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Wie man Liebe entwickelt

 

Liebe kann man auf vielerlei Weise entwickeln – doch den Meister anzuschauen, in seine Augen zu blicken, das ist der wirksamste Weg. Die Augen sind die Fenster der Seele. Der Meister ist immer innen am Augenbrennpunkt. Wenn ihr also mit ihm sprecht, solltet ihr euch immer dort konzentrieren. Er ist ebenso konzentriert, wenn er redet und Seele zu Seele spricht. Der Meister lehrt durch die Augen – ohne zu sprechen. Er fließt über von Liebe zu Gott und ist berauscht von ihm, und die Ausstrahlung durch seine Augen ist sehr stark. Wer sich mit Empfänglichkeit in seine Augen versenkt, erhält einen Auftrieb. Es gibt noch andere Methoden, aber das ist die wirksamste.

Wir sollten auf diese Weise zum Satsang gehen, um ihn ganz zu nutzen. Wenn ihr zum Ort des Satsang geht, vergeßt einfach euer Zuhause. Wenn ihr hierher kommt und euch setzt, vergeßt alle anderen. Ihr werdet selbst euren eigenen Körper vergessen. Versenkt euch ganz in die Augen des Meisters. Ihr werdet euren Körper vergessen, denn die Augen sind die Fenster der Seele, und die Seele strahlt ihr Wesen durch die Augen aus. So läßt sich Liebe am besten entwickeln. Es gibt noch andere Wege, wie die Gemeinschaft mit jenen Menschen, deren Liebe zu ihrem Guru überfließt. Wenn zwei Schüler des Meisters beisammensitzen, wird ihre Liebe zu ihm aufflammen. Wenn ihr zu einem Meister geht, versenkt eure ganze Aufmerksamkeit in seine Augen. Denn er fließt über von Gottes Liebe und Berauschtheit, die sich euch direkt übertragen. Diese überfließende Liebe in ihm vermögen Worte nicht zu vermitteln, doch seine Augen strahlen sie aus. Diese Eindrücke gehen zu Herzen; und wo ihr auch immer seid, werdet ihr euch seiner Süße erfreuen. So entwickelt sich Liebe. Wer gibt sie? Er, der uns zuerst liebt. Die Mutter liebt ihr Kind zuerst. Das Kind erwidert nur diese Liebe. Es fragt sich nun, wie man die Liebe aufrecht erhält. Wir sollten sie nicht als Geschäft betrachten und manchmal  diese oder jene weltlichen Dinge wollen. Wir sollten den Meister allein um seiner Liebe willen lieben. So können wir diese Liebe erhalten. Wie soll unsere Liebe sein? Sie sollte immer voll Ehrfurcht sein. Manchmal überschreiten wir aus Liebe unsere Grenzen. Manchmal versuchen wir nämlich, mit dem Meister zu wetteifern. Aber der König ist der König und der Minister ist der Minister. Der König mag dem Minister eine gute Stellung geben und ihn sogar an seiner Seite sitzen lassen. Dennoch sollte der Minister daran denken, daß er Minister und nicht König ist. Weil wir das falsch verstehen, überschreiten wir manchmal die Grenzen der Liebe. Der König wird nichts sagen, aber er sieht, daß es nicht ehrfurchtsvoll ist.

Ich erzählte gerade die Geschichte von Humayun, einem großen indischen König. Er hatte einen Diener namens Ayaz, der er über alles liebt. Seine Minister wandten sich an ihn und sagten: „Es ist sehr seltsam, daß ihr euren Diener so sehr liebt und uns gar nicht. Wie ist das möglich?“ Der König antwortete: „Weil mein Diener mich als König verehrt.“ Darauf sagten seine Minister: „Verehren wir Euch denn nicht als König?“ „nein, überhaupt nicht“, antwortete der König. Eines Tages ließ er einen mit Juwelen besetzten Kelch aus seiner Schatzkammer holen. Es war ein sehr kostbarer Kelch, der kostbarste all seiner Schätze. Der König stellt ihn vor sich hin und forderte jeden seiner Minister auf, ihn zu zerbrechen. Er befahl es ihnen. Jeden Minister sagte: „O König, so etwas Kostbares, eines der Weltwunder, kann man doch nicht zerbrechen.“ So weigerten sich alle Minister, den Pokal zu zerbrechen. Da rief der König seinen Diener und sagte zu ihm: „Zerbrich ihn!“ Ohne Zögern nahm der Diener einen Stock und schlug den Kelch entzwei. Dann sagte der König zu seinem Diener: „weißt du nicht, daß du etwas sehr Kostbares zerstört hast?“ Der Diener antwortete: „O König, dieser Kelch ist wertlos, verglichen mit Eurem Befehl.“

Versteht ihr mich? Unbedingter gehorsam und Liebe, die immer voll Ehrfurcht ist, bringen euch mehr ein als jede andere Schulung. Ihr mögt noch an anderem Freude haben oder manches andere schätzen – wenn ihr nicht Minister bleibt, verliert ihr. Auch wenn er euch zum König macht, müßt ihr im Herzen Minister bleiben. Einmal schrieb ich meinem Meister und bat ihn, mir Liebe zu schenken. (Nur der Meister kann Liebe geben, denn er liebt uns zuerst.) Aber ich bat um ehrfurchtsvolle Liebe. Als er diesen Brief erhielt, drückte er ihn an seine Brust und sagte: „Ich möchte Liebe, aber sie sollte voll Ehrfurcht sein.“

Das wird hier gelehrt: wie man Liebe entwickelt, wie man sie erhalten kann und weiter, wer sie gibt; auch welche Art Liebe es sein sollte. Sie sollte immer voll Ehrfurcht sein. Gott ist Liebe. Liebe ist unserer Seele eingeboren, und auch den weg zurück zu Gott können wir nur durch die Liebe gehen. Alle Übungen, Huldigungen und anderes sind Zeichen der Achtung, die ihr im Herzen habt. Je mehr ihr sie entwickelt, desto besser ist es und wie ich euch schon sagte, am besten geht das durch die Augen. Ein liebeerfüllter Blick vom Meister dringt tief in euer Herz – ihr werdet euer ganzes Leben an ihn denken, ihr könnt ihn nicht vergessen.

Diese Einzelheiten stehen nicht in Büchern. Es sind praktische Dinge, die ihr von einem Menschen der Praxis lernt. Wenn ihr sie annehmt, nun, dann werdet ihr, wie ich euch gestern sagte, losgelöst sein von der Welt – ihr werdet innerlich losgelöst sein. Wenn ihr dem Einen voll und ganz ergeben seid, so ist das wahre Entsagung. Die Liebe, für die es keine Worte gibt, geht durch die Augen des Gebenden in die des Nehmenden, in die Tiefe seines Herzens. Das sollen diese kleinen Gespräche hier vermitteln. Wir müssen nun begreifen und sehen – herausfinden, wo wir stehen.

 

 


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