3.   Der Islam

 

Wie aus dem Namen bereits ersichtlich, ist der Islam die Religion des Friedens  und Wohlwollens für alle, die an den Propheten glauben und seine Gesetze befolgen. Jede Religion, die ins Dasein tritt, erfüllt den Plan Gottes, trägt dem Bedürfnis der Stunde Rechnung und schließt eine Lücke in der religiösen Geschichte des Menschen. Auch der Prophet Mohammed kam zu einer Zeit und an einen Ort, wo es übel zuging durch krassen Aberglauben, Götzendienst, soziale Entartung und moralischen Bankrott der arabischen Rasse, die wie ihre Brüder, die Juden, und andere vor ihnen heruntergekommen war. Beide, Juden und Araber, sind semitischen Ursprungs und die Nachkommen von Abraham. Die von Ismail abstammen, wurden nach Osten verbannt, während die Nachfahren seines Bruders Isaak in Palästina blieben. Die rauhen und derben Beduinenstämme der Wüste waren nur dem Mammon und Bacchus ergeben; sie steckten in äußerster Unwissenheit und kämpften mit Herz und Seele gegeneinander im brennenden Wüstensand. Um diese Menschen zu erretten, war Mohammed, ein tiefreligiöser und tatkräftiger Hirtenjunge, vom Höchsten zu seinem Auserwählten erkoren worden, als der Mensch, der den Befehl des Allbarmherzigen unter seinen Geschöpfen ausführen sollte. Der Ruf für das Amt Gottes war zu ihm gedrungen, nachdem er sich für mehrere Jahre in der rauhen und unfruchtbaren Einöde der Gar-i-Hira in der Gegend von Mekka einer intensiven spirituellen Schulung unterzogen hatte.

 

Er begann seine Mission im Geiste wahrer Demut – nicht, um Wunder zu tun oder Übernatürliches zur Schau zu stellen, was er immer ablehnte und wovon er sich stets distanzierte, sondern als ganz einfacher Prediger von Gottes Wort, als ein einfacher Mensch wie jeder andere, jedoch mit der Botschaft Allahs.

 

Seine Botschaft war die des einen Gottes, denn er erklärte nachdrücklich:

 

Es gibt keinen Gott außer Gott, und Allah ist sein Name.

Mohammed ist nur sein Bote oder Gesandter.

 

Auf dieser Grundlage des Monotheismus baute er sein System ethischer Lehren und demokratischer Bruderschaft auf. Er war in der Tat dem Bedürfnis der Zeit angepaßt, und er erfüllte dieses auf bewundernswerte Weise. Der barbarischen, unreifen und intellektuell halbentwickelten Rasse konnte er keine metaphysischen Forderungen zur Überlegung geben, zumal bereits seine betont einfachen Lehren dem Gespött und der Lächerlichkeit seitens dieser Menschen ausgeliefert waren, ganz abgesehen von den Schmähreden, die zeitweise zu offener Feindseligkeit führten, welche ihn und seine Anhänger zwang, ihrer Sicherheit wegen nach Medina zu flüchten. Dies war im Jahre 622, als die Schar der Gläubigen Mekka verließ. Dem folgte eine Periode erbitterten Kampfes für den neugeborenen Glauben, zu dessen Erhaltung und Verbreitung der Prophet das Schwert zur Selbstverteidigung ziehen mußte.

 

Der Prozeß der Konsolidierung dauerte etwa hundert Jahre, in denen sich ein mächtiges Reich von Osten nach Westen ausbreitete, vom Indischen Ozean auf der einen bis zum Atlantik auf der anderen.

 

Der Koran oder die Heilige Schrift des Islam ist das größte Wunder und ein hervorragendes Werk, das alles andere der damaligen Epoche übertraf. Er hat 144 Suren oder Kapitel, mit einer Verszahl zwischen 286 und 6 in abnehmender Folge. Er ist in einem reinen, ausgezeichneten Arabisch geschrieben und wurde dem ungelehrten Propheten während seiner intensiven Meditationen durch den Erzengel Gabriel offenbart, dessen Stimme aus dem  >>Geläut von Glocken<< hervorging und allmählich Ton, Gestalt und Form annahm.

 

Die einfachen Lehren des Korans drehen sich um Allah (Gott), sein >Makhluq< oder die geschaffene Welt, >Insan< (Mensch) und >Qiamat< oder das Jüngste Gericht. Weil Allah wirklich und grundsätzlich gut ist, so ist alles andere, was von ihm geschaffen wurde, auch gut. Da alles Leben individuell ist, muß jeder die Rechnung für seine Taten im Leben bezahlen; denn wer vom Pfad abweicht, muß später, am Tag der Abrechnung oder >Qiamat<, die volle Verantwortung für dieses Abweichen tragen.

 

Der Pfad des Friedens und der Rechtschaffenheit für den Menschen ist einer, der erstens Allah oder Gott geweiht ist und zweitens >Namaz< oder dem Gebet, dem man mindestens fünfmal täglich nachkommen muß: sei es stehend, sitzend, kniend oder liegend, was das beständige Denken an Gott anzeigt; es kann überall verrichtet werden, indem man den Gebetsteppich (Sajadah) ausbreitet und sich gen Mekka wendet, dem einen allgemeinen Zentrum der Anbetung für die Gläubigen; drittens >Zakat< oder Almosengeben an die Armen und Bedürftigen, in Höhe eines Vierzigstels des Besitzes, pro Jahr, so daß alle gemeinsam als Glieder derselben Menschenfamilie daran teilhaben können; viertens >Roza< oder Fasten während des Fastenmonats Ramadan, damit die Gläubigen wissen, was Hunger ist, und um die Leiden der Hungernden zu lindern und ebenso spirituelle Disziplin zu entwickeln, wie Liebe zu Gott und Mitleid für ihre Brüder, und schließlich fünftens >Haj< oder auf Pilgerfahrt nach Mekka gehen, dem Jerusalem der Gläubigen, wenigstens einmal im Leben, wobei die Reichen wie die Armen gleicherweise in einfaches Linnen gekleidet sind. Dies sind kurz die sozialen Lehren des Islam, die zu Verbesserung des arabischen Gemeinschaftslebens bestimmt waren. Im Koran sind jedoch nicht viele der spirituellen Übungen erwähnt, denen sich der Prophet unterzog und die ihn von einem einfachen Kameltreiber in einen Propheten (Prediger) und großen Staatsmann umgewandelt haben. Diese Tatsache macht wieder einmal den uralten Ausspruch deutlich, daß es ein Wissen gibt, durch das alles andere bekannt wird und welches die vollständige Identifikation mit dem Herz des Universums in <maraqba< oder der Meditation zustande bringt. Die Übung in der Einsamkeit von Ghar-i-Hira (Höhle von Hira) war, wie wir von Meister-Heiligen wissen, keine andere als die von >Shugal-i-Nasiri< oder des Tones, der als >Sesam öffne dich< für das Reich Allahs wirkt.

 

Sheikh Mohammed Akram Sabri sagt uns, daß der Prophet fünfzehn Jahre lang die Verbindung mit >Awaz-i-mustqim< praktiziert hatte, ehe er begann, Botschaften von Gott zu empfangen. Wir erfahren auch, daß der Prophet >Shaq-ul-qamar< vollbrachte, das heißt, daß er den Mond entzweibrach und auf einem milchigweißen Schlachtroß – Barq – ritt, was bildlich und buchstäblich Blitz bedeutet. Das sind klare Hinweise auf die inneren Erfahrungen derjenigen, die den Pfad des Tonstromes gehen und wissen, daß sie Sterne und Mond in ihrer spirituellen Aufwärtsreise zu durchqueren haben.

 

Heute sehen wir nur noch die symbolischen Darstellungen von alledem im Stern und Halbmond der Moslem-Fahnen, Münzen und Briefmarken etc. Wiederum wird das Erscheinen des Mondes an den Id –Tagen immer mit Jubel und Freude begrüßt, und allerorts erwarten und beobachten die Menschen des Islam von ihren Hausdächern aus gespannt das Aufgehen des Mondes am Horizont, während sie die innere Bedeutung davon kaum kennen. Da sie an das Buch gebunden sind, werden sie mit Recht Kitabis Oder das Volk des Buches genannt. Mohammed mag der letzte in der Reihe der Propheten gewesen sein. Aber der Koran empfiehlt, einen Mittler zu suchen, der die Verbindung mit Gott herstellt.

 

Abgesehen von diesen Hinweisen haben wir das unbestrittene Zeugnis der Moslem-Mystiker oder Sufis, die in unmißverständlichen und hohen Worten von der Rettenden Lebensschnur >Kalam-i-Qadim, Bang-i-Ilahi, Nida-i-Asmani, Saut-i-Sarmadi< gesprochen haben, was alles den >>Abstrakten Ton<< (Ism-i-Azam), das eine schöpferische Lebensprinzip in der ganzen Natur, bedeutet, das >Kalma<, das die vierzehn >Tabaqs< oder Regionen hervorbringt. Zu dieser Klasse von Mystikern gehören Shamaz Tabrez, Maulana Rumi, Hafiz Shirazi, Abdul Rasaq Kashi, Inayat Khan, Baba Farid, Bulleh Shah, Shah Niaz, Hazrat Abdul Qadar, Hazrat Mian Mir, Hazrat Bahu, Hazrat Nizam-du-Din und eine Menge andere, die alle >Sultan-i-Azkar< (das höchste Tonprinzip) praktizierten. Diese >Fukra-i-Kamil< oder Wanderer auf dem Gebiet wahrer Weisheit (Marfat) haben >Shariat< und >Tariquat< den Pfad der Schriften und Traditionen (Hadith) beiseite gelassen.

 

Hazrat Inayat Khan spricht in seinem Buch >>Die Mystik des Tones<< von der Schöpfung als >>Musik Gottes<< und sagt uns, daß >Saut-i-Sarmadi< der berauschende Wein aus dem Garten Gottes sei.

 

>>Der ganze Raum<<, so erklärt er, >>ist von Saut-i-Sarmadi oder dem Abstrakten Ton erfüllt<<. Die Vibrationen dieses Tones sind zu fein, um den stofflichen Augen und Ohren sichtbar und hörbar zu sein; denn es ist für die >>Augen schon schwierig, Form und Farbe der ätherischen Vibrationen auf der äußeren Ebene wahrzunehmen<<. Es war >Saut-i-Sarmadi<, daß Mohammed in der Höhle von Hira vernahm, als er sich in sein Ideal verlor. Der Koran bezieht sich darauf als >Kun-feu-kun< - >>Es werde, und alles wurde<<. Moses hörte diesen Ton auf dem >Koh-i-Toor< oder dem Berg Sinai, als er mit Gott in Verbindung war. Dasselbe Wort vernahm Christus, als er sich in der Wüste in seinem himmlischen Vater vertiefte. Siva hörte diesen >Anhad Nad< in den Himalayas. Krishnas Flöte versinnbildlicht den gleichen Ton. Dieser Ton ist den Meistern, denen er von innen her offenbart wird, die Quelle aller Offenbarung, und daher kennen und lehren sie alle ein und dieselbe Wahrheit; denn in dieser abstrakten Wirklichkeit sind alle Gesegneten in Gott vereint. Der Ton des Abstrakten erklingt allezeit im Menschen und um ihn herum. Jene, die ihn hören und über ihn meditieren, sind aller Plage, aller Ängste, Sorgen, Befürchtungen und Krankheiten enthoben, und die Seele ist von der Knechtschaft der Sinne und des physischen Körpers befreit und wird Teil der allesdurchdringenden Bewußtheit.

 

Dieser Ton entfaltet sich durch und in zehn verschiedenen Aspekten gemäß seiner Offenbarung durch die einzelnen Körper-Kanäle (Nadis) und klingt wie Donner, Meeresrauschen, Glockenklang, Bienensummen, Vogelgezwitscher, eine Veena, eine Flöte, ein Muschelhorn (Shankha), bis zuletzt >>Hu<< gehört wird, der heiligste aller Töne, mögen sie vom Mensch, Tier oder einem Ding kommen.

 

Abdul Bahu sagte in einer seiner Ansprachen:>>Wir müssen Gott danken, daß er für uns die materiellen Segnungen und die spirituellen Gaben geschaffen hat; die äußere Sicht, um das Licht der Sonne zu erblicken, und die innere Schau, durch die wir Gottes Glorie wahrnehmen können. Er hat das äußere Ohr dazu bestimmt, daß wir uns an den Melodien des Tones erfreuen, und das innere Gehör, daß wir damit die Stimme unseres Schöpfers vernehmen können.

 

In den >>Verborgenen Worten<< von Baha’u’llah, einem persischen Mystiker und Heiligen, lesen wir:

 

O Sohn des Staubes! Höre auf die mystische Stimme, die

dich aus dem Reich des Unsichtbaren ruft ..., erheben dich

aus dem Kerker hin zu herrlichen Gefilden, und eile aus

dem Käfig des Irdischen hin zum Paradies des Unendlichen.

 

Viele andere Sufi-Mystiker haben auf ähnliche Weise verkündet:

 

Erhebe dich über den Horizont und höre auf die göttliche Melodie.

Der Prophet wendet sich ihr wie jeder anderen Aufgabe zu.

Maulana Rumi

 

O Gott! Führe mich an den Ort, von dem das unaussprechliche Kalma ohne Worte ausgeht.

Shah Niaz

 

 

Alle wiederholen Kalma mit den Worten des Mundes,

doch eine seltene Seele tut es mit der Zunge der Gedanken.

Wer sich im Geiste mit ihm verbindet,

kann es nicht in Worten schildern.

Bahu

 

Im Tazkra-i-Gausia (S.332) gab uns Amir Khusro, ein großer Mystiker, Dichter und bekannter Gelehrter, einen Bericht über die zehn Arten von Tönen, die man im Innern hört, und endete mit wunderbaren Worten:

 

Dieser Art ist da himmlische Orchester, o Khusro,

und in diese zehn Melodien vertieft sich ein Yogi,

die Sinne gestillt und das Gemüt beruhigt;

so sagt Khusro:

Durch den grenzenlosen Trompetenschall im Innern

verfliegen alle Lüste des Fleisches und die tödlichen Sünden;

zudem hat der Meister seine eigene wunderbure Welt;

und Kushro ist nun ganz vertieft in sich selbst.

 

Aus obigem wird völlig klar, daß der Mensch fähig ist, eine innere spirituelle Erfahrung des Tonstromes zu erlangen, vorausgesetzt, er findet einen kompetenten Meister, der seinen eigenen Lebensimpuls über-

tragen und das Bewußtsein im Menschen zum Mittelpunkt seines Wesens bringen kann, im ihn dann mit dem Licht und Ton Gottes zu verbinden, indem er das innere Auge öffnet und das innere Ohr entsiegelt.

Die Spuren davon können heute in der  >Qawalis< oder äußeren Musik gefunden werden; in den >raqs< oder Tänzen mit klirrenden Fußreifen, dem sich manche Moslems hingeben, um >Wajd<, einen Zustand  des Vergessens, hervorzurufen und dadurch auf den höheren, inneren Weg zu gelangen.

 

Weiter