14 Der wahre Guru
oder Meister
Alle Meister haben gesagt, daß Gott der Guru, der
wahre Meister ist. Er ist die kontrollierende Kraft in uns. Wir haben viele
Öffnungen im Körper: zwei Augen, zwei Nasenlöcher, einen Mund und zwei weitere
Öffnungen unten – und doch können wir nicht aus ihm hinaus, ihm nicht
entfliehen. Unser Atem geht hinaus, kann aber nicht dort bleiben. Eine Kraft
holt ihn in den Körper zurück. Diese überwachende Kraft wird Gott genannt. Wenn
sie sich zurückzieht, müssen wir den Körper verlassen. Gott ist also der wahre
Guru und die kontrollierende Kraft in jedem von uns. Der Mensch, in dem sich
diese Kraft offenbart – dieser offenbarte Gott im Menschen – wird Meister
genannt. Nicht einfach der Sohn eines Menschen, sondern der Menschensohn, in
dem sich Gott offenbart. Der wahre Meister ist also Gott selbst. Nicht der
Absolute Gott, sondern der sich zum Ausdruck bringende Gott, der das ganze
Universum erhält und es kontrolliert. Guru Nanak wurde gefragt: „Wer ist ein Guru, dein
Meister?“ Er antwortete: „Die Kraft, durch die sich Gott zum Ausdruck bringt,
Shabd, ist der Guru. Meine Seele ist sein Schüler.“ Kabir hat das gleiche
gesagt. Er wurde gefragt: „Wo wohnt dein Guru?“ Er sagte: „Jenseits und über
den nach außen fließenden Energien. Wenn ihr euch dahin erhebt, werdet ihr ihn
finden.“ Diese Kraft ist die kontrollierende Gotteskraft, die uns im Körper
hält. Der wahre Meister ist also die Kraft, durch die sich Gott zum Ausdruck
bringt. Sie überwacht das ganze Universum. Wir verehren den menschlichen
Körper, in dem er sich offenbart. Unsere Liebe und Verehrung gilt der
Offenbarung Gottes in ihm. In dieser Welt stellt sich die Frage, wen wir lieben
sollen. Gott ist Liebe, unsere Seele ist auch Liebe: die Liebe ist unseren
Seelen eingeboren und möchte sich natürlich an jemand bringen. Jetzt hängt
unsere Seele an äußeren Dingen, am physischen Körper, an unsren Kindern und
Familien. Was ist die Folge? Wir müssen dorthin zurückkehren, wo wir gebunden
sind. Alle Dinge unterliegen dauerndem Wandel – sie sind
nicht beständig. Deshalb sollten wir einen lieben, der sich nicht verändert. „O
Gott, Du bist ewig – unwandelbare Dauer bist Du: wir möchten ganz an Dich
gebunden sein.“ Jene, die an dem wandelbaren Panorama des Lebens hängen, können
Gott nicht sehen – außer sie ziehen sich davon zurück. Der wahre Guru ist der
Gott im Menschen – der offenbarte Gott im Menschen. Wen sollten wir am meisten
lieben? Ihn, der unsere Aufmerksamkeit von außen zurückzuziehen vermag, uns
nach oben ziehen und das innere Auge öffnen kann, damit wir Ihn sehen. Gott ist Liebe. Wer kann die Dunkelheit beseitigen
und das Licht in euch offenbaren, wenn ihr die Augen schließt? Wer dazu
kompetent ist, wird ein Sadh, Sant, Mahatma oder Guru genannt. Er ist nicht der
Menschensohn. Wir verehren seinen Körper nur, weil Gott sich in ihm offenbart.
Gott ist auch in uns, aber er ist uns verborgen. Der Gott in ihm kann unsere
Aufmerksamkeit von außen zurückziehen. Er zieht uns aus den niedrigen
Körperbereichen hinauf zum Sitz der Seele im Innern des Körpers und öffnet
unser inneres Auge, um uns das Licht Gottes sehen zu lassen. Es ist ein
wunderbarer Körper, in dem sich Gott offenbart, würde ich sagen. Ihn zu lieben,
ist der erste Schritt, um unser höchstes Lebensziel zu erreichen, die Gotterkenntnis. Er sieht Gott; und er befähigt uns, Gott in unseren
Körpern zu sehen. Wenn ihr einmal etwas bekommt, um damit zu beginnen, könnt
ihr es tagtäglich vermehren und euch zu ihm erheben. Wenn ihr jemanden liebt,
der Geburt und Tod unterliegt, werdet ihr zurückkehren müssen. Ihr werdet ihm
folgen. Doch wenn ihr einen liebt, in dem sich Gott offenbart, wohin geht ihr
dann? Ihr geht dahin, wo er hingeht. Da er nicht zurückkommen muß, müßt ihr es
ebensowenig. Er sagt uns, daß wir diesen menschlichen Körper erhalten haben,
der die höchste Stufe in der Schöpfung ist. Ihr seid daher begünstigt, aber das
höchste Ziel liegt noch vor euch: Gott zu erkennen. Das könnt ihr nur im
menschlichen Körper, den ihr durch die Gnade Gottes so glücklich erhalten habt
– und in keinem anderen. Es liegt also an euch, Gott zu sehen, ihn zu finden.
Alles andere muß beglichen werden, so wie die Schulden von Geben und Nehmen als
Folge unserer Vergangenheit. Wenn wir unsere Seelen an Gott binden, brauchen
wir natürlich nicht zurückkehren. Wenn ihr also jemanden liebt, ergibt sich
ganz natürlich daraus, daß ihr das tut, was er sagt. Christus sagte: „Wenn ihr
mich liebt, haltet meine Gebote.“ Es liegt nun bei euch, Gott zu finden. Der
menschliche Körper ist die höchste Stufe in der Schöpfung, und ihr habt ihn
durch die Gnade Gottes erhalten. Ihr solltet den besten Gebrauch von ihm
machen. Und was ist das? Gottkenntnis. Aber um Gott zu erkennen, müssen wir
erst uns selbst erkennen. Selbsterkenntnis geht der Gotterkenntnis voraus. Das
läßt sich nicht durch den Verstand oder Gefühle erreichen – dazu müssen wir uns
selbst analysieren, uns über das Körperbewußtsein erheben. Wenn ihr euch selbst erkennt, werdet ihr fähig, das
Überselbst zu erkennen, das euch im Körper hält. Die zum Ausdruck kommende
Gotteskraft offenbart sich als Licht und Tonprinzip. Wenn ihr euch von außen
zurückzieht und über das Körperbewußtsein erhebt, werdet ihr mit dem inneren
Auge das Licht Gottes sehen und mit dem inneren Ohr den Ton oder die Stimme
Gottes hören. Wer darin kompetent ist, wird ein Meister, Sadh oder Sant
genannt. Es ist also das Beste, einen Menschen zu lieben, in dem sich Gott
offenbart. Wenn ihr zu einem Pol kommt, der mit dem Kraftwerk verbunden ist,
kommt ihr dem Kraftwerk näher. Maulana Rumi sagt: „Wenn ihr zu einem wahren
Meister kommt, kommt ihr Gott näher, denn Gott ist in ihm offenbart.“ Wenn ihr
zu seinen Füßen gelangt, könnt ihr euch durch seine Ausstrahlung zurückziehen.
Je mehr ihr eure Aufmerksamkeit in ihn versenkt und an ihn denkt, desto mehr werdet
ihr nach innen gezogen. Wenn sich eure Seele vom Körper zurückzieht, seht ihr
das Licht Gottes. Das höchste Ziel vor uns ist, Gott zu erkennen; aber um Gott
zu erkennen, müssen wir einen finden, in dem er sich offenbart und der in uns
die gleiche, im Körper wirkende Kraft Gottes offenbaren kann. Er verlangt von
euch nicht, daß ihr die Welt verlaßt und in die Wälder geht. Er sagt, bleibt in
der Welt, begleicht alle Schulden, das Geben und Nehmen, das euch als Folge der
Vergangenheit auferlegt ist. Begleicht eure Schulden liebevoll und lenkt eure
Schritte zu Gott. Wer euch in diese Richtung führen kann, wird ein Meister
genannt. Dieses Recht kann keine äußere Religion für sich allein beanspruchen.
Meister gab es in allen Religionen. Bleibt, wo immer ihr wollt – aber findet
einen Meister, in dem sich Gott offenbart und der befähigt ist, diese Kraft
Gottes in euch zu offenbaren. Ein Mensch, der immer an Gott denkt, während er in
der Welt lebt, wird natürlich dahin gehen, wo Gott ist. Wenn ihr an der Welt hängt,
müßt ihr immer wieder zurückkommen. Der menschliche Körper ist die höchste
Stufe der Schöpfung, und wir sind begünstigt, ihn zu haben. Wir machen den
besten Gebrauch von ihm, wenn wir Gott erkennen. Doch um Gott zu erkennen,
müssen wir zuerst uns selbst erkennen. Das ist eine praktische Sache der
Selbstanalyse, und einer, der sich täglich über das Körperbewußtsein erhebt,
kann uns eine Erfahrung davon geben. Er also ist es, den wir in dieser Welt
lieben sollten. Er sieht, daß Gott in jedem Herzen wohnt und achtet jedermann. |