IX. Der Yoga in den Schriften Zoroasters

 

Es mag von Interesse sein, zu wissen, daß in den Gathas von Zoroaster ein fünffältiges System der beseligenden Vereinigung mit  >Ahura Mazda< zu finden ist, das genau mit den Yogasystemen, die wir durchgegangen sind, übereinstimmt (Jnana, Bhakti, Karma, Raja usw.). Wir zitieren aus Praktische Metaphysik der Zoroaster-Anhänger von Mr. Minochehr Hormusji Toot, einem führenden Gelehrten dieses Systems:

 

 

1)     Gatha Ahura Vaiti – der Pfad des göttlichen Wissens:

Schaue nach innen mit dem durchdringenden erleuchteten Geist und suche die Wahrheit für dein persönliches Selbst, um das niedrige Selbst und das grobe physische, selbstsüchtige Ego  >akeen< durch die Entwickulung des besseren und höheren Selbst  >vahyo< zu überwältigen, um schließlich das beste Absolute Wesen (Vahisht Ahura) und das höchste Selbst von  >Ahura Mazda< oder der   letzten Wirklichkeit des Universums  >Asha Vahishta< zu erkennen. 

 

Die Polarität des  >Höheren und Niederen<, der ursprünglichen spirituellen Feinheit (Subtilität) und der gröbsten Tätigkeit, wird durch die beiden spirituellen Kräfte der Entfaltung (spento) und der Beschränkung (angoo) geschaffen, die  >Mazda< hervorbringt. Sowohl das Leben wie auch die Materie, die durch die harmonische Vereinigung dieser beiden Geisteskräfte erzeugt wurden, entwickeln sich durch ihre Gegenaktivität zur Vollkommenheit. Dies ist der metaphysische Pfad des spirituellen Wissens der  >Ahura Vaiti Gatha<.

(siehe unter  >Jnana Yoga)

 

2)     Gatha Ushta Vaiti – der Pfad der Liebe und Hingabe:

Der Pfad  >Armaiti< der göttlichen Liebe und Hingabe wird durch beharrliches Festhalten an dem wahrhaftigen geliebten Meister Ratu Zarathustra erreicht. Wenn man den geliebten Meister betrachtet, der mit dem Allesdurchdringenden verbunden ist, der Unendlichen Wirklichkeit, dem Alles-in-Allem, dem Alpha und Omega – dann bleibt der Ergebene unberührt von den weltlichen Bindungen und erwirbt göttliche, welche nach dem Schöpfer  >Ahura Mazda< die beseligende Verbindung mit der Allesdurchdringenden Wirklichkeit sucht.

 

So erklärt Ratu Zoroaster in dieser Gatha:

 

Somit enthülle ich das Wort, das mich der Allgegenwärtige gelehrt hat; das Wort, dem die  Sterblichen am meisten lauschen sollten.

 

Wer auch immer mir Gehorsam leistet und unerschütterliche Aufmerksamkeit zeigt, wird das Allumfassende Vollkommene Sein und Unsterblichkeit erlangen; und durch den Dienst des heiligen göttlichen Geistes wird er  >Ahura Mazda< verwirklichen.

Ha. 45-8

(Siehe  >Bhakti Yoga)

 

3)     Gatha Spenta Mainyu – der Pfad des selbstlosen Dienstes:

Selbstloser Dienst wird geleistet für Förderung, Wachstum und Wohlwollen des gesamten Universums mit all seinen lebenden Wesen.

Das Wissen um die Einheit ist das beste für die Menschen von Anbeginn an; möge dem Universum selbstloser Dienst geleistet werden; denn dieses Universum muß für unsere Veredlung gedeihen.

Ha. 8-5

 

Wir müssen das endliche Selbst, das Ego oder die Individualität, auf dem Altar wohlwollenden, menschenfreundlichen Dienstes für das gesamte Universum opfern, damit wir die unendliche Schau der Einheit allen Lebens und der Immanenz der alles durchdringenden Wirklichkeit erlangen durch die Verehrung von  >Ahura Mazda<, dem Schöpfer, dem Ursprung und Ziel von allem. Diese Gatha endet mit dem seelenbewegenden Lebensgrundsatz:

 

 Das Erhabenste, das Willen und Wollen veredelt, ist das rechtschaffene Dienen, das der Schöpfer des individualisierten Seins mit dem erleuchteten höheren Geist krönt.

(siehe  >Karma Yoga)

 

4)     Gatha Vahu - >Kshetra< oder der Pfad der Selbstbeherrschung:

Wenn man die niederen mentalen Neigungen und den niederen Hang der physischen Natur beherrscht, wenn die Willenskraft veredelt wird und man danach verlangt, mit dem göttlichen Reich und dem alles durchdringenden  >Ahura Mazda< vereint zu werden, dann erlangt man mit ruhigem und gelassenem Gemüt die Selbstbeherrschung.

 

Die heilige Selbstbeherrschung ist die hilfsreichste und

eine absolute Macht.

Durch selbstprüfendes, verehrungsvolles Dienen wird

sie innerlich durch die alles durchdringende Wirklichkeit

hervorgebracht.

O Mazda ! Laß uns nun das Beste erreichen.

Ha. 51-1

(siehe >Raja Yoga<)

 

5)     Als nächstes haben wir die Gatha von  >Vahishto Ishtish<, die sich mit dem Pfad der Selbstveredlung befaßt. Er besteht in der physischen, mentalen und spirituellen Schulung, wobei man die höheren und edleren Eigenschaften von Kopf und Herz kultiviert und versucht, das eigene wahre Selbst im Hinblick auf das höhere Selbst von  >Ahura Mazda< zu erkennen und indem man das begrenzte Selbst und das bedingte Sein  >Ahura Mazda< weiht.

 

Das Erdenleben ist ein großes Opfer,  >Yajna (yagna) – das freiwillige Opfer seiner selbst für das Wohlergehen seiner Mitgeschöpfe.

 

Es ist die Selbstveredlung, in der alle menschlichen Bemühungen schließlich enden, und es ist tatsächlich das Ziel, dem alle Wege, wie oben beschrieben, zustreben. Ohne wirkliches Wissen über die beiden Geisteskräfte, die höhere und die niedere, und ohne die liebevolle Hingabe des Strebenden an die große Sache und den selbstlosen Dienst kann man das sich selbst behauptende Ich im Innern nicht bemeistern und sich dadurch nicht über das Körperbewußtsein erheben, um sich so für den spirituellen Pfad, der vor einem liegt, bereit zu machen.

 

In der Philosophie des Zoroaster bilden die beiden Prinzipien, die  >höheren und die niederen spirituellen Kräfte<, das fundamentale Gesetz des relativen Seins, das sich im Universum offenbart.

 

Diese Polarität ist für die Evolution des Lebens von den gröbsten niederen bis zu den feineren und höheren Stufen der Spiritualität wesentlich, bis dorthin, wo man das unendliche Gute und höchste Wohlwollen des Absoluten Wesens, das über ihnen liegt, verwirklicht hat. Ohne diese Polarität des Höheren und des Niederen kann das Erhabenste des Absoluten Jenseits niemals verwirklicht und das unpersönliche Höchste Wesen nicht begriffen werden.

 

In der Tat, für uns selbst gilt als das Höchste von allem,

der Selbststrahlende möge Selbsterleuchtung verleihen,

auf daß du dich, o allwissender  >Mazda<, offenbarst

durch deinen großmütigen Geist und du gewähren mögest

die wonnevolle Weisheit des heiligen Geistes

durch die alles durchdringende Wirklichkeit.

Gatha Ushtavaiti

 

Im Venidad versichert uns der höchste  >Ahura Mazda<:

 

In der Tat werde ich den beiden gegensätzlichen Geistformen nicht gestatten,  sich im Wettkampf gegen den Übermenschen zu stellen, der zum höchsten  Absoluten Sein vordringt.

Die Sterne, Sonne und Mond, o Zarathustra, rühmen einen solchen Menschen.

Ich rühme ihn, ich, der Schöpfer  >Ahura Mazda<, das Heil der Seligkeit sei dir, o Übermensch! Der du vom Vergänglichen zum Unvergänglichen gelangtest.

 

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