1. Die Grundlage des alten Yoga

 

Ursprung und Technik des Yoga-Systems

 

Aus dem Yagyavalkya Smriti erfahren wir, daß Hiranyagarbha (Brahm) der ursprüngliche Lehrer des Yoga war. Aber als ein System wurde der Yoga erst durch Patanjali, den großen Denker und Philosophen, in seinen Yoga-Sutren, einige Zeit vor Beginn der christlichen Ära, erklärt.

 

Das Yoga-System ist eine der sechs Schulen der indischen Philosophie (Khat Shastras), die systematisiert und entwickelt wurden, um die indischen Gedanken hinsichtlich des Kosmos, der individuellen Seele und der Beziehung zwischen beiden zu ordnen. Diese Philosophien ergaben sich aus dem Versuch, die alten und ehrwürdigen Lehren psychologischen und metaphysischen Inhalts in erneuerter Form wiederherzustellen.

 

Das Wort >Yoga< bedeutet in der Umgangssprache >Methode<. Im technischen Sinn heißt es zugleich >anjochen< oder >Vereinigung< der individuellen Seele mit der Überseele oder Gott. >Anjochen< bedeutet soviel wie >verbinden< oder >zusammenbinden< und >sich unter das Joch (Schulung) stellen<. In diesem Zusammenhang bedeutet das Yoga-System eine >methodische Schulung<, die einerseits >Viyog< (loslösen) oder Trennung der individuellen Seele von Gemüt und Materie und andererseits >Yog< oder ihr Anjochen an Brahman anstrebt. Deshalb bedeutet und besagt es die Suche nach dem >Transzendenten und Göttlichen< im Menschen. Es ist die Entdeckung des Wesenhaften in den Erscheinungsformen. Dabei werden das physische und das metaphysische Sein auf ihre wesenhafte gemeinsame Grundlage zurückgeführt, auf die Basis und das Substrat all dessen, was sichtbar oder unsichtbar existiert. Als solches bedeuten und stellen die >Yoga-Methoden< ein System dar, das gewaltige Anstrengung, eifrigstes Bemühen und hartes Streben erfordert, um durch die Beherrschung des physischen Körpers, des immer aktiven Gemüts, des sich selbstbehauptenden Egos oder Willens, des forschenden und fragenden Verstandes, der pranischen Vibrationen und der rastlosen Kräfte und machtvollen Sinne Vollkommenheit zu erlangen. Bildlich wird der gegenwärtige Zustand der individualisierten Seele als eine Fahrt im Kampfwagen des Körpers beschrieben, mit dem geblendeten Verstand als Fahrer, dem betörten Gemüt als den Zügeln und den Sinnen als machtvolle Rösser, die sich kopfüber ins Feld der Sinnesgegenstände und Sinnesfreuden stürzen. All das zeigt, daß sich ein Student der Yoga-Schulung einer äußerst strengen und geordneten Lebensweise unterziehen muß, die dabei hilft, die Seele zu entpersonifizieren und von allem beschränkenden Beiwerk des Lebens  -  dem physischen, mentalen und supermentalen  -  zu befreien, um sie dann mit der Kraft Gottes zu verbinden und die Vereinigung mit Gott zu erlangen.

 

Das Wort >Yoga< darf jedoch nicht mit >yog-maya< und Yogakräften verwechselt werden, die jeweils die höchste Kraft Gottes an sich (welche die gesamte Schöpfung hervorbringt, lenkt und erhält) bezeichnen und die psychischen Kräfte (Riddhis und Siddhis), die man auf dem Yogapfad erwirbt.

 

Wiederum hat >yog vidya< oder die Wissenschaft des Yoga einen zweifachen Aspekt: den physischen und den spirituellen. Im vorher erwähnten Sinne wird nun darunter ein Yogasystem zur Entwicklung des Physischen verstanden, daß auf eine allseitige Entfaltung der verschiedenen Teile des menschlichen Körpers abzielt. Hier jedoch befassen wir uns mit dem spirituellen Aspekt des Yoga, der das Wohlbefinden des Geistes oder der Seele, das wirkliche Lebensprinzip im Menschen, anstrebt, das gegenwärtig gänzlich vernachlässigt und übergangen wird. Der Begriff >Yoga< muß darum in diesem Zusammenhang streng auf eines der Systeme philosophischen Denkens beschränkt werden, wie es aus den Veden abgeleitet ist und das sich einzig mit dem Wiedergewinnen der Seele (durch spirituelle Schulung) befaßt, die in die Betriebsamkeit des Gemüts und der Materie, mit denen sie sich durch die beständige Gemeinschaft seit undenkbar langen Zeiten identifiziert hat, verloren ist.

 

So bedeutet >Yoga< kurz gesagt eine Technik zur Neuorientierung und Vervollkommnung des Geistes im Menschen, dem verlorenen Bereich seines wahren Selbst.

 

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