V. Jnana Yoga oder der Yoga des Wissens

 

(Rechte Unterscheidung)

 

Der Pfad des  >Jnana Yoga< ist für diejenigen geeignet, die, mit einem starken Verstand oder geistigen Fassungsvermögen ausgestattet, eine sehr klare Einsicht haben und fähig sind, in das Warum oder Wofür der Dinge einzudringen, um zum Kern der Wirklichkeit zu gelangen. Es bedeutet rechte Unterscheidung und Erkenntnis, das Allerwichtigste auf dem Pfad der Rechtschaffenheit, wie er durch Buddha verkündet wurde. Versteht man die wirklichen Werte des Lebens, läuft auch alles andere in der rechten Richtung, denn ohne die richtige und genaue Kenntnis der Wahrheit gehen alle Bestrebungen trotz bester Absicht schief und bringen uns früher oder später in Schwierigkeiten.

 

Die Bedeutung des wahren Wissens wird tatsächlich in allen Aspekten des Yoga-Lebens empfunden, sei es nun  >Karma Yoga< oder  >Bhakti Yoga<. Im  >Karma Yoga< erfährt und erkennt man, daß man ein Recht zum Handeln und Wirken hat, nicht so jedoch auf die Früchte, die sich daraus ergeben. Da man nicht umhin kann, zu wirken, sollte es im Geist der Pflichterfüllung getan werden, dem Herrn geweiht und den Geist auf ihn gerichtet. Wenn man darauf verzichtet, an den Früchten zu haften, gelangt man zu innerer Ausgeglichenheit; und in der Stille der Selbsthingabe liegt der wahre Yoga der Kontemplation, ein vollkommener Frieden, der aus der völligen Hingabe des eigenen Lebens an Gott geboren wird.

 

Auch im  >Bhakti Yoga< muß der  >Bhakta< oder Ergebene zunächst die wahre Bedeutung von  >Bhakti<, der Hingabe an den Herrn, verstehen, dann die richtige Perspektive bekommen, die es ihm ermöglicht, das Licht seines  >Isht-Deva< nicht nur in den menschlichen Wesen zu sehen, sondern in allen Lebensformen. Kurzum, der Pfad des  >Jnana Yoga< legt Nachdruck auf das konkrete Erkennen der innersten Wirklichkeit oder der wahren Natur des  >atman<. Die Betrachtung des Selbst ist der Grundton eines wahren  >Jnani<, der durch die Ausübung genauer Unterscheidung das anscheinend riesige kleine Selbst (den äußeren Menschen) vom kleinen großen Selbst im Innern (dem inneren Menschen) zu trennen sucht; denn das kleine äußere Selbst ist der Feind des großen inneren Selbst, aber dieses kleine Selbst wird, wenn es richtig geschult ist, zum Freund des großen Selbst. Ziel diese Yoga ist, das Dunkel der Unwissenheit durch die Fackel der Erkenntnis zu vertreiben. Es ist der Pfad des genauen Analysierens, und um ihn erfolgreich gehen zu können, muß man an dreierlei Dingen eifrig festhalten:

 

1)     >Shrawan< oder Hören – aus den Schriften, philosophische Vorträge und vor allem die lebenden Lehrer der Spiritualität mit Ersthand-Erfahrung von der Wirklichkeit, die ihren Lebensimpuls auf diejenigen übertragen können, die mit ihnen in Verbindung kommen; denn nur in Gemeinschaft mit einer wahrhaft erwachten Seele kann man aus dem langen Schlaf erwachen.

 

2)     >Manan< oder Denken – es besteht in der intensiven und gedankenvollen Kontemplation über das, was man gehört und verstanden hat, um das Abstrakte konkret und greifbar zu machen und sich vom Pulsschlag des von einem Augenblick zum anderen bestehenden Lebens verstandesmäßige Begriffe zu machen, indem man genaue Unterscheidung walten läßt und auf Schritt und Tritt das Wahre vom Falschen sondert. Es gipfelt darin, die Seele aus der Schlinge des Egoismus mit allen einem zu Gebote stehenden Mitteln zu befreien. Diese Übung gleicht dem Kirnen der Butter aus der Buttermilch.

 

3)     >Nidhyasan< oder Praxis – sie besteht darin, daß man das Zentrum der Schwerkraft vom vergänglichen, sich wandelnden Selbst ein für allemal auf das stetige und immerwährende Selbst verlegt; vom Umkreis zum Mittelpunkt des Seins. Dies bringt nach und nach die Loslösung von den Gegensätzen, wie Reichtum und Armut, Gesundheit und Krankheit