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Der wahre Guru oder Meister

 

Alle Meister haben gesagt, daß Gott der Guru, der wahre Meister ist. Er ist die kontrollierende Kraft in uns. Wir haben viele Öffnungen im Körper: zwei Augen, zwei Nasenlöcher, einen Mund und zwei weitere Öffnungen unten – und doch können wir nicht aus ihm hinaus, ihm nicht entfliehen. Unser Atem geht hinaus, kann aber nicht dort bleiben. Eine Kraft holt ihn in den Körper zurück. Diese überwachende Kraft wird Gott genannt. Wenn sie sich zurückzieht, müssen wir den Körper verlassen. Gott ist also der wahre Guru und die kontrollierende Kraft in jedem von uns. Der Mensch, in dem sich diese Kraft offenbart – dieser offenbarte Gott im Menschen – wird Meister genannt. Nicht einfach der Sohn eines Menschen, sondern der Menschensohn, in dem sich Gott offenbart. Der wahre Meister ist also Gott selbst. Nicht der Absolute Gott, sondern der sich zum Ausdruck bringende Gott, der das ganze Universum erhält und es kontrolliert.

Guru Nanak wurde gefragt: „Wer ist ein Guru, dein Meister?“ Er antwortete: „Die Kraft, durch die sich Gott zum Ausdruck bringt, Shabd, ist der Guru. Meine Seele ist sein Schüler.“ Kabir hat das gleiche gesagt. Er wurde gefragt: „Wo wohnt dein Guru?“ Er sagte: „Jenseits und über den nach außen fließenden Energien. Wenn ihr euch dahin erhebt, werdet ihr ihn finden.“ Diese Kraft ist die kontrollierende Gotteskraft, die uns im Körper hält. Der wahre Meister ist also die Kraft, durch die sich Gott zum Ausdruck bringt. Sie überwacht das ganze Universum. Wir verehren den menschlichen Körper, in dem er sich offenbart. Unsere Liebe und Verehrung gilt der Offenbarung Gottes in ihm.

In dieser Welt stellt sich die Frage, wen wir lieben sollen. Gott ist Liebe, unsere Seele ist auch Liebe: die Liebe ist unseren Seelen eingeboren und möchte sich natürlich an jemand bringen. Jetzt hängt unsere Seele an äußeren Dingen, am physischen Körper, an unsren Kindern und Familien. Was ist die Folge? Wir müssen dorthin zurückkehren, wo wir gebunden sind.

Alle Dinge unterliegen dauerndem Wandel – sie sind nicht beständig. Deshalb sollten wir einen lieben, der sich nicht verändert. „O Gott, Du bist ewig – unwandelbare Dauer bist Du: wir möchten ganz an Dich gebunden sein.“ Jene, die an dem wandelbaren Panorama des Lebens hängen, können Gott nicht sehen – außer sie ziehen sich davon zurück. Der wahre Guru ist der Gott im Menschen – der offenbarte Gott im Menschen. Wen sollten wir am meisten lieben? Ihn, der unsere Aufmerksamkeit von außen zurückzuziehen vermag, uns nach oben ziehen und das innere Auge öffnen kann, damit wir Ihn sehen.

Gott ist Liebe. Wer kann die Dunkelheit beseitigen und das Licht in euch offenbaren, wenn ihr die Augen schließt? Wer dazu kompetent ist, wird ein Sadh, Sant, Mahatma oder Guru genannt. Er ist nicht der Menschensohn. Wir verehren seinen Körper nur, weil Gott sich in ihm offenbart. Gott ist auch in uns, aber er ist uns verborgen. Der Gott in ihm kann unsere Aufmerksamkeit von außen zurückziehen. Er zieht uns aus den niedrigen Körperbereichen hinauf zum Sitz der Seele im Innern des Körpers und öffnet unser inneres Auge, um uns das Licht Gottes sehen zu lassen. Es ist ein wunderbarer Körper, in dem sich Gott offenbart, würde ich sagen. Ihn zu lieben, ist der erste Schritt, um unser höchstes Lebensziel zu erreichen, die Gotterkenntnis.

Er sieht Gott; und er befähigt uns, Gott in unseren Körpern zu sehen. Wenn ihr einmal etwas bekommt, um damit zu beginnen, könnt ihr es tagtäglich vermehren und euch zu ihm erheben. Wenn ihr jemanden liebt, der Geburt und Tod unterliegt, werdet ihr zurückkehren müssen. Ihr werdet ihm folgen. Doch wenn ihr einen liebt, in dem sich Gott offenbart, wohin geht ihr dann? Ihr geht dahin, wo er hingeht. Da er nicht zurückkommen muß, müßt ihr es ebensowenig. Er sagt uns, daß wir diesen menschlichen Körper erhalten haben, der die höchste Stufe in der Schöpfung ist. Ihr seid daher begünstigt, aber das höchste Ziel liegt noch vor euch: Gott zu erkennen. Das könnt ihr nur im menschlichen Körper, den ihr durch die Gnade Gottes so glücklich erhalten habt – und in keinem anderen.

Es liegt also an euch, Gott zu sehen, ihn zu finden. Alles andere muß beglichen werden, so wie die Schulden von Geben und Nehmen als Folge unserer Vergangenheit. Wenn wir unsere Seelen an Gott binden, brauchen wir natürlich nicht zurückkehren. Wenn ihr also jemanden liebt, ergibt sich ganz natürlich daraus, daß ihr das tut, was er sagt. Christus sagte: „Wenn ihr mich liebt, haltet meine Gebote.“ Es liegt nun bei euch, Gott zu finden. Der menschliche Körper ist die höchste Stufe in der Schöpfung, und ihr habt ihn durch die Gnade Gottes erhalten. Ihr solltet den besten Gebrauch von ihm machen. Und was ist das? Gottkenntnis. Aber um Gott zu erkennen, müssen wir erst uns selbst erkennen. Selbsterkenntnis geht der Gotterkenntnis voraus. Das läßt sich nicht durch den Verstand oder Gefühle erreichen – dazu müssen wir uns selbst analysieren, uns über das Körperbewußtsein erheben.

Wenn ihr euch selbst erkennt, werdet ihr fähig, das Überselbst zu erkennen, das euch im Körper hält. Die zum Ausdruck kommende Gotteskraft offenbart sich als Licht und Tonprinzip. Wenn ihr euch von außen zurückzieht und über das Körperbewußtsein erhebt, werdet ihr mit dem inneren Auge das Licht Gottes sehen und mit dem inneren Ohr den Ton oder die Stimme Gottes hören. Wer darin kompetent ist, wird ein Meister, Sadh oder Sant genannt. Es ist also das Beste, einen Menschen zu lieben, in dem sich Gott offenbart. Wenn ihr zu einem Pol kommt, der mit dem Kraftwerk verbunden ist, kommt ihr dem Kraftwerk näher. Maulana Rumi sagt: „Wenn ihr zu einem wahren Meister kommt, kommt ihr Gott näher, denn Gott ist in ihm offenbart.“ Wenn ihr zu seinen Füßen gelangt, könnt ihr euch durch seine Ausstrahlung zurückziehen. Je mehr ihr eure Aufmerksamkeit in ihn versenkt und an ihn denkt, desto mehr werdet ihr nach innen gezogen. Wenn sich eure Seele vom Körper zurückzieht, seht ihr das Licht Gottes. Das höchste Ziel vor uns ist, Gott zu erkennen; aber um Gott zu erkennen, müssen wir einen finden, in dem er sich offenbart und der in uns die gleiche, im Körper wirkende Kraft Gottes offenbaren kann. Er verlangt von euch nicht, daß ihr die Welt verlaßt und in die Wälder geht. Er sagt, bleibt in der Welt, begleicht alle Schulden, das Geben und Nehmen, das euch als Folge der Vergangenheit auferlegt ist. Begleicht eure Schulden liebevoll und lenkt eure Schritte zu Gott. Wer euch in diese Richtung führen kann, wird ein Meister genannt. Dieses Recht kann keine äußere Religion für sich allein beanspruchen. Meister gab es in allen Religionen. Bleibt, wo immer ihr wollt – aber findet einen Meister, in dem sich Gott offenbart und der befähigt ist, diese Kraft Gottes in euch zu offenbaren.

Ein Mensch, der immer an Gott denkt, während er in der Welt lebt, wird natürlich dahin gehen, wo Gott ist. Wenn ihr an der Welt hängt, müßt ihr immer wieder zurückkommen. Der menschliche Körper ist die höchste Stufe der Schöpfung, und wir sind begünstigt, ihn zu haben. Wir machen den besten Gebrauch von ihm, wenn wir Gott erkennen. Doch um Gott zu erkennen, müssen wir zuerst uns selbst erkennen. Das ist eine praktische Sache der Selbstanalyse, und einer, der sich täglich über das Körperbewußtsein erhebt, kann uns eine Erfahrung davon geben. Er also ist es, den wir in dieser Welt lieben sollten. Er sieht, daß Gott in jedem Herzen wohnt und achtet jedermann.

 

 


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