VIII. Andere Yoga-Arten, die in der Bhagavad Gita erwähnt werden

 

 

Außer den bekannten und populären Yoga-Arten gibt Lord Krishna noch ein paar weitere an, die sich auf verschiedene Weise voneinander unterscheiden.

 

Yoga der Meditation

 

Dies ist der Yoga zielbewußter Aufmerksamkeit gleich dem >Licht einer Lampe an einem windstillen Ort<. Er ist für den Selbstbeherrschten, der hart kämpfen kann. Den Geist stets auf den >atman< gerichtet, zieht sich der Mensch mit Hilfe des vernunftbegabten Willens von der Zerstreutheit des Gemüts allmählich zurück und erkennt sich als lebendige und selbstleuchtende Seele; von da an geht er der Vervollkommnung entgegen. Zu diesem Zweck muß er sich aller anderen Bestrebungen, Wünsche, Hoffnungen und Besitztümer ledig machen und sich an einen einsamen Ort zurückziehen, um Kontrolle über Gemüt und Körper zu üben.

 

Yoga der spirituellen Erfahrung

 

Diese Erfahrung erhält man, wenn man das dreidimensionale Ei der  >gunas<:  >satva<,  >raja< und  >tamas< durchbricht und das Physische und Mentale übersteigt. Es erfolgt durch das Begreifen der wahren Natur der Dinge, das heißt durch  >vivek< oder das Unterscheidungsvermögen. Sein Wert ist größer, als wenn sich einer Riten und Ritualen, Opferhandlungen und Zeremoniell, dem Studium der Schriften und Singen von Psalmen hingibt, oder Härten und Bußen auf sich nimmt, Almosen gibt, barmherzige Werke tut, was alles notgedrungen auf der Sinnesebene geschieht, mit ihr in Zusammenhang steht und was einen nicht darüber hinausbringen kann.

 

Yoga der Mystik

 

Es ist eine Zufluchtnahme zum Herrn, indem man sich ihm völlig unterwirft. Sie kommt dadurch, daß man Gottes wahres Wesen erkennt, und durch die direkte Schau. Auf diese Weise befreit man sich von den guten und üblen Auswirkungen seines Handelns, das man ganz und gar zu den Lotosfüßen des Herrn niederlegt.

 

Die Bhagavad Gita ist wahrhaftig ein Kompendium der Yogasysteme, die zur Zeit ihrer Enthüllung vorherrschten, und benennt tatsächlich nicht weniger als achtzehn von ihnen: >Vikhad Yoga< (Kap. I),  >Sankhya Yoga< (Kap.II),  >Karma Yoga< (Kap.III),  >Gyan Karma Sanyas Yoga< (Kap. IV), >Karma Sanyas Yoga< (Kap. V),  >Atam Sanyam Yoga< oder  >Dhyan Yoga< (Kap. VI), >Gyan Vigyan Yoga< (Kap. VII),  >Akshara Brahman Yoga< (Kap. VIII), >Raja Vidya Raj Guhya Yoga< (Kap. IX),  >Vibhuti Yoga< (Kap. X),  >Vishva Rup Darshan< (Kap. XI.),  >Bhakti Yoga< (Kap. XII), >Kshetra Kehetragya Vibhag< (Kap. XIII),  >Gun Trai Vibhag Yoga< (Kap. XIV), >Purshottam Yoga< (Kap. XV), >Devasura Sampad Vibhag Yoga< (Kap. XVI),  >Shradha Trai Vibhag Yoga< (Kap. XVII) und  >Makshar Sanyas Yoga< (Kap. XVIII).

 

Aus obiger Analyse wird klar ersichtlich, daß die Unterschiede, die zwischen den verschiedenen Aspekten der Yogasysteme bestehen, eher in der Gewohnheit des menschlichen Geistes zu suchen sind, indem dieselbe Sache auf verschiedene Weise gesehen wird, als in einer tatsächlich bestehenden Andersartigkeit der einen oder anderen Methode. Es sind lediglich verschiedene Spiegelungsflächen desselben Gegenstandes, und nicht selten überschneidet eine die andere und greifen sie ineinander über.  

 

Und wenn man die Bhagavad Gita gründlich studiert und liest, wie Lord Krishna über die verschiedenen Yogas mit ihren variierenden Annäherungsarten an das Göttliche spricht, erkennt man, daß die praktische esoterische Schulung, von der sie begleitet sind, dieselbe ist. Als er Arjuna in die mystische Wissenschaft einweihte, öffnete er sein  >Divya Chakhu<, das dritte Auge, und erst danach konnte dieser ihn in seiner Universalen Form oder  >Vishva Roop< schauen (Kap. XI). Zuletzt empfahl ihm der große königliche Yogi als Guru, alles andere zu lassen und sich ihm völlig hinzugeben,  >Sarva Dharman parityajya mam ekam sharanam vraja< (Kap. XVIII). Es fehlt in der Gita nicht an weiteren Hinweisen auf den inneren Pfad. So erfahren wir in Kap. I, daß Lord Krishna ganz zu Anfang das fünftönige Muschelhorn erklingen ließ. Doch da es uns an einem Lehrer fehlt, der diese Wissenschaft selbst praktisch gemeistert hat, neigen wir dazu, dies entweder auf rein verstandesmäßiger Ebene zu diskutieren oder nur als rituellen Gesang zu betrachten, wodurch wir den inneren Sinn verfehlen.

 

Es soll erwähnt werden, daß die dualistische Auffassung nicht nur die erste Stufe des  >Bhakti Yoga<, sondern auch aller anderen Yoga-Arten kennzeichnet. Sie beginnen damit, daß sie  >jiva< (die Seele) von >Brahman< unterscheiden; das eine ist unvollkommen, endlich und begrenzt, das andere vollkommen, unendlich und unbegrenzt. Die Schöpfung selbst ist das Werk des positiven und des negativen Prinzips:  >Sat< und  >sato< in der rein spirituellen Welt,  >Purush und  >prakriti< in den höheren Bereichen von  >Brahmand<,  >Brahma< und  >shakti< im mittleren  >Brahmand<,  >Kal< und  >maya< noch weiter unten und  >Jyoti< und  >niranjan< am untersten Ende von  >Brahmand<.

 

Die Vereinigung dieser Prinzipien bringt auf der jeweiligen Stufe die verschiedenen Formen zustande, vom kleinsten Atom bis zum größten Universum. Der Begriff  >Brahman< entstammt zwei Wurzeln, nämlich  >vireh<, was Wachstum oder Ausdehnung bedeutet, und  >manan<,  das soviel wie >erkennen< heißt. Beim Schöpfungsvorgang spiegelt sich die Einheit in Formen der Zweiheit und Vielheit wider, und der Rückweg läuft in umgekehrter Richtung, nämlich von der Zweiheit und Vielheit zur Einheit. Doch solange der Mensch im Körper bleibt, kann er nach der Lehre der Yogis nicht immer im Zustand des  >samadhi< sein, in der Vereinigung mit  >Adi Purush< oder dem Ersten Wesen. Das Yogasystem glaubt daher an  >videh mukti< oder die letzte Befreiung nach dem Tod. Der höchste Himmel der Yogis ist  >Sahasrar<, die Region des tausenblättrigen Lotos, und der der Yogishwars ist  >Trikuti<, der Mittelpunkt von  >Brahmand<, der Ursprung oder das Ei des  >Brahman<. Die meisten Propheten der Welt kommen aus dieser Region, die gerade in der Mitte zwischen dem physischen und den rein spirituellen Bereichen liegt, und beziehen sich teilweise auf das Jenseits, indem sie nur von >Par Brahm< sprechen. Der Pfad der Heiligen und der Meister reicht jedoch über diese Bereiche hinaus, denn sie sprechen ausdrücklich von  >Sat Lok<, der Wohnstatt des Wahren Einen, der Region des reinen Geistes, und von Bereichen, die selbst noch über diese hinausgehen, wie  >Alakh<,  >Agam< und >Anami<.

 

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