Gold oder aus Eisen, wie der Fall
gerade liegt, denn beiden wohnt dieselbe bindende Kraft und Wirkung inne. Diese
Welt ist ein >Karma Kshetra< oder ein Bereich des Handelns, und alles Tun
auf der Sinnesebene, ohne das unterscheidende Wissen und die liebevolle
Hingabe, trägt Frucht, die der Handelnde, ob er will oder nicht, notgedrungen
ernten muß. Nur solche Handlungen, denen man nicht verhaftet ist und die ohne
den Wunsch nach den Früchten ausgeführt werden, können Befreiung bringen. Darum muß man in diesem >Karma Bhoomi< ein >Neh Karma< werden, damit man dem Rad
der karmischen Knechtschaft entgeht. Das karmische Gesetz ist hart und
unerbitterlich, und deswegen sollte man nicht unnötig endlose >karmas< anhäufen, weil man dadurch
ständig gebunden bleibt. Nur der ist frei von der bindenden Wirkung der Karmas, der sich mit dem heiligen Wort verbindet. Guru Amar Das So ist das Yogasystem seinem
Wesen nach ein vollständiges Ganzes und kann nicht in künstliche Sparten
aufgeteilt werden. In der Bhagavad Gita
oder dem Hohen Lied, das im überragenden Maße ein >Yoga Sutra< ist, gibt
Lord Krishna, der Herr der Yogis, dem Kshatriya-Prinzen Arjuna eine klare
Darstellung der verschiedenen Yoga-Arten, um ihm die Bedeutung des >Swadharm< oder des Pfades vom Dienen
klarzumachen, und dies von verschiedenen Standpunkten aus gesehen; denn Arbeit
ist im wahren Sinne des Wortes nichts anderes als Gottesdienst, wenn man sie
als solchen verrichtet und frei ist von der Bindung an den Lohn dafür. V.
Jnana Yoga oder der Yoga des Wissens (Rechte Unterscheidung) Der Pfad des >Jnana Yoga< ist für diejenigen
geeignet, die, mit einem starken Verstand oder geistigen Fassungsvermögen
ausgestattet, eine sehr klare Einsicht haben und fähig sind, in das Warum oder
Wofür der Dinge einzudringen, um zum Kern der Wirklichkeit zu gelangen. Es
bedeutet rechte Unterscheidung und Erkenntnis, das Allerwichtigste auf dem Pfad
der Rechtschaffenheit, wie er durch Buddha
verkündet wurde. Versteht man die wirklichen Werte des Lebens, läuft auch alles
andere in der rechten Richtung, denn ohne die richtige und genaue Kenntnis der
Wahrheit gehen alle Bestrebungen trotz bester Absicht schief und bringen uns
früher oder später in Schwierigkeiten. Die Bedeutung des wahren
Wissens wird tatsächlich in allen Aspekten des Yoga-Lebens empfunden, sei es
nun >Karma Yoga< oder >Bhakti Yoga<. Im >Karma Yoga< erfährt und erkennt man,
daß man ein Recht zum Handeln und Wirken hat, nicht so jedoch auf die Früchte,
die sich daraus ergeben. Da man nicht umhin kann, zu wirken, sollte es im Geist
der Pflichterfüllung getan werden, dem Herrn geweiht und den Geist auf ihn
gerichtet. Wenn man darauf verzichtet, an den Früchten zu haften, gelangt man
zu innerer Ausgeglichenheit; und in der Stille der Selbsthingabe liegt der
wahre Yoga der Kontemplation, ein vollkommener Frieden, der aus der völligen
Hingabe des eigenen Lebens an Gott geboren wird. Auch im >Bhakti Yoga< muß der >Bhakta< oder Ergebene zunächst die
wahre Bedeutung von >Bhakti<, der
Hingabe an den Herrn, verstehen, dann die richtige Perspektive bekommen, die es
ihm ermöglicht, das Licht seines
>Isht-Deva< nicht nur in den menschlichen Wesen zu sehen, sondern
in allen Lebensformen. Kurzum, der Pfad des
>Jnana Yoga< legt Nachdruck auf das konkrete Erkennen der
innersten Wirklichkeit oder der wahren Natur des >atman<. Die Betrachtung des Selbst ist der Grundton eines
wahren >Jnani<, der durch die
Ausübung genauer Unterscheidung das anscheinend riesige kleine Selbst (den
äußeren Menschen) vom kleinen großen Selbst im Innern (dem inneren Menschen) zu
trennen sucht; denn das kleine äußere Selbst ist der Feind des großen inneren
Selbst, aber dieses kleine Selbst wird, wenn es richtig geschult ist, zum
Freund des großen Selbst. Ziel diese Yoga ist, das Dunkel der Unwissenheit
durch die Fackel der Erkenntnis zu vertreiben. Es ist der Pfad des genauen
Analysierens, und um ihn erfolgreich gehen zu können, muß man an dreierlei
Dingen eifrig festhalten: 1)
>Shrawan<
oder Hören – aus den Schriften, philosophische Vorträge und vor allem die
lebenden Lehrer der Spiritualität mit Ersthand-Erfahrung von der Wirklichkeit,
die ihren Lebensimpuls auf diejenigen übertragen können, die mit ihnen in
Verbindung kommen; denn nur in Gemeinschaft mit einer wahrhaft erwachten Seele
kann man aus dem langen Schlaf erwachen. 2)
>Manan<
oder Denken – es besteht in der intensiven und gedankenvollen Kontemplation
über das, was man gehört und verstanden hat, um das Abstrakte konkret und
greifbar zu machen und sich vom Pulsschlag des von einem Augenblick zum anderen
bestehenden Lebens verstandesmäßige Begriffe zu machen, indem man genaue
Unterscheidung walten läßt und auf Schritt und Tritt das Wahre vom Falschen
sondert. Es gipfelt darin, die Seele aus der Schlinge des Egoismus mit allen
einem zu Gebote stehenden Mitteln zu befreien. Diese Übung gleicht dem Kirnen
der Butter aus der Buttermilch. 3)
>Nidhyasan<
oder Praxis – sie besteht darin, daß man das Zentrum der Schwerkraft vom
vergänglichen, sich wandelnden Selbst ein für allemal auf das stetige und
immerwährende Selbst verlegt; vom Umkreis zum Mittelpunkt des Seins. Dies
bringt nach und nach die Loslösung von den Gegensätzen, wie Reichtum und Armut,
Gesundheit und Krankheit, Ruhm und Schmach, Freude und Leid, Stolz und
Vorurteil, wovon alle im gewöhnlichen Lebenslauf berührt werden. Der Pfad des >Jnana Yoga< ist eine Abkürzung des
Yogaweges, aber er ist ungeheuer steil, und nur sehr wenige können ihn gehen.
Er erfordert die seltene Kombination eines messerscharfen Verstandes und eines
starken spirituellen Verlangens, was nur ein paar wenige wie Buddha und Shankara besitzen. Der Pfad wird jedoch
geebnet, wenn jemand durch ein besonders gutes Schicksal einer Meisterseele
begegnet. Ein Sant Satguru kann mit
seinem langen und starken Arm den Strebenden aus dem grundlosen Wirbel des
Sinneslebens herausziehen, ohne daß sich dieser zu viel dem >sadhan< hingeben muß. VI.
Bhakti Yoga oder der Yoga liebender Hingabe Wer sich mit reinem Herzen mir ergibt und Tag und Nacht sich meinem Dienste weiht, den werd‘ ich sicher aus der Sturmflut heben. Im Wogenschall des Lebensmeeres soll er nicht versinken; denn ich errette ihn.
Bhagavad Gita Es ist ein Yoga der
Verehrung mit liebevollem und lebendigem Glauben, der unbeschränkt und
unerschütterlich in dem
>Isht-deva< oder dem Gegenstand der ehrerbietigen Verehrung
gefestigt ist. Es ist ein sehr populärer Weg und bestens geeignet für jene, die
ein gefühlsbetontes Gemüt haben. Selbstlose Hingabe ist der
Schlüssel zum Erfolg auf diesem Pfad. Ein
>Bhakta< oder Ergebener erfreut sich an berückenden Weisen und
singt ständig Hymnen zum Ruhme des Herrn, ohne je dabei zu ermüden. Er
unterscheidet sich von einem
>Jnani< sowohl durch seine Lebensanschauung wie auch hinsichtlich
seiner Annäherung an Gott; denn statt das wahre Selbst zu suchen, das
ebensogut >Brahman< ist, stellt
er zwischen sich und seinem Gott einen Dualismus auf und verehrt ihn als
getrenntes und höchstes Wesen. Dieser Dualismus braucht aber nicht
notwendigerweise endgültig zu sein, denn der
>Bhakta< weiß um das Geheimnis, daß man zu dem wird, was man
verehrt. Der Kult das >Bhakti< nimmt einen bedeutenden Platz
in der Yogaschulung ein. Dem
>Jnani< gibt er eine wesentliche Stütze in Form der Hingabe an die
Sache – der Sache der Selbsterkenntnis. Dem >Karma Yogi<
offenbart er sich in Form des Wirkens und gelangt zur Blüte in den Werken der
liebevollen Ergebenheit für das allgemeine Wohl aller Geschöpfe, denn sie sind
Gottes Schöpfung. Der Pfad des >Bhakti< ist durch drei hervorstechende
Kennzeichen bestimmt: durch
>Japa<, >Prem< und
die symbolische Darstellung des Gegenstandes der Verehrung. 1)
>Japa<
- es bedeutet die beständige Erinnerung und Wiederholung von Gottes Namen; zu
beginn mündlich mittels der Zunge und später geistig. Alle Ergebenen üben diese
Praxis aus, ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit. Die Ausübung des
Perlenzählens ist auf der Welt weitverbreitet. Die Hindus nennen es >Mala<, die Christen >Rosenkranz< und die Moslems >Tasbih<. Wenn dies nicht mit Hingabe
und Konzentration ausgeführt wird, ist der Zweck verfehlt, da es der Gefahr
unterliegt, rein mechanisch zu werden. In manchen Ländern ist diese ganze
Praxis zum bloßen Rotieren eines Rades geworden, in das die verschiedenen
Gebete eingeschrieben wurden. Nur die Hand ist dabei in
Bewegung, der Geist jedoch, anstatt auf Gott gerichtet zu sein, unterhält
weiterhin weltliche Gedanken. 2)
>Prem
bhava< - oder die liebevolle Einstellung nimmt beim >Bhakta< zahlreiche Formen an. Manchmal nimmt sie die Rolle
eines Kindes an und hält sich an Gott, wie man es bei einem Vater oder einer
Mutter tut, und ein andermal hält er es umgekehrt und spricht mit ihm wie mit
seinem Kind. Zuzeiten nimmt sie die Haltung eines Freundes oder eines Kameraden
(sakha-bhava) an, oder eines Liebhabers, der sich nach dem geliebten Partner
sehnt, eines seinem Meister ergebenen Dieners, eines Zechbruders, der nach >saqi< verlangt, wie wir aus den
Vierzeilern Omar-i-Kayyams ersehen.
All dies hängt von der jeweiligen unterschiedlichen Stimmung und Vorliebe ab. Christus hat von Gott immer als dem
>>Vater<< gesprochen, Paramhansa
Ramakrishna verehrte ihn als die
>>Mutter<<, Prinz Arjuna, der Krieger, und die
Rajput-Prinzessin Mira betrachteten ihn als einen >sakha< oder Freund und Kameraden; die Gopis wiederum
sangen leid- und kummervolle Lieder, wie sie jedes von Liebe ergriffene Mädchen
ihrem Liebhaber singen würde. 3)
Als
nächstes kommt das erwählte Symbol des Herrn. Jeder hat seine eigene
Vorstellung von Inkarnationen und göttlichen Manifestationen. Wie der Namenlose
viele Namen hat, so erscheint auch der Formlose in vielen Formen, je nach
Wunsch seines Ergebenen. Der eine findet ihn als einen Stein, wie >Sadhna<, ein anderer in einem Idol;
denn er wohnt allen Formen inne und antwortet auf alle Gebete seiner ihn
aufrichtig ergebenen >Bhaktas<
und läßt sie niemals im Stich. Man kann dem Herrn natürlich in menschlicher
Gestalt dienen, wenn er als Gottmensch oder als Menschheitslehrer erscheint,
wie Buddha, Christus, Kabir und Guru Nanak, die durch ihre bloße
Gegenwart die Welt erleuchten. Der Vorgang von >bhakti< weitet den Ausblick
eines >Bhakta<, bis er das Licht
seines erwählten Idols in ihm und um ihn alles durchdringen sieht und er sich
durch seine Liebe ausdehnt, bis er Gottes Schöpfung völlig umfaßt. Dies ist
dann der Höhepunkt, zu dem ihn die Liebe bringt. Es wurde vor allem in unserer
Zeit durch das Leben von Shri Ramakrishna
besonders veranschaulicht. Zuerst verehrte er die göttliche Mutter als das Idol
im Tempel von Dakshineswar, dann als
das Prinzip, das sich in allen guten und heiligen Dingen offenbart, und zuletzt
als den Geist, der alles durchdringt, das Üble nicht minder als das Gute, und
betrachtete selbst eine Buhlerin als seine Manifestation. Die Stufenfolge des
Fortschritts eines wahren
>Bhakta< vom Dualismus zum Monismus, von der begrenzten
Einzelpersönlichkeit zum Allumfassenden wird wie folgt benannt: a)
>Salokya<:
die Stufe, auf welcher der Ergebene in der gleichen Region wie der Geliebte
weilen will. b)
>Sampriya<:
die Stufe, auf der er nicht allein in derselben Region, sondern in
unmittelbarer Nähe seines Geliebten sein möchte. c)
>Saroop<:
die Stufe, auf der der Ergebene die gleiche Form wie sein Geliebter haben will. d)
>Sayuja<:
die letzte Stufe, auf der der Ergebene mit nichts anderem zufrieden ist, als
mit der Gottheit eins zu werden. Wenn ein >Bhakta< das Ziel seiner Reise
erreicht hat, sieht er keine Dualität mehr, sondern erblickt die Gottheit in
allem. Er spricht wohl weiterhin über sie, so wie er es gewohnt war, als >Vater< oder >Mutter< usw., aber sieht in Wirklichkeit nun keinen
Unterschied mehr zwischen diesem Wesen und sich selbst; und so sagte Christus: >>Ich und der Vater sind eins.<< VII.
Karma Yoga oder der Yoga des Handelns Karma ist das Wesens des
Daseins, von Mensch wie von Gott, dem Herrn des Karmas. Wenn die >Karmas< (Handlungen) im Geiste des
Dienens für das Göttliche richtig ausgeführt werden, können sie zu spiritueller
Befreiung führen. Es gibt >Karmas< oder Handlungen von zweierlei
Art: gute und üble. Gute Taten sind solche, die uns dem spirituellen Ziel näher
bringen; wohingegen uns üble Taten weiter von diesem entfernen. Es gibt keine Freude, die
höher und dauerhafter wäre als die, welche aus der Wiederentdeckung des wahren
Selbst herrührt, was in Wirklichkeit bedeutet, daß man seine Identität findet
mit der Welt rings umher. Das Leben in all seinen
Formen ist durch Tätigkeit gekennzeichnet, und die Wandlung ist des Lebens
Gesetz. Kein Mensch kann auch nur für den Bruchteil einer Sekunde ohne Tätigkeit
sein. Wordsworth hat den Zustand
unablässigen Tätigseins folgendermaßen beschrieben: Die Augen können nicht anders als sehen, dem Ohr kann nicht geboten werden, taub zu sein. Der Körper fühlt, wo immer er ist, mit oder entgegen unserem Willen. So ist es tatsächlich, und
was wir zu tun haben, ist, unsere Handlungsweise immer mehr zu veredeln, auf
daß sie vom Schmutz niedriger und gemeiner Wünsche und sinnlicher Beziehungen
gereinigt werden. Selbstloser Dienst an der
Menschheit ist die höchste Tugend.
>>Dienen vor Eigennutz<< sollte das Leitprinzip unseres
Lebens sein. Da alles Leben von Gott, dem Ursprung allen Lichts und Lebens,
ausgeht, müßte ihm dieses Leben für immer gewidmet sein, ohne einen Wunsch nach
den Früchten unseres Tuns.
>Brahmasthiti< oder die Verankerung in >Brahman< kommt nicht dadurch zustande, daß man der Arbeit
entsagt (saivyas), sondern dadurch, daß man das Verlangen nach den Früchten
aufgibt (tyaga). Es ist nicht die Arbeit als solche, die uns bindet und das Ego
verwöhnt, vielmehr der Beweggrund, der dahintersteckt. Wenn Karma als Mittel
für >moksha< oder die Befreiung
von Gemüt und Materie dienen soll, müssen drei Bedingungen erfüllt werden: 1)
Wirkliches
Wissen um die höheren Werte des Lebens: Das Leben selbst ist ein
ununterbrochenes Prinzip, das allen Schöpfungsformen innewohnt, und ist darum
aller Achtung und Verehrung würdig. Dies ist der realisitische Aspekt des
Karmas. 2)
Aufrichtige
und liebevolle Gefühle allen lebenden Geschöpfen gegenüber, vom sogenannten
Niedrigsten bis zum Höchsten. Dies ist der empfindungsmäßige Aspekt des Karmas. 3)
Karma
muß mit einem aktiven Willen ausgeführt werden, ohne Furcht vor Bestrafung oder
Hoffnung auf Belohnung. Es sollte mit anderen Worten spontan sein und
unwillkürlich aus unserem Wesen hervorgehen (swadharma), daß heißt durch ein
Pflichtgefühl – arbeiten um der Arbeit willen und nicht unter Zwang und
Beschränkung. Der Mensch ist nicht nur ein Geschöpf der Umstände, sondern er
hat einen Willen, durch den er seine Umwelt ändern und sein Schicksal lenken
kann. Dies ist der willensmäßige
Aspekt des Karmas. Ein Mensch, der ganz für die
andern lebt, existiert gar nicht für sich, noch würde er seinem Ego erlauben,
sich mit Gedanken an Besitz aufzublähen. Mit einem völlig losgelösten Geist
lebt ein >Karma Yogi< vollständig getrennt von seinem erfahrungsmäßigen
Selbst. Wer nicht auf Tatenfrucht bedacht die pflichtgemäße Tat vollbringt, der ist ein Yogi. Bhagavad Gita Kurz, selbstlose Hingabe an
die Pflicht ist der Grundton zum Erfolg auf dem Pfad des Handelns. Im Erfüllen der Pflicht muß
man sich über die Sinnesgegenstände, die Sinne selbst, das Gemüt und den
verstandesmäßigen Willen erheben, damit das, was immer aus der Fülle unseres
Wesens heraus getan wird, ein unwillkürliches Handeln im Lichte des >Atman< ist und eine rechtschaffene
Tat, die es ermöglicht, Tätigsein im Untätigsein und Untätigsein im Tätigsein
zu sehen, und ein Ruhepunkt ist im ständig sich drehenden Lebensrad, das sich
bewegt und zugleich stille steht. Auf diese Weise führt beides, die >>richtig ausgeführte Handlung<<
und diejenige, der >>auf die
rechte Weise entsagt<< wurde, zum gleichen Ziel, denn es ist das richtige
Verstehen der Natur des Handelns, das den Yogi ausmacht. Dies sind also die
drei Hauptarten des Yoga, die entsprechend der Natur des Menschen erdacht und
gestaltet wurden. Jeder erhält den mystischen Ruf, der seiner Wesensart gemäß
ist. Zum nachdenklichen Philosophen, der mit Logik begabt ist, kommt er
als: >>Gib alles andere auf und
erkenne mich.<< Der mehr
gefühlsmäßig veranlagte spirituelle Aspirant erhält ihn als: >>Gib alles andere auf und verliere
dich in meiner Liebe<<; indes ein sehr praktischer und aktiver Mensch
hört: >>Gib alles andere auf und
diene mir.<< Wie bereits gesagt,
greifen diese drei Methoden ineinander über und lassen sich nicht völlig
trennen. Im wahren >Jnana< ist
sowohl etwas vom >Bhakta< wie
auch vom >Karma Yogi< zu finden; im wahren >Bhakta< ist etwa vom
>Jnani< und >Karma
Yogi<, und im wahren >Karma
Yogi< ist etwas vom >Jnani<
und und vom >Bhakta<. Die
vorherrschende Tendenz ist von Bedeutung und nicht das Ausschließliche. VIII.
Andere Yoga-Arten, die in der Bhagavad Gita erwähnt werden Außer den bekannten und
populären Yoga-Arten gibt Lord Krishna
noch ein paar weitere an, die sich auf verschiedene Weise voneinander
unterscheiden. Yoga der Meditation Dies ist der Yoga
zielbewußter Aufmerksamkeit gleich dem >Licht einer Lampe an einem
windstillen Ort<. Er ist für den Selbstbeherrschten, der hart kämpfen kann.
Den Geist stets auf den >atman< gerichtet, zieht sich der Mensch mit
Hilfe des vernunftbegabten Willens von der Zerstreutheit des Gemüts allmählich
zurück und erkennt sich als lebendige und selbstleuchtende Seele; von da an
geht er der Vervollkommnung entgegen. Zu diesem Zweck muß er sich aller anderen
Bestrebungen, Wünsche, Hoffnungen und Besitztümer ledig machen und sich an
einen einsamen Ort zurückziehen, um Kontrolle über Gemüt und Körper zu üben. Yoga der spirituellen Erfahrung Diese Erfahrung erhält man,
wenn man das dreidimensionale Ei der
>gunas<:
>satva<, >raja< und >tamas< durchbricht und das Physische
und Mentale übersteigt. Es erfolgt durch das Begreifen der wahren Natur der
Dinge, das heißt durch >vivek<
oder das Unterscheidungsvermögen. Sein Wert ist größer, als wenn sich einer
Riten und Ritualen, Opferhandlungen und Zeremoniell, dem Studium der Schriften
und Singen von Psalmen hingibt, oder Härten und Bußen auf sich nimmt, Almosen
gibt, barmherzige Werke tut, was alles notgedrungen auf der Sinnesebene
geschieht, mit ihr in Zusammenhang steht und was einen nicht darüber
hinausbringen kann. Yoga der Mystik Es ist eine Zufluchtnahme
zum Herrn, indem man sich ihm völlig unterwirft. Sie kommt dadurch, daß man
Gottes wahres Wesen erkennt, und durch die direkte Schau. Auf diese Weise
befreit man sich von den guten und üblen Auswirkungen seines Handelns, das man
ganz und gar zu den Lotosfüßen des Herrn niederlegt. Die Bhagavad Gita ist wahrhaftig ein Kompendium der Yogasysteme, die
zur Zeit ihrer Enthüllung vorherrschten, und benennt tatsächlich nicht weniger
als achtzehn von ihnen: >Vikhad Yoga< (Kap. I), >Sankhya Yoga< (Kap.II),
>Karma Yoga< (Kap.III),
>Gyan Karma Sanyas Yoga< (Kap. IV), >Karma Sanyas Yoga<
(Kap. V), >Atam Sanyam Yoga< oder >Dhyan Yoga< (Kap. VI), >Gyan
Vigyan Yoga< (Kap. VII), >Akshara
Brahman Yoga< (Kap. VIII), >Raja Vidya Raj Guhya Yoga< (Kap. IX), >Vibhuti Yoga< (Kap. X), >Vishva Rup Darshan< (Kap. XI.), >Bhakti Yoga< (Kap. XII), >Kshetra
Kehetragya Vibhag< (Kap. XIII),
>Gun Trai Vibhag Yoga< (Kap. XIV), >Purshottam Yoga< (Kap.
XV), >Devasura Sampad Vibhag Yoga< (Kap. XVI), >Shradha Trai Vibhag Yoga< (Kap. XVII) und >Makshar Sanyas Yoga< (Kap. XVIII). Aus obiger Analyse wird klar
ersichtlich, daß die Unterschiede, die zwischen den verschiedenen Aspekten der
Yogasysteme bestehen, eher in der Gewohnheit des menschlichen Geistes zu suchen
sind, indem dieselbe Sache auf verschiedene Weise gesehen wird, als in einer
tatsächlich bestehenden Andersartigkeit der einen oder anderen Methode. Es sind
lediglich verschiedene Spiegelungsflächen desselben Gegenstandes, und nicht
selten überschneidet eine die andere und greifen sie ineinander über. Und wenn man die Bhagavad Gita gründlich studiert und
liest, wie Lord Krishna über die
verschiedenen Yogas mit ihren variierenden Annäherungsarten an das Göttliche
spricht, erkennt man, daß die praktische esoterische Schulung, von der sie
begleitet sind, dieselbe ist. Als er Arjuna
in die mystische Wissenschaft einweihte, öffnete er sein >Divya Chakhu<, das dritte Auge, und
erst danach konnte dieser ihn in seiner Universalen Form oder >Vishva Roop< schauen (Kap. XI).
Zuletzt empfahl ihm der große königliche Yogi als Guru, alles andere zu lassen
und sich ihm völlig hinzugeben,
>Sarva Dharman parityajya mam ekam sharanam vraja< (Kap. XVIII).
Es fehlt in der Gita nicht an
weiteren Hinweisen auf den inneren Pfad. So erfahren wir in Kap. I, daß Lord
Krishna ganz zu Anfang das fünftönige Muschelhorn erklingen ließ. Doch da es
uns an einem Lehrer fehlt, der diese Wissenschaft selbst praktisch gemeistert
hat, neigen wir dazu, dies entweder auf rein verstandesmäßiger Ebene zu
diskutieren oder nur als rituellen Gesang zu betrachten, wodurch wir den
inneren Sinn verfehlen. Es soll erwähnt werden, daß
die dualistische Auffassung nicht nur die erste Stufe des >Bhakti Yoga<, sondern auch aller
anderen Yoga-Arten kennzeichnet. Sie beginnen damit, daß sie >jiva< (die Seele) von >Brahman<
unterscheiden; das eine ist unvollkommen, endlich und begrenzt, das andere
vollkommen, unendlich und unbegrenzt. Die Schöpfung selbst ist das Werk des
positiven und des negativen Prinzips:
>Sat< und >sato< in
der rein spirituellen Welt, >Purush
und >prakriti< in den höheren
Bereichen von >Brahmand<, >Brahma< und >shakti< im mittleren
>Brahmand<, >Kal<
und >maya< noch weiter unten
und >Jyoti< und >niranjan< am untersten Ende von >Brahmand<. Die Vereinigung dieser
Prinzipien bringt auf der jeweiligen Stufe die verschiedenen Formen zustande,
vom kleinsten Atom bis zum größten Universum. Der Begriff >Brahman< entstammt zwei Wurzeln,
nämlich >vireh<, was Wachstum
oder Ausdehnung bedeutet, und
>manan<, das soviel wie
>erkennen< heißt. Beim Schöpfungsvorgang spiegelt sich die Einheit in
Formen der Zweiheit und Vielheit wider, und der Rückweg läuft in umgekehrter
Richtung, nämlich von der Zweiheit und Vielheit zur Einheit. Doch solange der
Mensch im Körper bleibt, kann er nach der Lehre der Yogis nicht immer im
Zustand des >samadhi< sein, in
der Vereinigung mit >Adi Purush<
oder dem Ersten Wesen. Das Yogasystem glaubt daher an >videh mukti< oder die letzte Befreiung nach dem Tod. Der
höchste Himmel der Yogis ist
>Sahasrar<, die Region des tausenblättrigen Lotos, und der der
Yogishwars ist >Trikuti<, der
Mittelpunkt von >Brahmand<, der
Ursprung oder das Ei des
>Brahman<. Die meisten Propheten der Welt kommen aus dieser
Region, die gerade in der Mitte zwischen dem physischen und den rein
spirituellen Bereichen liegt, und beziehen sich teilweise auf das Jenseits,
indem sie nur von >Par Brahm< sprechen. Der Pfad der Heiligen und der
Meister reicht jedoch über diese Bereiche hinaus, denn sie sprechen
ausdrücklich von >Sat Lok<, der
Wohnstatt des Wahren Einen, der Region des reinen Geistes, und von Bereichen,
die selbst noch über diese hinausgehen, wie
>Alakh<, >Agam< und
>Anami<. IX.
Der Yoga in den Schriften Zoroasters Es mag von Interesse sein,
zu wissen, daß in den Gathas von Zoroaster ein fünffältiges System der
beseligenden Vereinigung mit >Ahura
Mazda< zu finden ist, das genau mit den Yogasystemen, die wir durchgegangen
sind, übereinstimmt (Jnana, Bhakti, Karma, Raja usw.). Wir zitieren aus Praktische Metaphysik der Zoroaster-Anhänger
von Mr. Minochehr Hormusji Toot, einem
führenden Gelehrten dieses Systems: 1)
Gatha Ahura Vaiti – der Pfad des göttlichen
Wissens: Schaue nach innen mit dem
durchdringenden erleuchteten Geist und suche die Wahrheit für dein persönliches
Selbst, um das niedrige Selbst und das grobe physische, selbstsüchtige Ego >akeen< durch die Entwickulung des
besseren und höheren Selbst
>vahyo< zu überwältigen, um schließlich das beste Absolute Wesen
(Vahisht Ahura) und das höchste Selbst von
>Ahura Mazda< oder der
letzten Wirklichkeit des Universums
>Asha Vahishta< zu erkennen.
Die Polarität des >Höheren und Niederen<, der
ursprünglichen spirituellen Feinheit (Subtilität) und der gröbsten Tätigkeit,
wird durch die beiden spirituellen Kräfte der Entfaltung (spento) und der
Beschränkung (angoo) geschaffen, die
>Mazda< hervorbringt. Sowohl das Leben wie auch die Materie, die
durch die harmonische Vereinigung dieser beiden Geisteskräfte erzeugt wurden,
entwickeln sich durch ihre Gegenaktivität zur Vollkommenheit. Dies ist der
metaphysische Pfad des spirituellen Wissens der >Ahura Vaiti Gatha<. (siehe unter
>Jnana Yoga) 2)
Gatha Ushta Vaiti – der Pfad der Liebe und
Hingabe: Der Pfad >Armaiti< der göttlichen Liebe und
Hingabe wird durch beharrliches Festhalten an dem wahrhaftigen geliebten
Meister Ratu Zarathustra erreicht.
Wenn man den geliebten Meister betrachtet, der mit dem Allesdurchdringenden
verbunden ist, der Unendlichen Wirklichkeit, dem Alles-in-Allem, dem Alpha und
Omega – dann bleibt der Ergebene unberührt von den weltlichen Bindungen und
erwirbt göttliche, welche nach dem Schöpfer
>Ahura Mazda< die beseligende Verbindung mit der
Allesdurchdringenden Wirklichkeit sucht. So erklärt Ratu Zoroaster in dieser Gatha: Somit enthülle ich das Wort, das mich der Allgegenwärtige gelehrt hat;
das Wort, dem die Sterblichen am
meisten lauschen sollten. Wer auch immer mir Gehorsam leistet und unerschütterliche
Aufmerksamkeit zeigt, wird das Allumfassende Vollkommene Sein und
Unsterblichkeit erlangen; und durch den Dienst des heiligen göttlichen Geistes
wird er >Ahura Mazda<
verwirklichen. Ha. 45-8 (Siehe
>Bhakti Yoga) 3)
Gatha Spenta Mainyu – der Pfad des selbstlosen
Dienstes: Selbstloser Dienst wird
geleistet für Förderung, Wachstum und Wohlwollen des gesamten Universums mit
all seinen lebenden Wesen. Das Wissen um die Einheit
ist das beste für die Menschen von Anbeginn an; möge dem Universum selbstloser
Dienst geleistet werden; denn dieses Universum muß für unsere Veredlung
gedeihen. Ha. 8-5 Wir müssen das endliche
Selbst, das Ego oder die Individualität, auf dem Altar wohlwollenden,
menschenfreundlichen Dienstes für das gesamte Universum opfern, damit wir die
unendliche Schau der Einheit allen Lebens und der Immanenz der alles
durchdringenden Wirklichkeit erlangen durch die Verehrung von >Ahura Mazda<, dem Schöpfer, dem
Ursprung und Ziel von allem. Diese Gatha
endet mit dem seelenbewegenden Lebensgrundsatz: Das Erhabenste, das Willen und Wollen veredelt, ist das rechtschaffene
Dienen, das der Schöpfer des individualisierten Seins mit dem erleuchteten
höheren Geist krönt. (siehe
>Karma Yoga) 4)
Gatha Vahu - >Kshetra< oder der
Pfad der Selbstbeherrschung: Wenn man die niederen
mentalen Neigungen und den niederen Hang der physischen Natur beherrscht, wenn
die Willenskraft veredelt wird und man danach verlangt, mit dem göttlichen
Reich und dem alles durchdringenden
>Ahura Mazda< vereint zu werden, dann erlangt man mit ruhigem und
gelassenem Gemüt die Selbstbeherrschung. Die heilige Selbstbeherrschung ist die hilfsreichste und eine absolute Macht. Durch selbstprüfendes, verehrungsvolles Dienen wird sie innerlich durch die alles durchdringende Wirklichkeit hervorgebracht. O Mazda ! Laß uns nun das Beste erreichen. Ha.
51-1 (siehe >Raja Yoga<) 5)
Als
nächstes haben wir die Gatha von
>Vahishto Ishtish<, die sich mit dem Pfad der Selbstveredlung
befaßt. Er besteht in der physischen, mentalen und spirituellen Schulung, wobei
man die höheren und edleren Eigenschaften von Kopf und Herz kultiviert und
versucht, das eigene wahre Selbst im Hinblick auf das höhere Selbst von >Ahura Mazda< zu erkennen und indem
man das begrenzte Selbst und das bedingte Sein
>Ahura Mazda< weiht. Das Erdenleben ist ein
großes Opfer, >Yajna (yagna) – das
freiwillige Opfer seiner selbst für das Wohlergehen seiner Mitgeschöpfe. Es ist die Selbstveredlung,
in der alle menschlichen Bemühungen schließlich enden, und es ist tatsächlich
das Ziel, dem alle Wege, wie oben beschrieben, zustreben. Ohne wirkliches
Wissen über die beiden Geisteskräfte, die höhere und die niedere, und ohne die
liebevolle Hingabe des Strebenden an die große Sache und den selbstlosen Dienst
kann man das sich selbst behauptende Ich im Innern nicht bemeistern und sich
dadurch nicht über das Körperbewußtsein erheben, um sich so für den
spirituellen Pfad, der vor einem liegt, bereit zu machen. In der Philosophie des
Zoroaster bilden die beiden Prinzipien, die
>höheren und die niederen spirituellen Kräfte<, das fundamentale
Gesetz des relativen Seins, das sich im Universum offenbart. Diese Polarität ist für die
Evolution des Lebens von den gröbsten niederen bis zu den feineren und höheren
Stufen der Spiritualität wesentlich, bis dorthin, wo man das unendliche Gute
und höchste Wohlwollen des Absoluten Wesens, das über ihnen liegt, verwirklicht
hat. Ohne diese Polarität des Höheren und des Niederen kann das Erhabenste des
Absoluten Jenseits niemals verwirklicht und das unpersönliche Höchste Wesen
nicht begriffen werden. In der Tat, für uns selbst gilt als das Höchste von allem, der Selbststrahlende möge Selbsterleuchtung verleihen, auf daß du dich, o allwissender
>Mazda<, offenbarst durch deinen großmütigen Geist und du gewähren mögest die wonnevolle Weisheit des heiligen Geistes durch die alles durchdringende Wirklichkeit. Gatha Ushtavaiti Im Venidad versichert uns der höchste
>Ahura Mazda<: In der Tat werde ich den beiden gegensätzlichen Geistformen nicht
gestatten, sich im Wettkampf gegen den
Übermenschen zu stellen, der zum höchsten
Absoluten Sein vordringt. Die Sterne, Sonne und Mond, o Zarathustra, rühmen einen solchen
Menschen. Ich rühme ihn, ich, der Schöpfer
>Ahura Mazda<, das Heil der Seligkeit sei dir, o Übermensch! Der
du vom Vergänglichen zum Unvergänglichen gelangtest. X.
Yoga und die äußeren Wissenschaften Nachdem wir uns bis zu einem
gewissen Grade mit den verschiedenen Yoga-Methoden befaßt haben, wollen wir uns
zum Abschluß der Warnung Shankaras erinnern: Der dreifältige Weg: der Weg
der Welt, der Weg der Wünsche und der Weg der Schriften – ist weit davon
entfernt, das Wissen um die Wirklichkeit zu vermitteln, sondern hält einen
immerfort im Gefängnis des Universums gebunden. Befreiung ist nur möglich, wenn
man sich selbst von diesen eisernen Ketten löst. Die Freiheit kann nur
erlangt werden, wenn man die Identität des menschlichen Geistes mit dem
Universalen Geist erkennt. Man kann sie weder durch Yoga noch durch Sankhya,
auch nicht durch religiöse Zeremonien oder bloße Gelehrsamkeit erreichen. Um Shankaras Botschaft, daß wahres Wissen eine Sache direkter
Wahrnehmung und nicht bloßes Zeremoniell, Ritual oder Schlußfolgerung ist,
zeitgemäß zu ergänzen, wollen wir hinzufügen, daß es auch nicht durch äußere
Wissenschaften zu erwerben ist. Die Entdeckungen der neuzeitlichen
Naturwissenschaften sind tatsächlich großartig und haben viele Auffassungen über
die Natur des Kosmos und des Daseins bestätigt, die in den Yogasystemen
enthalten sind. Sie haben unstrittig festgestellt, daß im Universum alles
relativ ist und daß alle Formen im Grunde durch die Wechselwirkung der
positiven und negativen Kräfte ins Dasein gebracht wurden. Diese Entdeckungen
haben jedoch manche zu der Annahme verleitet, daß uns die Naturwissenschaften
zu derselben Erkenntnis führen können und werden, welche die Yogis in der
Vergangenheit durch Yoga zu erlangen suchten – kurz, daß die Wissenschaften den
Yoga ersetzen und ihn belanglos machen werden. Ein Blinder kann, auch wenn
er nicht sieht, die Hitze und Wärme der Sonne spüren. Das Bewußtwerden einer
Erscheinung, die er nicht direkt wahrnimmt, kann ihn dahin bringen, eine Reihe
von Experimenten zu ersinnen und auszuführen, um durch sie ihre Natur kennenzulernen.
Diese Experimente können ihm eine Menge wertvolle Daten einbringen. Er vermag
den Lauf der Sonne, ihren jahreszeitlichen Wechsel und die variierende Stärke
ihrer Strahlung womöglich genauer festzustellen als der Durchschnittsmensch.
Aber kann all das Wissen, das er gesammelt hat, ein Ersatz dafür sein, die
Sonne für einen einzigen Augenblick mit eigenen Augen zu sehen? Was für den Blinden und den
Menschen mit normaler Sicht gilt, gilt auch für den Wissenschaftler und den
Yogi. Die Naturwissenschaften mögen uns eine Menge wertvollen indirekten
Wissens über das Universum und seine Natur liefern, aber dieses Wissen kann niemals
die Stelle der direkten Wahrnehmung und Erkenntnis einnehmen; denn genau wie
das gefolgerte Wissen des Blinden nicht das Hauptattribut der Sonne, das Licht,
erreichen kann, so ist es auch dem Wissenschaftler in seinem Laboratorium nicht
möglich, an das Hauptattribut der kosmischen Energie, die Bewußtheit, heranzukommen.
Er mag viel über das Universum wissen, aber sein Wissen kann niemals zur
universalen Bewußtheit führen.
Diese Bewußtheit kann einzig
durch die innere Wissenschaft, die Wissenschaft des Yoga, erlangt werden, die,
indem sie das innere Auge öffnet, uns der kosmischen Wirklichkeit
gegenüberstellt.Der, dessen inneres Auge geöffnet ist, braucht nicht länger auf
Schriften, auf Erklärungen seines Lehrers oder auf bloße philosophische oder
wissenschaftliche Folgerungen zu bauen. Er kann Gott selbst sehen, und das
übertrifft alle Beweise. Er kann mit Christus
sagen: >>Sehet den Herrn!<<, oder mit Guru Nanak: >>Den Herrn von Nanak sieht man überall<<,
und mit Shri Ramakrishna: >>Ich
sehe ihn genau wie ich dich sehe, nur viel intensiver<< (auf die Frage
von Naren, dem späteren Vivikananda, bei seinem ersten Besuch: >>Meister,
habt Ihr Gott gesehen?<) 4. Kapitel DER ADVAITISMUS Yoga ist genauso zeitlos
wie >Brahman< selbst. Da dem
Menschen mit jedem neuen Zyklus das Allesdurchdringende ins Bewußtsein gelangt,
sucht er Mittel und Wege zu finden, um es zu verwirklichen. Wie uns überliefert
ist, war es Hiranyagarbha, der als
erster Yoga oder den göttlichen Weg lehrte; jedoch haben ihn erst seine
Nachfolger Gaudapapa und Patanjali zu einem regulären System
entwickelt. Wie wir aus den vorangegangenen Kapiteln schon ersehen konnten,
beginnt jeder echte Yoga mit der dualistischen Ansicht, endet aber in einer
nicht-dualistischen. Es ist daher keineswegs überraschend, daß viele Schüler
der inneren Wissenschaft durch dieses Paradoxon verwirrt wurden. Und im
Verlaufe der Zeit war diese Verwirrung die Ursache von Streitfragen, und nicht
selten wurden Halbwahrheiten irrtümlicherweise für die volle Wahrheit genommen.
Es war in einer solchen Zeit, als Shankara, das Wunder von Südindien, seine
Stimme erhob und die wahre Philosophie des Advaitismus predigte. Er war mit erstaunlichen
Kräften des Verstandes, der Logik und Einsicht begabt, und nur wenige sind zu
der Tiefe, Feinheit und Folgerichtigkeit einer Schau gelangt, wie es sie
Shankara in seinen Schriften erkennen läßt. Er untersuchte alle großen Schriften,
wie sie aus der Vergangenheit überliefert waren, legte eindeutig ihren Sinn dar
und wies die Gleichheit ihres Inhalts nach. Er zeigte auf, daß es nur eine
Wirklichkeit gibt, die in ihrer letztgültigen Analyse keine Zweiheit oder
Vielheit gelten lassen kann. Zwar möge die individuelle
Seele (jiva) als von >Brahman<
getrennt beginnen, aber wenn sie zur vollen Erkenntnis gelangt sei, wisse sie
um ihre Einheit mit dem Absoluten Allesdurchdringenden. Ausgerüstet mit
hellsichtiger Verstandeskraft, reinigte er das indische Denken von allen
scheinbaren Widersprüchen, die seine freie Entfaltung hemmten. Hier wollen wir nun einige
grundlegende Begriffe untersuchen, die er gelehrt hat: Das
Selbst ist die Grundlage des bewußten Lebens Er betrachtete das auf
Erfahrungstatsachen beruhende Leben des individuellen Bewußtseins nur als einen
Wachtraum, und wie jeden anderen Traum – als unwirklich. Diese Unwirklichkeit
kommt ans Licht, wenn man vom begrenzten Bewußtsein zum kosmischen Bewußtsein
gelangt oder über die relative Natur des physischen Bewußtseins nachdenkt, die
sich vom Wachsein (jagrat) zum Traum (swapan) und vom Traum zur Traumlosigkeit
(sushupti) verändert. Wenn schon die Erfahrung relativen Charakters ist, worin
liegt dann ihre Realität? Die Antwort, die von Shankara gegeben wurde, ist, daß
man sie im denkenden Gemüt zu suchen hat, das wiederum nur das Licht des >atman<, des ewigen Selbst, des
Unwandelbaren und Absoluten, des wahren Zeugen (sakshi), wiederspiegelt. Das Prinzip der Kausalität
ist eine Bedingtheit des Erkennens. Die Dinge scheinen wirklich zu sein,
solange wir innerhalb der Grenzen von Ursache und Wirkung operieren. Aber in
dem Augenblick, wo wir uns über diese Begrenzungen erheben, lösen sie sich in
nichts auf. Der wahren Natur der Wirklichkeit nach gibt es keinen Raum für eine
Ursächlichkeit, weil kausale Deutungen immer unvollständig sind und letzten
Endes zu nichts führen. Die Dinge erscheinen vorübergehend wie Blasen oder
Wellengekräusel auf der Oberfläche des Wassers und lösen sich im nächsten
Moment wieder darin auf, so daß nichts mehr von ihnen zu sehen ist. Das Wasser
allein verbleibt als die wirkliche Substanz der ganzen Erscheinung. Auf genau
dieselbe Weise umfaßt und übersteigt das Wirkliche alle Erscheinungsformen und
ist frei von jeder Beziehung zu Raum, Zeit und Kausalität. Die ganze Welt lebt
in des Menschen Geist, und nur die Bewegung des bewußten Geistes unterscheidet
zwischen der Wahrnehmung, dem Wahrnehmenden und dem Wahrgenommenen – eine
Unterscheidung, die es in Wirklichkeit nicht gibt, da alles ein Teil vom
gewaltigen Meer der Einheit ist. Dieser Zustand kennt keine Unterschiede
zwischen dem Erkennenden, dem Erkannten und der Erkenntnis, was alles nur
relative Begriffe ohne jede Endgültigkeit sind. Ähnlich sind die drei Zustände
menschlicher Erfahrung: Wachen, Träumen und Traumlosigkeit unwirklich, denn
keiner von ihnen ist von langer Dauer, und jeder gibt abwechselnd dem anderen
Raum, da sich das Gemüt von einem Zustand zum anderen bewegt. Jeder hat einen
Anfang und ein Ende und existiert nur so lange, wie der andere ausbleibt. Der
Begriff >Relativität< läßt in sich ein Entgegengesetztes zu, die >Realität<, und jenseits dieser drei
Zustände liegt >Atman< als
Grundlage von allem, (sakshi) oder der
reine Zeuge, der allein ist und beständig hinter dem sich ewig wandelnden
Panorama des Lebens verbleibt, der ewig Ungeborene, immer Wache, der Traumlose
und Selbstleuchtende, der durch sein bloßes Wesen reine Erkenntnis ist, zum
Unterschied von der Nichterkenntnis des Schlafzustandes. Die
Natur der Schöpfung Die Schöpfung an sich
besteht nicht aus sich selbst heraus. Das Tatsächliche und das Wirkliche sind
immer dasselbe und nicht der Veränderung unterworfen. Das Unbedingte kann nicht
bedingt sein, so wie das Unendliche nicht begrenzt sein kann. Alles, was
besteht, ist >Brahman<, und es
gibt nichts, das von der absoluten Einheit getrennt sein könnte. Sie spiegelt
sich in mannigfaltigen Formen wider, die ein Ausdruck ihrer Kraft sind. Wenn
wir sie auch in Begriffen der Vielheit oder der Zweiheit und Begrenzung
wahrnehmen, so heißt das nicht, daß diese Eigenschaften auch dem Absoluten
anhaften; vielmehr daß unsere eigene Wahrnehmung durch das enge menschliche
Alltagsbewußtsein begrenzt ist. Wer von
>avidya< zu >vidya<,
vom Nichtwissen zum Wissen gelangt ist, erkennt die Welt des Relativen als eine
einzige Täuschung oder >maya< und sieht das Absolute in allem; so wie
jemand, der die wahre Natur des Eises erkennt, dieses nur als eine andere Form
des Wassers sieht. Die Kraft des Absoluten, die gewöhnlich als >Ishvar< bekannt ist und der Schöpfer
genannt wird, ist die Grundursache allen Bewußtseins. Die Welt der Vielheit oder
der Zweiheit ist lediglich >maya<
(ein Werkzeug, um die Dinge auf der Verstandesebene zu bemessen), wohingegen
der wahre Eine nicht zweifach und darum ohne Maß und zugleich unmeßbar ist. Um
das bekannte Gleichnis zu gebrauchen: >> Die Vielheit liegt im >Atman< wie die Schlange im Seil oder
der Geist im Baumstumpf.<< Wie ein erfahrungsmäßiges Erlebnis weder mit
dem >Atman< identisch noch aber
getrennt und unabhängig von ihm ist, so ist auch die Welt weder eins mit
dem >Atman< noch verschieden von
ihm. Es gibt nur einen >Atman<, der allumfassend ist,
unbedingt und grenzenlos wie der Raum; aber wenn er durch Gemüt und Materie
bedingt ist, gleicht er dem >ghat
akash< oder dem Raum, der in einem Krug eingefangen ist. Er wird jedoch eins
mit dem universalen Raum, sobald der Krug bricht. Alle Unterschiede bestehen
nur dem Namen, dem Fassungsvermögen und der Form nach. >Jiva< und >Atman< sind ein und desselben Wesens.
Kabir sagt in diesem Zusammenhang, daß der Geist ein wesensmäßiger Teil
von >ram< oder der alles
durchdringenden Kraft Gottes ist. Die Moslem-Heiligen
beschreiben es (rooh) als
>Amar-i-Rabbi< oder den Befehl (den Willen) Gottes. Während
der >Jiva< durch das begrenzende
physische, mentale und kausale Beiwerk bedingt und beschränkt ist, ist der >Atman< oder entkörperte >Jiva< von all diesen beschränkenden
Dingen frei und somit grenzenlos und unbedingt. Das
Selbst oder der Atman Die Grundlage der Wahrheit
liegt in der Selbstgewißheit. Das Selbst geht allem anderen in der Welt voran.
Es kommt sogar noch vor dem Bewußtseinsstrom und allen Begriffen von der
Wahrheit und Unwahrheit, Wirklichkeit und Unwirklichkeit und allen physischen,
moralischen und metaphysischen Betrachtungen. Bewußtheit, Weisheit und Verstand
setzen eine Art Energie voraus, die als
>Selbst< bekannt ist und der sie dienstbar sind; und in
Wirklichkeit gehen sie von ihr aus. Alle physischen und mentalen Fähigkeiten,
ja selbst die Lebensenergien und die erfahrungsmäßigen Erlebnisse erscheinen im
Licht des strahlenden Selbst, des selbstleuchtenden >Atman<. Alle haben sie den Zweck und ein Ziel, das weit
tiefer liegt als sie selbst und welches das Sprungbrett für jede Art von
Tätigkeit ist, sei es physisch, mental oder übersinnlich. Ihnen allen fehlt
jedoch das Begreifen der wirklichen Natur des Selbst, weil sie sich selber in
einem Zustand beständiger Veränderung befinden. Da das Selbst die Grundlage
aller Beweise ist und also vor dem
Beweis besteht, kann es nicht bewiesen werden. Wie soll das Erkennende erkannt
werden und durch wen? Es ist tatsächlich die wesentliche Natur eines jeden,
auch die des Atheisten. Dieses Selbst ist ewig, unveränderlich, vollkommen und
vollendet und seinem Wesen nach immer und zu allen Zeiten, unter allen
Bedingungen und in jedem Zustand dasselbe. Das
Wesen des Selbst Obwohl uns bekannt ist, daß
es das Selbst gibt, wissen wir doch nicht, was es ist; denn selbst das Erkennen
kommt durch das Selbst und aufgrund des Selbst zustande. Die wahre Natur des
Selbst kann jedoch nur durch das Selbst selber begriffen werden, wenn es aller
Hüllen – Sinne, Gemüt, und Verstand und Wille, die es umgeben und in die es
gekleidet ist, entledigt wird. Was dann übrigbleibt, wird unterschiedlich als
>>nicht differenziertes Bewußtsein<<, das >>immerwährende Wissen<< oder als >>reine Bewußtheit<< beschrieben
und wird durch das Licht der großen Leere gekennzeichnet. Es ist das höchste
Prinzip, dessen wesentliche Natur das Strahlen aus sich selbst ist. Es ist
unendlich, transzendental und die Essenz des absoluten Wissens. Es hat drei
Attribute: >Sat<, >Chit< und >Anand<, das heißt reines Sein, reine Erkenntnis und reine
Glückseligkeit. Da das Selbst oder der
>Atman< vollkommen und vollendet in sich selbst und durch sich
selbst ist, hat es keine Eigentätigkeit, bedarf ihrer auch nicht und braucht
somit auch keine Vermittlung dafür. Alles durchdringend und selbst-existent,
kennt es weder Grenzen noch Beweggründe. Individuelle
Erkenntnis und Bewußtheit Wenn auch die letzte
Wirklichkeit der nicht-dualistische Geist ist, so setzt bestimmtes Erkennen und
erfahrungsmäßiges Erleben dennoch die Existenz von 1. Dem Erkennenden oder dem Subjekt voraus, das getrennt vom inneren
Organ erkennt, das hinter den Sinnen und dem wahrgenommenen Objekt liegt. Das erkennende Gemüt ist nur
ein reflektierender Spiegel, der den Glanz des
>Atman< widerstrahlt, in dem die Erkenntnis zustande kommt. 2. Den Prozeß des Erkennens, wie er durch
die Veränderungen im inneren Organ bestimmt wird: die >vritis< oder Wellenbewegungen, die das Gekräusel und die
Blasen im Bewußtseinsstrom verursachen. Diese
>vritis< sind vierfacher Art: das Unbestimmte (>manas, der
Gemütsstoff), das Bestimmte (>buddhi< oder der intelligente Wille), der
Ichsinn (>ahankar< das sich selbst behauptete Ego) und das Unterbewußte
(>chit< oder die tiefverborgenen Kräfte). 3. Das durch das Licht des
>Atman< erkannte Objekt, wie es durch das innere Organ (>antahkaran<) reflektiert wird. Die
Erkenntnis und ihre Quellen Es gibt zweierlei Art von
Erkenntnis: die letzte und endgültige und die erfahrungsmäßige oder relative. In seiner letzten
Wirklichkeit ist das Erkennen ein Seinszustand, der niemals erst wird oder sich
bilden muß. Er besteht bereits und wird durch das Licht des >Atman< enthüllt, das sowohl das
wahrnehmende Subjekt wie auch das wahrgenommene Objekt übersteigt und außer dem
es nichts gibt. >Wahres Erkennen< ist
eine reine Tätigkeit der Seele, vollkommen in sich und unabhängig von den
Sinnen und den Sinnesorganen. >>Ein alles erkennender Geist<<, sagt
Professor J.M. Murray, << >>umfaßt die Gesamtheit des Seins
unter dem Aspekt der Ewigkeit. So wir Zugang in die Welt des Seins erlangen,
ist uns vollkommene Einsicht gegeben<<. Nach Shankara ist >>die höchste Erkenntnis der
unmittelbare Zugang der Wirklichkeit<<, denn dann werden das Erkennende
und das Erkannte wirklich eins. Aber das wirkliche Selbst, die reine
Bewußtheit, kann nicht Gegenstand des Erkennens sein. Das erfahrungsmäßige Wissen
um die äußere Welt gleicht dem Wissen eines Tieres. Es ist von den Sinnen und
den Sinnesorganen abgeleitet und darauf begründet und nimmt als solches
Gestalten und Formen an, die alle durch das Fehlen wahren Wissens auffallen.
Aber nichts wird wirklich, solange es nicht erfahren ist. Auch ein Sprichwort
ist kein Sprichwort, solange es nicht im wirklichen Leben und in der Praxis
veranschaulicht wird. Alles erfahrungsmäßige
Wissen tritt entweder durch eigene Wahrnehmung oder durch schriftliches Zeugnis
zutage. Die menschliche Wahrnehmung ist niemals als wirklich, vollkommen und
fehlerfrei angesehen worden. Man kann in einem Seil eine Schlange und in einem
Baumstumpf einen Geist sehen; und für gewöhnlich sind die Dinge nicht das, was
sie zu sein scheinen. Die Farben der Dinge, die wir sehen, sind nicht von ihnen
absorbiert oder aufgenommen, sondern werden zurück und nach außen geworfen. Das
Rot der Rose ist nicht Teil dieser Blume, sondern etwas ihr Fremdes. Wiederum
sind Folgerungen und schriftliche Zeugnisse durchaus nicht unfehlbar. Die
Quelle der Schlußfolgerung ist eine frühe Erfahrung, die in sich selbst fehlbar
ist, auch wenn sie es nicht wäre, braucht eine neue und andere Situation nicht
unbedingt die gleiche Erkenntnis hervorrufen wie die, die man in der
Vergangenheit gemacht hat. So ist es auch der Fall mit der Intuition, die die
Gesamtsumme aller unserer Erfahrungen im Unterbewußtsein ist. Eine Rauchwolke
auf der Spitze eines entfernten Berges mag an ein Feuer denken lassen, aber es
kann auch Nebel sein. Auf ähnliche Weise kann auch ein schriftliches Zeugnis,
obschon als unfehlbar und sichere Wissensquelle angenommen, nicht immer als
solche behandelt werden. Die Veden,
die das göttliche Wissen bilden, erscheinen und schwinden mit dem Beginn und
dem Ende eines jeden Zeitzyklus. Sie werden für eine unerschöpfliche Fundgrube
universalen und vollendeten Wissens gehalten. Aber der Begriff >Wissen< deutet auf eine Aufzeichnung
spiritueller Erfahrungen hin, die auf den übersinnlichen Ebenen gemacht worden
sind. Im Augenblick, wo die so
gewonnenen Erfahrungen in die menschliche Sprache gebracht und schriftlich
niedergelegt werden, erlangen sie Form und System, und in dem Moment, wo sie
diese angenommen haben, verlieren sie ihre Frische und ihr Leben, ihre
Eigenheit und ihr grenzenloses Sein. Was nicht beschränkt und definiert werden
kann, wird als etwas Bestimmtes und Begrenztes behandelt, und somit neigen die
Schriften dazu, statt lebendiges Wissen zu geben, die Menschen davon
abzulenken, indem sie lediglich abstrakte Begriffe darbieten. Sie können
bestenfalls nur auf die Wahrheit hinweisen, aber sie können sie niemals geben.
Die Begriffe des Universalen, wie sie darin enthalten sind, bleiben bloße
Begriffe, denn sie können weder empfangen noch gefolgert oder korrekt
vermittelt werden. Sie erhalten erst dann ihre Bedeutung, wenn man lernt, sich
über die Sinnesebene zu erheben, und so die Wahrheit selbst erfährt. Aus obigem kommt man
unvermeidlich zu dem Schluß, daß
>Sehe< oder direkte und unmittelbare Wahrnehmung über allen
Beweisen und Zeugnissen steht. Es ist ein Sehen im reinen Licht des >Atman<, das auch nicht den geringsten
Schatten einer noch anderen Beziehung aufweist. Es ist nichts als direkte,
wesenseigene Erfahrung der Seele.
>Shruti< oder die offenbarte Schrift ist ohne die innere
Ersthand-Erfahrung wie ein Ton ohne Bedeutung. Alle Gedankenflüge,
Vorstellungen, Phantasien und alles erfahrungsmäßige Wissen sind unzulänglich
und können der Wahrheit oder der letzten Wirklichkeit nicht gerecht werden.
>Anubhava< ist wahrlich das wirkliche und vollkommene Wissen, das Wissen
über das Absolute. Es ist die sich selbst bestätigende Erfahrung der Seele, die
zugleich für die von den Weisen in den
>Shrutis< niedergelegten spirituellen Erfahrungen Zeugnis ablegt. Das
Wesen von Brahman Die bloße Idee einer >Begrenztheit< zeigt die Existenz
eines unbegrenzten an, so wie das Wort
>unwirklich< etwas Wirkliches einschließt - die Grundlage aller
Intelligenz und Vorstellungskraft. Auch haben wir das
überragende Zeugnis der Schriften, die von der religiösen Erfahrung der >Seher< aller Zeiten und Länder
sprechen. Das Wesen von >Brahman< kann nicht in Worte gefaßt
werden. Es ist die Grundlage von allem, was existiert. Es breitet sich überall
aus und ist dennoch nirgends an etwas Bestimmtes gebunden. Es ist eine paradoxe
Erscheinung von Sein und Nichtsein zugleich. Man kann dieses Problem auf
zweierlei Weise betrachten: auf eine positive und eine negative. Zum einen ist
Gott der unbegreifliche Absolute, zum anderen der Erschaffende und Wirkende,
die erste Ursache alles Seienden: der Logos oder der heilige Geist,
>Kalma< oder
>Bang-i-Qadim<,
>Nad< oder
>udgit<, >Naam<
oder >Shabd<. Die letztgenannten Begriffe
weisen auf das Lebensprinzip hin, auf das
>Wort< oder die Gotteskraft, die allem innewohnt und in allem
vibriert, vom Höchsten bis zum Untersten im Universum. Es ist die wesentliche
wie auch die wirkende Ursache der Welt. Es ist das Prinzip der Wahrheit und des
Gottesgeistes (der waltende Gott – Ekankar).
Von dieser Gotteskraft sagt uns das Evangelium: >>Das Licht erscheint in der
Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen.<< Diese Kraft >Brahmans< (Ishvar) oder der Gottheit
ist der Mittler zwischen
>Brahman< und dem Universum und hat an der Natur beider Anteil.
Ihre Einheit wird jedoch durch den Selbstausdruck in der Vielheit (Eko aham
bahusiam) nicht berührt. Beide existieren als Wirklichkeit und Erscheinung, und
der Unterschied entsteht nur durch die begrenzte Einsicht des Menschen.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Die höchste Wirklichkeit ist die Grundlage
der Welt, wie wir sie kennen, von ihr sprechen und sie sehen. Die Vielheit oder
Mannigfaltigkeit in der Einheit ist eine Folge irriger Beurteilung. Die Welt
ist zwar unwirklich, aber keine subjektive Täuschung. Das Absolute ist in der
Welt, aber die Welt ist nicht im Absoluten; denn ein Schatten kann nicht den
Platz der Wirklichkeit einnehmen. Etwas, das auf dem Wirklichen fußt, kann
nicht selbst das Wirkliche sein. Die Welt ist nur die äußere Erscheinung der Wahrheit,
aber nicht die wesentliche Wahrheit der einen Wirklichkeit oder der
zentripetalen Kraft im Kern ihres Wesens. Das individuelle Selbst ist
eine Verflechtung von Neigungen und Abneigungen, Bevorzugungen und Vorurteilen,
Absichten und Plänen, Erinnerungen und Assoziationen. Die bedingte individuelle
Seele (jiva) ist ihrem Wesen nach der unbedingte >Atman<. Dieses erfahrungsmäßige Selbst oder der
individuelle Verstand ist durch Unkenntnis über seine wirkliche Natur der aktiv
Handelnde, der, welcher sich freut und leidet im reinen Licht des >Atman<, von dem er weder Wissen noch
Erfahrung hat. Im physischen Körper, der aus fünf Elementen (Äther, Luft,
Feuer, Wasser, Erde) zusammengesetzt ist, befindet sich der feinstoffliche
Körper, der siebzehn Grundbestandteile hat (fünf Wahrnehmungsorgane: Auge, Ohr,
Nase, Zunge und Haut; fünf Tätigkeitsorgane: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack
und äußeres Fühlen; fünf Lebensenergien sowie
>manas< und
>buddhi<) und in ihm eingeschlossen ist wie auch der Kausal- oder
Ursachenkörper. Das begrenzte Selbst folgt dem unerbittlichen karmischen
Gesetz, indem es auf dem gewaltigen Lebensrad von einem Körper zum anderen
wandert. Dieses begrenzende Beiwerk –
das physische, mentale und kausale – bringt den >Atman< auf die Ebene des
>jiva< (individuelles Bewußtsein) herunter und bestimmt sein
Schicksal, indem er in den endlosen Kreislauf hineingezogen wird. Im Innersten
des >jiva< ist das bezeugende
Selbst, das lediglich auf den gesamten Schauplatz niederblickt und sein Licht
darüber verbreitet, welches das Ego, das Gemüt, die Sinne und die
Sinnergegenstände beleuchtet und dennoch weiterhin in seinem eigenen Glanz
erstrahlt, auch wenn der Schauplatz wieder geräumt ist. Letzterer ist einem
silbernen Bildschirm vergleichbar, auf dem allein sich diese ganze Schau
abspielt. Diese Stufe zu erlangen, auf
der der >Atman< weiß, was seine
Bestimmung ist, und erkennt, daß er und >Brahman< eins sind, ist das Ziel
des Advaitismus. Dieser Zustand
besteht in der direkten Erfahrung, und wie Shankara
deutlich klargemacht hat, kann er nicht durch bloßen Vernunftschluß, Lesen von
Schriften oder durch Vollziehen von Ritualen erreicht werden. Er kann nur
zustande kommen, wenn man Yoga übt. Es ist wesentlich, sich zu
vergegenwärtigen, daß der Advaitismus
an sich kein Yoga ist, sondern strenggenommen die Philosophie des Yoga in ihrem
Feinsten und Tiefsten darstellt. Wie Shankara selbst
erklärte, sprach er von nichts Neuem. Er befaßte sich lediglich mit der
Aufgabe, das, was in den Upanishaden
und der Gita bereits zum Ausdruck
gebracht war, neu zu formulieren. Mit einem außergewöhnlichen
Verstand und einem verblüffenden Sinn für Logik begabt, ging er daran, die in
den Shrutis enthaltenen Einsichten
(Erkenntnisse) in zusammenhängender und systematischer Form von neuem zu
erklären, die Einsichten, die in der Folgezeit durcheinandergebracht wurden und
zu viel unnötigem Wortstreit geführt haben. Er hat ein für allemal nachgewiesen,
daß jeder Versuch einer Beschreibung von
>Brahman<, der es versäumt, von einer nicht vielfältigen und
nicht-dualistischen Wirklichkeit auszugehen, seiner Natur nach unlogisch sei
und daß der Advaitismus in der Tat
das logische Ergebnis des Yogagedankens ist. Darin einbezogen war die Ansicht,
daß von allen >Samadhi<
-Zuständen derjenige, in dem der individuelle
>Atman< seine Identität in
>Brahman< verliert - >Nirvikalpa< - der höchste sei. Der
Zustand sollte hier und jetzt erreicht werden, damit man in diesem Leben die
Befreiung (jivan mukti) erlangt. Wer einmal durch die Welt, wie sie sich uns
zeigt, zum Absoluten vorgedrungen ist, wird sich nie mehr von den
Erscheinungsformen gefangen nehmen lassen. Er ist ein befreiter Geist, der im
Lichte wahren Wissens lebt. Die frühere Antriebskraft mag ihn weiter zu
physischen Dasein bringen, aber wenn sie sich einmal erschöpft hat, geht er
gänzlich in >Brahman<, der reinen
Erkenntnis, auf. Shankara war wirklich ein bemerkenswerter Mensch, dem Gelehrsamkeit und
Einsicht eigen waren, und sein Beitrag zum indischen Denken ist ein
dauerhafter. Indem er dieses zu seinem logischen Schluß führte, gab er ihm den
Glanz beständiger Klarheit. Aber genau wie Ritual und
Schriften eine unmittelbare innere Erfahrung nicht erstzen können, so vermag
auch das bloße Wissen, daß das Selbst und >Brahman< eins sind, nicht die
Stelle tatsächlicher Erfahrung von dieser Einheit auszufüllen. Die Philosophie
des Yoga ist nicht das gleiche wie der Yoga selbst. Sie kann bestenfalls unser
Denken aus der gegenwärtigen Verwirrung befreien, aber das übrige muß eine
Sache praktischer persönlicher Verwirklichung durch Yoga bleiben. Zweiter Teil DER SURAT SHABD YOGA (Der Weg der
Meister-Heiligen) 5. Kapitel SURAT SHABD YOGA Der Yoga des himmlischen
Tonstromes Im vorangehenden Teil dieser
Studie haben wir erfahren, wie seit undenkbaren Zeiten durch die indischen
Weisen gelehrt wurde, daß hinter dem offenbarten Selbst, dessen wir uns im
alltäglichen Leben bewußt sind, dem Selbst, das dem Leid ausweicht und die Freuden
sucht und das sich von einem Augenblick zum anderen wandelt und der Auswirkung
von Zeit und Raum unterworfen ist, ein dauerhaftes und beständiges Selbst
existiert, der >Atman<. Der >Atman< bildet die grundlegende
Wirklichkeit, die letzte Substanz, das Wesen des Wesentlichen. Es ist im Lichte
seines Seins, daß alles andere Bedeutung annimmt. Wir haben ferner gesehen, wie
die indischen Mystiker der Natur das Universums analysiert haben. Bei
oberflächlicher Betrachtung scheint unsere Welt eine wunderliche Zusammensetzung
gegensätzlicher Elemente zu sein. Mit diesen Widersprüchen vor Augen, sieht
sich der Mensch gezwungen, nach einem Schöpfer auszuschauen, der die
gegensätzlichen Kräfte im Gleichgewicht hält und die Dauerhaftigkeit hinter dem
beständigen Wechsel des Seins darstellt. Aber indem er tiefer und
tiefer eindringt, entdeckt er, daß die Widersprüche nur scheinbar und nicht
wirklich sind; daß sie weit davon entfernt, gegensätzlicher Natur zu sein,
unterschiedliche Offenbarungen derselben Kraft darstellen und daß sie schließlich
nicht einmal Offenbarungen sind, wie man sie gewöhnlich bezeichnet, vielmehr
Täuschungen des unwissenden Gemüts, die im Lichte der Erkenntnis zerstreut
werden, wenn man anfängt, zu wissen, daß das Meer unveränderlich ist, obgleich
es sich stets zu verändern scheint. Diese beiden Einsichten
dienen als Grundlage für das indische Denken, und bei genauer Betrachtung wird
man finden, daß sie sich nicht voneinander unterscheiden, sondern eins sind.
Wenn man die absolute Natur des inneren Selbst erkennt, des >Atman<,
erkennt man auch die wahre Natur vom Sein des >Paramatman<, den >Brahman<. Wenn man umgekehrt die Natur
des >Paramatman< oder >Brahman< versteht, versteht man auch
die Natur des >Atman<. Wenn es
hinter dem veränderlichen, zeitgebundenen Selbst ein unveränderliches, ewiges
und zeitloses Selbst gibt und wenn es hinter der beständigen Veränderung der
Schöpfung, wie wir sie normalerweise kennen, eine absolute, unveränderliche
Wirklichkeit gibt, dann müssen die beiden verwandt sein, ja sie müssen
irgendwie dasselbe sein, denn wie könnte es das Absolute zweifach geben; wie
kann der >Atman< von >Brahman< verschieden sein, wenn
alles, was es gibt, nur eine Widerspiegelung des >Brahman< ist? In dem Augenblick, wo wir
diese Wahrheiten über die Natur des Selbst und des Überselbst oder die eine
Wahrheit über das Wesen der Wirklichkeit erkennen, erhebt sich unweigerlich die
Frage: Warum erfahren wir im täglichen Leben die Welt in Begriffen der Zweiheit
und der Vielheit, indem wir uns selbst getrennt von jedem anderen und vom Leben
im allgemeinen empfinden; und welches sind die Mittel und Wege, durch die wir
diese unnötige Einengung unseres Selbst überschreiten können, um mit diesem
Meer der Bewußtheit, das unser wirkliches Sein ist, eins zu werden? Die Antwort
auf den ersten Teil dieser Frage ist, daß der Geist während seines Abstiegs von
einer Hülle nach der anderen, mentaler und stofflicher Art, bedeckt wird, die
ihn zwingen, das Leben in Begriffen, die ihrer Begrenzung entsprechen, zu
erfahren, bis er sich, seiner innewohnenden Natur nicht mehr bewußt, mit ihrem
Bereich von Zeit und Raum – nam-rup-prapanch – identifiziert. Und die Antwort
auf den zweiten Teil lautet, daß sich die Seele selbst bezeugen kann, wenn sie
sich des begrenzenden Beiwerks entledigt. Die vielen Formen und Variationen des
Yoga, die wir untersucht haben, sind nichts weiteres als verschiedene Methoden,
um diesen Vorgang der Befreiung oder die spirituelle Wendung nach innen zu
verwirklichen. Das eine immer
wiederkehrende Thema in den Lehren aller großen Rishis und Mystiker war, daß ihre Einsichten nicht auf
überliefertem Wissen fußen und auch nicht auf philosophischen Spekulationen
oder logischer Schlußfolgerung, sondern auf einer inneren Ersthand-Erfahrung
oder >anubhava< - ein Wort,
dessen Klarheit des Ausdrucks sich jeder Übersetzung entzieht. Sie erklären,
daß die scheinbaren Unterschiede nicht auf eine Widersprüchlichkeit ihrer
Aussagen zurückzuführen seien, sondern darauf, daß die Menschen in ihrer
Gemütsart sehr verschieden sind. Was für einen Menschen mit gebildetem und
verfeinertem Verstand möglich ist, ist es nicht für den ungebildeten Bauern und
umgekehrt. Es sind viele Flüsse, die
ihren Weg durch verschiedene Ebenen nehmen, aber sie münden alle in das Meer. Patanjalis achtfältiger Pfad ist der
erste größere Versuch, die vielen vorhandenen Wege zu einem einzigen
zusammenhängenden System für spirituelle Vervollkommnung zu verbinden. Spätere Rishis und Lehrer leiten viele Anweisungen von ihm ab, aber ihre
Lehren müssen zu der Erkenntnis führen, daß sein System zu streng und
anspruchsvoll ist und dazu neigt, dem Durchschnittsmenschen ein spirituelles
Vorwärtskommen zu versagen. Außerdem ist es so kompliziert, daß die Mehrheit
der >sadhaks< (Aspiranten)
dadurch leicht verwirrt wird und sich demzufolge verirrt und die
dazwischenliegenden Ziele fälschlicherweise für die letzte Bestimmung hält. Und
während >Mantra Yoga<, >Laya Yoga<, >Hatha Yoga< und besonders
>Raja Yoga< die Tradition Patanjalis
in veränderter Form fortsetzen, tauchen drei andere bedeutende Formen auf, die
im Gegensatz zum >Ashtang Marg<
eine große Vereinfachung und Spezialisierung darstellen. Der Jnana-Yogi, der
Karma-Yogi und der Bhakta brauchen sich nicht weiterhin von der Welt
zurückzuziehen oder sich strengen psychophysischen Schulungen unterziehen.
Jeder nähert sich dem Ziel von seinem besonderen Gesichtspunkt aus und erreicht
es durch eine zielbewußte Konzentration. Wie Shankara erklärte, ist das Endziel aller Yogas das Aufgehen in >Brahman<. Deswegen streben alle diese
Wege >samadhi< an, weil man in
diesem Zustand eine solche Erfahrung erlangen kann. Doch wenn auch Patanjalis System und seine
Verzweigungen gewisse ernst zu nehmende Nachteile haben, ist es noch immer
fraglich, ob die drei anderen Hauptformen völlig frei davon sind. Wenn für den
Karma-Yogi Freiheit nur in der Loslösung und der Wunschlosigkeit besteht, kann
er sie dann überhaupt vollständig erreichen?
Sucht er nicht, indem er
seinen Pfad verfolgt, Befreiung, und ist das nicht erneut eine Form des
Wunsches? Ist es weiterhin, rein psychologisch gesehen, dem menschlichen Geist
möglich, sich von seinem gewöhnlichen Erfahrungsgebiet völlig loszusagen, ohne
daß er sich zuerst in einem anderen und höheren verankert? Es ist allgemein
kennzeichnend für den Menschen, daß er Beziehung zu etwas sucht, das außerhalb
von ihm liegt. Dies ist das Gesetz seines Lebens und die Quelle all seiner
großen Leistungen. Das Kind hängt an seinem Spielzeug, der Erwachsene an seiner
Familie und der Gesellschaft, und genau wie man ein Kind nicht ohne Schaden
seines Spielzeugs berauben kann, solange es ihm nicht psychologisch entwachsen
ist, so ist es auch ein Schnitt in die Wurzel des Lebens, wenn man von
einem >sadhak< erwartet, daß er
seine sozialen und familiären Bindungen aufgibt, ohne ihnen erst dadurch
entwachsen zu sein, daß er etwas größeres und Umfassenderes entdeckt hat. Es
wäre kein Fortschritt, vielmehr ein Rückschritt, denn derjenige, der es als
eine aufgezwungene Schulung unternimmt statt einer, die von einer höheren
Erfahrung herrührt, erreicht nur, daß er seine natürlichen Wünsche unterdrückt.
Die Folge davon ist, daß sich das Bewußtsein nicht erhebt, sondern erstarrt und
schwindet. Kurzum, es bedeutet keine Loslösung, sondern Gleichgültigkeit, die,
wie T.S. Eliot sagte, >>völlig
abweicht<< von
>>Verhaftung<< und
>>Loslösung<<. Es gleicht, wie es heißt >>... dem anderen wie der Tod dem Leben, der
zwischen zwei Leben steht – unfruchtbar, zwischen der lebenden und der tauben Nessel. Die Schulung des >Karma Yoga< ist notwendig, aber wenn
sie ihren Zweck erfüllen soll, muß sie durch eine weitere Schulung esoterischer
Art vervollständigt werden, ohne die sie Gefahr läuft, der sinnlose Versuch zu
bleiben, sich am eigenen Zopf emporzuziehen. Was den >Jnana Yogi< betrifft, so kann
ihn >Jnana< tatsächlich sehr weit
führen. Es kann ihn über die grobstoffliche physische Ebene in die spirituellen
Ebenen hineinbringen. Aber kann
>Jnana< ihn über sich selbst hinaustragen? Und wenn es, wie wir
gesehen haben, eine der >koshas<
bildet, die den >Atman< umgibt, sei es auch eine sehr verfeinerte, wie
kann es dann absolute Freiheit mit sich bringen? >Jnana< ist eine Hilfe, und dennoch erweist es sich als ein
Hindernis. Es hat unzweifelhaft die Macht, die Seele von allen Behinderungen,
die gröber sind als sie selbst, zu befreien, aber hier angelangt, neigt es
dazu, den weiteren Fortschritt zu hemmen. Und da es nicht vom wahren Wesen der
Seele, nicht das Absolute ist, kann es nicht gänzlich über der Reichweite des
Zeitlichen liegen. Die Mystiker unterscheiden zwischen zwei Bereichen des Zeitlichen:
>Kal< und >Mahakal<. Der
erste bezieht die physische Welt und die weniger grobstofflichen Regionen ein,
die unmittelbar darüber liegen; und der zweite erstreckt sich auf alle höheren
Ebenen, die nicht rein spirituell sind. Aus dem Grunde können auch die Ziele,
zu denen ein >Jnani< gelangt,
wohl über der Reichweite des Zeitlichen liegen, wie wir es normalerweise sehen
(kal), aber sie liegen nicht völlig über der Reichweite der größeren
Zeitlichkeit (mahakal). Man braucht kaum darauf hinzuweisen, daß das, was
für >Jnana< gilt, auch für die
Yogaformen Gültigkeit hat, die von den Prana-Kräften anhängen. Auch sie sind
nicht vom Wesen des >Atman< und können als solches nicht zu einem Zustand
absoluter Reinheit führen, der jenseits vom Bereich der Relativität liegt. Abgesehen davon, daß er
keine absolute Freiheit sichern kann, ist der
>Jnana Yoga< ein Pfad, der dem gewöhnlichen Menschen unzugänglich
ist. Er verlangt außergewöhnliche Verstandeskräfte und Ausdauer, die nur wenige
besitzen. Es galt diesen Schwierigkeiten zu begegnen, wie auch denen, die
beim >Karma Yoga< auftraten, wenn
er für sich selbst ausgeübt wurde, und so gelangte >Bhakti Yoga< zu Ansehen. Jemand, der normalerweise nicht
imstande war, sich von der Welt zu lösen, und dem die geistigen Kräfte fehlten,
um das wirkliche Selbst vom unwirklichen zu trennen, konnte Kraft der Liebe die
Kluft überspringen oder überbrücken und das Ziel erreichen. Aber wie kann der Mensch das
lieben, was weder Form noch Gestalt hat? Und so festigt sich der >Bhakta< in der Liebe zu einem >Isht-deva, einer bestimmtem Offenbarung
der Gottheit. Doch indem er diese praktische Schwierigkeit umgeht, setzt er
sich denselben Begrenzungen aus wie der
>Jnani<. Der erwählte >Isht-deva< stellt seiner Natur nach
eine Begrenzung des namenlosen und formlosen Absoluten dar. Aber selbst wenn
der >Bhakta< die Ebene dieser
Offenbarung erreicht, kann ihn dann dieses begrenzte Wesen über sich hinaus und
dorthin bringen, wo es keine Begrenzung gibt? Ein Studium des Lebens bekannter
Vertreter dieses Systems klärt den Punkt. Ramanuja,
der bekannte Mystiker des Mittelalters, vermochte die Lehren seines Vorgängers
Shankara nicht zu begreifen. Er verstand, was in der
indischen Philosophie als Vashisht-Advaita-Schule
bekannt ist, das heißt, daß der
>Atman< den >Ishwar<
erreichen kann (nämlich Gott als den offenbarten Schöpfer des Universums); er
kann vom kosmischen Bewußtsein durchdrungen sein, aber niemals eins mit ihm
werden, ganz zu schweigen von Gott als dem ungeoffenbarten, namenlosen >Brahman<. Die Erfahrung von Shri Ramakrishna, der in unserer Zeit
lebte, zeigt diese Begrenzung noch einmal auf. Er war immer ein Verehrer
der göttlichen Mutter gewesen, und sie segnete ihn des öfteren mit ihren
Visionen. Aber er sah sie immer als etwas von ihm Getrenntes, als eine Kraft,
die außerhalb von ihm lag und als eine, für deren Wirken er oftmals als Medium
diente; jedenfalls als eine solche, mit der er nicht eins werden konnte. Als er
später Totapuri, einem >Advaita-Sanyasin<, begegnete,
erkannte er, daß er über diese Stufe hinauskommen mußte, zu einer, wo es weder
Name noch Form gab und auf der das Selbst und das Überselbst eins wurden. Als
er jedoch diesen Zustand zu erlangen suchte, entdeckte er, daß das, was er
bisher erreicht hatte, sich trotz all seiner Versuche als Hindernis erwies. Er läßt wissen: Es war mir nicht möglich, den Bereich von Name und
Form zu überqueren und meinen Geist zum unbedingten Zustand zu bringen. Ich
hatte keinerlei Schwierigkeit, ihn von allen Dingen zurückzuziehen bis auf
eines, und dies war die allzuvertraute Form der wonnevollen Mutter – strahlend
und vom Wesen reiner Bewußtheit, die mir als lebendige Wirklichkeit erschien
und die mir nicht erlaubte, den Bereich von Name und Form zu übersteigen. Immer
wieder versuchte ich, den Geist auf die Advaita-Lehre zu konzentrieren, aber
jedesmal stand mir die Form der Mutter wieder im Weg. Voller Verzweiflung sagte
ich es dem >Nackten< (sein
Meister Totapuri): >>Es ist
hoffnungslos, ich kann meinen Geist nicht zu dem unbedingten Zustand erheben,
um den >Atman< von Angesicht zu
Angesicht zu sehen.<< Er wurde
zornig und sagte streng: >>Was, du kannst nicht? Du mußt!<< Er
schaute nach etwas aus und entdeckte ein Stück Glas, hob es auf und drückte
seine Spitze zwischen meine Augenbrauen, indem er sagte: >>Konzentriere deinen Geist auf diesen
Punkt.<< Ich setzte mich wieder mit festem Entschluß, zu meditieren, und
sobald die gütige Form der göttlichen Mutter erschien, benutzte ich meine
Unterscheidungskraft als Schwert und trennte sie in zwei Teile. Nun gab es kein
Hindernis mehr für meinen Geist, der sich sogleich über die relative Ebene
erhob, und ich verlor mich im
>Samadhi<. Aussprüche von Shri
Ramakrishna Mylapore – Madras 1954, S.313 Es ist somit klar, daß
der >Bhakta< spirituell sehr weit
gehen und sein Bewußtsein sehr erheben kann, wunderbare Kräfte erwirbt und
sich, in einer höheren Liebe verankert, über die Liebe dieser Welt erhebt. Es ist ihm aber nicht
möglich, über die Ebene von
>>Name und Form<<, das heißt über die Relativität
hinauszugelangen. Er kann sich in der Kontemplation über die Gottheit mit ihren
erstaunlichen Attributen verlieren, doch er kann sie nicht in ihrem >nirguna<, ihrem >anami< oder in ihrem >unbedingten< und >namenlosen< Zustand erfahren. Er kann sich voll des
kosmischen Bewußtseins finden, aber es kommt zu ihm wie etwas, das außerhalb
von ihm liegt, als ein Gnadengeschenk, und er ist nicht in der Lage, sich darin
zu verlieren und sich mit dem Meer des Seins zu verschmelzen. Sucht er diesen
Zustand zu erlangen, wird ihn seine Vollendung als >bhakta< eher hemmen, anstatt ihm weiterzuhelfen. Die beiden Dinge, die sich
bei einer Untersuchung der allgemeinen Yogaformen, wie sie nach Patanjali entwickelt wurden, zeigen,
sind: 1. Daß sich die Seele über das
Körperbewußtsein erheben kann, wenn die Mittel gegeben sind, womit sie ihre
Energien im Brennpunkt sammelt, ohne zu der mühseligen Kontrolle der >pranas< Zuflucht nehmen zu müssen;
und 2. Daß vollkommene spirituelle
Verwirklichung oder echter
>samadhi< nicht nur eine Sache des Überschreitens des Physischen
ist (obgleich dies als erster Schritt notwendig ist), sondern das Ende einer
komplizierten inneren Reise, bei der es viele Zwischenstationen gibt, deren
Erreichen unter gewissen Umständen irrtümlicherweise für das letzte Ziel
gehalten werden kann, was jeden weiteren Fortschritt ausschließt. Das Problem,
das sich für den Wahren Sucher angesichts einer solchen Situation erhebt, ist,
andere Hilfsmittel zu entdecken als die der
>pranas<, des
>jnanas< oder der Hingabe
(bhakti) an einen
>Isht-deva<. Es gilt nicht nur, die Geisteströme von der
gegenwärtigen physischen Gebundenheit zu befreien, sondern auch die Seele in
die Lage zu setzen, unbehindert nach oben und von einer spirituellen Ebene zur
anderen zu gelangen, bis sie alle Bereiche des Relativen, von >naam< und >rup<, >kal<
und >mahakal<, völlig übersteigt
und somit ihr Ziel erreicht: die Einswerdung mit dem Namenlosen und Formlosen Der
Tonstrom Im Zusammenhang mit diesem
Problem erhält der Surat Shabd Yoga oder der Yoga des himmlischen Tonstromes
seine einmalige Bedeutung. Diejenigen, welche diesen Yoga gemeistert haben,
lehren, daß das Absolute, obgleich in seinem ursprünglichen Zustand frei von
allen Attributen, sich selbt in die Form projiziert und zwei erste Attribute
annimmt: Licht und Ton. Es ist kein bloßer Zufall, daß in den
Offenbarungsschriften aller bedeutenden Religionen häufige Hinweise auf das Wort zu finden sind, das eine
Hauptstellung in ihren Lehren innehat. So lesen wir im Evangelium: Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Joh. 1, 1 In den alten indischen
Schriften lesen wir wiederholt von
>Aum<, dem heiligen Wort, das die drei Bereiche >bhur<, >huva< und
>swah< (das Physische, das Astrale und das Kausale) durchdringt. Guru Nanak sagte: Himmel und Erde bestehen nur aus Shabd (dem Wort); Aus Shabd allein ward das Licht geboren; einzig aus Shabd entstand die ganze Schöpfung; Shabd ist des Wesens Kern in allem. Shabd ist die richtungsweisende, wirkende Kraft Gottes, der Ursprung aller Schöpfung. Prabhati Die Moslem Sufis erklären: Die Schöpfung kam durch Saut (Ton und Wort) ins Dasein, und aus Saut ging alles Licht hervor. Shams-i-Tabrez Der große Name ist das Wesen und das Leben aller Namen und Formen; seine offenbarte Form erhält die Schöpfung. Er ist das große Meer, von dem wir nur die Wellen sind. Der allein kann dies fassen, der unsere Wissenschaft gemeistert hat. Abdul Razaq Kashi Moses
hörte die Gebote Gottes inmitten von Donner und Feuer. Im Gedankengut von Zoroaster
und im Tao gibt es ebenfalls Hinweise auf das
>>Schöpferische Wort<<, das
>>Göttliche Licht<< und auf das >>Wortlose Wort<<: das verschwiegene Wort. Einige gelehrte Schüler und
Theologen der späteren Zeiten haben zufolge ihrer eigenen begrenzten Erfahrung
diese Schilderungen als bildliche Hinweise auf intuitive und intellektuelle
Erleuchtung dargelegt. Aber bei näherer Prüfung erweist sich eine solche
Darstellung als unhaltbar. Den Begriffen >>Wort<< und >>Logos<<, wie sie die Griechen,
Hebräer und Europäer angewandt haben, mag die Bedeutung >>Ursache<< oder >>Ordnung<< aufgezwungen worden
sein, und >>Licht<< mag auf
diese Weise nichts anderes besagen als
>>mentale Erleuchtung<<, aber ihre Entsprechungen in der
religiösen Literatur – nad, udgit,
akash-bani, shabd, naam, saut, bang-i-illahi, nida-i-asmani, sarosha, tao, und
jyoti, prakash, tajalli, nur-i-yazdanai usw. – lassen es nicht zu, ein
solches Zerrbild für ihre ursprüngliche mystische Bedeutung zu dulden. Überdies
haben einige Seher ihre wirkliche Bedeutung auf eine Weise dargelegt, daß es
keinen Spielraum für eine Zweideutigkeit oder auch für einen Zweifel geben
kann, daß das, was die Begriffe enthalten, keine bildliche Schilderung von
einer gewöhnlichen mentalen Erfahrung ist, sondern eine transzendente innere
Wahrnehmung und Erkenntnis. So finden wir in der Offenbarung: Seine Augen waren wie eine Feuerflamme ... Seine Stimme wie großes Wasserrauschen ... Sein Angesicht leuchtete wie die helle Sonne ... Und ich hörte eine Stimme vom Himmel als eines großen Wassers und wie eine Stimme eines großen Donners; und die Stimme, die ich hörte, war als der Harfenspieler, die auf ihren Harfen spielen. Und aus der Nad Bind Upanishade wissen wir: Zuerst gleichen die brausenden Töne jenen der Meereswogen, dem Fallen des Regens, dem Rauschen des Baches, und dann wird Bheri gehört, untermischt mit den Tönen der Glocke und der Muschel. Der Prophet Mohammed hörte eine himmlische Musik, die allmählich die
Gestalt von Gabriel annahm und sich
in Worte formte. Und Baha‘ U’llah erklärte: Myriaden von mystischen Zungen finden Ausdruck in einer Sprache, und
Myriaden Seiner verborgenen Mysterien werden in einer einzigen Melodie
enthüllt; aber leider gibt es kein Ohr, das ihr lauscht, kein Herz, das sie
versteht. Blind sind deine Augen, daß du mögest schauen meine Schönheit;
verstopfe deineOhren, damit du die süße Melodie meiner Stimme hören kannst. Diese Hinweise auf Licht und
Ton sind nach den Meistern des >Surat Shabd Yoga< nicht bildlich, sondern
buchstäblich zu nehmen; und sie beziehen sich nicht auf die äußere Beleuchtung
oder die Töne dieser Welt, sondern auf die inneren transzendenten Welten.
Dieser transzendente Ton und dieses transzendente Licht, lehren sie, sind die
ersten Offenbarungen Gottes, wenn er sich in die Schöpfung hineinprojiziert. In
seinem namenlosen Zustand ist er weder Licht noch Dunkelheit, weder Ton noch
Stille; aber wenn er Form und Gestalt annimmt, erheben sich Licht und Ton als
seine ersten Attribute. Diese Geisteskraft – Wort, Naam, Kalma – oder der waltende Gott ist
für alles, was ist, verantwortlich. Doch die physischen Universen, die wir
kennen, sind nicht die einzigen, die sie hervorgebracht hat. Sie hat Myriaden Regionen
und Myriaden Schöpfungen ins Leben gerufen. In der Tat ist das Ganze eine
großartige, unergründliche, grenzenlose Gestaltung, worin der positive Pol
(Sach Khand oder Sat Lok) durch eine Ebene aus reinem, unvermischtem Geist gebildet
ist, während der negative (Pind) aus grober, physischer Materie besteht, mit
der wir in dieser Welt vertraut sind. Dazwischenliegen unzählige Regionen,
welche diejenigen, die von einem Ende zum anderen gelangt sind, oftmals in drei
unterschiedliche Ebenen aufteilen, entsprechend dem besonderen Ausgleich von
positiv-spirituellen und negativ-materiellen Kräften. Die Meister lehren, daß das
eine dauerhafte Prinzip, das alle diese Ebenen aus reinem Geist bis zur groben
Materie verbindet, das Prinzip des flammenden Tones oder der tönenden Flamme
ist. Das Wort oder Shabd nimmt
während seines Abstiegs eine unterschiedliche Dichtigkeit von
spirituell-materiellen Kräften an. Die Mystiker sprechen von purpurnem Licht,
von Mittagslicht oder von dem der untergehenden Sonne, und sie beziehen sich
auf den Ton von Flöten, Harfen Violinen, Muschelhörnern, Donner, Glocken,
fließendem Wasser usw.; aber obgleich er sich auf den verschiedenen Ebenen
unterschiedlich offenbart, bleibt er dennoch in sich selbst unverändert. Ein Strom, der auf den
schneeigen Gipfeln gewaltiger Berge entspringt, erfährt während seines Laufs
zum Meer viele Veränderungen: die der Richtung, der Form, der Bewegung und
Erscheinung, aber sein Wasser bleibt dasselbe. Könnte man diesen hörbaren
Lebensstrom 1 in sich selbst entdecken, könnte man seine untersten
Enden finden, so könnte man ihn als einen Pfad benutzen, der unweigerlich zu
seiner Quelle führt. Die Ströme mögen an bestimmten Stellen in Schluchten und
Stromschnellen hineinkommen, aber sie sind nichts- destoweniger der sicherste Weg für die Aufwärtsreise.
Mag eine Bergkette auch noch so unwegsam sein, so schneiden die Wasser doch
einen Pfad und bahnen einen Durchgang; und einer, der sich ihre Führung zunutze
macht, findet immer den Weg. Und seit dieses
>Naam< oder der Wort-Strom aus
>Anaam< oder dem Wortlosen hervorgegangen ist, wird der, welcher
daran festhält, in jedem Fall zum Ausgangspunkt gelangen, wenn er eine Ebene
variierender Relativität nach der anderen überschreitet, bis er am Ursprung von
Name und Form ankommt und sich mit dem verschmelzt, was weder der Name noch
Form hat. 1 Für Einzelheiten wird auf
das Buch >Naam oder das Wort< vom
selben Autor verwiesen. Die
Ecksteine Der Tonstrom bietet dem
Menschen zweifellos den sichersten Weg, um von der Form zum Formlosen zu
gelangen; aber die Frage, die sich da erhebt, ist: Wie kann sich der Mensch
Zugang zu ihm verschaffen, um auf diese Weise seine innere Reise zu beenden?
Jene, die auf diesem Pfad kundig sind, sagen immer, daß es drei Bedingungen gibt,
die erfüllt werden müssen, bevor man in diesem echtesten und eigentlichen Yoga
Erfolg haben kann. 1. Der Satguru Die erste Bedingung ist, daß
man einen Satguru oder wahren Lehrer findet, der ein Adept in dieser mystischer
Wissenschaft ist. Sie ist eine Sache der praktischen Selbstverwirklichung und
nicht die einer philosophischen Erörterung oder einer intuitiven Empfindung.
Wenn es eine der bloßen Theorie wäre, dann würden Bücher und Schriften
ausreichen für diesen Zweck, und wenn es eine der bloßen Empfindung wäre, dann
könnte jeder einfach auf die Eingebungen seines Gemüts bauen. Das Problem,
welches vor uns liegt, ist jedoch, daß wir einen >sechsten Sinn< erschließen müssen, den der direkten
transzendenten Wahrnehmung, des inneren Hören und Sehens. Dies kann aber nicht
lediglich durch das Lesen von Büchern kommen. Wenn einer blind und taub geboren
ist, kann er mittels der Blindenschrift die ausführlichsten Erklärungen lesen
über die verschiedenen und reichen Erfahrungen des Hörens und Sehens, die der
Mensch gemacht hat. Aber sein Studium kann ihn niemals die direkte Erfahrung
einbringen. Er kann durch die Bücher höchstens die Vorstellung von einer
umfassenden Erfahrungsebene bekommen, die ihm völlig unbekannt ist, und dies
mag in ihm den inneren Drang erzeugen, Mittel und Wege zu finden, um seine
körperlichen Beschränkungen zu überwinden. Allein der erfahrene Arzt oder
Chirurg kann Heilung bringen, vorausgesetzt, daß seine Krankheit überhaupt
heilbar ist. Fällt er einem Scharlatan in die Hände, wird sein Zustand nur
schlimmer und noch komplizierter. Gleicherweise muß der Strebende, der innere
spirituelle Meisterschaft sucht, nach der Hilfe eines solchen Ausschau halten,
der den Weg bereits kennt. Alles Lesen der Schriften, all sein Überlegen kann ihn
bestenfalls (wenn er für das darin Enthaltene empfänglich ist) zu dem einzigen
Schluß bringen: der Notwendigkeit eines lebenden Meisters. Ohne einen solchen
kann er nicht einmal die wahre Bedeutung der offenbarten Schriften verstehen.
Sie sprechen von Erlebnissen, die über seiner Erfahrungsebene liegen, und wenn
sie eine Sprache gebrauchen, können sie nur in Bildern und Gleichnissen
sprechen; denn wie könnte die Redeweise des Blinden das Geschaute direkt
ausdrücken? Der Versuch, das reiche spirituelle Erbgut unseres religiösen
Schrifttums völlig in Begriffen, die unserer begrenzten Erfahrung entsprechen,
zu erklären, kann nur zu einer Verzerrung und Verdrehung ihres wirklichen
Sinnes führen. Wir können viel an
psychologischer Weisheit anhäufen, aber die innere Bedeutung geht uns verloren,
und unser ganzes verstandesmäßiges Theoretisieren kann uns lediglich in endlose
theologische Widersprüche verwickeln, mit denen die verschiedenen
institutionellen Religionen heutzutage überladen sind. Nur einer, der selbst
erfahren hat, was die großen Schriften beschreiben, vermag uns ihren wirklichen
Sinn zu vermitteln. Aber die Aufgabe eines spirituellen Lehrers endet hier
nicht. Die Aufklärung über die wahre Bedeutung der Religion ist nur ein erster
Schritt. Nachdem der Strebende die wahre Natur seines Ziels verstanden hat, muß
er es praktisch und vernunftmäßig befolgen. Etwas zu erkennen ist die eine
Seite, und es zu tun, ein ganz andere. Erst wenn dem Aspiranten das Ziel, das
es zu erreichen gilt, erklärt ist, beginnt die Aufgabe des Meisters. Es ist
nicht genug damit, daß ein Arzt die Ursache der Krankheit des Blinden erkennt
und bestimmt, er muß auch die Operation vornehmen. So gibt der spirituelle
Führer dem Schüler bei der Initiation eine Ersthand-Erfahrung des inneren
Lichts und des inneren Tons. Er bringt ihn in Verbindung
mit dem göttlichen Strom, sei es auch an dessen unterstem Ende, und unterweist
ihn im spirituellen >sadhan<
(Übung), dem er nachkommen muß, um diese innere Erfahrung in vollem Umfang zu
festigen und zu entwickeln. Wer einen solchen Lehrer findet, ist wahrhaft
gesegnet. Aber ihn ausfindig zu machen
und von ihm initiiert zu werden, reicht nicht aus. Die noch im Keimen
begriffene spirituelle Erfahrung, die er gibt, muß genährt und zur vollen spirituellen
Blüte entwickelt werden. Um dazu imstande zu sein, muß man das, was man hört,
aufnehmen und sich bemühen, es in die Praxis umzusetzen. Einen solchen Menschen
zu kennen heißt, ihn zu lieben; und ihn zu lieben heißt, seine Gebote zu
halten. Solange man nicht lieben, gehorchen und sein Leben umformen kann,
bleibt die Gabe des Meisters wie eine in der Stahlkammer verschlossene Saat,
die nicht gedeihen und zur Frucht gebracht werden kann. 2. Sadachar Es ist die Notwendigkeit der
Selbstdisziplin, die >Sadachar<
ist nicht leicht zu übersetzen. Es gibt zwar viele begriffliche Entsprechungen,
aber keine von ihnen bringt seine ausgedehnte und vielseitige Bedeutung
wirklich zum Ausdruck. Kurz gesagt, bedeutet es ein gutes und reines Leben. Es
schließt keine strengen Gesetze oder festgelegten moralischen Vorschriften ein,
legt aber Reinheit und Einfachheit nahe, die sich von innen her strahlend nach
außen verbreiten und alles Tun, jedes Wort und jeden Gedanken durchdringen. Es
betrifft ebenso die persönlichen Gewohnheiten, ob sie gut oder hygienisch sind,
wie auch die individuelle und soziale Ethik. Von seiner ethischen Seite her
bezieht es sich nicht allein auf den Umgang mit den Mitmenschen, sondern mit
allem, was lebt, das heiß Harmonie. Dies folgt aus der Erkenntnis, daß alles
gleichen Wesens ist und darum genauso einen Teil des >Brahman< bildet wie die mächtigste der Gottheiten, Indra. Die erste Lektion, die von
einem wahren Meister gegeben wird, ist die von der >Gleichheit des Wesenskerns<; wer diese Wahrheit begriffen
hat, wird sein Leben dementsprechend führen. Er wird nicht die Beute seiner
zügellosen Wünsche sein; sein einziges Ziel wird sein, den Ruhepunkt zu
erreichen, der alles Tun in sich schließt, den Punkt, wo nichts zu haben
ebensoviel heißt, wie alles zu besitzen. Er wird dann wissen, daß der einzige
Weg der Erfüllung durch Verzicht kommt, und der einzige Weg, um den
Allmächtigen zu erreichen, dadurch, daß man sich aller anderen Bindungen
entledigt: Um dahin zu kommen, Freude in allem zu finden, wünsche, Freude in nichts zu haben. Um dazu zu kommen, alles zu besitzen, wünsche nichts zu besitzen. Um dahin zu gelangen, alles zu sein, wünsche nichts zu sein. Johannes vom Kreuz Reinige das Gemach deines Herzens, damit der Geliebte Einzug halten kann. Tulsi Sahib Wo nichts ist, da ist Gott. W. B. Yeats Befreit vom Dämon des
Wunsches (kama), wird er frei vom Dämon des Zornes (krodh), der dem vereitelten
Wunsche folgt. Von diesen losgekommen, wird er auch von Gier (lobh),
Verhaftetsein (moha) und Stolz (ahankar) frei, die nur Ausweitungen des
Wunsches sind. Er wird ein von allem
losgelösten Leben führen (nishkama). Diese Loslösung bedeutet für ihn jedoch
kein gleichgültiges Leben oder eines des asketischen Verzichts. Alles Leben zu
kennen heißt, zwischen sich und der übrigen Schöpfung ein neues Band zu finden.
Wer dies erkennt, kann nicht
>>gleichgültig<< sein. Er muß zwangsläufig bis zum
Überfließen von Sympathie für alles, das ihm begegnet, erfüllt sein, und
Sympathie für das Ganze muß einen gewissen heiligen Gleichmut dem Teil
gegenüber enthalten. Er wird nicht weiter nur an seinen eigenen, engen
persönlichen Interessen festhalten, sondern Liebe und Hilfe allen zukommen
lassen. Er wird langsam, aber sicher, etwas vom Mitleid des Buddha und von der Liebe von Christus entwickeln. Er wird sich nicht
veranlaßt fühlen, die Welt zu verlassen, um in die Einsamkeit der Wälder und
Berge oder in eine Einöde zu gehen. Die Loslösung muß eine
innere sein, und einer, der sie nicht zu Hause erlangen kann, wird sie auch
nicht in den Wäldern erreichen. Er wird erkennen, welchen großen Nutzen es hat,
sich gelegentlich von den weltlichen Angelegenheiten und Kümmernissen in die
Stille einer einsamen Konzentration und Meditation zurückzuziehen; aber er wird
nicht versuchen, dem Leben und seinen Verpflichtungen zu entgehen. Er wird ein
liebevoller Ehemann und ein guter Vater sein, aber er wird dabei niemals den
eigentlichen Zweck des Lebens vergessen und immer dem Kaiser geben, was des
Kaisers ist, und Gott bewahren, was Gott gehört. Er wird auch wissen, daß er
nicht dadurch über den Wunsch hinausgelangt, daß er ihn unterdrückt, sondern
indem er ihm entsprechend begegnet und ihn überwindet. Für ihn ist >sanyasa< nicht eine Sache äußeren
Ausweichens oder Entkommens, vielmehr eine der inneren Freiheit, ein Begriff,
den Guru Nanak sehr gut zum Ausdruck
gebracht hat, als er sagte: Möge Genügsamkeit euer Ohrring sein und Streben nach dem Göttlichen und Achtung für das höhere Selbst euer Beutel. Ständige Meditation über Ihn sei eure Asche. Bereitschaft für den Tod soll euer Umhang sein, und euer Körper sei wie eine reine Jungfrau. Eures Meisters Lehren mögen der Stab sein, der euch stützt. Jap Ji Die beiden Haupttugenden,
die ein solcher Mensch pflegt, sind Nächstenliebe und Keuschheit. Er hat ein
weites Herz und ist freigebig, und er ist mehr um die Leiden anderer besorgt
als um seine eigenen; Darum wird es ihm nie schwerfallen, denen zu vergeben,
die ihm Unrecht getan haben. Er wird einfach und zurückhaltend sein; er braucht
wenig und ist leicht zufriedengestellt; denn einer, der zu viele Wünsche hat
und an zu vielen Dingen haftet, kann nicht reinen Herzens sein. Seine Reinheit
wird sich sogar so weit ausdehnen, daß er Fleisch und Alkohol meidet. Denn wenn
alles Leben nur eines ist, hieße es, sich selbst zu verunreinigen, wenn man
sich vom Fleisch anderer Lebewesen nährt. Und wenn es des Menschen Ziel ist,
höhere Bewußtseinsbereiche zu erlangen, bedeutet seine Zuflucht zu Narkotika
und berauschenden Getränken, einen Rückschritt heraufzubeschwören. Es ist nicht
eine besondere Eigenheit indischer Seher, daß sie die Enthaltsamkeit von
Fleisch und Alkohol zu einem notwendigen Teil der spirituellen Schulung gemacht
haben. Der Koran und die Bibel schärfen ähnliches ein. So finden
wir in den Sprüchen 23, 20: Sei nicht unter den Säufern und Schlemmern. Und: Es ist besser, du issest kein Fleisch und trinkest keinen Wein und tuest nichts, daran sich dein Bruder stößet, oder ärgert, oder schwach wird. Römer 14, 21 Weiter ist gesagt: Die (Fleisch-)Speise dem Bauche und der Bauch der (Fleisch-)Speise; aber Gott wird diesen und jene zunichte machen. Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe. 1. or. 6,13 Im Essäischen
Johannes-Evangelium (der direkten Übertragung aus dem Aramäischen, mit den
reinen und ursprünglichen Worten Jesu) lesen wir: Aber sie antworteten ihm:
>> Wohin sollen wir gehen, Herr ... denn mit dir sind die Worte des ewigen Lebens? Sage uns, welches
sind die Sünden, die wir meiden müssen, damit wir niemals mehr Krankheit sehen
mögen?<< Jesus antwortete: >>Es
geschehe nach eurem Glauben<<, und er setzte sich in ihre Mitte und
sprach: >>Es ward den Alten gesagt: >Ehre deinen himmlischen Vater und
deine irdische Mutter und erfülle ihre Gebote, damit du lange lebest auf Erden.
Und danach wurde dieses Gebot gegeben: >Du sollst nicht töten, denn das
Leben ist allen von Gott gegeben, und was Gott gegeben hat, soll der Mensch
nicht wegnehmen, denn ich sage euch, wahrlich, von einer Mutter stammt alles,
was auf der Erde lebt. Wer also tötet, der tötet seinen Bruder. Und von ihm
wird die irdische Mutter sich abwenden und ihre erquickenden Brüste von ihm
wegnehmen. Und er wird von ihren Engeln gemieden werden, und Satan wird in
seinem Körper Wohnung nehmen. Und das Fleisch der geschlachteten Tiere in
seinem Körper wird zu seinem eigenen Grab. Denn, wahrlich, ich sage euch, der,
welcher tötet, der tötet sich selbst, und wer das Fleisch der geschlachteten
Tiere ißt, ißt vom Körper des Todes ... Und ihr Tod wird zu seinem Tode ...
Denn der Sünde Sold ist der Tod. Tötet nicht, noch eßt das Fleisch eurer
unschuldigen Beute, damit ihr nicht Sklaven des Satans werdet. Denn das ist der
Pfad des Leidens und er führt zum Tod. Aber tut den Willen Gottes, damit seine
Engel euch dienen mögen auf dem Weg des Lebens. Befolgt daher die Worte Gottes:
Seht, ich habe euch gegeben jegliches Kraut, welches Samen trägt, das sich
überall auf der Erde befindet, und jeden Baum, in dessen Frucht der Same eines
Baumes steckt. Dies soll zu eurer Speise sein; und auch jedem Tier auf der Erde
und allen Vögeln in der Luft, und allem, was da kriecht auf der Erde, worin der
Atem des Lebens ist, gebe ich jegliches grüne Kraut zur Speise. Auch die Milch
von allem Getier, das sich bewegt und lebt auf der Erde, soll für eure Speise
sein; ebenso wie ich das grüne Kraut ihnen gegeben habe, gebe ich euch ihre
Milch. Aber Fleisch und Blut, welches ihnen Leben gibt, sollt ihr nicht essen .
. . << Und Jesus
fuhr fort: >>Gott gebot euren Vorvätern: >Ihr sollt nicht töten.< Aber
ihre Herzen waren verhärtet und sie töteten. Dann wünschte Moses, daß sie
zumindest keine Menschen töten sollten, und er erlaubte ihnen, Tiere zu töten.
Und dann wurde das Herz eurer Vorväter noch mehr verhärtet, und sie töteten
Menschen und Tiere gleicherweise. Aber ich sage euch: Tötet weder Menschen noch
Tiere, noch was ihr sonst zur Nahrung nehmt. Denn wenn ihr lebendige Speise
nehmt, wird sie euch erquicken, wenn ihr aber eine Speise tötet, wird die tote
Speise auch euch töten. Denn Leben kommt nur von Leben, und vom Tod kommt nur
der Tod. Denn alles, was eure Speise tötet, das tötet auch euren Körper. Und
alles, was euren Körper tötet, das tötet auch eure Seele. Und euer Körper wird
so, wie eure Speise ist, genau wie euer Geist wird, was eure Gedanken sind
...<< Zusammen mit der Reinheit in
Speise und Getränk geht eine andere Art der Reinheit, jene, die sich auf das
Geschlecht bezieht. Ein ergebener Schüler wird nicht sein ganzes sexuelles
Verlangen unterdrücken, denn dies kann nur eine Neurose erzeugen und den Weg
für einen Sturz bereiten; er wird statt dessen immer versuchen, es zu veredeln.
Er wird verstehen, daß es, was diesen Trieb anbelangt, die Absicht der Natur
ist, die Rasse zu erhalten, und er wird ihn so lenken, daß diese Absicht
erfüllt wird, und macht ihn niemals zu einem Selbstzweck, das heißt zu einer
Quelle physischer Freude. Denn wenn es dazu kommt, wird er zu einem Rauschgift,
das den Geist betäubt und die Zeugung, die von der Natur beabsichtigt ist, vereitelt,
indem er die Erfindung und den Gebrauch empfängnisverhütender Mittel
unterstützt. Kurzum, der aufrichtige und
gewissenhafte Aspirant wird seine ganze Lebensweise neu ordnen: Essen und
Trinken, Denken, Handeln und Empfinden usw. Er wird nach und nach die
nebensächlichen und ungesunden Wünsche seines Gemüts ausmerzen, bis er
allmählich den Stand der Reinheit und Einfachheit erlangt, der dem Kinde eigen
ist, denn Wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, daß ihr euch umkehret, und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Matth. 18, 3 Die religiösen Lehrer der
ganzen Welt legten größten Nachdruck auf die höheren moralischen Werte, und
diese bildeten in der Tat die Grundlage ihrer Lehren. Ein wahrer Meister
besteht immer darauf, daß man seine Fehltritte in Gedanken, Worten und Taten im
Hinblick auf die fünf Haupttugenden aufzeichnet: Nicht-Schädigen,
Wahrhaftigkeit, Keuschheit, universale Liebe und selbstloses Dienen allen
gegenüber, da diese den Weg zur Spiritualität bahnen. Nur wenn wir unsere
Fehler erkennen, können wir sie ausmerzen und nach der rechten Richtung
streben. Während dieses ganzen
Vervollkommnungsprozesses wird er inspiriert durch das Beispiel seines Meisters
und die innere Erfahrung, die er von ihm erhält. Das Leben seines Meisters wird
für ihn ein lebendiges Vermächtnis sein, das ihn zu den Idealen des >sadachar< aufruft; und die Erfahrung,
die er vom inneren Wort hat, wird ihm
ein Beweis der Wahrheit dessen sein, was sein Meister ihn lehrt. >Sadachar< ist keine
trockene Disziplin, die dadurch erlangt wird, daß man gewissen festgelegten
Formeln folgt. Es ist eine Lebensweise, und in solchen Dingen kann nur Herz zum
Herzen sprechen. Das ist es auch, was den
Satsang oder die Gemeinschaft mit einem wahren Meister so wesentlich macht. Der
Satsang dient nicht nur dazu, den Schüler beständig an das Ziel, das vor ihm
liegt, zu erinnern, sondern durch die magische Berührung des persönlichen
Kontaktes wandelt er allmählich den Schüler in seiner ganzen Art und Weise des
Denkens und Empfindens um. Da sein Herz und sein Gemüt
unter diesem heilsamen und gütigen Einfluß nach und nach immer reiner wird,
verankert sich sein Leben mehr und mehr im Göttlichen. Kurz, indem er in
zunehmendem Maße das Ideal von >sadachar< in der Praxis verwirklicht, werden
seine verstreuten und wandernden Gedanken Gleichgewicht und Vollkommenheit
erlangen, bis sie so ganz verfeinert am Brennpunkt zusammenkommen, daß dadurch
die Schleier der Dunkelheit zunichte werden und die innere Glorie enthüllt
wird. 3. Sadhan Und nun kommen wir zum
dritten Eckstein des spirituellen Gebäudes: dem der spirituellen Übungen oder
der >sadhans<. Das eine immer
wiederkehrende Thema eines >Puran Guru<
oder vollendeten Lehrers ist, daß ein gutes Leben, obgleich sehr wünschenswert
und unerläßlich, nicht das Ziel in sich ist. Das Ziel des Lebens ist etwas
anderes, etwas Inneres: das Übersteigen dieser Ebene der Bedingtheit und des
physischen Daseins in eine des absoluten Seins. Einer, der das erkennt, wird
seinem Leben dementsprechend ausrichten. Erstens darum, weil eine solche
Erkenntnis zu einem Gemütszustand führt, der sich, frei von Ego und
Verhaftetsein, in einem tugendhaften und schöpferischen Tun ausdrückt, und
zweitens, weil man ohne einen solchen Gemütszustand und die sich daraus
ergebende Lebensweise nicht die Ausgeglichenheit und Konzentration gewinnen
kann, die für die innere Erhebung unerläßlich ist. So liegt die Hauptbetonung
eines erleuchteten Lehrers immer auf dem transzendentem Ziel. Er lehrt, daß die
pranischen und vigyanischen Energien nicht vom Wesen des >Atman< sind, sondern daß sie aus
Ebenen stammen, die unterhalb derer des reinen Geistes liegen. Wer sie als
Leiter benutzt, kann durch sie das körperliche Bewußtsein übersteigen und die
Ebenen erreichen, von denen sie ausgehen; aber er kann nicht über diese
hinausgelangen. Da der Geist in allen der nämliche ist, sollten auch die Mittel
zur spirituellen Erleuchtung allen gleicherweise zugänglich sein. Aber wie wir
bereits gesehen haben, stellen Yoga-Arten, die auf >pranas< oder
>jnana< begründet sind, besondere Anforderungen, die nicht alle
erfüllen können. Die Prana-Systeme sind für die alten und die ganz jungen
Menschen wie auch für solche, die unter Atmungs- und Verdauungsbeschwerden
leiden, nicht geeignet. Der Pfad des
>jnana< setzt mentale und intellektuelle Fähigkeiten voraus, mit
denen die Natur nur sehr wenige bedacht hat. Wenn diese Wege der Annäherung an
Gott wirklich die natürlichen wären, die uns offen sind, dann würde die
logische Schlußfolgerung die sein, daß die Natur in ihren Segnungen sehr
parteiisch ist, weil sie zwischen den einzelnen Menschen Unterschiede macht.
Wenn die Sonne für alle scheint und der Wind für alle weht, warum sollten dann
die inneren Schätze nur für wenige Auserwählte sein? Sie sind ebenfalls für
alle, seien sie gebildet oder ungebildet. Yogas, die sich in der
Auswahl ihrer Anhänger so sehr unterscheiden und so anspruchsvoll sind, können
ganz natürlich sein. Die Methode, die von den Meistern des >Surat Shabd Yoga< gelehrt wird, ist
eine andere. Dem Sucher wird die Natur der Schöpfung erklärt wie auch der Weg
zurück zu der Quelle, wo das Leben seinen Anfang nahm. Bei der Initiation wird
ihm eine innere Ersthand-Erfahrung gegeben, die er weiter zu entwickeln hat.
Der Sitz der Seele liegt hinter und zwischen den Augenbrauen. Dies wird von
allen Yogas anerkannt. Es ist dieser Punkt, auf den sich die Mystiker beziehen,
wenn sie von >shiv netra<,
>divya chakshu<, >tisra
til<, >brahmrendra<, >triambka<, >trilochana<,
>nukta-i-sweda<,
>koh-i-toor<, >drittes
Auge< und >Einzelauge<
sprechen, das bildlich der >>der
Ruhepunkt<<, der >>Berg der
Verklärung<< usw. genannt wird. Auf diesen Punkt muß der >Sadhak< mit geschlossenen Augen seine
Aufmerksamkeit konzentrieren, aber die Bemühung der Konzentration muß ohne
Anstrengung geschehen, und es darf keine physische oder mentale Anspannung zu
spüren. Um bei dieser Bemühung zu
helfen, gibe der Lehrer dem Schüler ein Mantram oder eine geladene Wort-Formel,
welche für die Reise, die vor ihm liegt, symbolisch ist. Wenn man diese langsam
und liebevoll mit der >Zunge< der
Gedanken< wiederholt, hilft sie dem Schüler, die verstreuten Gedanken nach und
nach an einem einzigen Punkt zu sammeln. Was dieser Formel ihre Kraft gibt, ist
nicht etwas Magisches, das den Worten als solchen anhaftet, sondern die
Tatsache, daß sie von einem gegeben worden sind, der sie durch seine eigene
spirituelle Praxis und Meisterschaft mit der inneren Kraft geladen hat. Wenn
nun der Schüler durch Konzentration und die mentale Wiederholung dieser
geladenen Worte dahin gekommen ist, seinen inneren Blick scharf auf diesen
festen Brennpunkt einzustellen, wird er merken, daß die Dunkelheit, der er sich
zunächst gegenübergesehen hat, allmählich durch sich verändernde Lichtpunkte
erhellt wird. Sowie seine Konzentrationsfähigkeit zunimmt, hören die Lichter zu
flackern auf und entwickeln sich zu einem einzigen strahlenden Punkt. Dieser Konzentrationsvorgang
oder das Sammeln des >surat<
zieht die Geistesströme, die normalerweise über den ganzen Körper verteilt
sind, automatisch zum spirituellen Zentrum hinauf. Dieses Zurückziehen wird
durch >simran< oder die
Wiederholung der geladenen Worte sehr erleichtert, und die Wahrnehmung des
inneren Lichts, was zu >dhyan<
oder der zielbewußten Konzentration führt, beschleunigt den Vorgang noch mehr.
>Dhyan< wiederum führt, wenn er völlig entwickelt ist, zu >bhajan< oder dem inneren Hören. Das
innere Licht beginnt zu klingen. In dir ist ein Licht und in ihm der Ton, und dieser wird dich an den Wahren Einen gebunden halten. Gurbani Wenn der Übende seine
leiblichen Ohren schließt, wird er schnell in diese Musik vertieft sein. Es ist
eine allgemeine Erfahrung, daß das Licht, obgleich es vom Auge aufgefangen
wird, von diesem nicht sehr lange festgehalten werden kann und daß ihm keine sehr
große Anziehungskraft eigen ist. Ganz anders ist es bei der Musik. Wer sie im
Schweigen der tiefen Stille hört, wird von ihr unweigerlich sozusagen in eine
andere Welt hineingezogen, in einen anderen Erfahrungsbereich. Und so wird der
Vorgang des Zurückziehens, der mit
>simran< beginnt, durch
>dhyan< weitergeführt und durch
>bhajan< sehr rasch ausgedehnt. Die spirituellen Ströme, die sich
bereits langsam bewegen, werden nach oben gebracht und sammeln sich schließlich
im dritten Auge – dem Sitz der Seele. Das Übersteigen des physischen
Bewußtseins durch den Geist, oder der Tod im Leben, wird mit so einem Minimum
an Mühe und Arbeit erreicht. Wenn Schüler anderer
Yoga-Arten nach langer Zeit und anstrengender Arbeit die verschiedenen
niedrigen >chakras< gemeistert
haben und das Physische vollkommen übersteigen, nehmen sie allgemein an, daß
sie am Ziel ihrer Reise angelangt sind. Die innere Ebene, auf der sie sich
befinden, der Bereich von >sahasrar< oder >sahasdal kamal<, der häufig durch das Sonnenrad, den Lotos
oder die vierblättrige Rose symbolisiert wird, ist wirklich unvergleichlich
schöner als alles, was es auf der Welt gibt, und scheint im Vergleich dazu zeitlos.
Aber wenn sich der Schüler des
>Surat Shabd >Yoga< über das Körperbewußtsein erhebt, wird er,
ohne suchen zu müssen, von der strahlenden Form seines Meisters empfangen, der
ihn dort erwartet. Es ist in der Tat an dieser Stelle, wo die wirkliche >guru Shishya< oder Verbindung
zwischen Lehrer und Schüler hergestellt wird. Bis dahin ist der Meister wenig
mehr als ein menschlicher Lehrer, aber nun wird er als göttlicher Führer
oder >gurudev< gesehen, der den
inneren Weg zeigt. Die Füße meines Meisters haben sich in meiner Stirne offenbart; und alles Wandern und jede Trübsal hat nun ein Ende. Guru Arjan Beim Erscheinen der strahlenden Form des Meisters im Innern bleibt kein
Geheimnis, das im Schoße der Zeit liegt, verborgen. Auch Christus sagt: Es ist nichts
verborgen, das nicht offenbar werde, und es ist nichts heimlich,
das man nicht wissen werde.
Matth. 10, 26 Unter Führung dieses
himmlischen Wegweisers lernt die Seele den ersten Freudenschock zu überwinden,
und sie erkennt, daß ihr Ziel noch weit vorne liegt. Begleitet von der
strahlenden Form des Meisters und durch den hörbaren Lebensstrom vorangebracht,
überquert sie eine Region um die andere, eine Ebene um die andere und legt nach
nacheinander alle >koshas< ab,
bis sie zuletzt aller Hüllen, die nicht ihrer wahren Natur entsprechen, ledig
ist und sie, so gereinigt und geläutert, das Reich betreten kann, wo sie sieht,
daß sie vom selben Geist wie das höchste Wesen ist und daß dieses, der Meister
in seiner strahlenden Form und sie selbst nicht getrennt,sondern eins sind, und
es nichts gibt außer dem großen Meer des Bewußtseins, der Liebe und der
unaussprechlichen Glückseligkeit. Wer vermag die Herrlichkeit
dieses Reiches zu beschreiben? Die Glückseligkeit derer, die das Mystische kennen, kann nur von Herz zu Herz besprochen werden; kein Bote kann davon berichten, und kein Sendschreiben kann es enthalten. Hafiz Als die Feder ansetzte, dieses Reich zu schildern, brach sie in Stücke und die Seite zerriß. Persischer Mystiker Wenn der Sucher am Ende der
Reise angelangt ist, geht er im Wort auf und zählt zu den Befreiten. Er vermag
weiterhin wie die anderen Menschen in dieser Welt der menschlichen Wesen leben,
aber sein Geist kennt hinfort keine Grenzen mehr und ist unendlich wie Gott
selbst. Das Rad der Wiederverkörperung kann ihm nichts mehr anhaben, und sein
Bewußtsein ist ohne jede Beschränkung. So wie sein Meister vor ihm, ist er ein
bewußter Mitarbeiter am göttlichen Plan geworden. Er tut nichts für sich
selbst, sondern wirkt im Namen Gottes. Wenn es tatsächlich einen
>Nehkarmi<< gibt (einer, der frei ist von bindenden Handlungen), so
ist er es, denn es gibt kein mächtigeres Mittel zur Freiheit als die Kraft des
Wortes. Nur der ist nicht durch die Tat, der sich mit dem Wort verbindet.
Gurbani Für ihn bedeutet Freiheit
nicht etwas, das nach dem Tode kommt (videh mukti), sondern etwas, das während
des Lebens erreicht wird. Er ist ein
>Jivan mukti< (frei im Leben), und gleich wie eine Blume ihren
Duft von sich gibt, verbreitet er die Botschaft der Freiheit, wohin immer er
geht. Jene, die sich mit dem Wort verbunden haben, deren Mühen werden enden, und ihr Antlitz wird voll Glanz erstrahlen. Nicht nur werden sie erlöst sein, o Nanak, sondern viele andere werden mit ihnen die Freiheit finden. Jap Ji In der wirklichen Praxis der
spirituellen Schulung wird auf
>simran<, >dhyan<
und >bhajan< besonderer Nachdruck gelegt, denn jede dieser Übungen spielt
eine ausschlaggebende Rolle bei der Entfaltung des Selbst. Der Meister
gibt >simran< oder die
Wiederholung der geladenen Worte, die das Sammeln der wandernden
Verstandeskräfte des Schülers am stillen Punkt der Seele, hinter und zwischen
den Augenbrauen, erleichtert, und wohin die Sinnesströme, die den Körper jetzt
von Kopf bis zu den Füßen durchdringen, zurückgezogen werden, wodurch man sich
desselben nicht mehr bewußt ist. Wird dieser Vorgang erfolgreich zu Ende
geführt, leitet er aus sich selbst zu
>dhyan< oder Konzentration. >Dhyan< ist von der
Sanskritwurzel >dhi< abgeleitet,
was soviel heißt wie >binden<
und >festhalten<. Mit dem
geöffneten inneren Auge sieht der Aspirant nun schimmernde Streifen himmlischen
Lichts in sich, und dies hält seine Aufmerksamkeit verankert. Dieses Licht wird
nach und nach stetiger, was ihn in seinem
>sadhan< sicher werden läßt, denn er wirkt gleich einem Notanker
für die Seele. Wenn >dhyan< oder
die Konzentration vervollkommnet ist, führt dies zu >bhajan<, das heißt, man stimmt sich auf die Musik der
Seele ab, die vom Mittelpunkt des heiligen Lichts ausgeht. Diese bezaubernde
Melodie hat eine magnetische
>Anziehungskraft< der man nicht widerstehen kann, und die Seele
kann nicht umhin, ihr zu der spirituellen Quelle zu folgen, von der sie
ausgeht. Dieser dreifache Prozeß hilft der Seele, den Fesseln des Körpers zu
entgleiten, um in der himmlischen Strahlung ihres Selbst (des
>Atman<) verankert zu sein und so in die Heimat des Vaters zu
gelangen. Wiederum wird dieser ganze
Vorgang durch Sat Naam, den Satguru und Satsang gewährleistet, die in der Tat gleichbedeutend mit der
wirkenden Meisterkraft sind. Sat Naam
ist die Kraft des Absoluten, zum Mitleid bewegt, und wenn sie sich verkörpert,
nimmt sie die Gestalt des Meisters an (das Wort wurde Fleisch) und wirkt durch
ihn mittels des inneren und äußeren Satsang; dies wiederum hilft den >jivas<, die für die Wiedergeburt reif
sind. Diese Kraft wirkt, entsprechend den Bedürfnissen des einzelnen, auf allen
Ebenen gleichzeitig: mündlich als Meister
in menschlicher Gestalt, der alle Freuden und Sorgen der Menschenteilt; durch
die innere Führung als Gurudev, in
seiner leuchtenden oder strahlenden Astralform, und schließlich als Satguru, als ein wahrhaftiger Meister
der Wahrheit. Es gibt zwei innere Wege:
>Jyoti marg< und >sruti
marg<, den Weg des Lichts und den Weg des Tones. Das heilige Licht hält die
Seele fest und in sich vertieft und führt sie bis zu einem gewissen Grade; aber
das heilige Wort zieht sie nach oben und bringt sie, trotz der verschiedenen
Beginderungen auf dem Weg, wie blendendes und verwirrendes Licht oder dichte,
pechschwarze Dunkelheit usw., von einer Ebene zur anderen, bis sie ihre
Bestimmung erreicht hat. Eine
vollkommene Wissenschaft Selbst der vorangehende
kurze Überblick über das Wesen und die Reichweite des >Surat Shabd Yoga< vermittelt einige seiner einmaligen
Merkmale. Wer ihn im Hinblick auf andere Yogaformen studiert, kann nicht umhin,
die Vollständigkeit zu bemerken, mit der er alle Probleme löst, denen der
Sucher gegenübersteht, wenn er andere Systeme verfolgt. Auf dem äußeren
Tätigkeitsgebiet fußt er nicht auf einer trockenen und starren Disziplin, die
vielfach seelische Hemmungen zur Folge hat. Er sagt, daß eine bestimmte
Schulung notwendig ist, fügt aber hinzu, daß sie letzten Endes durch innere
spirituelle Erfahrung inspiriert und spontan gelebt werden muß und nicht die
eines strengen Asketentums und allzu bedachter Selbstverleugnung sein soll. Der
Sucher muß nach Ausgeglichenheit streben und hat darum die Tugend der Mäßigung
in Gedanken und Taten zu üben. Die Sammlung, die er dadurch erreicht, befähigt
ihn zu größerer Konzentration und somit zu höherer innerer Erfahrung; und diese
innere Erfahrung muß wiederum eine Rückwirkung auf das äußere Denken und
Handeln haben. Die Beziehung zwischen
>sadachar< und innerem
>sadhan< wirkt wechselseitig: das eine belebt das andere und gibt
ihm Bedeutung, und das eine ist ohne das andere wie ein Vogel mit nur einem
Flügel. Wie kann der Geist zu vollkommener Zielstrebigkeit gebracht werden ohne
die Reinheit des Herzens und des Körpers? Und wie kann die Seele aller
menschlichen Bindungen und Unvollkommenheiten ledig werden, ohne daß sie in der
Liebe des Göttlichen verankert ist? Als sich die Eigenschaften des Urewigen offenbarten, verbrannte Moses alle Eigenschaften der vergänglichen Dinge. Maulani Rumi Der >Surat Shabd Yoga<
liefert nicht nur Mittel und Wege, um das schwierige Ideal von >sadachar<
in der Praxis zu verwirklichen, sondern er bietet auch eine Lebensweise, die
uns, während sie uns über diese physische Ebene erhebt, doch nicht dem Bereich
von Name und Form versklavt. Die Meister dieses Pfades wissen nur zu gut, daß
abstrakte Spekulationen über den eigenschaftslosen Aspekt des Absoluten nicht
zu ihm führen können. Wie kann der durch Name und Form beschränkte Mensch
direkt zu dem gezogen werden, was jenseits davon liegt? Liebe sucht etwas, das
sie begreifen und dem sie sich verbinden kann. Und somit muß Gott Form und
Gestalt annehmen, um dem Menschen zu begegnen. Es ist diese Erkenntnis,
durch welche die Hingabe des >Bhakta< an Shiva, Vishnu oder Kali –
die göttliche Mutter – inspiriert wird. Aber diese göttlichen Wesen stellen
bestimmte Offenbarungen Gottes dar, und wenn der Ergebene ihre Ebene einmal
erreicht hat, verhindert diese bestimmte Offenbarung, wie wir bereits gesehen
haben, den weiteren Fortschritt. Die Meister des >Surat Shabd Yoga< übersteigen diese Begrenzung völlig,
indem sie den Sucher nicht mit einer festgelegten oder bestimmten, sondern mit
der alles durchdringenden Offenbarung Gottes verbinden: dem strahlenden
Tonstrom. Es ist >Anhat< oder >Anhad Naam< - dieses unübertreffliche
und unergründliche Wort, das die verschiedenen Schöpfungsebenen erhält, die
sich von Pol zu Pol und vom reinen Geist bis zur groben Materie erstrecken.
Seine Weisen durchdringen jeden Bereich, jede Region; und er durchläuft sie
gleich einem Fluß, der durch die Täler fließt, die er entstehen ließ. Sein
Zustand ist fließend wie der des Flusses; er ändert sich auf jeder Ebene und
bleibt dennoch stets derselbe. Der Sucher, der durch die Liebe des Wort-Stromes
inspiriert wurde, ist in der Tat gesegnet, denn er kennt nicht die Begrenzungen,
welche jene erfahren, die Gott in anderen Formen verehren. Sowie er sich diesem
Strom zuwendet und durch seine beseligende Kraft nach oben gezogen wird, merkt
er, daß dieser sich wandelt, verändert, immer stärker und reiner wird und ihn
zu immer größerer Anstrengung anspornt, die ihm niemals erlaubt, anzuhalten
oder zu zaudern, sondern ihn von Ebene zu Ebene, von Tal zu Tal führt, bis er
an der Quelle anlangt, wo das Unoffenbarte offenbar wird, das Formlose Form
annimmt und das Namenlose einen Namen. Es war diese Vervollständigung der
inneren Reise, möglich gemacht durch den Yoga des Tonstromes, die Kabir zu der Erklärung veranlaßte. Alle Heiligen sind der Verehrung würdig, aber ich verehre nur einen, der das Wort gemeistert hat. Der >Surat Shabd Yoga< ist nicht nur der
vollkommenste der verschiedenen Yogawege, sondern ist vergleichsweise auch
leicht zu praktizieren und zudem einer, der für alle gangbar ist. Wer diesem
Pfad folgt, erreicht nicht nur das letzte Ziel, sondern er bewältigt es auch
mit weit weniger Anstrengung, als es durch andere Methoden möglich wäre. Das
Übersteigen des physischen Bewußtseins, das der Yogi mittels der >pranas< zu erreichen sucht, gelingt
nur nach einer langen und anstrengenden Schulung; wohingegen es bei denen, die
sich auf den Pfad des >Surat Shabd
Yoga< verlegen, manchmal schon bei der Initiation erreicht wird. Dies ist
jedoch kein bloßer Zufall. Tatsache ist, daß der >Surat Shabd Yoga< auf wissenschaftlichere und natürlichere
Art an die spirituellen Dinge herangeht. Warum, fragt er sich, sollte es
notwendig sein, jedes dieser Chakras der Reihe nach zu meistern, wenn der
spirituelle Strom die Körperchakras nicht von unten, sondern von oben her
erreicht? Ein Mensch, der in der Mitte eines Tales steht, wird, wenn er die
Quelle des Flusses erreichen möchte, nicht erst dorthin gehen, wo er mündet, um
dann die ganze Strecke zurückzulaufen. Er ist weiter der Meinung, daß >prana< und Gemüt (auch in ihrem
verfeinerten Zustand), wenn sie nicht vom Wahren Wesen des Geistes sind, auch
nicht die geeigneten Mittel sein können, um ihn von seinen Hüllen zu befreien.
Könnte er mit etwas, das von seinem Wesen ist, in Verbindung gebracht werden,
dann würde er davon angezogen und das erwünschte Ziel mit einem Minimum an
Anstrengung erreicht. Von >Tisra
til<, dem >dritten Auge<, aus
verbreitet sich der spirituelle Strom im Körper. Das einzige, dessen man somit
bedarf, ist, sein Abwärtsfließen an dieser Stelle aufzuhalten, indem man die
Sinne unter Kontrolle bringt; denn dann sammelt er sich von selbst und fließt
zu seinem Ursprung zurück. Verschließe deine Lippen, deine Ohren und deine Augen; und wenn du dann die Wahrheit nicht entdeckst, steht es dir frei, mich zu verhöhnen. Hafiz Der Sucher hat es nicht
nötig, am untersten Ende zu beginnen; alles, was er tun muß, ist, den
spirituellen Strom in eine andere Richtung zu lenken, und alles weitere wird
folgen. Wodurch können wir den Herrn erreichen? Man braucht nur das Herz umzupflanzen.
Inayat Shah Diese Einfachheit der
Annäherung, verbunden mit nur geringer Anstrengung, hat viele bewogen, den >Surat Shabd Yoga< als den >Sahaj
Marg< oder den leichten Weg zu bezeichnen. Er beginnt dort, wo die anderen
Yogas normalerweise enden.
>Sahasrar<, die Region des tausendfältigen Lichts, die das Ziel
der gewöhnlichen Yogi-Reise kennzeichnet, nachdem die verschiedenen
Körperchakras durchquert sind, ist in etwa die erste Stufe, die der Übende des
>Surat Shabd Yoga< nehmen muß. Weiter vermindert dieser Yoga die
Anstrengung beim Übersteigen des Physischen in hohem Maße, weil er davon
abläßt, auf die >Prana<- und >Kundalini<-Energien störend
einzuwirken. Durch die Berührung mit dem Tonprinzip werden die Sinnesströme
automatisch nach oben gezogen, ohne daß der Übende dieses Ziel bewußt anstrebt
und die motorischen Ströme beeinträchtigt würden. Dies vereinfacht nicht nur
das Eingehen in den
>Samadhi<-Zustand, sondern ebenso den des Zurückkehrens. Der Adept auf diesem Pfad
braucht keine äußere Hilfe, um wieder zum physischen Bewußtsein zu gelangen,
wie es bei einigen anderen Yogaformen der Fall ist, denn der spirituelle
Aufstieg wie auch der Abstieg kann aus völlig freien Stücken erfolgen und in Gedankenschnelle
erreicht werden. Die Methode des
transzendenten Hörens ist nur eine Ausweitung dessen, was wir normalerweise
täglich tun. Wenn wir einem verwickelten Problem gegenüberstehen, sammelt sich
unsere ganze bewußte Energie an einem einzigen Punkt – dem Sitz der Seele -,
ohne daß dabei die pranisch-motorischen Energien, die automatisch in unserem
Körper wirksam sind, beeinträchtigt würden. Einer, der den >Surat Shabd Yoga< übt, erlangt diese
Konzentration willentlich und zielbewußt durch
>simran< und
>dhyan<, und sobald er sich mit dem tönenden Wort verbunden hat,
wird der sensorisch-spirituelle Strom, der noch im Körper ist, unweigerlich
aufwärts gezogen, und dadurch ist das vollständige Übersteigen des Physischen
erreicht. Diese Natürlichkeit und
Leichtigkeit des >sahaj< macht den
>Surat Shabd Yoga< allen zugänglich. Die Musik des göttlichen
Wortes vibriert in allen gleich, und einer, der diesen Pfad verfolgt, bedarf
keines speziellen physischen oder intellektuellen Rüstzeugs. Er steht den Alten
genauso offen wie den Jungen, Frauen und Kindern wie den Männern. In der Tat
machen Frauen und Kinder dank der ihnen eigenen einfacheren Denkweise und ihrem
spotanen Vertrauen anfangs oft schnellere Fortschritte bei dieser Methode als
ihre mehr weltklugen Brüder. Ein voller Erfolg auf diesem Gebiet hängt jedoch
von einer unerschütterlichen Ausdauer und Bemühung ab, die nicht immer in
Erscheinung treten. Da keine strenge und umfassende Schulung hinsichtlich der
Ernährung und keine körperlichen Übungen verlangt werden, ist ein
>sanyasa< oder völliger Verzicht auf die Welt nicht notwendig. Der >Surat Shabd Yoga< kann von den
>grehastis<, den Verheirateten, genauso verfolgt werden wie von den >brahmacharis<, die das
Zölibatsgelübde abgelegt haben. Wenn die
>pranischen< und
>vigyanischen< Systeme die natürlichen sein würden, dann müßten
wir zu dem Schluß kommen, daß die Natur parteiisch ist; denn die physischen und
geistigen Fähigkeiten, die sie voraussetzen, sind unter den Menschen sehr
ungleich verteilt. Wenn die Sonne und die Luft für alle da sind, warum sollten
dann die spirituellen Gaben nur ein paar wenigen auserwählten vorbehalten sein?
Überdies können >prana< und >vigyana< bestenfalls bis zur Ebene
ihrer Herkunft führen; und da sie nicht rein spiritueller Natur sind, wie
vermöchten sie dann einen zum Bereich des reinen Geistes zu bringen? Wenn es jedoch heißt, daß
der >Surat Shabd Yoga< die
vollkommenste und natürlichste Yoga-Wissenschaft ist, so bedeutet das nicht,
daß er keine Bemühungen erfordert und das man sich nur auf ihn zu verlegen braucht,
um ganz von selbst Erfolg zu haben. Wenn das der Fall wäre, würde die
Menschheit nicht so im Finstern einherttappen, wie heutzutage. Tatsache ist,
daß kompetente Lehrer dieser Krone aller Wissenschaften selten sind und daß,
selbst wenn man einen solchen findet, nur wenige vorbereitet sind, um sich der
Schulung zu unterziehen, die erforderlich ist. Der Geist ist willig, aber das
Fleisch ist schwach. Die meisten Menschen sind so tief in die Liebe für die
Welt verstrickt, daß sie selbst dann, wenn sie einen Schimmer der inneren
Schätze erblickt haben, ihre weltlichen Wege nicht aufgeben wollen, um sich auf
das zu konzentrieren, was einen zum Herrn über alle Dinge macht. Da bei diesem Yoga die
Betonung stets auf dem Inneren und niemals auf dem Äußeren liegt, gibt es kaum
einen besseren Weg für die Menschen im allgemeinen. Wie viele gibt es, die ihr
ganzes Leben äußeren Ritualen und Zeremonien widmen, und wie wenige vermögen,
selbst nur für Augenblicke, vollkommene innere Konzentration zu erlangen, die
nicht durch weltliche Gedanken gestört ist. Dies hat Kabir veranlaßt, diesen Yoga mit dem
Gehen auf der Schneide eines Schwertes zu vergleichen, während die Sufis von ihm als dem >rah-i-mustqim<, feiner als ein Haar
und schärfer als eine Rasierklinge, sprechen. Christus beschrieb ihn als
>>den schmalen und engen Weg<<, den immer nur wenige
beschreiten. Aber für einen, den die Welt
nicht lockt und der Gott innig liebt, gibt es keinen einfacheren und
schnelleren Weg. Er bedarf keiner anderen Kraft als der seines eigenen Dranges.
Durch sein aufrichtiges und starkes Verlangen nimmt seine Seele, frei von allen
irdischen Bindungen und vom Strom des Shabd
zum Ausgangspunkt getragen, den Flug heimwärts, zum Hafen des Friedens und der
Glückseligkeit. Und sollte er auf seinem Heimwärtsflug irgendwelchen
Behinderungen ausgesetzt sein, so ist sein strahlender Freund immer zugegen, um
ihn davor zu bewahren und vor allen Fallgruben zu beschützen. Der Weg durch die
höheren Ebenen liegt so vollständig gekennzeichnet vor ihm wie jener der >Hatha<-Yogis für die niederen
Körperchakras; und getragen von einer solchen Kraft und von einem solchen
Freund geleitet, kann ihn nichts abschrecken oder gefangennehmen, und nichts
vermag die Stetigkeit seines weiteren Weges zu beeinträchtigen. Ergreife das Kleid von einem, o tapfere Seele, der alle Orte bestens
kennt: die
physischen, mentalen, supramentalen und spirituellen; denn er wird dein Freund
im Leben wie im Tode, in dieser Welt und in den jenseitigen Welten bleiben. Jalalud-din Rumi Und Guru Nanak kündete: Wer einen wahren Meister gefunden hat und dem vollkommenen Weg des
heiligen Wortes folgt, der wird, lachend und lebend in dieser Welt, völlige
Befreiung finden. Ferner heißt es: Wie der Lotos soll er sich unbefleckt über den Sumpf der Welt erheben;
und gleich dem Schwall soll er, unberührt und unbehindert durch die schlammigen
Wasser, emporfliegen. Der
Meister Abgesehen von seiner
wissenschaftlichen Methode und dem vergleichsweise leicht zu gehenden,
natürlichen Weg, der frei von den Nachteilen anderer Yogaformen ist, ist ein
weiteres bezeichnendes Merkmal des Yoga des Tonstromes der einmalige und
entschiedene Nachdruck, den er beständig darauf legt, daß auf allen Stufen
ein >Satguru<, >Pir-e-rah< oder >Murshid-i-Kamil<, ein kompetenter
lebender Meister notwendig ist. Obwohl einiges hierüber bereits im Zusammenhang
mit den >drei Ecksteinen< erwähnt wurde, bleibt doch noch vieles
auszuführen. Die >guru shish< oder >guru sikh<-Beziehung ist für alle
Formen des praktischen Yoga wichtig, hier aber ist sie von grundlegender und
einzigartiger Bedeutung. Denn beim >Surat Shabd Yoga< ist der Meister
nicht nur ein Wesen, das uns die wirkliche Natur des Seins erklärt, uns die
wahren Werte des Lebens kundtut und uns in den zu praktizierenden >sadhans< unterweist, damit wir
innerlich fortschreiten können; er ist all das und noch mehr. Er ist auch der
innere Führer und leitet die Seele von einer Ebene zur anderen, bis sie ihre
letzte Bestimmung erreicht. Er ist ein Führer, ohne dessen Hilfe sie die
dazwischenliegenden Stufen fälschlicherweise für das letzte Ziel halten würde
und auf Hindernisse stieße, die sie unmöglich überwinden könnte. Man braucht sich nicht zu
wundern, daß alle Mystiker, die diesen Weg gegangen sind, über die Rolle des
Meisters, in ihrer großen Bedeutung, mit höchster Verehrung und Ehrfurcht
gesprochen haben. Von Kabir hören wir: Ich verlange und sehne mich nach dem Staub seiner Füße – dem Staub, der das Universum schuf; seine Lotosfüße sind der wahre Reichtum und ein Hafen des Friedens. Sie gewähren unaussprechliche Weisheit und führen uns den Weg zu Gott. In den Sikh-Schriften heißt es: Liebreich sind die Lotosfüße des Meisters, und so Gott will, sehen wir sie; Myriaden Segnungen folgen einer solchen Schau. Guru Arjan Die Sufis erklären: Und würde ich bis in alle Ewigkeit seine zahllosen Segnungen preisen, vermöchte ich kaum etwas darüber zu sagen. Jalalud-din Rumi Manche Mystiker gehen sogar
so weit, daß sie seine Stellung über diejenige Gottes erheben. Der Meister ist größer als Gott. Kabir Der Meister und Gott, beide sind offenbart; wen nun soll ich verehren, wem Gehorsam leisten? Wahrlich wunderbar ist der Meister, der die Kraft Gottes im Innern enthüllt hat. Sehjo Bai Dies alles mag den Skeptiker
zu der Annahme führen, daß es sich hier um die Vergötterung eines Menschen
handelt. Und er mag fragen: Wozu diese Vergötterung eines menschlichen Wesens? Die Mystiker haben zuweilen
auf diese Fragen mit heiliger Gleichgültigkeit geantwortet: Die Menschen bezichtigen Khusro des Götzendienstes; das tu‘ ich wirklich; aber was hat die Welt mit mir zu tun? Amir Khusro Doch manchmal sind sie
ausführlicher darauf eingegangen: Ohne die Großmütigkeit des Meisters erlangt man nichts; auch nicht durch Millionen verdienstvoller Werke. Gurbani Hingabe an Gott verwickelt uns weiter in dieses (physische) Leben – bedenkt das wohl, aber Hingabe an den Meister führt uns zurück zu Gott. Kabir Tritt ein in das Innere und prüfe selbst. Wer von ihnen ist größer: Gott oder der Meister? Gurbani Gott hat mich in die Wildnis der Welt hineingetrieben; aber der Meister hat die endlose Kette der (Seelen-) Wanderung für mich zerbrochen. Sehjo Bai Alle großen spirituellen
Lehrer haben betont, daß die spirituelle Reise ohne die Hilfe eines lebenden
Meisters schwer ist und unmöglich bis zu ihrem Ende durchgeführt werden kann.
Jalalud-din Rumi, der persische Mystiker, deutet nachdrücklich darauf hin, wenn
er sagt: Trotz all seinem Licht und der Kraft war Moses umschleiert; so habe acht, daß du nicht ohne Flügel fliegest. Er bringt seine Meinung noch
klarer zum Ausdruck: Suche einen Meister-Geist; denn ohne seine tätige Hilfe und Führung ist diese Reise voller Ängste und Gefahren. Derselben Ton schwingt in
den Evangelien durch die Aussprüche Jesu: Keiner kommt zum Vater denn durch mich.
Joh. 14, 6 Und niemand kennet den Vater denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren.
Matth. 11, 27 und Luk. 10, 22. Es kann niemand zu mir kommen, es sein denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat; und ich will ihn auferwecken am Jüngsten Tage. Joh. 6, 44 Während er den zwölf Jüngern
des Apostelamt übetrug, sagte Jesus
zu ihnen: Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Matth. 10, 40 Daher war er auch in der
Lage, diejenigen, die durch ihn zu Gott kamen, gänzlich zu erretten; sahen sie
doch, daß er ewig lebe, um für sie Fürsprache einzulegen. Der Meister ist wirklich
der >>Fürsprecher<<
oder >Rasul<, der sich zwischen
uns und Gott bewegt und uns mit dem heiligen Wort verbindet; ohne ihn gäbe es wenig
Hoffnung auf Erlösung. Keine Freundschaft ist
größer als die seine, keine Liebe wahrer als die seine und keine Gabe größer
als seine Gnade. Mögen andere durch Zufallsstürme weggetrieben werden und mag
der Tod kommen, um die treuesten Liebenden zu trennen; er allein versagt nie,
weder im Leben noch im Tode: Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Matth. 28, 20 Er allein ist ein Freund, der mich auf meiner letzten Reise begleitet und mich vor Gottes Richterstuhl behütet. Gurbani Andere Gaben werden vergehen
und schwinden, aber seine Gabe, des Wort Gottes, ist unvergänglich,
unzerstörbar, immer leuchtend, immer süß, immer frisch, immer neu, ein Segen im
Leben und ein noch größerer im Tode. Woher nimmet der Meister
diese einzigartige und übermenschliche Kraft, die ihn Gott nahezu gleichmacht
und ihn in den Augen seiner Schüler sogar über ihn stellt? Kann sich
sterbliches Fleisch mit dem Unsterblichen messen und das Endliche das
Unendliche übertreffen? Dies mag der Welt als ein Paradox erscheinen, aber
diejenigen, welche das innere Reich mit offenen Augen betreten haben, sehen
darin keinen Widerspruch, sondern einzig das Mysterium von Gottes Größe und
Erhabenheit. Der wahre Meister ist einer, der unter Anweisungen und Führung
seines eigenen Lehrers gelernt hat, die Seele vom Körper zu lösen, der den
inneren Pfad bis zu seinem allerletzten Ende gegangen ist und den Ursprung
allen Lichts und Lebens gesehen und sich mit dem Namenlosen Einen vereint hat.
Und wenn er sich mit dem Namenlosen Einen vereint hat, wird er eins mit ihm und
eins mit allem, was da ist. Auf der menschlichen Ebene mag er uns so begrenzt
erscheinen, wie wir es sind, aber auf der spirituellen ist er grenzenlos und
unendlich wie Gott selbst. O mein Diener, folge Mir, und ich werde dich Mir gleich machen. Ich sage: >>Es werde<<, und es ist, und du sollst sagen: >>Es
werde<<, und es wird sein. Baha’U’llah Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.
Joh. 1, 14 Das Wort ist der Meister und der Prophet, voll tiefer und inhaltsschwerer Weisheit.
Guru Nanak Als ich das Meer des Körpers aufwühlte, trat eine seltsame Wahrheit zutage: Gott war im Meister identifiziert, und Nanak vermochte keinen Unterschied zu finden. Guru Ram Das Der Guru ist Brahma, der Guru ist Vishnu, der Guru ist Shiva, und der Guru ist wahrhaftig Parbrahm, dem wir unseren Gruß entbieten. Die
Guru->shish<-Beziehung wurde oft beschrieben wie folgt: Wer ist der wahre Meister für einen Schüler? Shabd ist fürwahr der Meister und Surat der Schüler des Tones (Dhun). Guru Nanak Der Shabd-Guru ist zu tief und unergründlich; ohne (die kontrollierende Kraft von) Shabd wäre die Welt nur einer Wildnis gleich.
Guru Nanak Das Wort des Meisters ist fürwahr der Meister, voll des lebensspendenden Wassers. Wer seinem Wort folgt, kann wahrlich die Ufer des Zeitlichen überqueren. Guru Ram Das Der Schüler-Surat kann den Pfad nur mit dem Shabd-Guru gehen; während er die himmlischen Mysterien erforscht, findet er Ruhe in der umgekehrten Quelle (des Kopfes).
Tulsi Sahib Nimm es als Gewißheit hin, daß der Shabd-Guru der wahre Meister ist; der Surat kann wirklich ein Schüler des Dhun werden, wenn er ein Gurmukh (Gefäß für das Wort) ist.
Bhai Gurdas Der Meister weilt am
>gaggan< (oberer spiritueller Bereich) und der Schüler im >ghat<
(zwischen den beiden Augenbrauen); wenn die beiden, Surat und Shabd, zusammentreffen, werden sie auf ewig vereint. Kabir Es ist eine wesentliche und
unteilbare Beziehung zwischen Gott und dem Gottmenschen; denn er dient als
menschlicher Pol, durch welchen die Gotteskraft wirkt und den >jivas< zur Wiedergeburt verhilft. Es ist müßig, zwischen dem
Magnet und dem Magnetfeld einen Unterschied zu machen, und darum heißt es: Hingabe an den Satguru ist Hingabe an den Herrn. Der Satguru sichert die Erlösung, indem er die Verbindung mit Naam (der Gotteskraft) herstellt. Da er weltliche Reichtümer
nicht begehrt, mag er arm erscheinen, doch ist er reich in Gottes
Unendlichkeit; und sobald diese sterbliche Hülle einmal abgestreift ist, geht
er wieder in das stille Zentrum zurück, das keinen Begrenzungen unterworfen
ist, Was ihm seine einzigartige Überlegenheit gibt, ist dieses spirituelle
Einssein mit dem Absoluten, und ihn von der menschlichen Ebene aus beurteilen
zu wollen heißt, ihn nicht zu verstehen. So sagt Maulana Rumi: >>Betrachte einen Gottmenschen nicht
als Menschen, denn obgleich er als solcher erscheint, ist er doch weit
mehr.<< Es ist kraft seiner
übermenschlichen Fähigkeiten, daß er der Meister wird. Mit dem göttlichen
Bewußtsein eins geworden, wird er als Mensch zu seinem Mittler und spricht
nicht in seiner Eigenschaft als Individuum, vielmehr als Sprachrohr Gottes. Seine Hand ist Gottes Hand, und die Kraft Gottes wirkt durch ihn. Maulana Rumi O mein Freund, ich spreche nichts aus mir; ich sage nur, was mir der Geliebte in den Mund legt.
Guru Nanak Ich tue nichts von mir selber, sondern wie mich mein Vater gelehret hat, so rede ich. Joh.
8, 28 Es ist nicht überraschend,
daß der Meister als das, was er ist, so hochgehalten wird. Ihn als Werkzeug des
Göttlichen zu preisen ist nur eine andere Art, Gott zu preisen; und ihn über
Gott zu stellen heißt nicht, das Endliche in Gegensatz zum Unendlichen zu
bringen, sondern aufzuzeigen, daß vom menschlichen Standpunkt aus der Aspekt
Gottes, der sich dem Menschen zuneigt, um ihn zu sich emporzuheben (das heißt
der zentripetale), höher ist als der, welcher ihm nur erlaubt, seine Wege in
der Welt der Relativität von einer Geburt zur anderen zu gehen (das heißt der
zentrifugale), wenn auch beide auf der übermenschlichen Ebene als eins und
unteilbar gesehen werden. Ein System, in dem der
Lehrer im Hinblick auf die innere und äußere Schulung und den Fortschritt des
Schülers so im Mittelpunkt steht, daß nichts ohne seine Weisung und Führung
getan werden kann, muß großen Nachdruck auf das Prinzip der Gnade legen; und
die mystische Literatur verfehlt nicht, diesen Aspekt zu betonen und zu
unterstreichen. Aber wenn es einerseits der
Meister ist, der dem Schüler alles gibt, darf nicht übersehen werden, daß er,
indem er dies tut, nur etwas zurückzahlt, das er seinem eigenen Meister
schuldig ist; denn die Gabe, die er verleiht, ist die, welche er selbst
empfangen hat, als er auf der Stufe des Schülers stand. Und somit beruft er sich
gewöhnlich niemals auf sich selbst, sondern mißt seine Kraft der Gnade seines
eigenen Lehrers zu. Von einem anderen Gesichtspunkt aus gesehen liegt alles im
Schüler selbst, und der Meister fügt dem nichts von außen her zu. Nur wenn der
Gärtner die Saat gießt und pflegt, wird sie sprießen, doch das Geheimnis des
Lebens liegt in der Saat selbst, und der Gärtner kann nicht mehr tun, als die
Bedingungen zu schaffen, damit sie Frucht tragen. Und das ist in der Tat die
Funktion des Meisters. Ein altes indisches
Gleichnis zeigt diesen Aspekt der Beziehung zwischen Meister und Schüler sehr
anschaulich. Einmal, so besagt es, fing ein Schlafhirte das Junge eines Löwen
und zog es zusammen mit den Tieren seiner Herde auf. Das Löwenjunge beurteilte
sich nach denen, die es um sich sah; es lebte und bewegte sich wie die Schafe
und Lämmer, war zufrieden mit dem Gras, das sie fraßen, und mit dem schwachen
Blöken, das sie von sich gaben. Die Zeit ging dahin, bis eines Tages ein
anderer Löwe seinen Artgenossen sah, der inmitten der Herde graste. Er ahnte,
was geschehen war, und da ihm das Löwenjunge in seiner Notlage leid tat,
näherte er sich ihm unbedenklich und brachte es an ein stilles Flußufer, wo er
ihm sein eigenes Spiegelbild und das seine zeigte, und stieß, als sie
zurückgingen, ein mächtiges Brüllen aus. Nun erkannte das Junge seine wahre
Natur und tat das gleiche, während seine nunmehr frei, sich seiner rechtmäßigen
Umgebung zu erfreuen, und streifte von da an als König des Waldes umher. Solch ein Löwe ist in der
Tat der Meister. Er kommt, um die Seele aus ihrem Schlummer aufzustören; und
indem er ihr einen Spiegel vorhält, zeigt er die ihr angeborene Glorie. Ohne
seine Berührung bliebe sie weiterhin betäubt, aber wäre sie nicht selbst vom
Geist des Lebens, so könnte sie durch nichts zum spirituellen Bewußtsein
gebracht werden. Der Meister jedoch ist ein brennendes Licht, das die nicht
leuchtenden Gefährten entzündet. Das Feuer ist da, und der Docht ist da, und er
gibt nur die Flamme, ohne daß er dadurch einen Verlust erleiden würde. Gleiches
berührt Gleiches, und der Funke springt über; und das, was dunkel ist, wird
erhellt, und was tot war, wird lebendig. Und wie bei dem brennenden Licht,
liegt sein Vorzug nicht darin, daß es sich um ein individuelles Licht handelt,
sondern darin, daß es der Sitz der nicht-individuellen Flamme ist, die weder
von diesem noch von jenem Licht stammt, sondern von der Essenz allen Feuers.
Genauso ist es auch mit dem wahren Meister. Er ist nicht kraft seiner Person
ein Meister wie irgendein anderer, sondern er ist ein Meister, der das
universale Licht Gottes in sich trägt. Und genau wie nur ein Licht, das noch
brennt, auch andere Lichter entzünden kann – nicht eines, das schon ausgebrannt
ist, so kann auch nur ein lebender Meister den belebenden Anstoß geben, der
notwendig ist, und nicht einer, der die Welt bereits verlassen hat. Jene, die
gegangen sind, waren zwar groß und aller Achtung wert, aber sie waren es vor
allem zu ihrer Zeit, und die Aufgabe, die sie für diejenigen, die um sie waren,
erfüllt hatten, muß für uns von einem vollbracht werden, der jetzt unter uns
lebt und sich bewegt. Die Erinnerung an sie ist ein heiliger Schatz, eine
immerwährende Quelle der Inspiration; aber das eine, was sie uns lehrt, ist,
daß wir in der Welt der Lebenden das suchen müssen, was sie zu ihrer Zeit
gewesen sind. Nur der Kuß eines lebenden Prinzen (Meisters) kann für die
schlummernde Prinzessin (Seele) zum Leben zurückbringen, und nur die Berührung
einer atmenden Schönheit kann dem Tier im Menschen die ihm angeborene
ursprüngliche Glorie wiedergeben. Wo die Führung durch einen
kompetenten lebenden Meister eine so vordringliche Notwendigkeit ist, nimmt das
Suchen und Erkennen einer solchen erhabenen Seele eine überragende Bedeutung
ein. Es gibt keinen Mangel an falschen Propheten und Wölfen im Schafspelz. Der
bloße Begriff >Satguru< oder
wahrer Meister deutet auf die Existenz des Gegenteils hin; und es ist dieses
Falsche, das unserem Blick auf Schritt und Tritt begegnet. Wie schwierig es auch immer
sein mag, einen Gottmenschen zu finden (denn solche Wesenheiten sind selten,
unaufdringlich in ihrer Demut, und es widerstrebt ihnen, sich durch auffallende
Wundertaten anzukündigen oder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu
stehen), ist es dennoch nicht unmöglich, ihn unter den übrigen herauszufinden.
Er ist eine lebendige Verkörperung dessen, was er lehrt, und wenn er auch arm
scheint, ist er doch reich in seiner Armut:
>>Es mag scheinen, daß wir Bettler sind, doch unsere Taten sind
mehr als königlich<< (Shamaz-i-Tabrez). Er wird nicht durch weltliche
Dinge berührt und begehrt nichts. Er gibt seine Lehren und Unterweisungen als
freie Gabe der Natur und sucht nie etwas dafür zu erhalten. Er hält sich durch
seine eigene Arbeit und lebt nie von den Gaben anderer: Beuge dich niemals vor einem, der sich Meister nennt, doch von der Barmherzigkeit anderer lebt. Nur der ist ein Meister des wahren Pfades, der seinen Unterhalt selbst verdient und der Armen gedenkt.
Guru Ram Das Ferner verwickelt ein wahrer
Meistergeist unser Gemüt niemals in Widersprüche. Alle Unterschiede zwischen
den verschiedenen Glaubensrichtungen und Bekenntnissen schwinden dahin, wenn er
sie berührt, und die Einheit der Erfahrung im Innern, die in den verschiedenen
Schriften zum Ausdruck kommt, tritt klar und deutlich zutage: Nur das Auge des Juweliers kann den Rubin auf den den ersten Blick erkennen. Bhai
Nand Lal Das eine immer wiederkehrende Thema einer solchen
Meisterlehre ist, daß die innere spirituelle Natur aller religiösen Lehren,
trotz aller äußeren Unterschiede, die uns verwirren und aus der Fassung
bringen, dieselbe ist. Darum kommen sie nicht, um neue Glaubensansichten und
Dogmen zu verbreiten, sondern um das bestehende Gesetz zu erfüllen. O Nanak, erkenne ihn als den vollendeten Meister, der alle in einer Herde vereint. Guru
Nanak Wenn er zu bekehren
versucht, ist er nicht auf äußerliche Namen und Formen aus, sondern auf die
Taufe des Geistes im Innern. Für ihn ist das innere Leben eine Wissenschaft,
die den Menschen aller Glaubensrichtungen und Nationen zugänglich ist, und wer
immer diese Schulung aufnimmt, dem werden alle Dinge zufallen. Es ist die
innere Botschaft, die in den Lehren eines wirklichen Meisters stets das Höchste
ist. Er kann die wahre Bedeutung der Schriften am besten erklären, aber er
spricht nicht als einer, der darin gelehrt ist, sondern als ein solcher, der
das, was die Schriften berichten, selbst erfahren hat. Er mag die Schriften
benutzen, um seine Zuhörer zu überzeugen, daß das, was er lehrt, die älteste
Wahrheit ist; aber er selbst ist niemals von ihnen abhängig, und seine
Botschaft liegt über der intellektuellen Ebene; sie ist durch die Lebendigkeit
und Intensität der direkten Ersthand-Erfahrung inspiriert. >>Wie können wir
übereinstimmen<<, sagte Kabir
zu den Buchgelehrten, >>wenn ich von der inneren Erfahrung spreche und
ihr nur vom Buchwissen<<. Er veranlaßt den Sucher
immer, sich nach innen zu wenden, indem er ihm von den reichen inneren Schätzen
erzählt: Hältst du dich selbst für eine winzige Form wo doch in dir das Universum verborgen liegt?
Ali Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.
Lukas 17, 20-21 Er lädt ein und ermuntert
ihn, die Schulung aufzunehmen, die ihm diesen Reichtum erschließt: Heile dir den Kopf und die Nase vom Schnupfen und atme dafür das Licht Gottes ein. Jalalud-din
Rumi Und diese Schulung wird
sich, wenn er wirklich ein vollendeter Lehrer ist, nicht auf >Hatha Yoga< oder ähnliche extreme Praktiken
konzentrieren, sondern auf das transzendente Hören und Sehen, das von einer
ständigen äußeren Reinigung unseres Denkens und Tuns begleitet ist, und dies
mehr durch Mäßigung und in sich gekehrte Selbstkritik als durch Peinigung,
Bußübungen oder Askese. Aber das wichtigste und unfehlbarste Zeichen eines Satgurus ist, daß seine Lehren nicht
immer nur auf diese innere Wissenschaft konzentriert sind, sondern daß er in
der Lage ist, dem Schüler bei der Initiation eine bestimmte Erfahrung des
inneren Lichts und Tones zu geben, wie klein sie auch immer sein mag, um damit
beginnen zu können. Und wenn der Schüler gelernt hat, sich über das
Körperbewußtsein zu erheben, wird seine strahlende Form ungesucht erscheinen,
um ihn auf der langen Reise zu führen. Die wunderbare und strahlende Form des Meisters kann nur ein wahrer Meister dem Geist offenbaren.
Nanak Ein Meister, der die
Dunkelheit (gu) nicht in Licht (ruh) umwandeln kann, ist von keinem Nutzen. Nanak sagte:
>>Ich will meinen Meister nicht beim Wort nehmen, bis ich mit meinen
eigenen sehe.<< Wenn er ein wahrer Lehrer
ist, wird er niemals eine Erlösung versprechen, die erst nach dem Tode erfolgt.
Darum ist es für ihn immer eine Angelegenheit des Hier und Jetzt. Wenn einer
nicht im Leben Befreiung erlangt hat, kann er nicht darauf hoffen, sie im Tod
zu erwerben. Und Jesus hat bei seinen
Jüngern immer darauf gedrängt, die Kunst des täglichen Sterbens (das
Übersteigen des Körpers) nach seiner Art zu lernen. Ein Meister wird weiter
betonen, daß die Spiritualität eine Wissenschaft ist, wenn auch eine
subjektive, und daß jeder einzelne ihre Wahrheit im Laboratorium seines eigenen
Körpers nachprüfen kann, vorausgesetzt, daß er die erforderliche Bedingung
schafft: die auf nur ein Ziel ausgerichtete Konzentration. Das Leben ist ein
fortlaufender Vorgang, der kein Ende kennt, wenn es auch auf verschiedenen
Seinsebenen einen jeweils unterschiedlichen Aspekt annimmt. Da einer hilflos
von einer Ebene zur anderen geht, wird angenommen, daß er auf dieser und für
diese Ebene, von der die Seele gegangen war, gestorben ist, denn wir haben noch
kein Wissen und noch weniger Erfahrung vom Leben auf den anderen Ebenen, wohin
man durch die Triebkraft der karmischen Vibration geleitet wird. Aus dieser Knechtschaft und
diesem zwangsweisen Kommen und Gehen bereitet der Meister den Weg zur Befreiung
in diesem Leben vor, indem er die Seele (Jiva) mit der immerwährenden
Lebensschnur verbindet, die ohne Ende die Schöpfung durchdringt, und wahrhaftig
einen Vorgeschmack von den höheren spirituellen Regionen gibt, sofern einer
bereit ist, das Fleisch für den Geist aufzugeben. >>Lerne zu sterben,
damit du zu leben beginnen kannst<< heißt die Ermahnung. Selig ist, wer
dich täglich auf das Sterben vorbereitet. Jene, in denen das ewige
Wort spricht, sind frei von Unsicherheit, und es ist wahrlich des Meisters
Sache, dem Menschen das ewige Wort hörbar zu machen. O Nanak, sprenge alle Bande der Welt; diene dem wahren Meister, und er wird dir den wahren Reichtum geben. Gurbani Wer einen solchen Lehrer
hat, ist in der Tat gesegnet, denn er ist wahrhaft mit Gott selbst Freund
geworden und hat einen gefunden, der ihn selbst bis zum Ende der Welt nicht
verlassen wird, weder in diesem Leben noch nach dem Tode, und der ihn immer leiten
wird, bis er seine letzte Bestimmung erreicht hat und genauso groß und
unendlich ist wie er selbst. Der Stein der Weisen kann bestenfalls einfaches Metall in Gold verwandeln; aber Ehre dem Meister, der den Schüler in seine eigene himmlische Form umgestalten kann. Gurbani Welche Probleme einer auch
immer zu bewältigen haben mag, in seiner Gesellschaft findet er Frieden und
Trost, und die Verbindung mit ihm gibt Kraft und regt zu innerer Bemühung an.
Daher die dringende Notwendigkeit für Satsang
(Gemeinschaft mit dem Wahren) für diejenigen, die noch nicht gelernt haben,
sich mit ihm auf den inneren Ebenen zu besprechen. Ein Sucher muß in seiner Suche
nach einem vollendeten Meister sicherlich Unterscheidungs- und Urteilskraft
walten lassen, aber wenn er Erfolg hatte und einen solchen gefunden hat (und
ein echter Sucher wird ihn nie verfehlen, da dies ein göttlicher Ratschluß
ist), welcher Art wird dann seine Beziehung zu ihm sein? Wird er weiterhin das,
was ihm gesagt wird und was er beobachtet, kritisch aufnehmen? Wird er damit
fortfahren, alles, was sein Lehrer tut, unter dem Mikroskop seiner
Unterscheidungskraft zu prüfen? Diese Haltung beizubehalten, nachdem er sich
anfangs der Echtheit des Vollendeten bereits versichert hat, heißt, seine Größe
nicht anzuerkennen und nicht auf die rechte Weise darauf zu reagieren. Einer
solchen Seele zu begegnen bedeutet, einem unendlich Größeren zu begegnen, als
man selbst ist; und zu wissen, daß er eins mit Gott ist, heißt, demütig und
voller Ehrfurcht zu sein. Ihn mit den eigenen begrenzten Fähigkeiten zu
beurteilen heißt den Versuch zu machen, das Meer in einem Reagenzglas
festzuhalten; denn er wird durch Gründe bewegt, die wir niemals begreifen
können. Wenn einer den Segen, in die Herde des Satguru aufgenommen zu sein, richtig einschätzen kann, wird er
immer seine Gnade, Schönheit und vollkommene Liebe rühmen. Wenn der Wunderbare meine wandernde Seele unter seine Schwingen nähme, wollte ich alle Königreiche für das liebliche Mal in seinem Angesicht opfern. Hafiz Er wird niemals die
Handlungsweise seines Meisters in Frage stellen, selbst wenn er sie nicht
begreift; denn er weiß, daß selbst Wenn der Kizr das Schiff im Meer versenken würde, in diesem Unrecht dennoch tausend Rechte wären.
Jalalud-din Rumi Er wird das Vertrauen eines
Kindes entwickeln müssen, das, wenn es sich einmal einer liebenden Hand
anvertraut hat, tut, wie ihm geheißen, und niemals etwas fragt: . . . wer nicht das Reich
Gottes nimmt als ein Kind, der wird nicht hineinkommen.
Lukas 18, 17 Selbst wenn er von dir verlangt, den Gebetssitz mit Wein zu tränken, nimm nicht Anstoß daran, sondern tu‘ es. Denn er, der dein Führer ist, kennt die Reise und ihre Stationen gut. Jalalud-din
Rumi Die geheimen Worte eines
Gottmenschen übersteigen sehr oft das menschliche Verständnis. Sein Gebote
klingen zuzeiten, als ständen sie in Widerspruch zu den Texten der Schriften
oder den ethischen Forderungen, aber in Wirklichkeit ist es nicht so. Man sollte
sie in vollem Vertrauen befolgen, und zu gegebener Zeit wird sich ihre wahre
Bedeutung offenbaren. Und wie des Kindes Liebe
sollte die des Ergebenen sein, voller Demut und Einfachheit. Die Reinheit ihrer
Flamme allein wird den Schmutz der Welt verbrennen. Entfache das Feuer der Liebe und verbrenne damit alles; dann setze deinen Fuß auf das Land der Liebenden.
Baha’U‘llah Schweiße das jetzt in
tausend Stücke zerbrochene Gefäß in eins zusammen, damit es tauglich wird, das
Licht Gottes zu fassen. Es ist das Bindeglied zwischen dem Sucher und seinem
Freund und durch ihn zwischen dem Sucher und dem Absoluten. Wie kann einer den
Namenlosen und Formlosen anders lieben als durch den, der seine wahre Verkörperung
darstellt; denn der Herr offenbarte dem Propheten Mohammed: Ich wohne weder im hohen Himmel noch auf der Erde unten und auch nicht im Paradies; doch, o Geliebter, glaube mir, so seltsam es auch scheinen mag, ich wohne im Herzen des Gläubigen, und dort bin ich zu finden. Rumi Auf diesem mystischen Pfad
ist der Verstand eine Hilfe, aber er ist auch ein Hindernis. Allein die Liebe
kann den Abgrund überbrücken, die Kluft umspannen und das Endliche mit dem
Unendlichen, das Sterbliche mit dem Unsterblichen und das Relative mit dem
Absoluten verbinden. Eine solche Liebe ist nicht von dieser Welt oder
fleischlich. Es ist der Ruf der Seele an
die Seele, vom Gleichen zum Gleichen, das Fegefeuer und das Paradies. Wer vermag diese Ekstase zu
beschreiben? Sprich nicht von Lailas oder Majnus Leid. Deine Liebe hat die Liebe von einst zunichte gemacht. Saadi Lebe frei von Liebe, denn selbst ihr Friede ist Pein. Arabisches Sprichwort Millionen sprechen von Liebe, doch wie wenige kennen sie. Wahre Liebe heißt, das Denken daran auch nicht für einen Augenblick aufzugeben. Kabir Tatsächlich ist diese
Eigenschaft unaufhörlichen Gedenkens vom Wesen der Liebe. Und einer, der sich
auf diese Weise seiner Liebe erinnert, muß demzufolge in dauerndem Gedenken an
des Geliebten Gebote und in stetem Gehorsam leben. Eine solche Liebe verbrennt
mit ihrem Feuer den Unrat des Ego; das kleine Selbst wird vergessen, und der
Liebende opfert seine Individualität auf dem Altar seines Geliebten. Willst du auf dem Weg der Liebe wandeln, so lern erst, dich selbst als
Staub zu sehen. Ansari von Herat Liebe wächst nicht auf dem Felde und ist auch nicht auf dem Markt zu haben; wer sie besitzen will, sei er König oder Bettler, muß sie mit seinem Leben bezahlen. Lege dein Haupt auf deine Hände und opfere es, wenn du ins Wunderland der Liebe gelangen willst.
Kabir Und wieder heißt es: Verflucht sei das Leben, in dem man der Liebe zu Gott nicht teilhaftig wird. Gib dein Herz seinem Diener, denn er wird dich zu ihm bringen. Aber eine solche
Selbsthingabe ist erst die Einleitung, um ein größeres und reineres Selbst, als
wir es kennen, zu erben; denn dies ist die Macht seines Zaubers, daß, wer auch
immer an seine Tür klopft, in seine Art umgewandelt wird: Der Liebende wird zum Geliebten – das ist die Alchemie seiner Liebe; Gott selbst ist eifersüchtig auf einen solchen Geliebten.
Dadu Wenn ich Ranjha rufe, werde ich eins mit ihm. Bulleh
Shah Von einer solchen Liebe
sprach Lord Krishna in der Gita, und die gleiche Liebe meinte Paulus, wenn er
seinen Zuhörern sagte: Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohns Gottes, der mich geliebet hat, und sich selbst für mich dargegeben. Galater 2, 20 Dies beschreiben die Sufis,
wenn sie von >fana.fil-sheikh<
(Aufgehen im Meister) sprechen: Die ungeheure Ausdehnung meines Selbst ist so zum Überfließen vom Dufthauch des Herrn erfüllt, daß der bloße Gedanke an mich völlig geschwunden ist. Und dies erklären auch die
christlichen Mystiker, wenn sie die Notwendigkeit des >>Sterben in Christus<< betonen. Ohne diese
Selbsthingabe ist das Wissen allein nur von geringem Nutzen. Das Wissen ist nur ein Kind der Schriften. Ihre Mutter ist die Liebe.
Persischer Spruch Die Welt verliert sich im Lesen der Schriften, doch zum Wissen kommt sie nie.
Dem aber, der nur ein Jota der Liebe kennt, wird alles offenbart. Kabir Eine solche Liebe allein ist
der Schlüssel zum inneren Königreich: Wer nicht lieb hat, kennet Gott nicht; denn Gott ist Liebe.. 1. oh. 4, 8 Das Geheimnis von Gottes Mysterien ist die Liebe. Maulana
Rumi Durch die Liebe wird er erreicht und gehalten, aber
niemals durch das Denken. >Die Wolke der
Unwissenheit< Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, daß nur jene, die liebten, den Herrn erreicht haben. Gobind
Singh Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott in ihm. 1. Joh. 4,
16 Lasset uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. 1. oh. 4, 19 Die Beziehung der Liebe
zwischen dem Satguru und seinem
>shishya<, dem Gottmenschen und seinem Schüler, erfährt viele
Phasen und Entwicklungsstadien. Sie beginnt mit der Achtung für einen, der mehr
weiß als man selbst. Sowie der Schüler anfängt, des Meisters uneigennützige
Sorge für sein Wohlergehen und seinen Fortschritt zu würdigen, beginnen seine
Gefühle im Tau der Liebe zu schmelzen, und er entfaltet Vertrauen, Gehorsam und
Ehrfurcht. Größerer Gehorsam und stärkeres Vertrauen bringen größere
Anstrengung mit sich, und mit der größeren Anstrengung kommt größere Zuneigung
des Meisters. Anstrengung und Gnade ergänzen sich, und eines hilft bei der
Entfaltung des anderen. So wie die Liebe der Mutter für ihre Kinder ist die des
göttlichen Hirten für seine Herde. Sie unterscheidet nicht
zwischen denen, die ihrer würdig sind, und denen, die ihrer nicht würdig sind;
sondern wie bei einer Mutter werden die Tiefen und der Reichtum seiner Liebe
nur von jenen erschlossen, die seine Liebe erwidern und zurückgeben: Er ist bei allen gleicherweise; doch jeder erhält seinen Anteil gemäß seinem eigenen Verdienst. Guru Amar
Das Mit seiner größeren
Anstrengung und der größeren Gnade seitens des Meisters macht der Schüler
größere Fortschritte im inneren
>Sadhan<, was schließlich zum völligen Übersteigen des
Körperbewußtseins führt. Wenn dies erreicht ist, sieht er seinen Guru, der ihn
in der strahlenden Form empfängt und seinen Geist von nun an auf den inneren
Ebenen leitet. Zunächst erblickt er ihn in seiner wahren Glorie und erkennt die
unergründlichen Dimensionen seiner Größe. Hinfort weiß er, daß der Guru mehr
ist als ein Mensch, und sein Herz fließt über von Lobpreis und demütiger
Hingabe. Und je höher er auf seiner
spirituellen Reise kommt, desto eindringlicher werden seine Lobpreisungen, denn
umso mehr erkennt er, daß er, den er einst zum Freunde nahm, nicht nur ein
Freund ist, sondern daß Gott selbst herunterkam, um ihn zu sich emporzuheben.
Dieses Band der Liebe samt seinen Abwandlungen und Entwicklungsstadien wird zum
Spiegel seines inneren Fortschritts, der sich vom Endlichen zum Unendlichen
bewegt. Die Liebe beginnt im Fleisch und endet im Geist. St.
Bernhard Auf ihren Anfangsstufen mag
sie Ähnlichkeiten mit der irdischen Liebe haben, der zwischen Eltern und Kind,
zwischen Freunden, zwischen Liebenden, zwischen Lehrer und Schüler. Aber wenn
einmal der Punkt erreicht ist, wo der Schüler seinen Lehrer in seiner
strahlenden Glorie in sich selbst entdeckt, lösen sich alle Ähnlichkeiten und
Vergleiche für immer auf, und alles, was bleibt, ist eine einzige Geste und
dann Schweigen. Laßt uns auf eine andere Weise von den Geheimnissen der Liebe schreiben – es ist besser so. Laßt Blut und Lärm und alles das, und sprecht nicht mehr von Shams Tabrez. Maulana Rumi 6.
Kapitel DAS
WESEN DER RELIGION Im vorhergehenden Kapitel
haben wir die Hauptpunkte des >Surat
Shabd Yoga< aufgezeigt und seine hervorstechendsten Merkmale kurz
untersucht. Wir haben gesehen, wie er erklärt, daß Gott, als er sich
offenbarte, die Form des Wortes – Naam, Shabd, Udgit, Kalma, Saut oder Sarosha
– angenommen hat und daß sich dieses Wort nicht auf abstrakte Begriffe vom
göttlichen Willen oder der göttlichen Vernunft beziehen, sondern auf mehr; auf
einen spirituellen Strom himmlischer Harmonie, der in Glanz erstrahlt. Dieser
Strom steht im Mittelpunkt der ganzen Schöpfung und bringt ihre verschiedenen
Ebenen ins Sein, die er belebt und erhält. Wer unter der Führung von einem, der
den Weg selbst gemeistert hat, mit diesem Strom im Innern in Berührung kommt,
kann die physische Welt übersteigen und sich über alle Ebenen der Relativität
erheben, um zu seinem wahren Ursprung zurückzukommen und, wenn er eins mit ihm
wird, den begrenzten Bereichen entrinnen und zur unbegrenzten Bewußtheit und
dem absoluten Sein gelangen. Um zu zeigen, daß diese
Lehren nicht auf irgendein Volk oder Zeitalter beschränkt sind, sondern eine
universale Gültigkeit haben, wurde jeder wesentliche Aspekt durch die
Aussprüche von Mystikern, die den verschiedenen religiösen Überlieferungen, der
indischen, islamischen und christlichen, entnommen wurden, kurz beleuchtet.
Diese Aussprüche wurden jedoch nur als erläuternde Hinweise angeführt und
konnten nicht systematisch erörtert werden. Wenn die Lehren des Surat Shabd
Yoga wirklich universal sind, wenn sie wirklich auf die absolute Wahrheit
hinweisen und nicht auf Dogmen, sondern auf
>>Tatsachen<< fußen, mögen diese auch übersinnlicher Natur
sein, doch Tatsachen, die durch jeden nachgeprüft werden können, der bereit
ist, die zu ihrem Studium erforderliche Schulung auf sich zu nehmen, dann würde
der forschende Sucher sicherlich geltend machen, daß diese Lehren in der einen
oder anderen Form den Kern aller großen Religionen bilden, und er wird den
Wunsch haben, einen systematischeren Nachweis zu erhalten, als es im
vorhergehenden Bericht über den Surat Shabd Yoga möglich war. Eine umfassende und
ausführliche Abhandlung über dieses Thema geht über den Rahmen dieses Buches
hinaus; und bestenfalls können wir nur einige nützliche Richtlinien zum Zwecke
weiterer Nachforschung empfehlen, welche diejenigen, denen daran liegt,
verfolgen mögen. Überdies ist es ein immer wiederkehrendes Thema bei allen
großen Meistern, daß, obgleich ihre Lehren dem Wesen nach universal sind und
durch die ausgedehnte Literatur der heiligen Schriften 1 der Welt bewiesen werden können, es doch
hieße, ihre wahre Bedeutung vollkommen zu verfehlen, wenn man sich lediglich
auf gelehrte Interpretationen beschränken würde. Alles, was der Sucher braucht,
ist, aus früheren Aufzeichnungen zu ermitteln, daß das, was ihm gesagt wurde,
die älteste Wahrheit ist, so daß er die erforderliche Schulung mit vollem
Glauben und ohne Vorbehalt aufnehmen kann. Der letzte Wahrheitsbeweis muß Sache
der direkten inneren Ersthand-Erfahrung sein und nicht eine der
Buchgelehrsamkeit, die, wenn sie über ihre eigentliche Grenze hinausführt und
zum Selbstzweck gemacht wird, ihren Zweck verfehlt und ernstlich vom Ziel
ablenkt. 1 Für ausführliche
Einzelheiten wird der Leser auf das Buch
>>Naam oder das Wort<< verwiesen. 1. Uraltes religiöses Gedankengut der Inder, Chinesen und Perser Hinduismus Die Hindu-Religion ist ein
gewaltiges Meer religiösen Gedankenguts, dessen Ursprung in die frühesten
Zeiten, lange vor dem Aufdämmern der Geschichte, zurückreicht und das in seiner
vielfarbigen Struktur mit ihren mannigfaltigen Abtönungen eine endlose Reihe an
Gestaltungen und Formen umschließt, wie sie der menschliche Geist hervorgebracht
hat: vom Animismus zur Anbetung der Natur, von den Naturkräften in abstrakter
Form bis zu den personifizierten und wesenhaften Formen, von Gottheiten und
Göttinnen bis zu dem einen höchsten Gott, zuerst dem persönlichen und dann dem
unpersönlichen, von der Form zum Formlosen. Das Hindu-Pantheon bietet dem
wißbegierigen Publikum eine große und gewaltige Schar von Gottheiten zur
Betrachtung dar, so einer die Nebelschleier der eisgrauen Vergangenheit
durchdringt. Der Sonnenkult, die Anbetung
von Helios oder der Sonne, wurde von den Menschen der Welt ganz allgemein
ausgeübt. Sol oder die Sonne war für die Menschen immer Gegenstand großer
Verehrung und wurde auf der ganzen Welt seit undenkbaren Zeiten gepriesen und
angebetet. Die alten Griechen und Römer bauten Tempel für Apollo und Phoebus,
wie sie den Sonnengott in ihrer Zeit nannten. In allen anderen Gotteshäusern
nahm das Idol oder die Darstellung des Sonnengottes einen bedeutenden Platz in
ihrer hierarchischen Ordnung ein. Wir haben in Konrak, Südindien, einen
berühmten Sonnentempel und im Norden die historische Stadt Mooltan oder das
Sonnenland; während die Jog-maya- oder Jot-Maya-Tempel über den ganzen
indischen Kontinent verstreut sind. Die alten Griechen haben
auch von Shabd gesprochen. In den Schriften von Sokrates lesen wir, daß er in
sich einen bestimmten Ton hörte, der ihn unwiderstehlich in höhere spirituelle
Bereiche gezogen hat. Pythagoras sprach ebenfalls
von Shabd, denn er hat Gott als die
>>erhabene Musik vom Wesen der Harmonien<< beschrieben. Für ihn war Gott die >>absolute Wahrheit, in Licht
gekleidet<<. Als er einem Adler befahl, herunterzukommen, und einem
Bären, das verwüstete Apulien zu verlassen, fragte ihn die verwunderte Menge
nach der Quelle, von der er solche Kräfte nahm, und er entgegnete, daß er sie
alle der >>Wissenschaft des
Lichts<< verdanke. Wiederum haben wir in der griechischen Sprache das
mystische Wort Logos. Es rührt von der Wurzel
>>logo<< her, was
>>sprechen<< bedeutet und wovon die Begriffe Monolog,
Dialog, Prolog, Epilog usw. abgeleitet wurden. Es bedeutet >>das Wort<< oder >>die Vernunft<<. Diesen Begriff >>Logos<< gibt es in der
hebräischen und christlichen Philosophie und Theologie, er wurde sowohl von den
hellenistischen wie von den neuplatonischen Philosophen in seinem mystischen
Sinne gebraucht. Die Christen wenden ihn an, um damit die zweite Person der
heiligen Dreifaltigkeit zu benennen. Die Alten des Westens übernahmen ihn von
ihren Vorfahren, die Tausende von Jahren von der christlichen Ära lebten und
große Liebe und Verehrung für Surya erwarben, die sie als den Inbegriff aller
menschlichen Bestrebungen auf der Suche nach der allmächtigen Kraft Gottes
betrachteten und als ein sichtbares Abbild auf dieser Erde. Sie nahmen diese
Vorstellung mit sich, wohin immer sie sich wandten, ostwärts und westwärts. Sie
verfaßten Hymnen und sangen Psalmen zum Ruhme dieses prächtigen Gestirns, der
Quelle allen Lebens auf diesem irdischen Planeten. Diejenigen, welche sich in
Persien angesiedelt hatten und später als Parsen bekannt wurden, verehren die
große Gottheit noch in einer anderen Form – dem Feuer -, das sie allezeit in
ihren Tempeln als Symbol für die heilige Flamme unterhalten, die im
menschlichen Herzen brennt und immerzu himmelwärts strebt. Ratu Zoroaster, der Prophet
des Lichts und Lebens in Persien, rühmte die Größe des Gottes des Lichts in
liebenden und lebendigem Glauben und lehrte die Menschen, es ihm gleichzutun. >Agni< oder das Feuer
war bei den Gottheiten, welche diese geheimnisvolle Kraft bewachten, ein
vergorgenes Geheimnis. Es war, wie die griechische Sage erzählt, von Prometheus
gestohlen und dem Menschen gegeben worden, wofür er von Zeus, dem Göttervater,
zu ewiger Qual verurteilt wurde. Im Kapitel VI der Chhandogya
Upanishade ist gesagt, daß es das erste Element sei, dessen Schöpfung alle
anderen Elemente ermöglicht hat, wie Wasser, Erde usw. Ein zweiter Stamm der Arier,
der gen Osten in >Richtung der
Indus-Ganges-Ebene< gezogen war, berief sich in liebender Weise auf >>aditya<<, und in den Veden
gibt es Hymnen, die sich an
>>Hiranyagarbha<<,
>>Savitar<< und
>>Usha<< wenden, die alle die eine lebenssprendende Kraft
der Sonne bezeichnen. Die verehrungswürdigen Meister des vedischen Zeitalters
waren alle Bewunderer der reinigenden und heilenden Eigenschaften des
Sonnengottes, und so ist es kein Wunder, daß wir in den Veden viele Hymnen finden,
welche die Sonne vergöttlichen. In Buch X, 121 finden wir: Am Anfang erhob sich
>>Hiranyagarbha<< als der einzige Herr aller erschaffenen Wesen. Er festigte und stützte die Erde und den Himmel; Welchen Gott sollen wir mit unserer Opfergabe ehren? Als die gewaltigen Wasser kamen, die den universalen Keim enthielten und
>>Agni<< hervorbrachten, da kam der eine Geist Gottes ins Sein; welchen Gott sollen wir mit unserer Opfergabe ehren? In einer andern Hymne
bezieht man sich auf ihn als >>den aus sich selbst strahlenden, weisen
Aditya<<. In Buch I, 113 finden wir
eine Hymne an die Morgenröte, in der folgende Zeilen zu lesen sind: Dieses Licht ist unter allen Lichtern das schönste; das Strahlende ist geboren, um Helligkeit zu verbreiten. Die Nacht, verdrängt durch
>>Savitars<< Aufgang, ist der Geburt des Morgens gewichen. Erhebt euch! Der Odem, das Leben, ist wieder gekommen; die Dunkelheit ist vergangen und das Licht ist nahe. Sie hat der Sonne freie Bahn gegeben: Wir sind dort angelangt, wo die Menschen ihr Leben verlängern. Dies alles könnte im
wörtlichen Sinne für lediglich etwas mehr als Natur-Verehrung gehalten werden,
als Anbetung der Sonne, die bei einem Volk, dessen Existenz vom Ackerbau
abhängt, verständlich ist. Aber die alte indische
Literatur hat eine schwer zu fassende Eigenschaft: sie scheint uns zunächst auf
einer Ebene zu belehren, und wenn wir uns dieser angepaßt haben, bringt sie uns
auf eine andere. Wer ihren Feinheiten folgen kann, entdeckt einen Reichtum, den
er selten anderswo findet. Es gibt eine Vielfalt von Bedeutungen, die vom
Physischen bis zum Kosmischen und Spirituellen reichen, und vom Buchstäblichen
bis zum Symbolischen und Esoterischen, das uns auf den verschiedensten
Erfahrungsebenen anspricht und uns besonderen Lohn bietet. Wenn wir somit diese
häufigen Hinweise auf die Sonne zu studieren beginnen, werden wir erkennen, daß
die >>Sonne<<, auf die sie
sich beziehen, nicht immer das Zentrum unseres physischen Universums ist, wie
wir anfangs angenommen haben. In der Isha-Upanishade lesen wir: Das Tor zu dem Wahren Einen ist von einer goldenen Scheibe verdeckt; öffne sie, o Pushan, damit wir das Wesen des Wahren Einen schauen. Nachdem wir von solchen
Darlegungen berichteten, beginnen wir eine esoterische Bedeutung zu entdecken,
die wir früher übersehen haben, wenn wir von Brahman oder dem Höchsten als
>Jyotisvat< lesen, der voll des Lichts ist, und >Prakashvat<, von Glanz umgeben. Und all das entfaltet sich
weiter, wenn wir an das
>Gayatri<, das zehnte Mantra der sechzehnten Sutra im dritten
Mandala des Rig-Veda, herangehen: Die heilige Silbe >Aum< murmelnd, erhebe dich über die drei Regionen. Wende deine Aufmerksamkeit der alles in sich aufnehmenden Sonne im Innern zu. Sich ihrem Einfluß hingebend, bleibe vertieft in die Sonne, und sich zum Bilde wird sie dich gleicherweise leuchtend machen. Dieses Mantra wird als das
heiligste betrachtet, das >mool
mantra< in der vedischen Literatur. Es wird den Hindus von
früher Kindheit an aufzusagen gelehrt. Hier wird die innere spirituelle
Bedeutung der >>Sonne<<
völlig klar. Gegenstand der Verehrung ist nicht die, welche uns in der äußeren
Welt mit ihrem Licht versorgt; es ist ein Prinzip, das die physische, astrale
und kausale Existenzebene übersteigt und die Quelle der inneren Erleuchtung
ist. Dieses Prinzip wird auch
>Aum< genannt, ein Ausdruck, der auf die drei Phasen der menschlichen
Erfahrung hinweist: >A< bezieht sich auf den Wachzustand (jagrat),
>U< auf den Traumzustand (swapana) und >M< auf den des Tiefschlafs
(sushupti). Die letzte Wirklichkeit umschließt alle diese Ebenen und auch die
drei Phasen der menschlichen Erfahrung, geht jedoch gleichzeitig darüber
hinaus. Und die Stille, die jedem Aufsagen des Wortes >Aum< folgt, deutet
auf den Zustand von >Turya< oder des absoluten Seins hin, das die
unbeschreibliche Quelle und das Ziel von allem ist. Es ist >Brahman<, das Allesdurchdringende,
dessen erstes Attribut Glanz ist, das jedoch in sich selbst des Glanzes liegt.
Daher ist dem Mantra in seiner ursprüunglichen Form im Rig-Veda noch eine
weitere Zeile angefügt, die nur den
>Sanyasins< und ausgewählten Schülern bekanntgegeben wird - >Paro Rajasal Savad Aum<: Wer diesen Glanz
übersteigt, ist dieses Aum. Das >Gayatri mantra< löst nicht nur die
üblichen Verwirrungen der in den Veden vielfach enthaltenen Hinweise auf die
Sonne, es beleuchtet auch noch ein anderes, stets wiederkehrendes Thema des
hinduistischen Denkens. Seine große Bildhaftigkeit und seine Volkstümlichkeit
bringt uns zu der Frage der >mantras< und ihres Platzes in der religiösen
Praxis der Inder. Die Mantras oder Wortformeln, in Sanskrit-Verseb oder –Prosa,
sind in zwei Arten eingeteilt: jene, die nur zum Aufsagen gedacht sind und
nicht verstanden zu werden brauchen, und andere, die als eine göttliche
Anrufung dienen und deren bedeutung man kennen muß, damit der Ergebene instand
gesetzt wird, seine Aufmerksamkeit auf das göttliche Ziel zu richten. Die verschiedenen
Mantras haben alle ihre besonderen Vorteile. Es gibt solche, deren Meisterung
oder >siddhi< eine Verbindung zu magischen Kräften nierer Ordnung (tamas) einbringt; andere verleihen Mut,
Stärke und Kraft (rajas) und wieder andere haben zum alleinigen Ziel die
spirituelle Erhebung (satva). Unter den letzteren wird das >Gayatri<, wie
wir bereits gesehen haben, am meisten geschätzt. Die seit unbedenklichen
Zeiten beliebt gewordenen Mantras betonen nachdrücklich die spirituelle
Bedeutung des Tones. Wenn das Singen von gewissen Wortformeln magische Kräfte
verleigt oder beim spirituellen Vorwärtskommen hilft, dann muß im Ton selbst
eine latente esoterische Kraft liegen. Darum wurde Vak Devi, die Göttin der Sprache, in hohen Ehren gehalten. Jedes
Wort hat seinen einmaligen Charakter und seinen bestimmten Platz, aber von
allen Worten ist >Aum< das heiligste. Seine symbolische Bedeutung
haben wir bereits untersucht. Wir wollen diese Worten noch einige weitere
hinzufügen. Es ist nicht nur ein Wort, das die Eigenschaften des absoluten >Brahman< bezeichnet, sondern eines,
das das >Brahmen< selbst bedeutet. Im Rig
–Veda lesen wir: Prajapati vai idam agref aseet Tasya vag dvitya aseet Vag vai parman Brahma. >>Im Anfang war
Prajapati, Brahma, bei ihm war das Wort, und das Wort war wahrhaftig der
höchste Brahma<< - ein Text, der in bemerkenswerter Weise den
Eingangsworten des Johannes-Evangeliums gleicht: Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Somit wird >Aum<
zum >Brahman<, das sich im Wort
offenbart; und in der Taittiriya-Upanishade bezeichnet man es als die >>Hülle des Brahmen<<, als etwas,
das sein Leben von >Brahman< nimmt und es enthält. Dieser Aspekt tritt im
Sam-Veda noch klarer hervor: Brahman ist zugleich Shabd und Ashabd, und Brahman allein vibriert im Raum. Mit anderen Worten: der
Absolute Eine ist nicht nur der innere Glanz, sondern auch etwas, das
darüberLiegt, wie im >Gayatri Mantra< angedeutet ist. Er ist eins mit dem
Wort, dem Shabd< oder >Aum< und doch zugleich jenseits davon. In der
Tat sind Licht und Ton als seine ersten Offenbarungen bekannt. Das >Gayatri< empfiehlt, daß man während
man auf das göttliche Wort >Aum< konzentriert, seine Aufmerksamkeit auf
die innere Sonne heften soll. Und aus der Chhandogya Upanishade wissen wir,
daß >Nad< oder die göttliche
Musik aus der universalen Sonne (von Brahmand) hervorgeht; ein Geheimnis, das
von Rishi Ingris an Krishna, den Liebling von Devki (III, 17-6 und 93), weitergegeben
wurde. Es war diese mystische Einsicht, die in den >Shrutis< oder
Schriften zu finden ist und welche durch das innere Hören enthüllt ward, das
zur Entfaltung dessen geführt hat, was
>Sphota-vadha< oder die Philosophie des Wortes genannt wurde. Die
Lehrer dieses Pfades predigten, daß der Absolute das Wortlose, Bildlose und
Unbeschreibliche und Unbedingte war. Als er sich offenbarte, trat er als
>sphota< oder das Wort in Erscheinung, das von Licht erstrahlt und von
unbeschreiblicher Musik vibriert. Der Sucher, der sich von der Ebene der Relativität
zur ewigen und unwandelbaren erheben will, muß sich mit Sphota oder der Kraft
des Wortes verbinden, durch die er zu Brahman gelangen kann, das über Shabd
oder Sphota liegt Der Pfad der Gottverwirklichung war bestimmt nicht leicht; es
war schwer, den Zugang zu ihm zu finden, schwer, ihn zu gehen, schwer, darauf
auszuharren und schwer, ihn zu überqueren; doch der einzig mögliche Weg für
einen, der seinem Meister und dessen Sache treu ist. Dies sind in der Tat die
Wahrheiten, wie sie von früheren Weisen des alten Indien gelehrt und
praktiziert wurden. Aber wieviel ist davon übriggeblieben? Für den größten Teil
von ihnen finden wir Rituale . das Blasen des Muschelhorns, Glockenläuten,
Schwenken von Lichtern und die Verehrung der Sonne -, die von den Mysterien im
Innern zeugen; aber wie wenige sind sich ihrer wahren Bedeutung bewußt! Trotz
des gewaltigen und dauerhaften Einflusses von Lord Krishna, der den Menschen
das Beste der vedantischen Lehren nahegebracht hat, ist die Religion in Indien
genau wie anderswo zu bloßem Kastengeist und Zeremoniell abgesunken. Das Licht
und die Musik im Äußeren werden verehrt, aber das flammende und tönende Wort im
Innern, auf welches diese hinweisen, bleibt unbeachtet. Das Licht ruft in die
Finsternis, und die Finsternis begreift es nicht. Buddhismus Buddhas Lehren stellen in
vieler Hinsicht eine Reaktion auf die teils verzerrten religiösen Traditionen
der Veden dar, und doch bestätigen sie viele der Grundlehren, die wir bereits
untersucht haben. Buddhas Leben selbst wurde zur Legende, die auf lebendige und
treffende Weise die Notwendigkeit des Menschen verkörpert, sich von der äußeren
Erscheinungswelt abzuwenden, hin zu der westlichen inneren Welt. Daß Buddha
trotz seiner königlichen Abstammung und ungeachtet dessen, was sein Leben zu
Hause glücklich gemacht hätte, den Palast verließ und in die Wildnis ging, um
als Bettelmönch nach der Wahrheit zu suchen, war ein beispielloses Opfer. Es
war in der Tat ein heldenhaftes Unterfangen, sechs Jahre lang umherzuziehen und
alle möglichen Härten und physischen Leiden zu erdulden, was ihn bis zum
Skelett abmagern ließ; und dies zwingt zu tiefer und bleibender Bewunderung und
Verehrung. Aber weder das luxuriöse Leben zu Hause noch die >tapas< im Dschungel konnten ihm aus
dem Elend, der Verzweiflung, aus Krankheit und Tod heraushelfen, das er als das
allgemeine Schicksal des menschlichen Lebens in dieser physischen Welt erkannt
hatte. Es war eine für sein Leben bedeutungsvolle Entscheidung, als er, wie
vorher ein Leben in Luxus, nun auch das Leben der Askese aufgab. Er saß unter dem Bodhi-Baum
in Gaya in stiller Kontemplation und gab sich dem göttlichen Einfluß hin, der
aus sich selbst und durch sich selbst wirkt, wenn man sein Selbst vollkommen
diesem Heiligsten und Höchsten in der Natur überläßt, als vor seinem inneren
Auge ganz plötzlich die so sehr gesuchte Lösung für das verwirrendste Problem
des Lebens in einer aufgereihten Kette von Ursache und Wirkung aufblitzte: 1)
die unleugbare Tatsache des Leidens, 2) die Ursache des Leidens, 3) die
Möglichkeit, dem Leiden zu entgehen, und schließlich 4) der Pfad, der zur
Befreiung vom Leiden führt. Die war der Pfad der
goldenen Mitte zwischen der Nachsicht gegen sich selbst und der
Selbstkasteiung, die beide gleich schmerzhaft sind und in der Suche nach der
Wahrheit keinen Vorteil bringen; und daher wurde ihm der Name >mittlerer Weg< gegeben, der in der
Rechtschaffenheit der achtfachen Aspekte des Lebens besteht, wie es bereits in
einem vorangehenden Teil des Buches dargelegt wurde. Dies war kurz der Inhalt der
ersten Predigt des Meisters in Sarnath, die er an die ersten fünf
>Bikkhus< richtete. Die einfachen und klaren Lehren, die von allen
Verdrehungen des Priesterordens der Brahmanen, die Riten und Rituale als den
Begriff der menschlichen Erlösung hingestellt hatten, frei waren, übten auf das
ganze Volk einen gewaltigen Einfluß aus. Kein Wunder also, daß sich eine große
Anzahl Menschen, angefangen bei den leitenden Persönlichkeiten bis hinunter zum
Laien, zu dem neuen Glauben bekehrte und frohen Mutes das gelbe Gewand nahm. Das ist der äußere Aspekt,
wie in allen anderen Weltreligionen vor und nach Buddhas Zeit, und er hat sich
innerhalb der Massen gut ausgewirkt, da er ihnen einen klaren Überblick gab
über den Sinn und Verlauf des Lebens. Die verwickelten Probleme der Veden, das
vedische Pantheon und die vedische Art der Gottesverehrung waren mit einem
einzigen Schlag vorüber, und von den Menschen wurde verlangt, ihre Lebensweise
moralisch zu entwickeln und zu veredeln; alles andere würde dann von selbst
kommen. Dies war in gewisser Hinsicht die strikte Beachtung der >Yamas<
und >Niyamas<, die zu >Sadachar< (rechtes Leben) beitragen -
der–erste und wichtigste Schritt in der rechten Richtung. Es bedeutet nicht, daß
Buddha die Existenz Gottes oder die der Stufen verneinte, die über den
spirituellen Pfad zu ihm führen. Wenn er etwas von höherem Wert und
lebenswichtigem Interesse, das seiner Zeit weit voraus war und das anzunehmen
der gemeine Mann weder vorbereitet noch willens war, nicht öffentlich
bestätigte, bedeutet das nicht, daß er es ablehnte. Dies blieb natürlich
wenigen Auserwählten vorbehalten und für die bewahrt, welche der mystischen
Belehrung, die sich auf das transzendente Hören bezog, für wert befunden
wurden. So können wir es in der Surangama
Sutra lesen, worin die spirituellen Erfahrungen der höchsten Bodhisattvas und Mahasattvas und der großen Arhats
wie Maha Kasyapa, Sariputra, Samantbhadra, Metaluniputra, Maudgalyana,
Akshobya, Vejuria, Maitreya, Mahasthema-Prapta und anderer beschrieben sind.
Sie alle bestätigen in ihren Berichten in der einen oder anderen Form den
purpurgoldnen Glanz, die Unendlichkeit des reinen Geistwesens, die
transzendentale Wahrnehmung, das transzendente innere Hören des Geistes, was zu
dem unbeschreiblichen und geheimnisvollen Ton des Dharma führt, wie
Löwengebrüll und Trommelschlag. Die durchdringende Kraft des Feuerelements
macht die intuitive Einsicht leuchtend klar und einen fähig, alle Deva-Bereiche
und schließlich das Buddha-Land der Unbeweglichkeit zu schauen, die offen im
Innersten der ausgeglichenen und rhythmisch-ätherischen Vibrationen liegen. Sie
sprechen auch von dem >>höchsten,
wunderbaren und vollkommenen Samadhi der Transzendenten Bewußtheit<<, der
>>Diamantener Samadhi<< genannt und mit Hilfe des >>Inneren Hörens<< erlangt wird,
wenn der Geist, von allen mentalen Befleckungen befreit, sich in den >>Göttlichen Strom< verliert. Nachdem er die verschiedenen
Wesenheiten gehört hatte, betonte Manjuri, der Prinz des Dharma, mit Nachdruck,
daß die höchste Reinheit des Geistwesens und seine innere Klarheit, die von
selbst mach allen Richtungen hin ausstrahlt, erworben werden müsse, und
ermahnte die große Versammlung,
>>die äußere Wahrnehmung des Hörens einwärts zu lenken und im
Innern den vollkommen vereinigten und wahren Ton des Geistwesens zu
hören<<. Danach faßte er das Thema in
folgenden denkwürdigen Worten zusammen: >>Dies ist der einzige Weh zum Nirvana, und alle Tathagatas der
Vergangenheit sind ihn gegangen. Darüber hinaus hat er seine Gültigkeit für
alle Bodhisattvas und Mahasattvas der Gegenwart und für alle in der Zukunft, so
sie auf vollkommene Erleuchtung hoffen. Avalokiteshvara erlangte nicht nur in
den vergangenen Zeitläufen auf diesem Goldenen Weg die Erleuchtung, sondern in
der Gegenwart, und ich bin auch einer von ihnen ... Ich lege Zeugnis dafür ab,
daß der von Avalokiteshvara anempfohlene Weg der gangbarste für alle ist 1. Die Ergebenen wurden auch
>Shravaks< genannt, was >Hörer< bedeutet, das heißt Hörer des
inneren Tonprinzips. Aber nachdem Lord Buddha gegangen war, traten allmählich
die geheimen Lehren, die er den wenigen Auserwählten übermittelt hatte, in den
Hintergrund. Der Buddhismus hatte dem großen Bedürfnis der Stunde gedient und
ist wie alle anderen Religionen nur eine Ansammlung von Dogmen und
Bekenntnissen geblieben, die dem Sucher nach Wahrheit wenig Trost bietet.
Dieser ist nur von einer Seele zu haben, die die Wahrheit verwirklicht hat, von
einem wahren Heiligen mit spiritueller Erleuchtung und innerer Erfahrung von
der Wirklichkeit. 1 Für Einzelheiten in diesem Zusammenhang sei auf des Buch
>Naam oder das Wort< vom selben Autor verwiesen. Taoismus Wenn wir uns China zuwenden,
stellen wir fest, daß das Beste des buddhistischen Gedankengutes in die
religiösen Traditionen der Chinesen übergegangen ist. Wir wollen vor allem die
Botschaft hervorheben, die Laotse,
der Vater des chinesischen Mystizismus (Hsuanchiao) oder Taoismus, von sich aus
lehrte. Das Wort >>Tao<<
bedeutet >>Weg<< oder >>Pfad<< und zeigt das
verborgene >>Prinzip des Universums<< an. Laotse
spricht vom Tao als >>Absolutes
Tao<<, das der
>>Geist<< und die >>Quintessenz<< (die
spirituelle Wahrheit) ist und, völlig getrennt von seinen Offenbarungen, ihnen
dennoch innewohnt. Genau wie die indischen Mystiker zwischen dem >>Aum<<, das man singt, und
dem >>Aumaa, welches das
unterschieden hatten, so erklärt uns auch Laotse: Das Tao, das man beschreiben kann, ist nicht das Absolute Tao. Die Namen, die man nennen kann, sind nicht die absoluten Namen. Von der Natur des Tao ist
gesagt: Das Tao durchdringt alles, doch geht es durch sein Wirken nicht etwa im Bestehenden auf. Es ist unergründlich wie der Urquell aller Dinge. Ferner heißt es: Das große Tao fließt überall; (gleich einer Flut) kann es zur Rechten und zur Linken sein. Die Myriaden Dinge nehmen ihr Dasein von ihm, und es verweigert sich ihnen nicht. Und: Das Tao ist ewig ohne Tun und dennoch wird alles durch es vollbracht. Im zweiten Buch, das sich
mit der Nutzanwendung des Tao befaßt, wird das Prinzip der Rückkehr behandelt: Rückkehr ist die Bewegung des Tao. Sanftheit ist das Wirken des Tao. Alle Dinge dieser Welt entstammen dem Sein, und das Sein entsteht aus dem Nichtsein. Das Tao ist die Quelle allen
Wissens: Ohne aus der Tür zu gehen, weiß man um das Geschehen in der Welt. Ohne aus dem Fenster zu blicken, kann man das Tao des Himmels erschauen. Je mehr Wissen einer besitzt, um so weniger wird sein Erkennen. Also auch der Berufene: Er wandert nicht und kommt doch ans Ziel. Er sieht sich nicht um und vermag doch zu benennen. Er handelt nicht und bringt doch zur Vollendung. Die große Harmonie des Tao,
das unerklärbare Geheimnis des Universums, offenbart sich: Wenn die mystische Tugend klar wird und in die Ferne reicht, und die Dinge kehren (zu ihrer Quelle) zurück, dann und nur dann wird der große Einklang erkennbar. Von seinen eigenen Lehren
(wie von denen der großen Weisen) hat er gesagt: Meine Worte sind sehr leicht zu verstehen und sehr leicht auszuführen, und doch ist niemand auf Erden imstande, sie zu verstehen und auszuführen. Diese Worte haben einen Vater. Diese Taten haben einen Herrn. Weil sie nicht verstanden werden, darum werde ich nicht verstanden. Daß ich von wenigen nur verstanden werde, ist ein Zeichen meines Wertes. Also auch der Berufene: Er trägt sein Juwel in härenem Gewand. Schließlich spricht er vom
Weg zum Himmel: Wahre Worte
sind nicht schön, schöne Worte
sind nicht wahr. Tüchtigkeit
überredet nicht, Überredung ist
nicht tüchtig. Der Weise ist
nicht gelehrt, der Gelehrte
ist nicht weise. Der Berufene
häuft keinen Besitz an. Je mehr er für
andere tut, desto mehr
besitzt er. Je mehr er
anderen gibt, desto mehr hat
er. Das Tao des
Himmels segnet, aber schadet
nicht. Der Weg des
Weisen vollendet, aber streitet
nicht. Aus obigem ist klar zu
ersehen, daß Tao der Weg ist; der Weg zur Wirklichkeit, der unaussprechliche
und transzendente, der Urgrund allen Seins, der Schoß, aus dem alles Leben
hervorgeht. Es kommt nur durch das Üben der Stille oder die Befreiung des Gemüts
vom Gemütsstoff, was aber nur wenige, sich daran erfreuend, praktizieren und
auf andere übertragen können. Das Hineinkommen ins Innere liegt in der
Umkehrung und Läuterung des Geistes, wobei man das >Ich<< außer acht läßt.
>>Warte im Schweigen, und das Strahlen des Geistes wird kommen und
in dir Wohnung nehmen<<. Durch die Methode wachsamen Beobachtens und
Wartens wird das Gemüt leer und still; und einem solchen Gemüt enthüllt die
Natur ihr Geheimnis. >We Wie oder die
>>Schöpferische Stille<<, die zugleich >>höchste
Aktivität<< und >>äußerste Entspannung<< in sich schließt und
bedeutet, ist zur Verwirklichung des Tao unabdingbar. Es ist >>das leben, das jenseits der
Anspannung gelebt wird<<, das wie ein magischer Zauber wirkt. Das Tao
wirkt, ohne zu wirken, und kann niemals gelernt werden, und so >>zieht der kluge Mensch das Innere
dem Äußeren vor<<. Der Weg zu Tao ist immer im Einklang mit der Natur,
und man kommt durch das Anstreben der Einfachheit dahin. Es ist eine
Lebensweise, die buchstäblich gelebt werden muß, die den allumfassenden
ununterbrochenen Ablauf des Tao mit sich bringt. Aber heutzutage hat der
Taoismus ohne Laotse seine ursprüngliche tiefe Bedeutung verloren und einen
untergeordneten Sinn erhalten, der lediglich den Weg des Universums oder den
Weg, mit dem der Mensch sein Leben in Einklang bringen soll, anzeigt; und es
ist schwer zu ersehen, wie weit einer aus sich selbst das Tao erreichen kann,
ohne eine Meisterseele, die ihn auf den Pfad stellt. Die Lehre des Zoroaster Was die Hindus als
>Aum<, >Nad< und >Shabd< bezeichnen, die Buddhisten als
>Löwengebrüll des Dharma< beschreiben und Laotse als >Tao<, das
nennt Ratu Zoroaster, der persische Weise, >Sarosha< oder das, was man
hört: Ich erflehe dieses göttliche Sarosha (das Wort), das die größte aller göttlichen Gaben ist, zur spirituellen Hilfe.
Ha 33-35 Das
schöpferische Wort – in dem er das
sich entfaltende Selbst mit seiner
alles durchdringenden Realität vereinigt, hat der
allwissende, selbst-seiende Lebensspender dieses
mystische Wort mit seinem klangvollen Rhythmus
gestaltet, mit dem
göttlichen Befehl der persönlichen Selbstaufopferung
für das Universum an die sich
selbst veredelten Seelen. Es ist der Mensch,
der mit dem erleuchteten höchsten Geist diese beiden
(das mystische Wort und den göttlichen Befehl) den
Sterblichen durch Seinen gnadenvollen Mund vermitteln
kann. Ha 29-7 In der Gatha Ushtavaita erklärt Zoroaster: So enthülle
ich das Wort, das mich der Alloffenbarte gelehrt hat; das Wort, dem
die Sterblichen am meisten lauschen sollten. Wer auch immer
Mir Gehorsam leistet und
unerschütterliche Aufmerksamkeit zeigt, wird das
allumfassende vollkommene Sein und Unsterblichkeit
erlangen; und durch den Dienst
des heiligen göttlichen Geistes wird er Mazda
Ahura (die Gottheit) verwirklichen. Ha 45-8 Aber heute sehen wir nur
noch das symbolische Feuer, das in den Parsentempeln und Parsenhaushalten
beständig brennt, und finden das Singen von Psalmen und Hymnen vor, ungeachtet
des lebendigen Sarosha oder des Schöpferischen Wortes, das dieser edle Perser
selbst jahrelang in Mt. Alburz praktiziert hatte und das er die Menschen,
gleichsam gegen die Verehrung der alten Götter Babylons und Ninivehs, lehrte.
Da sich die Parsen dem Feuersymbol des ursprünglichen Sarosha verbunden haben,
nimmt es nicht wunder, daß sie nun überall als
>>Feuer-Anbeter<< bekannt sind. So sehen wir, daß jeder
Heilige oder Weise zu seiner Zeit der Welt das gegeben hat, was er selbst
erlebte; und dies in einer Form, die von den Menschen im allgemeinen leicht
aufgenommen und verstanden werden konnte. Jeder einzelne von ihnen ist für
seinen Beitrag zu gesamten spirituellen Wissen, das wir besitzen, der höchsten
Achtung würdig. Aber wirkliche Einsicht in dieses Wissen und tatsächliche
Erfahrung der spirituellen Wahrheiten kann man von den früheren Meistern nicht
erhalten; denn sie können jetzt nicht mehr auf diese physische Welt
herunterkommen, um die Menschen in lebendigen Kontakt mit dem heiligen Wort zu
bringen und in ihnen die Verbindung zum heiligen Geist, oder welchen Namen man
ihm umsonst geben mag, herzustellen. Dies bedarf der Hilfe eines lebenden
Meisters, der gleich den Meistern der Vergangenheit selbst in beständiger
Verbindung mit dem Wort ist; denn alles Leben kommt von Leben, genauso wie
Licht von Licht kommt 2. Das Christentum Jesus Christus war seinem
Wesen nach ein Mensch des Ostens, und seine Lehren waren von orientalischer Mystik geprägt. Es wird
sogar, worüber die Evangelisten schweigen, angenommen, daß er viele Jahre
seines früheren Lebens in Indien, dem Land der Weisen aus dem Morgenlande, wie
sie damals genannt wurden, zugebracht hat und auf seinen Wanderungen von Ort zu
Ort eine Menge von den Yogis und den buddhistischen Mönchen gelernt hat. Mag
sein, daß er sogar seine Lehrtätigkeit direkt in Indien begonnen hat und dort
einen Vorgeschmack von den Verfolgungen seitens des Brahmanen-Ordens und der
sogenannten ersten Gesellschaftskreise wegen seiner umfassenden Einsichten
bekam; denn er hielt nichts von Standesbarrieren und predigte die Gleichheit
der Menschen1. Sein Beitrag zum religiösen
Gedankengut der Welt kann daran ersehen werden, mit welchem Nachdruck er die
universale Liebe verkündet hat und betonte, daß das Reich Gottes im Innern des
Menschen liege. Beides sind Hauptgrundsätze, die die Alten lange vorher gekannt
haben, die aber in der Praxis vergessen und übersehen worden sind. Ihr sollt
nicht erwähnen, daß ich kommen bin, das Gesetz
oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht
kommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. Matth.
5,17 Wir wollen einige Aussprüche
untersuchen, die erkennen lassen, daß Jesus mit dem alten religiösen
Gedankengut vertraut war und den Pfad der Meister des Hörbaren Lebensstromes praktisch verfolgte, was oftmals übersehen
oder durch jene, die heute seine Lehren studieren, falsch ausgelegt wird. Das Auge ist
des Leibes Licht. Wenn dein Auge einfältig ist,
so wird dein ganzer Leib licht sein; ist aber dein
Auge ein Schalk, so wird dein ganzer Leib finster
sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist,
Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein. Matth. 6, 22-23 Dieses >>Auge<<
bezieht sich ganz unverkennbar auf das
>>Einzelauge<<, und die Worte: >>Wenn dein Auge
einfältig ist ...<< bedeuten eine konzentrierte Bewußtheit im Innern des
Zentrums hinter und zwischen den beiden Augen. Wiederum beziehen sich die
Worte: >>Ist aber dein Auge ein
Schalk ...<< auf einen Zustand geistiger Zerstreutheit im Äußeren, im
Gegensatz zur Konzentration im Innern, und die Folge davon ist ohne Zweifel
die >>Finsternis<< - eine
Finsternis, die aus der Unkenntnis über die wahren und wirklichen Werte des
Lebens herrührt, denn sie ist das größte Übel der Seele. Lukas warnt, wenn er sagt: So schaue
darauf, daß nicht das Licht in dir Finsternis
sei. 11, 35 Was ich euch
sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was ihr
höret in das Ohr, das predigt auf den Dächern. Matth. 10, 27 Hier nun Worte des
Ratschlags, die Jesus seinen wenigen Auserwählten gab, nämlich den Menschen
öffentlich (im Licht) die Bedeutung dessen klarzumachen, was sie >>in der
Finsternis<<, das heißt in der geheimen Meditation, gehört hatten, und
von der göttlichen Musik zu künden, die sie durch das transzendente Hören in
ihrem Ohr vernahmen. Mit den Ohren
werdet ihr hören und werdet es nicht verstehen; und
mit sehenden Augen werdet ihr sehen und werdet es
nicht wahrnehmen.
Matth. 13, 14 Der übermittelte Gedanke
ist, daß esoterisches und spirituelles Wissen in den Tiefen der Seele selbst,
im menschlichen Laboratorium, erfahren wird und nicht auf intellektueller Ebene
oder dem Sinnesplan verstanden werden kann. Im Matthäus-Evangelium wird
weiter erklärt: Wahrlich, ich
sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt,
zu sehen, was ihr sehet, und haben’s nicht gesehen,
und zu hören, was ihr höret, und haben’s nicht
gehöret.
Matth. 13, 17
Lukas 10, 24 Hier ist in klaren und
unzweideutigen Worten ein Hinweis auf die innere spirituelle Erfahrung gegeben,
auf die Verwirklichung des Reiches des Lichts und der Harmonie, das ein
wirklicher Meister wie Jesus seinen Schülern offenbaren konnte. Genau wie andere Seher hat
Jesus seinen aufrichtigen Jüngern eine mystische Erfahrung vom Reich Gottes
gegeben. Zur Menge hat er nur immer in Gleichnissen gesprochen, wie vom
Senfkorn, vom Feigenbaum, von den zehn Jungfrauen usw., die in den Evangelien in
Fülle zu finden sind. In einem bildhaften
Gleichnis erklärt er das Säen des Wortes in die Herzen der Menschen und sagt,
daß das Wort, das am Wegrand gesät ist, gewöhnlich von Satan aus dem Herzen
gestohlen wird; das Wort, das auf steinigen Boden fällt, schlägt keine Wurzeln.
Es hält für eine Weile, doch wird weggespült, wenn sich Trübsal und Verfolgung
um des Wortes willen erheben. Das Wort, welches zwischen Dornen gesät wurde,
erstickt und bleibt ohne Frucht, wenn die Sorgen dieser Welt, der trügerische
Reichtum und viele andere Lüste hinzukommen. Und schließlich bringt das Wort,
das auf guten Grund gefallen ist, Frucht ..., sie hören das Wort und nehmen es
an. (Markus 4, 14-20) Der Pfad Jesu ist der der
Selbstverleugnung und des Erhebens über das Körperbewußtsein, was der Erfahrung
des Todes im Leben gleichkommt. Und Jesus
sprach zu seinen Jüngern: Will mir jemand nachfolgen,
der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und
folge mir. Denn wer sein
Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein
Leben verlieret um meinetwillen, der wird’s finden. Was hülfe es
dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nehme doch
Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch
geben, damit er seine Seele wieder löse? Matth. 16, 24-26 Das bedeutet, daß man den
aus Fleisch und sinnlichem Gemüt bestehenden äußeren Menschen um des inneren
Menschen oder der Seele willen opfern muß. Mit anderen Worten, man muß das
Sinnesleben zugunsten des Lebens des Geistes aufgeben. Wiederum muß die Gottesliebe
in unserem Leben vorherrschend sein: Du sollst
lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer
Seele und von ganzem Gemüte. Matth. 22, 37 Markus geht weiter und fügt
hinzu: >> von all deinen Kräften<<. Dies ist das
vornehmste und größte Gebot. Das andere aber ist dem
gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich
selbst. In diesen
beiden Geboten handelt das ganze Gesetz und die
Propheten. Matth. 22, 37-40 Mark. 12, 30-31 Luk. 10, 27 Das Prinzip der Liebe ist
noch weiter ausgedehnt in: Liebet eure
Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl
denen, die euch hassen; bittet für die, so euch
beleidigen und verfolgen.
Matth. 5, 44 Und wozu dient dies alles? –
Um vollkommen zu werden gleich Gott: Darum sollt
ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel
vollkommen ist. Matth. 5, 48 Im Lukas-Evangelium lesen
wir, daß das >>Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in die
Wüste gekommen ist<< und der letztere der sich wundernden Menge die Taufe
durch Buße zur Vergebung der Sünden predigte und sagte: >>Ich taufe euch
mit Wasser; es kommt aber ein stärkerer nach mir ... der wird euch mit dem
heiligen Geist und mit Feuer taufen<< (3, 2-3 und 16) Wir müssen uns die
Worte >>Taufe mit dem heiligen
Geist und Feuer<< gut merken, denn das eine bezieht sich auf die
himmlische Musik (das heilige Wort) und das andere symbolisiert das himmlische
Licht, daß zweifache Prinzip von Ton und Licht, daß die ersten Offenbarungen
der Gottheit oder der Gotteskraft sind, die hinter der ganzen Schöpfung steht. Der Weg zum Reich Gottes
kann demjenigen geöffnet werden, der weiß, wie er darum >>bitten<<
muß, wie er >>suchen<< und wie er
>>anklopfen<< muß. Mit diesen drei einfachen Worten ist in
Matthäus 7 und Lukas 11 zusammengefaßt, was der Sucher zu tun hat. Doch
unseligerweise wissen wir immer noch nicht, wo die Pforte liegt, an der es
anzuklopfen gilt. Guru Nanak erklärt nachdrücklich: O ihr Blinden,
ihr kennt die Türe nicht. Und bei Matthäus lesen wir
darüber: Gehet ein
durch die enge Pforte . . . Und die Pforte ist eng, und der Weg
ist schmal, der zum Leben führet; und wenige sind ihrer,
die ihn finden. 7, 13-14 Im Grunde genommen ist es
ein Pfad der Umkehrung, denn keiner kann in das Reich Gottes kommen, es sei
denn, daß er sich umkehret und wie ein Kind wird (Matth. 18, 3) das heißt, daß
er seine Eitelkeiten aufgibt und sanftmütig wird, rein, einfach und unwissend
wie ein kleines Kind. Lukas beschreibt dieses Thema in Kap. 18, 15-17, als die
Jünger denen, die ihre Kinder mitbrachten, Vorhaltungen machten und Jesus diese
zu sich rief mit den Worten:
>>Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret es ihnen nicht;
denn solcher (die gleichen Sinnes sind), ist das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer
nicht das Reich Gottes nimmt als ein Kind, der wird nicht hineinkommen.<< Im Johannes-Evangelium lesen
wir eine Erklärung der Lehren Christi. Es beginnt mit den denk- würdigen Worten, um deren
wahre Bedeutung sich nur wenige gekümmert haben: Am Anfang war
das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war
das Wort. Dasselbige war
im Anfang bei Gott. Alle Dinge
sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist
nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das
Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht
scheinet in der Finsternis, und die
Finsternis hat’s nicht begriffen. Das war das
wahrhaftige Licht, welches alle Menschen Erleuchtet,
die in diese Welt kommen. Es war in der
Welt, und die Welt ist durch dasselbige
gemacht; und die Welt kannte es nicht. Und das Wort
ward Fleisch und wohnte unter uns . . . 1, 1-5, 9-10, 14 In der obigen Darlegung von
Johannes kann es keinerlei Zweifel hinsichtlich der Natur des Wortes geben. Es
ist in aller Klarheit das Licht und Leben der Welt, das schöpferische
Lebensprinzip, in dem wir leben, uns bewegen und unser Sein haben. Es ist der
Geist Gottes, die Substanz der Seele, die sich in dem gewaltigen Trubel der
Welt und allem, was weltlich ist, verloren hat. Nur die Verbindung mit dem
Geist zeigt den Weg zurück zu Gott und damit zur wahren Religion. Diese
Verbindung wird verschiedentlich als zweite Geburt, Auferstehung oder das
Von-neuem-geboren-werden genannt. Sich an Nikodemus, einen Pharisäer und Führer
der Juden, wendend, sagte Jesus: Wahrlich,
wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand von neuem
geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.
(Man beachte das Wort
>>sehen<<) . . . Wahrlich,
wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand geboren werde
aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes
kommen. (Man beachte: >>in das Reich Gottes kommen<<). Laß dich’s
nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von
neuem geboren werden. Jesus vergleicht den aus dem
Geist Geborenen mit dem >>Wind,
der bläset, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl; aber du weißt nicht,
von wannen er kommt und wohin er fährt<< (Joh. 3, 8). An anderer Stelle spricht
er vom heiligen Wort als dem >>lebendigen Wasser<<; dem
Wasser, >>das in das ewige Leben
quillet<< (Joh. 4, 14). Von sich selbst sprach Jesus
als vom >>Brot des
Lebens<<, dem >>lebendigen
Brot<<, das vom Himmel kommt; und er forderte seine Jünger auf,
>>das Fleisch des Menschensohnes zu essen und sein Blut zu
trinken<<, denn ohne dies
>>habt ihr kein Leben in euch<< (Joh. 6, 53). Dies sind kurz die
wesentlichen Lehren Christi, des Meister-Christen, aber nicht der des
institutionellen Christentums. Die meisten der christlichen
Lehrsätze wurden nicht von Jesus, sondern von Paulus formuliert, der Christus
in das Opferlamm verwandelte, das für die Sünden der Welt zu büßen hatte; und
um diesen zentralen Gedanken, der dem Judentum und den religiösen Bräuchen
rings um das Mittelländische Meer entliehen war, haben sich eine Menge Rituale
und Zeremonien gebildet. Die Lehren von Christus sind
weiterhin ausgezeichnete moralische Vorschriften und zeigen zweifellos den Weg
zur inneren Verwirklichung, reichen aber allein nicht aus, um den Sucher auf
den Pfad der Verwirklichung stellen zu können, denn ihnen fehlt jetzt der lebendige
Impuls, die lebendige Verbindung mit dem Verfasser, der die Aufgabe, die ihm in
seiner Zeit übertragen war, erfüllt hat, der aber nicht in unserer Zeit die
Menschen initiieren, führen und ihnen die Wahrheit vor Augen halten kann, indem
er sie der Wirklichkeit von Angesicht zu Angesicht gegenüberstellt. Von all den
mystischen Lehren Christi finden wir heute nur noch die symbolischen
Kerzenlichter in den Kirchen und das zeremonielle Glockengeläut zur Zeit des
Gottesdienstes. Nur wenige, wenn überhaupt jemand, kennen die wirkliche
Bedeutung, die hinter dem Ritual steht, nämlich die sichtbare Darstellung der
beiden Prinzipien von Licht und Ton, den allerersten Offenbarungen der
Gottheit, die für alles, was im Universum existiert, das Sichtbare wie das Unsichtbare,
verantwortlich sind. Wenn man einige der großen kirchlichen Würdenträger danach
fragt, sagen sie, daß die Glocken lediglich deshalb geläutet werden, um die
Menschen zum Gebet zu rufen; und von Gott als dem Vater des Lichts zu sprechen
(Jakobus 1, 17) sei nur eine bildliche
Darstellung, um der Welt seine größte Gabe (des Lichts der Vernunft und des
Verstandes) aufzuzeigen. Mit kaum irgendeiner Erfahrung der inneren Wahrheiten,
nehmen sie die Worte buchstäblich und versuchen, die Dinge theoretisch zu
erklären. Jesus selbst sagte in
unzweideutigen Worten: Ich bin das
Licht der Welt; wer mir nachfolget, der wird nicht
wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht
des Lebens haben. Joh. 8, 12 Wenn einer von sich selbst
als dem >>Licht des
Lebens<< spricht, kann das nicht ein Hinweis auf das Licht der Sonne
sein, selbst wenn sie in der physischen Welt eine Quelle lebensspendender Kraft
ist. In Matthäuse 13, 14 fährt
Jesus fort, die Sachlage zu klären, und warnt vor der buchstäblichen Auslegung
seiner Worte, wenn er zwischen
>>hören<< und
>verstehen<< unterscheidet und zwischen >>sehen<<
und >>wahrnehmen<<. Es sind
nur die erwachten Seelen, die Meister der Wahrheit, die in lebendiger
Verbindung mit der Wirklichkeit sind, welche den Schlüssel zum Reich Gottes in
Händen haben und einen Menschen, der völlig im Sinnesleben verloren ist,
emporziehen und für ihn das große Erbe allen Lebens und allen Lichts
wiederentdecken können. Denn es heißt: >>Alsdann werden der Blinden Augen
aufgetan und der Tauben Ohren geöffnet; alsdann werden die Lahmen springen wie
ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen. Denn es werden Wasser in der
Wüste hin und wieder fließen und Ströme im dürren Lande<< (Jesaja 35,
5-6). Wie wenige von uns verstehen
und würdigen die innere Bedeutung der Worte Jesu. Wir begnügen uns allein mit
der ethischen Seite seiner Lehren, die natürlich eine notwendige Ergänzung der
spirituellen Seite war. Die ethischen Grundsätze sind weit verbreitet und
wurden sogar sehr lebendig erhalten, denn sie weisen in der Tat seit Moses
einen großen Fortschritt in der moralischen Skala der menschlichen Werte auf.
Aus ihnen erklären sich jedoch nicht Aussagen wie jene über >>das Jüngste Gericht<< oder: >>Tut Buße, das
Himmelreich ist nahe<< und:
>>Gott ist Geist und die, welche ihn anbeten, müssen ihn im Geist
und in der Wahrheit anbeten.<< Wenn solche Aussprüche im
buchstäblichen Sinne genommen werden, verlieren sie ihre Bedeutung. Der >>Tag des Gerichts<< ist nicht
gekommen, obwohl sein Nahen prophezeit war; so hat entweder Jesus in
Unwissenheit gesprochen, oder wir haben die wirkliche Bedeutung von dem, was er
meinte, nicht erfaßt. Es steht immer eine innere Bedeutung hinter dem, was er
sagte; eine Bedeutung, die jenen klar ist, welche dieselben mystischen
Erfahrungen gemacht haben, die aber solche verwirrt, die den Versuch machen,
diese Dinge in Begriffen des Verstandes oder gar der Intuition zu erklären. Ohne die direkte innere
Wahrnehmung (die nicht mit philosophischen Spekulationen oder intuitiver
Einsicht zu verwechseln ist) zu haben, versuchen wir, die Bedeutung der Lehren
auszulegen, die uns in Begriffen unserer eigenen begrenzten Erfahrung überliefert
wurden. Was bildlich gedacht war, nehmen wir buchstäblich, und die
übersinnlichen Beschreibungen würdigen wir zu bloßen Bildern herab. Wir vergessen einfach, das
Jesus, wenn er sagte, er sei
>>das Licht der Welt<<,
>>der Sohn Gottes<< und einer, der seine Jünger sogar >>bis ans Ende der Welt<< weder
verlassen noch versäumen werde, nicht in seiner sterblichen Eigenschaft sprach,
sondern, wie alle anderen großen Meister, als einer, der mit dem Wort
Verschmolzen und eins mit ihm geworden war. Und indem wir das vergessen, mach
wir ihn, anstatt den spirituellen Pfad zu verfolgen, den er gezeigt hat, zu
einem Sündenbock, der unsere Sünden trägt, damit wir so der inneren
spirituellen Aufforderung entgehen. 1 Verg. Nicolas Notovitch, >>The Unknown
Life of Christ<<, Indo-American Book Co. (Chicago) 1894. 3. Der Islam Wie aus dem Namen bereits
ersichtlich, ist der Islam die Religion des Friedens und Wohlwollens für alle, die an den Propheten glauben und seine
Gesetze befolgen. Jede Religion, die ins Dasein tritt, erfüllt den Plan Gottes,
trägt dem Bedürfnis der Stunde Rechnung und schließt eine Lücke in der
religiösen Geschichte des Menschen. Auch der Prophet Mohammed kam zu einer Zeit und an einen Ort, wo es übel zuging
durch krassen Aberglauben, Götzendienst, soziale Entartung und moralischen
Bankrott der arabischen Rasse, die wie ihre Brüder, die Juden, und andere vor
ihnen heruntergekommen war. Beide, Juden und Araber, sind semitischen Ursprungs
und die Nachkommen von Abraham. Die
von Ismail abstammen, wurden nach
Osten verbannt, während die Nachfahren seines Bruders Isaak in Palästina
blieben. Die rauhen und derben Beduinenstämme der Wüste waren nur dem Mammon
und Bacchus ergeben; sie steckten in äußerster Unwissenheit und kämpften mit
Herz und Seele gegeneinander im brennenden Wüstensand. Um diese Menschen zu
erretten, war Mohammed, ein tiefreligiöser und tatkräftiger Hirtenjunge, vom
Höchsten zu seinem Auserwählten erkoren worden, als der Mensch, der den Befehl
des Allbarmherzigen unter seinen Geschöpfen ausführen sollte. Der Ruf für das
Amt Gottes war zu ihm gedrungen, nachdem er sich für mehrere Jahre in der
rauhen und unfruchtbaren Einöde der Gar-i-Hira in der Gegend von Mekka einer
intensiven spirituellen Schulung unterzogen hatte. Er begann seine Mission im
Geiste wahrer Demut – nicht, um Wunder zu tun oder Übernatürliches zur Schau zu
stellen, was er immer ablehnte und wovon er sich stets distanzierte, sondern
als ganz einfacher Prediger von Gottes Wort, als ein einfacher Mensch wie jeder
andere, jedoch mit der Botschaft Allahs. Seine Botschaft war die des
einen Gottes, denn er erklärte nachdrücklich: Es gibt keinen
Gott außer Gott, und Allah ist sein Name. Mohammed ist
nur sein Bote oder Gesandter. Auf dieser Grundlage des
Monotheismus baute er sein System ethischer Lehren und demokratischer
Bruderschaft auf. Er war in der Tat dem Bedürfnis der Zeit angepaßt, und er
erfüllte dieses auf bewundernswerte Weise. Der barbarischen, unreifen und
intellektuell halbentwickelten Rasse konnte er keine metaphysischen Forderungen
zur Überlegung geben, zumal bereits seine betont einfachen Lehren dem Gespött
und der Lächerlichkeit seitens dieser Menschen ausgeliefert waren, ganz
abgesehen von den Schmähreden, die zeitweise zu offener Feindseligkeit führten,
welche ihn und seine Anhänger zwang, ihrer Sicherheit wegen nach Medina zu
flüchten. Dies war im Jahre 622, als die Schar der Gläubigen Mekka verließ. Dem
folgte eine Periode erbitterten Kampfes für den neugeborenen Glauben, zu dessen
Erhaltung und Verbreitung der Prophet das Schwert zur Selbstverteidigung ziehen
mußte. Der Prozeß der
Konsolidierung dauerte etwa hundert Jahre, in denen sich ein mächtiges Reich
von Osten nach Westen ausbreitete, vom Indischen Ozean auf der einen bis zum
Atlantik auf der anderen. Der Koran oder die Heilige
Schrift des Islam ist das größte Wunder und ein hervorragendes Werk, das alles
andere der damaligen Epoche übertraf. Er hat 144 Suren oder Kapitel, mit einer
Verszahl zwischen 286 und 6 in abnehmender Folge. Er ist in einem reinen,
ausgezeichneten Arabisch geschrieben und wurde dem ungelehrten Propheten
während seiner intensiven Meditationen durch den Erzengel Gabriel offenbart,
dessen Stimme aus dem >>Geläut
von Glocken<< hervorging und allmählich Ton, Gestalt und Form annahm. Die einfachen Lehren des
Korans drehen sich um Allah (Gott), sein >Makhluq< oder die geschaffene
Welt, >Insan< (Mensch) und >Qiamat< oder das Jüngste Gericht. Weil
Allah wirklich und grundsätzlich gut ist, so ist alles andere, was von ihm
geschaffen wurde, auch gut. Da alles Leben individuell ist, muß jeder die
Rechnung für seine Taten im Leben bezahlen; denn wer vom Pfad abweicht, muß
später, am Tag der Abrechnung oder >Qiamat<, die volle Verantwortung für
dieses Abweichen tragen. Der Pfad des Friedens und
der Rechtschaffenheit für den Menschen ist einer, der erstens Allah oder Gott
geweiht ist und zweitens >Namaz< oder dem Gebet, dem man mindestens
fünfmal täglich nachkommen muß: sei es stehend, sitzend, kniend oder liegend,
was das beständige Denken an Gott anzeigt; es kann überall verrichtet werden,
indem man den Gebetsteppich (Sajadah) ausbreitet und sich gen Mekka wendet, dem
einen allgemeinen Zentrum der Anbetung für die Gläubigen; drittens
>Zakat< oder Almosengeben an die Armen und Bedürftigen, in Höhe eines
Vierzigstels des Besitzes, pro Jahr, so daß alle gemeinsam als Glieder
derselben Menschenfamilie daran teilhaben können; viertens >Roza< oder
Fasten während des Fastenmonats Ramadan, damit die Gläubigen wissen, was Hunger
ist, und um die Leiden der Hungernden zu lindern und ebenso spirituelle
Disziplin zu entwickeln, wie Liebe zu Gott und Mitleid für ihre Brüder, und
schließlich fünftens >Haj< oder auf Pilgerfahrt nach Mekka gehen, dem
Jerusalem der Gläubigen, wenigstens einmal im Leben, wobei die Reichen wie die
Armen gleicherweise in einfaches Linnen gekleidet sind. Dies sind kurz die
sozialen Lehren des Islam, die zu Verbesserung des arabischen
Gemeinschaftslebens bestimmt waren. Im Koran sind jedoch nicht viele der
spirituellen Übungen erwähnt, denen sich der Prophet unterzog und die ihn von
einem einfachen Kameltreiber in einen Propheten (Prediger) und großen
Staatsmann umgewandelt haben. Diese Tatsache macht wieder einmal den uralten
Ausspruch deutlich, daß es ein Wissen gibt, durch das alles andere bekannt wird
und welches die vollständige Identifikation mit dem Herz des Universums in
<maraqba< oder der Meditation zustande bringt. Die Übung in der
Einsamkeit von Ghar-i-Hira (Höhle von Hira) war, wie wir von Meister-Heiligen
wissen, keine andere als die von >Shugal-i-Nasiri< oder des Tones, der
als >Sesam öffne dich< für das Reich Allahs wirkt. Sheikh Mohammed Akram Sabri
sagt uns, daß der Prophet fünfzehn Jahre lang die Verbindung mit
>Awaz-i-mustqim< praktiziert hatte, ehe er begann, Botschaften von Gott
zu empfangen. Wir erfahren auch, daß der Prophet >Shaq-ul-qamar<
vollbrachte, das heißt, daß er den Mond entzweibrach und auf einem
milchigweißen Schlachtroß – Barq – ritt, was bildlich und buchstäblich Blitz
bedeutet. Das sind klare Hinweise auf die inneren Erfahrungen derjenigen, die
den Pfad des Tonstromes gehen und wissen, daß sie Sterne und Mond in ihrer
spirituellen Aufwärtsreise zu durchqueren haben. Heute sehen wir nur noch die
symbolischen Darstellungen von alledem im Stern und Halbmond der Moslem-Fahnen,
Münzen und Briefmarken etc. Wiederum wird das Erscheinen des Mondes an den Id –Tagen immer mit Jubel und Freude
begrüßt, und allerorts erwarten und beobachten die Menschen des Islam von ihren
Hausdächern aus gespannt das Aufgehen des Mondes am Horizont, während sie die
innere Bedeutung davon kaum kennen. Da sie an das Buch gebunden sind, werden
sie mit Recht Kitabis Oder das Volk
des Buches genannt. Mohammed mag der letzte in der Reihe der Propheten gewesen
sein. Aber der Koran empfiehlt, einen Mittler zu suchen, der die Verbindung mit
Gott herstellt. Abgesehen von diesen
Hinweisen haben wir das unbestrittene Zeugnis der Moslem-Mystiker oder Sufis,
die in unmißverständlichen und hohen Worten von der Rettenden Lebensschnur
>Kalam-i-Qadim, Bang-i-Ilahi, Nida-i-Asmani, Saut-i-Sarmadi< gesprochen
haben, was alles den >>Abstrakten Ton<< (Ism-i-Azam), das eine
schöpferische Lebensprinzip in der ganzen Natur, bedeutet, das >Kalma<,
das die vierzehn >Tabaqs< oder Regionen hervorbringt. Zu dieser Klasse
von Mystikern gehören Shamaz Tabrez, Maulana Rumi, Hafiz Shirazi, Abdul Rasaq
Kashi, Inayat Khan, Baba Farid, Bulleh Shah, Shah Niaz, Hazrat Abdul Qadar,
Hazrat Mian Mir, Hazrat Bahu, Hazrat Nizam-du-Din und eine Menge andere, die alle
>Sultan-i-Azkar< (das höchste Tonprinzip) praktizierten. Diese
>Fukra-i-Kamil< oder Wanderer auf dem Gebiet wahrer Weisheit (Marfat)
haben >Shariat< und >Tariquat< den Pfad der Schriften und
Traditionen (Hadith) beiseite gelassen. Hazrat Inayat Khan spricht
in seinem Buch >>Die Mystik des Tones<< von der Schöpfung als
>>Musik Gottes<< und sagt uns, daß >Saut-i-Sarmadi< der
berauschende Wein aus dem Garten Gottes sei. >>Der ganze
Raum<<, so erklärt er, >>ist von Saut-i-Sarmadi oder dem Abstrakten
Ton erfüllt<<. Die Vibrationen dieses Tones sind zu fein, um den
stofflichen Augen und Ohren sichtbar und hörbar zu sein; denn es ist für die
>>Augen schon schwierig, Form und Farbe der ätherischen Vibrationen auf
der äußeren Ebene wahrzunehmen<<. Es war >Saut-i-Sarmadi<, daß
Mohammed in der Höhle von Hira vernahm, als er sich in sein Ideal verlor. Der
Koran bezieht sich darauf als >Kun-feu-kun< - >>Es werde, und alles
wurde<<. Moses hörte diesen Ton auf dem >Koh-i-Toor< oder dem Berg
Sinai, als er mit Gott in Verbindung war. Dasselbe Wort vernahm Christus, als
er sich in der Wüste in seinem himmlischen Vater vertiefte. Siva hörte diesen
>Anhad Nad< in den Himalayas. Krishnas Flöte versinnbildlicht den
gleichen Ton. Dieser Ton ist den Meistern, denen er von innen her offenbart
wird, die Quelle aller Offenbarung, und daher kennen und lehren sie alle ein
und dieselbe Wahrheit; denn in dieser abstrakten Wirklichkeit sind alle
Gesegneten in Gott vereint. Der Ton des Abstrakten erklingt allezeit im
Menschen und um ihn herum. Jene, die ihn hören und über ihn meditieren, sind
aller Plage, aller Ängste, Sorgen, Befürchtungen und Krankheiten enthoben, und
die Seele ist von der Knechtschaft der Sinne und des physischen Körpers befreit
und wird Teil der allesdurchdringenden Bewußtheit. Dieser Ton entfaltet sich
durch und in zehn verschiedenen Aspekten gemäß seiner Offenbarung durch die
einzelnen Körper-Kanäle (Nadis) und klingt wie Donner, Meeresrauschen,
Glockenklang, Bienensummen, Vogelgezwitscher, eine Veena, eine Flöte, ein
Muschelhorn (Shankha), bis zuletzt >>Hu<< gehört wird, der
heiligste aller Töne, mögen sie vom Mensch, Tier oder einem Ding kommen. Abdul Bahu sagte in einer
seiner Ansprachen:>>Wir müssen Gott danken, daß er für uns die
materiellen Segnungen und die spirituellen Gaben geschaffen hat; die äußere
Sicht, um das Licht der Sonne zu erblicken, und die innere Schau, durch die wir
Gottes Glorie wahrnehmen können. Er hat das äußere Ohr dazu bestimmt, daß wir
uns an den Melodien des Tones erfreuen, und das innere Gehör, daß wir damit die
Stimme unseres Schöpfers vernehmen können. In den >>Verborgenen
Worten<< von Baha’u’llah, einem persischen Mystiker und Heiligen, lesen
wir: O Sohn des
Staubes! Höre auf die mystische Stimme, die dich aus dem
Reich des Unsichtbaren ruft ..., erheben dich aus dem Kerker
hin zu herrlichen Gefilden, und eile aus dem Käfig des
Irdischen hin zum Paradies des Unendlichen. Viele andere Sufi-Mystiker
haben auf ähnliche Weise verkündet: Erhebe dich
über den Horizont und höre auf die göttliche Melodie. Der Prophet wendet
sich ihr wie jeder anderen Aufgabe zu. Maulana Rumi O Gott! Führe mich an den Ort, von
dem das unaussprechliche Kalma ohne Worte ausgeht. Shah Niaz Alle
wiederholen Kalma mit den Worten des Mundes, doch eine
seltene Seele tut es mit der Zunge der Gedanken. Wer sich im
Geiste mit ihm verbindet, kann es nicht
in Worten schildern. Bahu Im Tazkra-i-Gausia (S.332)
gab uns Amir Khusro, ein großer Mystiker, Dichter und bekannter Gelehrter,
einen Bericht über die zehn Arten von Tönen, die man im Innern hört, und endete
mit wunderbaren Worten: Dieser Art ist
da himmlische Orchester, o Khusro, und in diese
zehn Melodien vertieft sich ein Yogi, die Sinne
gestillt und das Gemüt beruhigt; so sagt
Khusro: Durch den
grenzenlosen Trompetenschall im Innern verfliegen
alle Lüste des Fleisches und die tödlichen Sünden; zudem hat der
Meister seine eigene wunderbure Welt; und Kushro ist
nun ganz vertieft in sich selbst. Aus obigem wird völlig klar,
daß der Mensch fähig ist, eine innere spirituelle Erfahrung des Tonstromes zu
erlangen, vorausgesetzt, er findet einen kompetenten Meister, der seinen
eigenen Lebensimpuls über- tragen und das Bewußtsein im
Menschen zum Mittelpunkt seines Wesens bringen kann, im ihn dann mit dem Licht
und Ton Gottes zu verbinden, indem er das innere Auge öffnet und das innere Ohr
entsiegelt. Die Spuren davon können
heute in der >Qawalis< oder
äußeren Musik gefunden werden; in den >raqs< oder Tänzen mit klirrenden
Fußreifen, dem sich manche Moslems hingeben, um >Wajd<, einen Zustand des Vergessens, hervorzurufen und dadurch
auf den höheren, inneren Weg zu gelangen. 4. Der Sikhismus Er ist die jüngste
Weltreligion und auf Guru Nanak
zurückzuführen, den ersten in der Folge von zehn großen Gurus. Gleich anderen
Glaubensrichtungen nahm sie den Charakter einer bestimmten Religion erst in den
nachfolgenden Zeiten an. Ihre Meister forderten niemals, daß ihre Lehren als
etwas Neuartiges anzusehen seien. Tatsache ist, daß sie nachdrücklich betonten,
es seien die gleichen Wahrheiten, die seit undenklichen Zeiten gelehrt wurden.
Um die Universalität der spirituellen Botschaft hervorzuheben, nahm Guru Arjan
Dev, als er den >Shri Adi Granth<, die Heilige Schrift der Sikhs,
zusammenstellte, Hymnen und Gebete aus den mystischen Schriften der Heiligen
aller Kasten und Glaubensrichtungen auf, einschließlich jener von Kabir, dem
Moslem-Weber, Dhanna, dem Soldaten, Ravi Das, dem Schuster, Sadhna, dem
Metzger, usw. Die Sikh-Schriften nehmen in
der religiösen Geschichte eine einzigartige Stellung ein. Sie zeigen nicht nur
den ersten, wohlüberlegten Versuch auf, die Einheit aller Religionen zu
veranschaulichen, sondern sind auch in einer Sprache verfaßt, die noch lebendig
ist und nicht der Vergangenheit angehört. Deswegen haben sie nichts
von ihrer ursprünglichen Frische eingebüßt und sind nicht völlig unter den
Trümmern theologischer Auslegungen begraben worden. Da sie hauptsächlich in
Form frommer Lyrik abgefaßt wurden, haben sie eine nachhaltige Wirkung. Sie sprechen
den ganzen Menschen an, geben seinen Problemen, seinen Schwächen, der Eitelkeit
der Welt und der Ewigkeit des Absoluten Raum und rufen ihn zu immer größerer
Bemühung auf, seine göttliche Heimat zu erreichen. Da man auf Konjunktionen
verzeichnet hat, ermöglicht die Sprache, die sie gebrauchen, durch ihre Kürze
und Konzentration einen hohen Grad an poetischer und musikalischer
Aussagekraft. In jeder Darlegung ist eine forschende Philosophie und
tiefgründige Metaphysik enthalten; doch die Sprache, die sie verwenden, spricht
direkt zum Herzen der Menschen, und auf diese Weise Haben wir etwas von
unerschöpflicher Bedeutung, das alle beeindruckt. Überdies ist der Sikh-Glaube
nicht auf die Lehren nur eines großen Meisters zurückzuführen, vielmehr auf
eine ganze Reihe von ihnen; und er umfaßt nicht nur einen, sondern nahezu jeden
Hauptaspekt der spirituellen Suche des Menschen. Wenn Buddha die Notwendigkeit
des Maßhaltens und des Nichtanhaftens betonte und Christus die der Liebe, legen
die Sikh-Lehren erfolgreich auf alle Aspekte Nachdruck. Sie sind außerdem verhältnismäßig
neueren Ursprungs, denn die Überlieferung von dem persönlichen Leben der zehn
großen Gurus ist bewahrt, und wir wissen viel über ihre Wanderungen und Taten.
Hingegen ist nichts dergleichen bekannt von den Meister-Seelen, die dem
Hinduismus die Upanishaden
hinterlassen haben. Sie sind wie Stimmen, die aus der entfernten mythologischen
Vergangenheit zu uns dringen. Der spirituelle Pfad ist ein praktischer, und der
Mensch benötigt nicht nur die Philosphie, sondern den Beweis eines Lebens, der
sie veranschaulicht. Ob wir von der Demut Nanaks lesen, der zu Fuß von Ort zu
Ort ging und die spirituelle Fackel trug, oder von Guru Gobind Singh, dem
letzten der zehn Gurus, der von einem Ende des Landes zum anderen ritt und
seine Anhänger in einer Bruderschaft verband, die der Macht mit Macht zu
begegnen wußte und sich erfolgreich der physischen Vernichtung widersetzte, die
von dem fanatischen Kaiser Aurangzab drohte – wir erkennen immer wieder, daß
das Leben Gottes die innere Vollendung ist, eine Art des Seins, eine
Selbsterfüllung, die nicht mit intellektueller Philosophie oder metaphysischen
Problemen zu verwechseln ist. Wer diese spirituelle Befreiung erworben hat,
konnte nicht von äußeren Taten berührt oder beeinträchtigt werden, denn er
hatte Gottes Willen zu seinem eigenen gemacht und tat nichts aus sich selbst.
So konnte Guru Gobind Singh, während er seine getreue Schar zum Krieg gegen die
Moguln aufgerufen hatte, dennoch singen: Sach Kahun,
sun sabhay Jin prem kiyo, tin he Prabh payo. Wahrlich, wahrlich,
ich sage euch, solche, die
geliebt haben, fanden den Herrn. Der Versuch, die mystische
Botschaft der Sikh-Gurus zu skizzieren, würde heißen, das meiste, was schon in
den vorhergehenden Kapiteln gesagt ist, zu wiederholen. Denn die Lehren von
Nanak und Kabir (seinem Zeitgenossen) stellen die letzte Entwicklung dar von
der Mystik des inneren Sehens und Hörens zum Pfad des Surat Shabd Yoga. Beide großen Meister, von denen der eine der
erste in der Reihe der Sikh-Guru ist und der zweite ein Weber aus Varanasi
(früher Benares), haben unermüdlich betont, daß äußere Rituale, intellektuelle
Spitzfindigkeiten und Yoga-Härten von keinem Nutzen sind. Sant mata kuchh aur hai Chhado chaturai. Der Pfad der
Meister ist anders; so laß deine
intellektuellen Spitzfindigkeiten.
Kabir Man kann Gott
nicht durch den Verstand erfassen, denkt man auch
ewig darüber nach. Man kann durch
äußeres Schweigen nicht inneren Frieden finden, und
bliebe man für immer stumm. Nicht mit
allem Reichtum der Welt läßt sich Zufriedenheit erkaufen, noch
kann man Gott durch alle geistige Findigkeit erreichen. Nanak Sie waren beide gegen
Staatsunterschiede und haben gleicherweise die Einheit allen Lebens und das
Einssein des Geistes, der alles erhält, betont. Beide erklärten immer wieder,
daß der höchste und einfachste Weg zur
Einswerdung mit Gott der Pfad von Naam oder Shabd ist. In der Tat gibt es keine
anderen Schriften, die so nachhaltig hervorheben, daß das Wort alles durchdringt,
wie die der Sikhs oder die von Kabir, aus denen, wie bereits gesagt, eine
Auswahl durch Guru Arjan Dev in den >Shri Adi Granth< aufgenommen wurde.
Das innere Licht - >>antar jot<< - und die innere Musik -
>>panch shabd<< oder das fünftönige Wort, dessen Musik grenzenlos
ist (anhad bani), sind ein immer wiederkehrendes Thema in nahezu allen im
>>Granth Sahib<< zusammengefaßten Schriften. Das Jap Ji von Guru Nanak,
das im >>Granth Sahib<< als
Prolog erscheint, dient dazu, die spirituellen Reichtümer, die die
Sikh-Schriften in sich bergen, zu veranschaulichen. Es ist eine wunderbare
lyrische Komposition, bemerkenswert durch ihre poetische Schönheit und mehr
noch durch die göttlichen Höhen, die sie berührt. Zu Beginn verweilt sie bei
der Natur der Absoluten Wirklichkeit, zum Unterschied von den Erscheinungen: Es gibt eine
Wirklichkeit, den Unoffenbarten-Offenbart; immer seiend
ist er Naam (der bewußte Geist). ohne Furcht,
ohne Feindschaft; der Zeitlose,
der Ungeborene und aus sich selbst Bestehende, vollkommen in
sich selbst. Prolog Diese Wirklichkeit geht über
den menschlichen Verstand und das menschliche Fassungsvermögen hinaus: Man kann ihn
nicht durch den Verstand erfassen, denkt man auch
ewig darüber nach.
Strophe I Und dennoch kann sie
erreicht werden, und der Pfad, der dahin führt, ist einfach: Es gibt einen
Weg, o Nanak: seinen Willen zu dem unseren zu machen,
seinen Willen, der bereits in unser Dasein eingewirkt
ist. Strophe I Es ist nicht etwas außerhalb
von uns, sondern in uns. Es ist ein Teil unseres Seins, unser wahres Wesen, und
alles, was not tut, ist, daß wir uns auf ihn abstimmen; denn auf ihn abgestimmt
sein heißt, von der Knechtschaft des Egos und somit von >Maya< befreit zu
sein: Alles besteht
durch seinen Willen, und nichts ist
außerhalb davon. Wer mit seinem
Willen in Einklang ist, o Nanak, ist gänzlich
vom Ego befreit. Strophe
II Wie kann man sich auf den
göttlichen Willen abstimmen? Die Antwort darauf ist im Prolog gegeben: Durch die
Gnade seines wahren Dieners, des Meisters, kann er
erkannt werden. Dieses Thema wird in Strophe
XVI ausführlicher behandelt: Der Heilige
(das personifizierte Wort) ist angesehen in seinem
Reich und der Haupterwählte darin; der Heilige
ziert Gottes Schwelle und wird selbst von Königen
geehrt. Er lebt durch
das eine Wort und meditiert über das eine Wort. Die Gabe des wahren Meisters
ist die von Naam, worin er selbst Adept ist. Dieses Wort ist die Offenbarung
von Gottes Willen und Geheiß, und es ertönt im Innern aller seiner Schöpfungen: Nur mit einem
einzigen Wort brachte er diese gewaltige Schöpfung ins Sein, und tausend
Lebensströme sind ihr entsprungen. Strophe XVI Der Weg zur Einswerdung mit
dem Willen Gottes liegt im Abstimmen auf das Wort: Durch die
Verbindung mit dem Wort wird man zur Wohnstatt
aller Tugenden; durch die
Verbindung mit dem Wort wird man ein Sheikh, ein Pir und
ein wahrer König der Spiritualität; durch die
Verbindung mit dem Wort finden die spirituell Blinden ihren
Weg zur Verwirklichung; Durch die
Verbindung mit dem Wort durchquert man das grenzenlose
Meer der täuschenden Materie. O Nanak! Seine
Ergebenen leben in ständiger Verzückung, denn das Wort
wäscht alle Sünden und Sorgen fort. Strophe XI Daher erklärt Guru Nanak: Erhaben ist
der Herr und erhaben seine Wohnstatt; noch erhabener
ist sein heiliges Wort. Strophe XXIV Indem er das Wesen des
Absoluten umrissen und den Weg zur Vereinigung mit ihm aufgezeigt hat, fährt
Nanak fort und schildert uns das für eine erfolgreiche Reise notwendige
Rüstzeug. Es ist nicht nötig, so führt er an, daß einer äußerlich ein
>Sanyasin< wird. Was einer zu tun hat, ist, ein >Sanyasin< im
Geiste zu werden, indem er sich von den äußeren Formen freimacht und die
inneren Tugenden entwickelt: Möge
Genügsamkeit euer Ohrring sein und Streben nach dem Göttlichen
und Achtung für das höhere Selbst euer Beutel. Ständige
Meditation über Gott sei eure Asche. Bereitschaft
für den Tod soll euer Umhang sein, und euer
Körper sei wie eine reine Jungfrau. Eures Meisters
Lehren mögen der Stab sein, der euch stützt. Höchste
Religion ist, sich zur Universalen Bruderschaft
zu erheben, ja, alle
Geschöpfe als euresgleichen zu betrachten. Besiegt euer
Gemüt; denn Sieg über das Ich ist Sieg über
die Welt. Heil, Heil ihm
allein, dem Ersten, Reinen, Ewigen, Unsterblichen
und allezeit Unveränderlichen. Strophe XXVIII In den Schlußteilen des Jap
Ji Gibt Guru Nanak zuletzt einen Überblick über die Pilgerfahrt des Geistes.
Als erstes ist die Ebene von >Dharm Khand<, der Bereich des Handelns, zu
überschreiten, die Welt der guten und üblen Taten, wie wir sie kennen. Als
nächstes kommt >Gyan Khand< oder der Bereich des Wissens, der erste der
inneren Himmel, der voller Götter und Halbgötter ist: Zahllos sind
seine Elemente, Luft Wasser und Feuer; und zahllos
die Krishnas und Shivas; zahllos die
Brahmas, welche die vielen Schöpfungen mit unzähligen
Formen und Farbtönungen gestalten. Zahllos die
Handlungsbereiche, zahllos die
goldenen Berge . . . Zahllos die
Quellen der Schöpfung, zahllos die
Harmonien und zahllos jene, die ihnen lauschen. Zahllos sind
die dem Wort Ergebenen. Endlos und
unendlich, o Nanak, ist dieser Bereich. Strophe XXXV Während in dieser Region das
Wissen vorherrscht, wird die nächste, der Bereich der Wonne oder >Sarm
Khand<, von der Verzückung bestimmt. Diese Ebene kann man unmöglich
beschreiben, und wer immer den Versuch macht, sie zu schildern, hat seine
Torheit zu beklagen. In Ihr wird die Seele zuletzt von all ihrem Mentalen
Beiwerk befreit und kommt zu sich selbst. Hier werden
Gemüt, Vernunft und Verstand vergeistigt, das Selbst
kommt zu sich und durchdringt in seiner
Erfahrung die Götter und Weisen. Strophe XXXVI >>Noch höher<<
liegt >Karm Khand<, der Bereich
der Gnade – eine Gnade, die durch rechtes Handeln und Meditation erworben wird. Hier ist das
Wort alles in allem, und nichts anderes gilt. Hier weilen
die Tapfersten der Tapferen, die Besieger
des Gemüts, von göttlicher
Liebe durchdrungen ... Ihre Herzen
ganz von Gott erfüllt, leben sie jenseits vom Reich des
Todes und der Täuschung. Strophe XXXVII Dies ist der Bereich, in dem
die Seele endlich den Schlingen der Relativität entgeht. Die Bande der Zeit,
Tod und Wandlung, berühren sie nicht länger. Doch obschon sie stets in der
Gegenwart des Herrn weilt, kann sie sich noch weiter erheben, um in seinem
Formlosen Zustand aufzugehen: Sach Khand
oder der Bereich der Wahrheit ist der Sitz des Formlosen
Einen. Hier bewirkt
er alle Schöpfungen und erfreut sich des
Erschaffens. Hier gibt es
viele Regionen, himmliche Systeme und Universen, die zu zählen
ein Zählen von Unzählbarem wäre. Aus dem
Formlosen heraus nehmen hier die himmlischen Ebenen und
alles andere Gestalt an; Alles ist dazu
bestimmt, sich nach seinem Willen zu bewegen. Wer mit dieser
Schau gesegnet ist, erfreut sich
ihrer Betrachtung. Aber, o Nanak,
der Versuch, diese Schönheit zu beschreiben,
hieße ein Unmögliches zu versuchen. Strophe XXXVII Die Welt wird sich weiter in
ihrem Geleise der guten und üblen Taten bewegen und in den Grenzen des Karmas
gefangen bleiben; aber: Jene, die sich
mit dem Wort verbunden haben, deren Mühen
werden enden, Und ihr
Antlitz wird voll Glanz erstrahlen. Nicht nur sie
werden erlöst sein, o Nanak, sondern viele
andere werden mit ihnen die Freiheit finden. Schluß Dies war die erhabene
Botschaft von Guru Nanak und ebenso die seiner Nachfolger. Ihr Wort loderte wie
ein Sommerfeuer durch die Ebenen des Punjab und fegte alle falschen
Kastenunterschiede hinweg, die ein dekadentes Brahmanentum errichtet hatte. In
einer Zeit, da religiöse Blindgläubigkeit unter den Hindus und führenden
Moslems stetig zunahm, veranschaulichte sie die Einheit aller wahren
Religionen, reinigte den Hinduismus von der Versklavung durch äußerliches
Ritual und stellte dem Islam das höhere innere Ideal auf, das über äußeren
Namen und Formen vergessen war. Es ist kein Zufall, daß die
Tradition der Sufis und die religiöse Bewegung der Sikhs zur selben Zeit ihre
Blüte erlebten. Tatsächlich hat die Geschichte in vielen Punkten eine aktive
Zusammenarbeit angezeigt. Manche der Sikh-Gurus, besonders Guru Nanak und Guru
Gobind Singh und deren Nachfolger, wie Bhai Nand Lal, waren Meister im
Persischen und hinterließen einige erlesene Abhandlungen in dieser Sprache. Von
Guru Nanak heißt es, daß er nach Mekka gereist war und wie seine Nachfolger
viele Moslems unter seinen Schülern hatte; umgekehrt zum Beispiel hat der
Sufi-Mystiker Hazrat Mian Mir mit Guru Arjan auf vertrautem Fuß gebunden,
sondern predigten die Lektion der universalen Bruderschaft. Sie wirkten
gemeinsam und beeinflußten sich gegenseitig, und es ist bedeutsam, daß der
Surat Shabd Yoga oder der Yoga des Tonstromes in den Schriften der größten
Sufis wie auch in denen der Sikhs die gleiche Betonung fand; eine Tatsache, die
durch Inayat Khan in dem zitierten Abschnitt seines >>Die Mystik des Tones<< zusammengefaßt ist. Aber die Lehren aller großen
Meister sinken gewöhnlich zu Institutionen herab, wenn sie selbst diese Welt verlassen
haben; die der Sikh-Gurus sind darin keine Ausnahme. Zwar üben sie auf die
Massen noch einen erhebenden Einfluß aus, spornen aber diese nicht mehr zu
mystischen Anstrengungen an, wie es einmal war. Was einst alle religiösen
Spaltungen zu überwinden suchte, ist heute selbst eine Religion geworden; was
Kasten und Kastengebiet zu geißeln suchte, hat im Laufe der Zeit selbst ein
gewisses Kastenbewußtsein entfaltet, und was danach strebte, alle äußeren
Formen und Rituale zu durchbrechen, hat nunmehr eigene Formen und Rituale
entwickelt. Bei jeder religiösen Zeremonie können die Menschen gesungene Verse
hören, welche die inneren Herrlichkeiten rühmen: Alles Wissen
und alle Meditation kommt aus Dhun (dem
Tonprinzip), doch was
dieses ist, trotzt jeder Erklärung. Guru Nanak Das wahre Wort
(Bani) wird durch den Meister gegeben, und es ertönt
im >Sukhman<. Guru Arjan Die
unübertreffliche Musik wird durch die Gnade eines Gottmenschen
vernommen; doch nur
wenige sind es, die sich mit ihr verbinden. Guru Nanak Vollendet ist
>Anhad Bani< (das grenzenlose Lied); der Schlüssel
dazu ist bei den Heiligen. Guru Arjan Und dennoch werden diese
Verse gesungen, ohne daß man die tiefe spirituelle Bedeutung beachtet und
versteht, die ihnen zugrunde liegt. 7. Kapitel EINIGE DER NEUEREN
BEWEGUNGEN Die erste Einwirkung der
Wissenschaft auf den Westen schien die Religion zu untergraben. Das
Christentum, das sich zu einer komplizierten und starren Institution entwickelt
hatte, war außerstande, sich den Forderungen der Wissenschaft und der von ihr
gewonnenen Erkenntnisse anzupassen. Die unvermeidliche Folge war ein jäher
Zusammenstoß zwischen beiden: Die Religion wurde erschüttert, die Wissenschaft
hingegen fest begründet. Doch wie wir bereits in einem früheren Kapitel gesagt
haben, sind die Naturwissenschaften an sich nicht in der Lage, das Leben
vollständig oder auch nur angemessen zu erklären. Wenn die äußeren
Wissenschaften ihre Meinung dargelegt haben, bleiben gewisse unbekannte
Daseinsprobleme offen, die das menschliche Gemüt verwirren und beunruhigen. Und das letzte Jahrhundert
hat so manche Bewegung entstehen lassen, die auf die eine oder andere Weise
versuchte, auf ein inneres Leben hinzuweisen, was die Wissenschaft zumindest
bis zu einem gewissen Grade aufzunehmen bereit war. Das neue Indien war die
Geburtsstätte vieler religiöser Bewegungen, aber größtenteils stellten sie nur
eine Wiederbelebung dessen dar, was die Alten bereits wußten – sei es der
Vedantismus von Shri Ramakrishna, Shri Aurobindo oder Ramana Maharshi, oder die
verschiedenen indischen Yogasysteme, die wir schon in einem gewissen Umfang
untersucht haben. Es mag jedoch angebracht
sein, einige der Bewegungen, die im Westen entstanden sind, kurz zu beleuchten,
und zwar Bewegungen, die häufig auf östlichen Traditionen beruhen und von ihnen
beeinflußt sind. I. Rosenkreuzer , Theosophie und >>I AM<<-Bewegung Noch während das Christentum
in Europa die unbestrittene Herrschaft hatte, lebten daneben in kleinem Ausmaß
gewisse andersgläubige Schulen des Mystizismus auf, von denen die der
Rosenkreuzer eine der ersten war. Diese Schulen bestanden als geheime
Gesellschaften fort, denen die allgemeine Öffentlichkeit mißtrauisch
gegenüberstand. Als aber das institutionelle Christentum von seiten der Wissenschaft
zu leiden begann, gewannen sie mit einem Mal an Bedeutung, die sie nie zuvor
besessen hatten. Der Mensch, dessen Glaube an das Christentum durch Darwin und
Huxley erschüttert war, der aber die mechanistische Weltauffassung, die die
Wissenschaft vertrat, nicht akzeptieren konnte, wandte sich diesen
Gesellschaften zu, in der Hoffnung, zu einer befriedigenderen Lebensauffassung
zu gelangen. Viele verlegten sich auf die Lehren der Rosenkreuzer, während
andere Inspiration vom Osten suchten und die Theosophische Bewegung gründeten.
Wieder andere berufen sich darauf, von Saint Germain geleitet zu werden, und
riefen die >>I AM<<-Bewegung ins Leben. Diese
Bewegungen wollen nicht Religion im traditionellen Sinne sein, wenn sie auch
ihre eigenen Gesetze haben. Sie gehören zu den okkulten Gemeinschaften, die im
allgemeinen glauben, daß das menschliche Leben durch unsichtbare kosmische
Wesen oder mystische Bruderschaften geführt und gelenkt wird. Diesen Wesen kann man in der
physischen Welt nicht direkt begegnen. Sie leben entweder in entfernten
Bergfestungen oder wirken von einer höheren als der irdischen Ebene aus. Aber
man kann sich, sofern man an sie glaubt und eine besondere Disziplin verfolgt,
ihrem Einfluß öffnen und Nutzen von ihnen haben. Obgleich sie alle auf die eine
oder andere Weise die letztgültige Einheit des Lebens ausmachen, scheinen sie
es in der Praxis nur am Rande zu berühren. Das Höchste, was ein Schüler zu
erreichen hoffen kann, ist, in direkte Verbindung mit einem der kosmischen
Wesen zu kommen. Aber der Zustand, bei dem die Seele eins wird mit der Quelle
von Zeit und Zeitlosigkeit, von dem die großen Meister gesprochen haben, wird
nur selten als eine praktische Möglichkeit behandelt. Da man die Führung nicht
bei einem Menschen sucht, bei einem, der das Unendliche verwirklicht hat,
sondern bei visionären Wesen, denen man niemals begegnen kann, fehlt auch die
eingehende, bei jedem Schritt und auf jedem Gebiet des Lebens gegebene
Unterweisung und Führung, wie sie für den Surat Shabd Yoga maßgeblich ist.
Jeder sucht jedoch auf seine eigene Weise, die menschliche Entwicklung einen
Schritt weiterzubringen, und der getane Schritt ist sicherlich kein geringer.
So spricht Madame Blavatsky in der >>Stimme der
Stille<< von einer ziemlich fortgeschrittenen mystischen Erfahrung, wenn
sie vom inneren Ton schreibt: Der erste ist gleich der süßen Stimme der Nachtigall, die ihrem
Gefährten ein Abschiedslied singt. Der zweite naht wie der Klang einer
Silberzymbel der Dhyanis, der die funkelnden Sterne erweckt. Dem folgen die
Klagelieder des Meeresgeistes, der in einer Muschel gefangen ist. Und dann
erklingen die Weisen der Veena. Der fünfte schrillt im Ohr gleich dem Ton einer
Bambusflöte. Diese wandelt sich alsbald in Trompetengeschmetter. Der letzte zittert wie das dumpfe Rollen einer Gewitterwolke. II.
Christliche Wissenschaft und
>>Subud<< Die Christliche Wissenschaft
(Christian Science) ist eine weitere andersgläubige westliche Bewegung, aber
sie unterscheidet sich von jenen, die wir bereits genannt haben, durch den
anderen Schwerpunkt ihrer Ausrichtung. Obgleich sie eine mystische Grundlage
hat, befaßt sie sich in der Praxis nicht sehr viele damit. Sie sucht das Leben
Christi auf ihre eigene Weise auszulegen und konzentriert ihre Aufmerksamkeit
auf die Wunder, die er getan hat. Sie führt aus, daß Gott oder die Wahrheit gut
ist und daß alles Übel und alle Krankheiten nur eine Folge davon ist, daß man
den Kontakt mit dieser inneren Kraft verloren hat. Wer mit dieser Kraft in
Verbindung gebracht werden kann, vermag von aller Krankheit geheilt zu werden;
und die Christliche Wissenschaft konzentriert sich auf dieses Ziel. Die Folge
davon war, daß sie mehr ein Gesundheitsstudium betrieb als eines der
spirituellen Entfaltung, und die grenze zwischen heilen durch Autosuggestion
und hypnotische Suggestion einerseits und Heilen (wie es die Christliche
Wissenschaft für sich beansprucht) durch die Kraft der Wahrheit ist nicht immer
leicht zu ziehen. Viele stellen sogar die Art der Beweggründe ihrer Stifterin
Mary Baker Eddy in Frage. Aber dessen kann man sicher
sein, daß selbst wenn die Heilungen, die durch die Christliche Wissenschaft
bewirkt werden, aus einer spirituellen Quelle herrühren, die Ausüber sie nicht
bewußt beherrschen, sie nicht in direktem oder bewußtem Werkzeuge wirken. Wenn es auch voreilig wäre,
das von dem indonesischen Mystiklehrer Pak Subuh gegründete Subud oder Soshiel Bodhi Dharm, das jetzt zu einer internationalen Bewegung
geworden ist, mit der Christlichen Wissenschaft gleichzusetzen, so kann man
doch mit Recht eine ähnliche Tendenz beobachten. Die mystische Grundlage ist im
Falle Subuds viel bedeutender als bei der Christlichen Wissenschaft; aber sie
wird oftmals zum selben Ziel gelenkt. Subud sucht durch Ausführung einer
bestimmten Reihe von Übungen,
>>Latihan<< genannt, ihre Anhänger mit verborgenen
psychischen Kräften in Verbindung zu bringen. Es hat jedoch nicht den Anschein,
daß sie das Bewußtsein direkt erhöht, bereichert es aber indirekt, indem sie
die intuitiven Kräfte verstärkt. Ob man nun auf die Erfahrung von Mohammed
Raufe schaut oder auf die von John Bennett, man kann erkennen, daß man im Falle
von >>Subud<< als Medium
für höhere spirituelle Kräfte dient, die Menschen von Krankheiten befreien,
ohne ein bewußter Mitarbeiter zu werden. Die Folge davon ist, daß man, statt zu
immer höheren Bewußtseinsebenen zu gelangen, um schließlich im Unendlichen
aufzugehen, dahin kommt, eine passive Empfänglichkeit gegenüber psychischen
Kräften zu entwickeln, die nicht notwendigerweise höherer Art sind. Viele
Schüler geben während
>>Latihan<< seltsame Erfahrungen von Tieren oder Vögeln von
sich – zum großen Unterschied vom Nirvikalpa Samadhi oder Sahaj Samadhi, von
dem die größten Mystiker sprechen. III. Spiritismus und Spiritualismus Nicht zuletzt müssen wir
Spiritualität vom Spiritismus und Spiritualismus unterscheiden, da
Spiritualität etwas ganz anderes ist. Der Spiritismus betont den Glauben an die
Existenz körperloser, von der Materie getrennter Wesen, von denen die
Spiritisten annehmen, daß sie die niederen Regionen als Gespenster oder böse
Geister heimsuchen oder auch die unteren Astralregionen als Engel oder gute
Geister. Zuzeiten sind sie auch an den persönlichen Angelegenheiten der
Menschen interessiert und suchen sich zur Befriedigung ihrer langgehegten, aber
ungestillten Wünsche, diese mittels allerlei Machenschaften zu erfüllen. Jene,
die sich mit der schwarzen Kunst befassen, behaupten, durch magische
Beschwörungen Macht über sie ausüben zu können. Aber ein Schüler des
Meisters braucht darüber nicht beunruhigt zu sein, da einem, der in Verbindung
mit dem heiligen Wort ist, kein übler Einfluß nahekommen kann; denn es heißt: Der große
Todesengel ist ein unsichtbarer Feind; doch er
fürchtet, sich einem zu nähern, der in
Verbindung mit dem Wort ist. Er flieht vor
den Melodien der göttlichen Harmonie, damit er nicht
dem Grimm des Herrn zum Opfer fällt. Der Spiritualismus geht
einen Schritt weiter als der Spiritismus. Er glaubt an das Weiterbestehen der
menschlichen Persönlichkeit nach dem Tode und an die Möglichkeit einer
Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten. Die Vertreter des
Spiritualismus halten häufig Seancen oder Sitzungen ab, um mit sogenannten
Geistern Verbindung aufzunehmen. Sie gehen mit Hilfe von Medien vor, denn sie
wirken durch eine Art Medium, sei es eine Planchette zum Planchette-Schreiben,
ein Tisch zum Tischrücken oder sogar ein menschliches Wesen, dem das Bewußtsein
genommen wird, damit der gerufene Geist von seinem Körper Gebrauch machen und
sich durch ihn mitteilen kann. Diese Verbindung besteht im allgemeinen
lediglich zwischen der irdischen Ebene und den niedrigsten unteren
Astralebenen, die als Magnetfelder bekannt sind. Die Resultate solcher
Verbindungen sind sehr begrenzt, größtenteils auch unzuverlässig und außerdem
äußerst gefährlich für das Medium, das manchmal dabei den Verstand verliert und
darunter schrecklich zu leiden hat. Die Praxis des Spiritualismus wird daher
von den Meistern der Spiritualität streng verurteilt. Ihr Kontakt und Verkehr
mit den spirituellen Regionen bis zur Wohnstatt des Herrn (Sach Khand) ist ein
unmittelbarer, und sie kommen und gehen nach ihrem Willen und Wohlgefallen,
ohne irgendeine Behinderung und unabhängig von der subjektiven Vermittlung
eines Mediums. Während diese Methode ganz normal, natürlich, direkt und
aufbauend ist, ist das Wirken der Spiritualisten dagegen subjektiv, indirekt
und nur mittelbar, durch einen Vorgang, der voller Gefahren und Risiken für ihn
selbst und das Medium ist. Der Spiritualismus trägt,
abgesehen vom Wissen über das Weiterleben nach dem Tode, nur wenig zu unserer
Erfahrung bei und bietet nichts, was für den Weg der Spiritualität wirklich
wesentlich wäre. IV. Hypnose und Mesmerismus: Die obigen Bemerkungen lassen sich ebenfalls auf
die Hypnose und den Mesmerismus anwenden. In beiden Fällen sucht ein Mensch mit
stärkerer Willenskraft solche mit schwächerem Widerstandsvermögen mittels
bestimmter Handbewegungen und Gesten zu beeinflussen, die mit starker
Ausrichtung der Konzentration auf die jeweils betroffene Person verbunden sind.
Bei gewissen Krankheiten wie Hysterie usw. machen auch manche Ärzte davon
Gebrauch und können auf diese Weise vorübergehende Heilungen bewirken und
Schmerzen lindern, für die sie kein geeignetes Heilmittel wissen. Spiritualität dagegen ist
die Wissenschaft der Seele und befaßt sich folglich mit allen Aspekten der
Seele – mit der Frage, wo sie sich im menschlichen Körper befindet und welches
ihre Beziehung zu Körper und Gemüt ist, ferner, wie sie offenbar auf die Sinne
und durch sie wirkt und reagiert, mit ihrer wirklichen Natur und mit der Frage,
wie sie von all dem beschränkenden Beiwerk getrennt werden kann. Sie beschreibt
die spirituelle Reise mit ihrem Reichtum an Ebenen und Unterebenen sowie die spirituellen
Kräfte und Möglichkeiten und deren eigentlichen Wert. Spiritualität läßt uns
wissen, was das heilige Wort ist und wie man sich mit ihm verbinden kann; sie
sagt uns, daß das letzte Ziel die Selbstverwirklichung und Gottverwirklichung
ist, die Einswerdung der Seele mit der Überseele, und lehrt uns, wie man diese
mit Hilfe des Surat Shabd Yoga oder dem Pfad des Tonstroms, der auf den
vorangegangenen Seiten beschrieben wurde, erlangen kann. SCHLUSS Der bisher auf diesen Seiten
gegebene kurze Überblick über die großen Weltreligionen und einige ihrer
heutigen Abzweigungen macht eine allgemeine Tendenz zu gemeinsamen
Grundvoraussetzungen und Glaubensanschauungen eindeutig klar: a) daß das materielle Universum nur ein
kleiner Teil eines viel größeren Ganzen ist;
b) daß ebenso unsere alltägliche menschliche Existenz nur ein Bruchteil
der gewaltigen und vielseitigen Lebensform ist; c) daß es hinter der äußeren, physischen und menschlichen Welt
eine Absolute Wirklichkeit oder einen Zustand vollkommenen Seins gibt, der über
alle Wandlung und Auflösung liegt und vollendet in sich selbst ist; der für
alles, was ist, die Verantwortung trägt und dennoch über der ganzen Schöpfung
steht; d) daß diese Realität oder
Wirklichkeit, dieser Zustand vollendeten Seins, vom Menschen (unter kompetenter
Führung) erlangt werden kann, wenn er sich mit dem Wort oder dem göttlichen
Tonstrom verbindet, der Licht und Harmonie ausstrahlt, die die ersten und
ursprünglichen Offenbarungen des Formlosen in der Form sind und durch deren
Herabkommen alle Bereiche und Regionen ins Dasein kamen. Wenn alle religiösen
Erfahrungen in die gleiche Richtung weisen, warum gibt es dann, fragt man sich,
soviel Kampf und Streit auf dem Gebiet der Religion? Warum betrachten die
Gläubigen jedes Glaubens den ihren als den einzig wahren und alle anderen als falsch?
Warum gibt es den dogmatischen Glauben an ein geistiges Monopol und wozu die
Heiligen Kreuzzüge, das Blutbad von St. Bartholomäus, die spanische Inquisition
und 1947 die kommunalen Aufstände in Indien? Dies sind triftige Fragen, und zu
ihrer Beantwortung gibt es viele und verwickelte Gründe. Das erste, was einem
auffällt, wenn man das vergleichende Studium der Religionen beginnt, ist die
Tatsache ihrer Existenz auf verschiedenen Ebenen. Der Kern einer jeden größeren
Religion ist die praktische mystische Erfahrung eines großen Weisen oder einer
Folge von Weisen. Um diesen Mittelpunkt herum haben sich soziale Vorschriften,
Bräuche und Rituale gehäuft. Nun mag der Kern für die Mystiker der
verschiedenen Zeiten und Länder wohl ein gemeinsamer sein, aber das soziale
Gefüge, in dem er erlebt und vermittelt wird, muß naturgemäß wechseln. Die
Abendländer nehmen zum Zeichen der Verehrung ihre Hüte ab, während der
Orientale sein Haupt bedeckt. Der Hindu, der in einem Land lebt, das Flüsse und
Wasser in Überfülle hat, nimmt ein Bad, bevor er seine Gebete verrichtet; der
Moslem hingegen, der aus dem arabischen Wüstenland kommt, ist mit einem
Trockenbad mittels Sand zufrieden, indes der Europäer aus den kälteren Gebieten
sich zu keinem von beiden veranlaßt sieht. Solche Sittenunterschiede gibt es
ebensogut auf anderen Gebieten. Die Vielehe läßt sich für den Mohammedaner
gesetzlich vereinbaren, aber für den Katholiken wäre dies eine grobe Sünde. Idolverehrung
ist im Hinduismus gestattet, für den Puritaner jedoch verabscheuenswert. Es ist
eine Tatsache, daß alle religiösen Häupter die Notwendigkeit betont haben, hohe
ethische Normen aufrechtzuerhalten, aber ihre Sittenlehre war niemals absoluter
Art. Sie haben die sozialen
Verhältnisse in Rechnung gezogen, in denen die Menschen der jeweiligen Zeit
lebten, und haben versucht, sie auf die höchstmögliche Stufe zu erheben, die
nicht so sehr auf Vereinheitlichung der äußeren Sitten und Bräuche abzielt, als
vielmehr auf die innere Reinheit des Herzens und Wohlwollen seinen menschlichen
und nicht menschlichen Mitgeschöpfen gegenüber. Diejenigen, die Jesus direkt
gehört haben, haben die Wahrheit seiner Versicherung, daß er >>nicht gekommen sei, das Gesetz aufzulösen,
sondern es zu erfüllen<<, nicht erkannt, und während Moses sagte: >>Auge um Auge und Zahn um
Zahn<<, lehrte Jesus seine Jünger, ihre Feinde zu lieben und ihnen die
rechte Wange zu bieten, wenn sie auf die linke geschlagen würden. Moses sprach
entsprechend den Verhältnissen zu seiner Zeit, Jesus gemäß den Gegebenheiten in
seiner eigenen, und darum weichen die Sittengesetze des Christentums von denen
des Judentums ab, wenn sie auch eine Erweiterung des alten Glaubens darstellen. Als Folge der Umstände, die
die Religion zu einer sozialen Einrichtung haben werden lassen, finden wir, daß
sich jede Religion ein eigenes Gefüge von Bräuchen, Dogmen und Ritualen
schafft. Dieses Brauchtum ist in
jedem Falle anders; und darum müssen sich natürlich die Anhänger eines jeden
Glaubens von denen anderer Bekenntnisse abgesondert fühlen, nicht nur in ihrer
Kleidung und ihrer Sitten wegen, sondern auch zufolge ihrer sozialen Ansichten
und Einstellungen. Und dennoch zeigt das Leben aller großen religiösen Führer
wie Jesus und Buddha, daß sie, indes sie die Gesetze ihres eigenen Volkes
annahmen und erweiterten, trotzdem niemals vergaßen, daß alle Menschen Brüder
sind; und sie behandelten sie Gläubigen anderer Gemeinschaften mit der gleichen
Achtung und Rücksicht, die sie ihren eigenen Anhängern entgegenbrachten. Hinter
den unterschiedlichen äußeren Formen, die das Leben kennzeichnet, sahen sie den
Pulsschlag derselben Einheit allen Seins, und von dieser Ebene aus betrachteten
sie alle Menschen als gleich. Was den großen
Religionsstiftern möglich war, müßte auch jenen möglich sein, die für sich in
Anspruch nehmen, ihnen nachzufolgen. Aber wenn wir die Dinge betrachten, wie
sie heute sind, finden wir, daß diese Möglichkeit der gegenseitigen Verbindung,
der Zusammenarbeit und des Verstehens unter den verschiedenen
Glaubensrichtungen sehr selten, wenn überhaupt, verwirklicht wurde. Ein
Mystiker wie Shri Ramakrishna kann die innere Einheit aller Religionen (1) praktisch beweisen, aber wir anderen
verstehen das nicht. Tatsächlich wurde jede größere Weltreligion nach dem
Hinscheiden ihres Begründers zu einer Institution mit einer Priesterschaft,
durch die ihre Interessen wahrgenommen wurden, wie durch die Pandits in Indien,
die Mullahs und Maulvis im Islam, die Pharisäer und Rabbis im Judentum und die
Mönche und Bischöfe bei den Christen. Diese Entwicklung machte es möglich, die
Botschaft der großen Gründer an Unzählige zu übermitteln, die sie niemals
selbst darin hätten unterweisen können. Buddha kam persönlich mit
vielen Menschen zusammen und beeinflußte sie. Aber wie viele waren es im
Vergleich zu den Millionen, die die Lehre des Dharma hörten, als zwei
Jahrhunderte nach seinem Tode Kaiser Ashoka die verschiedenen Sanghas oder
buddhistischen Orden ins Leben rief? Außerdem konnte seine Botschaft so durch
die Jahrhunderte erhalten bleiben. Buddha kam und ging wieder, Jesus ist am
Kreuz geopfert worden; aber die Orden und die Kirche bestehen weiter und halten
ihre Lehren im weiten Umfang lebendig, was ohne die Heranbildung solcher
Institutionen nicht möglich gewesen wäre. Wenn aber die Lehren der
großen spirituellen Häupter durch diese Institutionen verbreitet und erhalten
werden konnten, werden sie andererseits auch durch sie verändert. Die Botschaft
Christi oder Buddhas, wie sie zuerst von ihnen verkündet wurde, war eine andere
als das, was unter den Händen der folgenden Kirche und des Sanghs daraus wurde.
Die großen religiösen Häupter wurden durch innere Ersthand-Erfahrung bewegt und
geleitet, und diese liegen auch ihren Lehren zugrunde. Sie sahen darin etwas
Universales, etwas das in jedem Menschen verborgen ist, und dieser Tatsache
lenkten sie die Aufmerksamkeit ihrer Schüler zu, indem sie die ethische
Förderung als Hebel zum spirituellen Fortschritt benutzten. Als nach ihrem
Hinscheiden ihre Aufgabe von Organisationen übernommen wurde, die sich rasch
ausbreiteten und immer größer wurden, konnte man nicht erwarte, daß alle ihre
Mitglieder die gleiche Höhe erreicht hatten oder auch nur Schimmer der inneren
mystischen Bereiche schauen konnten. Kein Wunder also, daß mit dem Anwachsen
der Kirche und dergleichen das Interesse an jeder Religion die Tendenz hatte,
vom Mystischen zum Ethischen, Rituellen und Doktrinären abzugleiten – kurz, vom
Universalen zum Begrenzten. Nur eine seltene Seele vermag den dunklen Schleier
im Innern zu durchdringen; aber für jede solche Seele gibt es eine Million,
nein, eine Milliarde derer, die die ethischen Probleme gerne diskutieren,
äußere Zeremonien beachten und lautstarke Meinungen kundtun, die nicht inspiriert
oder durch persönliche Erfahrung geprüft, sondern vom Marktplatz des Lebens
aufgelesen wurden. Und während wir in den Lehren von Jesus selbst kein starres
System von Riten, Lehrsätzen und äußeren Moralvorschriften finden – alles war
fließend und biegsam und schon dazu bestimmt, in den Dienst der mystischen
Botschaft gestellt zu werden – entsteht ein solches jedoch nach ihm mit dem
Wachstum der christlichen Kirche. Als diese Veränderung eintrat, erhoben sich
zwischen den Anhängern von Jesus und solchen anderen Glaubensrichtungen neue
Schranken, Schranken, die es vorher nie gegeben hatte. Als ob dies nicht schon
genug gewesen wäre, wirkte der Aufstieg der Priesterschaft in noch anderer
Richtung. In der ersten Phase ihres Wachstums hatte die Kirche in den meisten
Fällen gegen eine große Übermacht anzukämpfen, da alles Neue gewöhnlich auf starke
Opposition stößt. Sie konnte nur das Kreuz der Not und Entbehrung bieten und
nicht die Rosen des Wohlstandes. Und jene, die ihr beitraten, taten es um ihrer
Überzeugung willen und nicht aus Gründen der Macht. Aber als die Kirche einmal
allgemein anerkannt war, begann sie, beachtliche Macht über das Volk auszuüben.
Sie verteilte Gaben und Titel und machte sich nicht nur zum Schiedsrichter in
spirituellen, sondern auch in weltlichen Dingen. Auf diese Weise begann ein
Prozeß, durch den sich die Priesterschaft vom inneren zum äußeren Leben wandte,
von der Selbstverleugnung zur weltlichen Macht. Um ihre Stellung zu halten,
förderte die Kirche die weitere Zunahme von Lehrsätzen und alten Bräuchen, was
wiederum ihr Autoritätsmonopol verstärkte. Um sich selbst zu festigen, umgab
sie den Altar, dem sie diente, mit einem Glorienschein und verwarf die Altäre,
auf die sie keinen Einfluß hatte. Wenn die selbsternannten Diener Jehovas oder
jene einer Gottheit anderen Namens ihre Stellung und Macht zu erhalten und
auszudehnen hatten, war es freilich notwendig, alle Götter der Philister und
Heiden zu verdammen. Die in Betracht gezogenen
Umstände wirken sich auf jedes Gebiet menschlicher Tätigkeit aus. Der
Historiker ist sich des Geschicks einer jeden neuen Bewegung nur zu gut bewußt,
sei sie nun religiöser oder weltlicher Natur. Sie beginnt durch einen Seher,
erfährt eine rasche Verbreitung in den Händen jener, die sein Beispiel direkt
inspiriert hat, und gerät dann in ein Stadium allmählichen Veraltens und
Verfalls. Der Abstieg von einer lebendigen Vision zu einem mechanischen Dogma
ist nicht der Religion allein eigen. Dennoch gibt es im Falle der Religion
gewisse Merkmale, die für sie eigentümlich sind. Diese einmaligen Probleme
rühren von der mystischen Erfahrung her, die jeder großen Religion zugrunde
liegt. Die mystische Erfahrung erstreckt sich, wie wir gesehen haben, auf
Seinsebenen, zu denen die Menschen im allgemeinen keinen Zugang haben. Nur eine
Handvoll, nein, weniger als eine Handvoll, kann sich in einem Zeitalter darauf
berufen, sie zu meistern. Es ist eine Erfahrung einzigartigen Charakters, denn sie enthält
eine Art von Reichtum, Weite, Intensität und Schönheit, die auf Erden nicht
ihresgleichen hat. Aber auf dieser irdischen Ebene können wir ihre Bedeutung
nur innerhalb der Grenzen unserer weltlichen Erfahrung begreifen. Die einzige
Wahl, die der Mystiker hat, wenn er uns etwas von seiner einzigartigen
Erfahrung mitteilen will (ohne gerade im Schweigen oder in den verneinenden
Bestimmungen des Vedanta oder eines Johannes vom Kreuz zu enden), ist, daß er
notgedrungen zu Bildern und Gleichnissen Zuflucht nimmt. – In seinem Masnavi
erklärt Maulana Rumi: Es ist nicht richtig,
dir mehr zu sagen, denn das
Flußbett kann das Meer nie fassen. Und Jesus spricht über
dieses Thema ganz offen zu seinen engsten Jüngern (denen er eine direkte innere
Ersthand-Erfahrung geben konnte): Euch ist’s
gegeben, das Geheimnis des Reichs Gottes zu wissen;
denen aber draußen widerfährt es alles durch Gleichnisse. Markus 4, 11 Während direkte
Darstellungen dazu neigen, durch die analysierbaren Eigenschaften des
Gegenstandes begrenzt zu sein, erleidet die bildliche Darstellung diese Beengung
nicht. Wenn Dichter ihre Liebe zu einer Frau darstellen, tun sie es in der
Sprache einer Rose, eines Sterns, einer Melodie, einer Flamme, des Mondes usw.
Mystiker nehmen sich eine ähnliche Freiheit, wenn sie von ihrer Liebe zu Gott
sprechen. Aber indem das Publikum des Dichters, der von menschlicher Liebe
spricht, weiß, daß er sich in Bildern äußert – wissen sie doch, was eine Frau
ist -, fehlt jenen, die dem Mystiker zuhören, eine solche Möglichkeit des
Vergleichs, und sie vergessen leicht, daß er nur in Gleichnissen zu ihnen
redet. Und so werden die
Ausführungen eines Menschen, der mit der spirituellen Schau begabt ist, oft
buchstäblich aufgefaßt, wenn sie nur im übertragenen Sinne gemeint sind. Wenn
Jesus oder Mohammed erklärten, daß sie der Sohn Gottes oder der Messias seien
(wie es alle große Seelen taten, die ihren Willen mit dem göttlichen Willen
eins wußten), wurde angenommen, daß sie buchstäblich die einzigen Söhne des
Allmächtigen waren. Oder wenn Jesus das folgende sagte – nicht in seiner Eigenschaft
als endliches Wesen, sondern in der des ewigen göttlichen Prinzips, das er
verkörperte: >>Ich werde euch nicht verlassen noch versäumen bis ans Ende
der Welt<<, wurde auch dies buchstäblich genommen. Und wenn man tatsächliche
spirituelle Führung von einem lebenden Meister suchte, nachdem Jesus nicht mehr
war, wurde dies als Zeichen für Unglauben und darum als Ketzerei angesehen.
Wenn Jesus nun im buchstäblichen Sinne vom >>Einzelauge<< oder von
Gott als >>Licht<< sprach,
wurde es so aufgefaßt, als bezöge es sich auf die Lauterkeit des Gewissens oder
auf den Verstand. Es ist daher kein Wunder,
daß bei jeder so gedeuteten, oder besser gesagt, mißdeuteten Darstellung ein
Sinn herauskam, den der Weise, der sie gab, niemals so gemeint hatte, und daß
in seinem Namen Dogmen und Lehrsätze verkündet wurden, die kaum in einer Beziehung
zu den universalen inneren Erfahrungen standen, welche ihn inspiriert hatten.
Auf diese Weise entwickelten sich die Unterschiede zwischen den verschiedenen
Glaubensrichtungen, die von ihren Gründern niemals beabsichtigt waren. Darüber
hinaus sind die inneren Bereiche so unermeßlich und verschiedenartig, daß nicht
ein einziger Mystiker jemals hoffen konnte, alle Aspekte des inneren Panoramas
aufzeigen zu können. Bestenfalls kann er auf
einen Teil davon hinweisen, und dieser ist vielleicht nicht gerade derselbe,
von dem andere gesprochen haben; daraus folgt, daß dem Leser, der nicht selbst
direkten Zugang zu den inneren Bereichen hat, gewisse Verschiedenheiten in den
Schriften der Mystiker auffallen, die in Wirklichkeit jedoch nicht bestehen. Ferner erreichen nicht alle
Mystiker das höchste spirituelle Ziel. Nur wenigen gelingt es, den Schleier der
inneren Dunkelheit vollständig zu durchbrechen, und von diesen wieder gelangt
die Mehrheit nicht über die erste spirituelle Ebene hinaus. Von denen, die
weitergehen konnten, kommt der größere Teile nicht über die zweite Ebene hinaus
und so fort. Nun hat jede Ebene ihre eigenen Besonderheiten und Merkmale, und
während die höheren Ebenen die niedrigeren jeweils umschließen und erhalten,
sind sich die Bewohner der niedrigeren Ebenen selten der Existenz der höheren
bewußt. Jede Ebene scheint im Vergleich zu der vorangegangenen die
Vollkommenheit selbst zu sein, und jeder Mystiker, der von seiner himmlischen
Erfahrung gesprochen hat, hat sie so beschrieben, als wäre sie die höchste
Stufe allen spirituellen Fortschritts. Die unausbleibliche Folge davon ist, daß
wir Beschreibungen des Absoluten begegnen, die, nachdem man die Verschiedenheit
der bildlichen Sprache in Betracht gezogen hat, nicht miteinander
übereinstimmen. Jesus spricht vom Göttlichen in seinem väterlichen, Shri
Ramakrishna in seinem mütterlichen Aspekt. Die Shankya-Mystiker sprechen von
Gott, Prakriti und Atman, als ob sie auf immer getrennt wären; Ramanuja sah sie
als verbunden, doch niemals eins werdend, während sie Shankara als von dem
gleichen Wesen sieht: Ihre Trennung sei nicht wirklich, sondern nur eine
Täuschung. Dies alles bringt den gewöhnlichen Leser in eine große Verwirrung;
aber wenn er einem begegnet, der die höchste Region erreicht hat und mit der
Erfahrung jeder der inneren Ebenen vertraut ist, schwinden alle Widersprüche
dahin; denn dieser kann beweisen, daß die Behauptungen der sechs Blinden über
die Beschaffenheit des Elefanten trotz ihrer offensichtlichen
Widersprüchlichkeit am Ende doch in Einklang zu bringen sind durch einen, der
den ganzen Elefanten sieht. In diesem Zusammenhang
erfahren die Lehren des Surat Shabd Yoga eine weiterreichende Bedeutung. Wir haben bis zu einem
gewissen Grad gesehen, wie er das schnellste, praktischste und
wissenschaftlichte Mittel ist, um das spirituelle Ziel des Menschen zu
erlangen. Nun können wir hinzufügen, daß er dem Menschen die beste Gelegenheit
bietet, das weite Gebiet der Spiritualität zu überschauen, da er ihn zu den
höchsten spirituellen Ebenen bringt, zu dem Punkt, wo das Formlose Form
annimmt. Was andere verwirrt und bestürzt, läßt den Adepten auf diesem Pfad
unbekümmert und gleichmütig. Widersprüche schwinden, wenn er sie berührt, und
was erst verwirrte und bestürzte, löst sich nach seiner Auslegung in
vollkommener Ordnung auf. Er versteht jede der unendlich vielen spirituellen
und scheinbar spirituellen Bewegungen, denen wir uns heute gegenübersehen. Er
kann, wenn er will, in die inneren Erfahrungen, die jede von ihnen bietet,
eindringen und somit am besten ihren relativen Wert beurteilen. Er verwirft sie
nicht, noch greift er sie an; und ihn bewegen nicht Haß und Opposition. Da er
den Höchsten kennt, ist es seine Absicht, die Menschen auf dem einfachsten und
schnellsten Weg dorthin zu bringen. Er weiß, daß das innere Leben nicht mit dem
äußeren Leben verwechselt werden darf, und verkündet seine Botschaft nicht als
Gesetz, sondern als Wissenschaft: >>Prüft im Innern<<, sagt
er, >>und seht selbst<<. Es ist keine neue
Wissenschaft, die er lehrt. Es ist die älteste aller Wissenschaften. Doch
während sie in der Vergangenheit dazu neigte, sich mit vielem Unwesentlichen zu
verbinden, wünscht er sie in ihrem reinen Zustand und ihrem ehemaligen Glanz zu
erhalten. Er vereint die in allen großen Schriften enthaltenen mystischen
Wahrheiten in logischer Folgerichtigkeit und betont nachdrücklich, daß, wenn
Gott in seiner ursprünglichen Form Licht und Harmonie ist, wir uns diesen und
nicht anderen Mitteln zuwenden müssen, um zu ihm zurückzugelangen und eins mit
ihm zu werden. Wo Chaos herrschte, bringt er Ordnung, wo Verzweiflung war,
bringt er Hoffnung, und für jeden von uns, in welcher Verfassung wir auch immer
sein mögen, hält er Trost und Erleuchtung bereit. (1) Um die Wahrheit zu prüfen,
daß alle Religionen zum gleichen spirituellen Ziel führen, übte Shri
Ramakrishna nacheinander die äußeren
und inneren Praktiken des Hinduismus, des Christentums und des Islams aus und
stellte in jedem Falle fest, daß das erreichte Ziel dasselbe war.
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