VII. Karma Yoga oder der Yoga des Handelns

 

Karma ist das Wesens des Daseins, von Mensch wie von Gott, dem Herrn des Karmas. Wenn die  >Karmas< (Handlungen) im Geiste des Dienens für das Göttliche richtig ausgeführt werden, können sie zu spiritueller Befreiung führen.

 

Es gibt  >Karmas< oder Handlungen von zweierlei Art: gute und üble. Gute Taten sind solche, die uns dem spirituellen Ziel näher bringen; wohingegen uns üble Taten weiter von diesem entfernen.

 

Es gibt keine Freude, die höher und dauerhafter wäre als die, welche aus der Wiederentdeckung des wahren Selbst herrührt, was in Wirklichkeit bedeutet, daß man seine Identität findet mit der Welt rings umher.

 

Das Leben in all seinen Formen ist durch Tätigkeit gekennzeichnet, und die Wandlung ist des Lebens Gesetz. Kein Mensch kann auch nur für den Bruchteil einer Sekunde ohne Tätigkeit sein. Wordsworth hat den Zustand unablässigen Tätigseins folgendermaßen beschrieben:

 

Die Augen können nicht anders als sehen,

dem Ohr kann nicht geboten werden, taub zu sein.

Der Körper fühlt, wo immer er ist,

mit oder entgegen unserem Willen.

 

So ist es tatsächlich, und was wir zu tun haben, ist, unsere Handlungsweise immer mehr zu veredeln, auf daß sie vom Schmutz niedriger und gemeiner Wünsche und sinnlicher Beziehungen gereinigt werden.

 

Selbstloser Dienst an der Menschheit ist die höchste Tugend.  >>Dienen vor Eigennutz<< sollte das Leitprinzip unseres Lebens sein. Da alles Leben von Gott, dem Ursprung allen Lichts und Lebens, ausgeht, müßte ihm dieses Leben für immer gewidmet sein, ohne einen Wunsch nach den Früchten unseres Tuns.  >Brahmasthiti< oder die Verankerung in  >Brahman< kommt nicht dadurch zustande, daß man der Arbeit entsagt (saivyas), sondern dadurch, daß man das Verlangen nach den Früchten aufgibt (tyaga). Es ist nicht die Arbeit als solche, die uns bindet und das Ego verwöhnt, vielmehr der Beweggrund, der dahintersteckt. Wenn Karma als Mittel für  >moksha< oder die Befreiung von Gemüt und Materie dienen soll, müssen drei Bedingungen erfüllt werden:

 

1)     Wirkliches Wissen um die höheren Werte des Lebens: Das Leben selbst ist ein ununterbrochenes Prinzip, das allen Schöpfungsformen innewohnt, und ist darum aller Achtung und Verehrung würdig. Dies ist der realisitische Aspekt des Karmas.

 

2)     Aufrichtige und liebevolle Gefühle allen lebenden Geschöpfen gegenüber, vom sogenannten Niedrigsten bis zum Höchsten. Dies ist der empfindungsmäßige Aspekt des Karmas.

 

3)     Karma muß mit einem aktiven Willen ausgeführt werden, ohne Furcht vor Bestrafung oder Hoffnung auf Belohnung. Es sollte mit anderen Worten spontan sein und unwillkürlich aus unserem Wesen hervorgehen (swadharma), daß heißt durch ein Pflichtgefühl – arbeiten um der Arbeit willen und nicht unter Zwang und Beschränkung. Der Mensch ist nicht nur ein Geschöpf der Umstände, sondern er hat einen Willen, durch den er seine Umwelt ändern und sein Schicksal lenken kann.

Dies ist der willensmäßige Aspekt des Karmas.

 

Ein Mensch, der ganz für die andern lebt, existiert gar nicht für sich, noch würde er seinem Ego erlauben, sich mit Gedanken an Besitz aufzublähen. Mit einem völlig losgelösten Geist lebt ein >Karma Yogi< vollständig getrennt von seinem erfahrungsmäßigen Selbst.

 

Wer nicht auf Tatenfrucht bedacht

die pflichtgemäße Tat vollbringt,

der ist ein Yogi.

                                    Bhagavad Gita

 

Kurz, selbstlose Hingabe an die Pflicht ist der Grundton zum Erfolg auf dem Pfad des Handelns.

 

Im Erfüllen der Pflicht muß man sich über die Sinnesgegenstände, die Sinne selbst, das Gemüt und den verstandesmäßigen Willen erheben, damit das, was immer aus der Fülle unseres Wesens heraus getan wird, ein unwillkürliches Handeln im Lichte des  >Atman< ist und eine rechtschaffene Tat, die es ermöglicht, Tätigsein im Untätigsein und Untätigsein im Tätigsein zu sehen, und ein Ruhepunkt ist im ständig sich drehenden Lebensrad, das sich bewegt und zugleich stille steht. Auf diese Weise führt beides, die  >>richtig ausgeführte Handlung<< und diejenige, der  >>auf die rechte Weise entsagt<< wurde, zum gleichen Ziel, denn es ist das richtige Verstehen der Natur des Handelns, das den Yogi ausmacht. Dies sind also die drei Hauptarten des Yoga, die entsprechend der Natur des Menschen erdacht und gestaltet wurden. Jeder erhält den mystischen Ruf, der seiner Wesensart gemäß ist. Zum nachdenklichen Philosophen, der mit Logik begabt ist, kommt er als:  >>Gib alles andere auf und erkenne mich.<<  Der mehr gefühlsmäßig veranlagte spirituelle Aspirant erhält ihn als:  >>Gib alles andere auf und verliere dich in meiner Liebe<<; indes ein sehr praktischer und aktiver Mensch hört:  >>Gib alles andere auf und diene mir.<<  Wie bereits gesagt, greifen diese drei Methoden ineinander über und lassen sich nicht völlig trennen. Im wahren  >Jnana< ist sowohl etwas vom  >Bhakta< wie auch vom >Karma Yogi< zu finden; im wahren  >Bhakta< ist etwa vom  >Jnani< und  >Karma Yogi<, und im wahren  >Karma Yogi< ist etwas vom  >Jnani< und  und vom  >Bhakta<.  Die vorherrschende Tendenz ist von Bedeutung und nicht das Ausschließliche.

 

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