1.  Uraltes religiöses Gedankengut der Inder, Chinesen und Perser

 

 

Hinduismus

 

Die Hindu-Religion ist ein gewaltiges Meer religiösen Gedankenguts, dessen Ursprung in die frühesten Zeiten, lange vor dem Aufdämmern der Geschichte, zurückreicht und das in seiner vielfarbigen Struktur mit ihren mannigfaltigen Abtönungen eine endlose Reihe an Gestaltungen und Formen umschließt, wie sie der menschliche Geist hervorgebracht hat: vom Animismus zur Anbetung der Natur, von den Naturkräften in abstrakter Form bis zu den personifizierten und wesenhaften Formen, von Gottheiten und Göttinnen bis zu dem einen höchsten Gott, zuerst dem persönlichen und dann dem unpersönlichen, von der Form zum Formlosen. Das Hindu-Pantheon bietet dem wißbegierigen Publikum eine große und gewaltige Schar von Gottheiten zur Betrachtung dar, so einer die Nebelschleier der eisgrauen Vergangenheit durchdringt.

 

Der Sonnenkult, die Anbetung von Helios oder der Sonne, wurde von den Menschen der Welt ganz allgemein ausgeübt. Sol oder die Sonne war für die Menschen immer Gegenstand großer Verehrung und wurde auf der ganzen Welt seit undenkbaren Zeiten gepriesen und angebetet. Die alten Griechen und Römer bauten Tempel für Apollo und Phoebus, wie sie den Sonnengott in ihrer Zeit nannten. In allen anderen Gotteshäusern nahm das Idol oder die Darstellung des Sonnengottes einen bedeutenden Platz in ihrer hierarchischen Ordnung ein. Wir haben in Konrak, Südindien, einen berühmten Sonnentempel und im Norden die historische Stadt Mooltan oder das Sonnenland; während die Jog-maya- oder Jot-Maya-Tempel über den ganzen indischen Kontinent verstreut sind.

 

Die alten Griechen haben auch von Shabd gesprochen. In den Schriften von Sokrates lesen wir, daß er in sich einen bestimmten Ton hörte, der ihn unwiderstehlich in höhere spirituelle Bereiche gezogen hat.

 

Pythagoras sprach ebenfalls von Shabd, denn er hat Gott als die  >>erhabene Musik vom Wesen der Harmonien<< beschrieben.

 

Für ihn war Gott die  >>absolute Wahrheit, in Licht gekleidet<<. Als er einem Adler befahl, herunterzukommen, und einem Bären, das verwüstete Apulien zu verlassen, fragte ihn die verwunderte Menge nach der Quelle, von der er solche Kräfte nahm, und er entgegnete, daß er sie alle der  >>Wissenschaft des Lichts<< verdanke. Wiederum haben wir in der griechischen Sprache das mystische Wort Logos.

 

Es rührt von der Wurzel >>logo<< her, was  >>sprechen<< bedeutet und wovon die Begriffe Monolog, Dialog, Prolog, Epilog usw. abgeleitet wurden. Es bedeutet  >>das Wort<< oder  >>die Vernunft<<.

 

Diesen Begriff  >>Logos<< gibt es in der hebräischen und christlichen Philosophie und Theologie, er wurde sowohl von den hellenistischen wie von den neuplatonischen Philosophen in seinem mystischen Sinne gebraucht. Die Christen wenden ihn an, um damit die zweite Person der heiligen Dreifaltigkeit zu benennen. Die Alten des Westens übernahmen ihn von ihren Vorfahren, die Tausende von Jahren von der christlichen Ära lebten und große Liebe und Verehrung für Surya erwarben, die sie als den Inbegriff aller menschlichen Bestrebungen auf der Suche nach der allmächtigen Kraft Gottes betrachteten und als ein sichtbares Abbild auf dieser Erde. Sie nahmen diese Vorstellung mit sich, wohin immer sie sich wandten, ostwärts und westwärts. Sie verfaßten Hymnen und sangen Psalmen zum Ruhme dieses prächtigen Gestirns, der Quelle allen Lebens auf diesem irdischen Planeten. Diejenigen, welche sich in Persien angesiedelt hatten und später als Parsen bekannt wurden, verehren die große Gottheit noch in einer anderen Form – dem Feuer -, das sie allezeit in ihren Tempeln als Symbol für die heilige Flamme unterhalten, die im menschlichen Herzen brennt und immerzu himmelwärts strebt.

 

Ratu Zoroaster, der Prophet des Lichts und Lebens in Persien, rühmte die Größe des Gottes des Lichts in liebenden und lebendigem Glauben und lehrte die Menschen, es ihm gleichzutun.

 

>Agni< oder das Feuer war bei den Gottheiten, welche diese geheimnisvolle Kraft bewachten, ein vergorgenes Geheimnis. Es war, wie die griechische Sage erzählt, von Prometheus gestohlen und dem Menschen gegeben worden, wofür er von Zeus, dem Göttervater, zu ewiger Qual verurteilt wurde.

 

Im Kapitel VI der Chhandogya Upanishade ist gesagt, daß es das erste Element sei, dessen Schöpfung alle anderen Elemente ermöglicht hat, wie Wasser, Erde usw.

 

Ein zweiter Stamm der Arier, der gen Osten in  >Richtung der Indus-Ganges-Ebene< gezogen war, berief sich in liebender Weise auf  >>aditya<<, und in den Veden gibt es Hymnen, die sich an  >>Hiranyagarbha<<,  >>Savitar<< und  >>Usha<< wenden, die alle die eine lebenssprendende Kraft der Sonne bezeichnen. Die verehrungswürdigen Meister des vedischen Zeitalters waren alle Bewunderer der reinigenden und heilenden Eigenschaften des Sonnengottes, und so ist es kein Wunder, daß wir in den Veden viele Hymnen finden, welche die Sonne vergöttlichen. In Buch X, 121 finden wir:

 

Am Anfang erhob sich  >>Hiranyagarbha<< als der einzige

Herr aller erschaffenen Wesen.

Er festigte und stützte die Erde und den Himmel;

Welchen Gott sollen wir mit unserer Opfergabe ehren?

Als die gewaltigen Wasser kamen, die den universalen

Keim enthielten und  >>Agni<< hervorbrachten,

da kam der eine Geist Gottes ins Sein;

welchen Gott sollen wir mit unserer Opfergabe ehren?

 

In einer andern Hymne bezieht man sich auf ihn als >>den aus sich selbst strahlenden, weisen Aditya<<.

 

In Buch I, 113 finden wir eine Hymne an die Morgenröte, in der folgende Zeilen zu lesen sind:

 

Dieses Licht ist unter allen Lichtern das schönste;

das Strahlende ist geboren, um Helligkeit zu verbreiten.

Die Nacht, verdrängt durch  >>Savitars<< Aufgang,

ist der Geburt des Morgens gewichen.

Erhebt euch! Der Odem, das Leben, ist wieder gekommen;

die Dunkelheit ist vergangen und das Licht ist nahe.

Sie hat der Sonne freie Bahn gegeben: Wir sind dort

angelangt, wo die Menschen ihr Leben verlängern.

 

Dies alles könnte im wörtlichen Sinne für lediglich etwas mehr als Natur-Verehrung gehalten werden, als Anbetung der Sonne, die bei einem Volk, dessen Existenz vom Ackerbau abhängt, verständlich ist.

 

Aber die alte indische Literatur hat eine schwer zu fassende Eigenschaft: sie scheint uns zunächst auf einer Ebene zu belehren, und wenn wir uns dieser angepaßt haben, bringt sie uns auf eine andere. Wer ihren Feinheiten folgen kann, entdeckt einen Reichtum, den er selten anderswo findet. Es gibt eine Vielfalt von Bedeutungen, die vom Physischen bis zum Kosmischen und Spirituellen reichen, und vom Buchstäblichen bis zum Symbolischen und Esoterischen, das uns auf den verschiedensten Erfahrungsebenen anspricht und uns besonderen Lohn bietet. Wenn wir somit diese häufigen Hinweise auf die Sonne zu studieren beginnen, werden wir erkennen, daß die  >>Sonne<<, auf die sie sich beziehen, nicht immer das Zentrum unseres physischen Universums ist, wie wir anfangs angenommen haben. In der Isha-Upanishade lesen wir:

 

Das Tor zu dem Wahren Einen ist von einer goldenen

Scheibe verdeckt; öffne sie, o Pushan, damit wir das Wesen

des Wahren Einen schauen.

 

Nachdem wir von solchen Darlegungen berichteten, beginnen wir eine esoterische Bedeutung zu entdecken, die wir früher übersehen haben, wenn wir von Brahman oder dem Höchsten als >Jyotisvat< lesen, der voll des Lichts ist, und  >Prakashvat<, von Glanz umgeben. Und all das entfaltet sich weiter, wenn wir an das  >Gayatri<, das zehnte Mantra der sechzehnten Sutra im dritten Mandala des Rig-Veda, herangehen:

 

Die heilige Silbe >Aum< murmelnd, erhebe dich über

die drei Regionen.

Wende deine Aufmerksamkeit der alles in sich

aufnehmenden Sonne im Innern zu.

Sich ihrem Einfluß hingebend, bleibe vertieft in die Sonne,

und sich zum Bilde wird sie dich gleicherweise

leuchtend machen.

 

Dieses Mantra wird als das heiligste betrachtet, das  >mool mantra< in der vedischen Literatur.

 

Es wird den Hindus von früher Kindheit an aufzusagen gelehrt. Hier wird die innere spirituelle Bedeutung der  >>Sonne<< völlig klar. Gegenstand der Verehrung ist nicht die, welche uns in der äußeren Welt mit ihrem Licht versorgt; es ist ein Prinzip, das die physische, astrale und kausale Existenzebene übersteigt und die Quelle der inneren Erleuchtung ist.

 

Dieses Prinzip wird auch >Aum< genannt, ein Ausdruck, der auf die drei Phasen der menschlichen Erfahrung hinweist: >A< bezieht sich auf den Wachzustand (jagrat), >U< auf den Traumzustand (swapana) und >M< auf den des Tiefschlafs (sushupti). Die letzte Wirklichkeit umschließt alle diese Ebenen und auch die drei Phasen der menschlichen Erfahrung, geht jedoch gleichzeitig darüber hinaus. Und die Stille, die jedem Aufsagen des Wortes >Aum< folgt, deutet auf den Zustand von >Turya< oder des absoluten Seins hin, das die unbeschreibliche Quelle und das Ziel von allem ist. Es ist  >Brahman<, das Allesdurchdringende, dessen erstes Attribut Glanz ist, das jedoch in sich selbst des Glanzes liegt. Daher ist dem Mantra in seiner ursprüunglichen Form im Rig-Veda noch eine weitere Zeile angefügt, die nur den  >Sanyasins< und ausgewählten Schülern bekanntgegeben wird -  >Paro Rajasal Savad Aum<: Wer diesen Glanz übersteigt, ist dieses Aum.

 

Das  >Gayatri mantra< löst nicht nur die üblichen Verwirrungen der in den Veden vielfach enthaltenen Hinweise auf die Sonne, es beleuchtet auch noch ein anderes, stets wiederkehrendes Thema des hinduistischen Denkens. Seine große Bildhaftigkeit und seine Volkstümlichkeit bringt uns zu der Frage der >mantras< und ihres Platzes in der religiösen Praxis der Inder. Die Mantras oder Wortformeln, in Sanskrit-Verseb oder –Prosa, sind in zwei Arten eingeteilt: jene, die nur zum Aufsagen gedacht sind und nicht verstanden zu werden brauchen, und andere, die als eine göttliche Anrufung dienen und deren bedeutung man kennen muß, damit der Ergebene instand gesetzt wird, seine Aufmerksamkeit auf das göttliche Ziel zu richten. Die verschiedenen Mantras haben alle ihre besonderen Vorteile. Es gibt solche, deren Meisterung oder >siddhi< eine Verbindung zu magischen Kräften nierer Ordnung  (tamas) einbringt; andere verleihen Mut, Stärke und Kraft (rajas) und wieder andere haben zum alleinigen Ziel die spirituelle Erhebung (satva). Unter den letzteren wird das >Gayatri<, wie wir bereits gesehen haben, am meisten geschätzt.

 

Die seit unbedenklichen Zeiten beliebt gewordenen Mantras betonen nachdrücklich die spirituelle Bedeutung des Tones. Wenn das Singen von gewissen Wortformeln magische Kräfte verleigt oder beim spirituellen Vorwärtskommen hilft, dann muß im Ton selbst eine latente esoterische Kraft liegen. Darum wurde Vak Devi, die Göttin der Sprache, in hohen Ehren gehalten. Jedes Wort hat seinen einmaligen Charakter und seinen bestimmten Platz, aber von allen Worten ist >Aum< das heiligste.

 

Seine symbolische Bedeutung haben wir bereits untersucht. Wir wollen diese Worten noch einige weitere hinzufügen. Es ist nicht nur ein Wort, das die Eigenschaften des absoluten  >Brahman< bezeichnet, sondern eines, das das >Brahmen< selbst bedeutet. Im Rig –Veda lesen wir: 

 

Prajapati vai idam agref aseet

Tasya vag dvitya aseet

Vag vai parman Brahma.

 

>>Im Anfang war Prajapati, Brahma, bei ihm war das Wort, und das Wort war wahrhaftig der höchste Brahma<< - ein Text, der in bemerkenswerter Weise den Eingangsworten des Johannes-Evangeliums gleicht:

 

Am Anfang war das Wort, und das Wort war

bei Gott, und Gott war das Wort.

 

Somit wird >Aum< zum  >Brahman<, das sich im Wort offenbart; und in der Taittiriya-Upanishade bezeichnet man es als die  >>Hülle des Brahmen<<, als etwas, das sein Leben von >Brahman< nimmt und es enthält. Dieser Aspekt tritt im Sam-Veda noch klarer hervor:

 

Brahman ist zugleich Shabd und Ashabd,

und Brahman allein vibriert im Raum.

 

Mit anderen Worten: der Absolute Eine ist nicht nur der innere Glanz, sondern auch etwas, das darüberLiegt, wie im >Gayatri Mantra< angedeutet ist. Er ist eins mit dem Wort, dem Shabd< oder >Aum< und doch zugleich jenseits davon. In der Tat sind Licht und Ton als seine ersten Offenbarungen bekannt. Das  >Gayatri< empfiehlt, daß man während man auf das göttliche Wort >Aum< konzentriert, seine Aufmerksamkeit auf die innere Sonne heften soll. Und aus der Chhandogya Upanishade wissen wir, daß  >Nad< oder die göttliche Musik aus der universalen Sonne (von Brahmand) hervorgeht; ein Geheimnis, das von Rishi Ingris an Krishna, den Liebling von Devki (III, 17-6 und 93), weitergegeben wurde. Es war diese mystische Einsicht, die in den >Shrutis< oder Schriften zu finden ist und welche durch das innere Hören enthüllt ward, das zur Entfaltung dessen geführt hat, was  >Sphota-vadha< oder die Philosophie des Wortes genannt wurde. Die Lehrer dieses Pfades predigten, daß der Absolute das Wortlose, Bildlose und Unbeschreibliche und Unbedingte war. Als er sich offenbarte, trat er als >sphota< od