9 Wie man Liebe
entwickelt Liebe
kann man auf vielerlei Weise entwickeln – doch den Meister anzuschauen, in
seine Augen zu blicken, das ist der wirksamste Weg. Die Augen sind die Fenster
der Seele. Der Meister ist immer innen am Augenbrennpunkt. Wenn ihr also mit
ihm sprecht, solltet ihr euch immer dort konzentrieren. Er ist ebenso
konzentriert, wenn er redet und Seele zu Seele spricht. Der Meister lehrt durch
die Augen – ohne zu sprechen. Er fließt über von Liebe zu Gott und ist
berauscht von ihm, und die Ausstrahlung durch seine Augen ist sehr stark. Wer
sich mit Empfänglichkeit in seine Augen versenkt, erhält einen Auftrieb. Es
gibt noch andere Methoden, aber das ist die wirksamste. Wir sollten auf diese Weise zum Satsang gehen, um
ihn ganz zu nutzen. Wenn ihr zum Ort des Satsang geht, vergeßt einfach euer
Zuhause. Wenn ihr hierher kommt und euch setzt, vergeßt alle anderen. Ihr
werdet selbst euren eigenen Körper vergessen. Versenkt euch ganz in die Augen
des Meisters. Ihr werdet euren Körper vergessen, denn die Augen sind die
Fenster der Seele, und die Seele strahlt ihr Wesen durch die Augen aus. So läßt
sich Liebe am besten entwickeln. Es gibt noch andere Wege, wie die Gemeinschaft
mit jenen Menschen, deren Liebe zu ihrem Guru überfließt. Wenn zwei Schüler des
Meisters beisammensitzen, wird ihre Liebe zu ihm aufflammen. Wenn ihr zu einem
Meister geht, versenkt eure ganze Aufmerksamkeit in seine Augen. Denn er fließt
über von Gottes Liebe und Berauschtheit, die sich euch direkt übertragen. Diese
überfließende Liebe in ihm vermögen Worte nicht zu vermitteln, doch seine Augen
strahlen sie aus. Diese Eindrücke gehen zu Herzen; und wo ihr auch immer seid,
werdet ihr euch seiner Süße erfreuen. So entwickelt sich Liebe. Wer gibt sie?
Er, der uns zuerst liebt. Die Mutter liebt ihr Kind zuerst. Das Kind erwidert
nur diese Liebe. Es fragt sich nun, wie man die Liebe aufrecht erhält. Wir
sollten sie nicht als Geschäft betrachten und manchmal diese oder jene weltlichen Dinge wollen. Wir
sollten den Meister allein um seiner Liebe willen lieben. So können wir diese
Liebe erhalten. Wie soll unsere Liebe sein? Sie sollte immer voll Ehrfurcht
sein. Manchmal überschreiten wir aus Liebe unsere Grenzen. Manchmal versuchen
wir nämlich, mit dem Meister zu wetteifern. Aber der König ist der König und
der Minister ist der Minister. Der König mag dem Minister eine gute Stellung
geben und ihn sogar an seiner Seite sitzen lassen. Dennoch sollte der Minister
daran denken, daß er Minister und nicht König ist. Weil wir das falsch verstehen,
überschreiten wir manchmal die Grenzen der Liebe. Der König wird nichts sagen,
aber er sieht, daß es nicht ehrfurchtsvoll ist. Ich erzählte gerade die Geschichte von Humayun,
einem großen indischen König. Er hatte einen Diener namens Ayaz, der er über
alles liebt. Seine Minister wandten sich an ihn und sagten: „Es ist sehr
seltsam, daß ihr euren Diener so sehr liebt und uns gar nicht. Wie ist das
möglich?“ Der König antwortete: „Weil mein Diener mich als König verehrt.“
Darauf sagten seine Minister: „Verehren wir Euch denn nicht als König?“ „nein,
überhaupt nicht“, antwortete der König. Eines Tages ließ er einen mit Juwelen
besetzten Kelch aus seiner Schatzkammer holen. Es war ein sehr kostbarer Kelch,
der kostbarste all seiner Schätze. Der König stellt ihn vor sich hin und
forderte jeden seiner Minister auf, ihn zu zerbrechen. Er befahl es ihnen.
Jeden Minister sagte: „O König, so etwas Kostbares, eines der Weltwunder, kann
man doch nicht zerbrechen.“ So weigerten sich alle Minister, den Pokal zu zerbrechen.
Da rief der König seinen Diener und sagte zu ihm: „Zerbrich ihn!“ Ohne Zögern
nahm der Diener einen Stock und schlug den Kelch entzwei. Dann sagte der König
zu seinem Diener: „weißt du nicht, daß du etwas sehr Kostbares zerstört hast?“
Der Diener antwortete: „O König, dieser Kelch ist wertlos, verglichen mit Eurem
Befehl.“ Versteht ihr mich? Unbedingter gehorsam und Liebe,
die immer voll Ehrfurcht ist, bringen euch mehr ein als jede andere Schulung.
Ihr mögt noch an anderem Freude haben oder manches andere schätzen – wenn ihr
nicht Minister bleibt, verliert ihr. Auch wenn er euch zum König macht, müßt
ihr im Herzen Minister bleiben. Einmal schrieb ich meinem Meister und bat ihn,
mir Liebe zu schenken. (Nur der Meister kann Liebe geben, denn er liebt uns
zuerst.) Aber ich bat um ehrfurchtsvolle Liebe. Als er diesen Brief erhielt,
drückte er ihn an seine Brust und sagte: „Ich möchte Liebe, aber sie sollte
voll Ehrfurcht sein.“ Das wird hier gelehrt: wie man Liebe entwickelt, wie
man sie erhalten kann und weiter, wer sie gibt; auch welche Art Liebe es sein
sollte. Sie sollte immer voll Ehrfurcht sein. Gott ist Liebe. Liebe ist unserer
Seele eingeboren, und auch den weg zurück zu Gott können wir nur durch die
Liebe gehen. Alle Übungen, Huldigungen und anderes sind Zeichen der Achtung,
die ihr im Herzen habt. Je mehr ihr sie entwickelt, desto besser ist es und wie
ich euch schon sagte, am besten geht das durch die Augen. Ein liebeerfüllter
Blick vom Meister dringt tief in euer Herz – ihr werdet euer ganzes Leben an
ihn denken, ihr könnt ihn nicht vergessen. Diese Einzelheiten stehen nicht in Büchern. Es sind
praktische Dinge, die ihr von einem Menschen der Praxis lernt. Wenn ihr sie
annehmt, nun, dann werdet ihr, wie ich euch gestern sagte, losgelöst sein von der
Welt – ihr werdet innerlich losgelöst sein. Wenn ihr dem Einen voll und ganz
ergeben seid, so ist das wahre Entsagung. Die Liebe, für die es keine Worte
gibt, geht durch die Augen des Gebenden in die des Nehmenden, in die Tiefe
seines Herzens. Das sollen diese kleinen Gespräche hier vermitteln. Wir müssen
nun begreifen und sehen – herausfinden, wo wir stehen. |