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Welche besonderen Übungen Frucht tragen

 

Man kann erst dann von wirklicher Hingabe sprechen, wenn sie sich ausschließlich mit einem Gegenstand beschäftigt. Gott ist eins. Gott im Menschen ist auch eins. Er ist nicht der menschliche Körper, sondern Gott in ihm. Eure ganze Aufmerksamkeit sollte so stark auf ihn gerichtet sein, daß ihr alles andere vergeßt. Ich gab euch gerade ein paar Beispiele, um verständlich zu machen, welche besondere Form von Hingabe oder Bhakti Frucht trägt. Sie sollte nur in einem ruhen und sich nur einem hingeben – nur ihm und sonst keinem.

Einmal wurde Arjuna von seinem Lehrer aufgefordert, eine Probe von seiner Kunst des Bogenschießens zu geben. Beide standen gerade an einem Wassertümpel und ein Vogel saß darüber auf einem Baum. Der Lehrer sagte zu Arjuna, er solle das Spiegelbild des Vogels im Wasser betrachten und mit seinem Pfeil in das Auge des Vogels zielen. Als Arjuna gefragt wurde, was er sehe, sagte er: „Ich sehe den Baum und den Vogel, der darauf sitzt." Darauf sollte er noch einmal mit voller Aufmerksamkeit in das Auge des Vogels schauen. Der Lehrer fragte ihn wieder: „Was siehst du?“ und er erwiderte: „Ich sehe nur noch den Vogel und nicht mehr den Baum.“ Wieder wurde ihm gesagt: „Schau mit mehr Hingabe, schau in das Auge des Vogels. Was siehst du jetzt?“ Arjuna sagte: „Ich sehe nun den oberen Teil des Vogels.“ „Schau noch einmal, noch aufmerksamer in das Auge des Vogels. Was siehst du jetzt?“ Arjuna sagte: „Ich sehe den Kopf des Vogels.“ „Schau noch genauer – was siehst du?“ Er antwortete: „Ich sehe nun das Auge des Vogels.“ „Jetzt schieß!“

Unser Bhakti kann dann Frucht tragen, wenn unsere ganze Aufmerksamkeit an einem Ort verweilt. Seht ihr jemand anderes als euren Meister oder Gott in ihm, dann ist das kein Bhakti. Wir achten andere, die uns auf dem Weg helfen, aber Gott oder der Gott im Menschen ist einer für alle. Wenn eure volle Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet ist, dann tragen eure Hingabe und eure Übungen natürlich Frucht. Gott ist eins, und er will, daß jeder alleine zu ihm geht. Man sollte nicht einmal an den Körper denken, oder daran, daß man selbst oder der wahre Isht (Gegenstand der Hingabe) dort zu finden sei. Eine solche Hingabe trägt Frucht.

Manche Menschen sehen den Meister oder Gott mit offenen Augen, während andere ihn nicht sehen und sich fragen, wie jene, die ihn sehen, diese Erfahrung erlangen. Ein starker Mensch freut sich seiner Kraft und der Schwache fragt sich, woher er sie hat. Das bewirkt ganz alleine die Konzentration auf einen Punkt. Solche Hingabe trägt Frucht. Menschen in diesem Zustand, die sich daran erfreuen, sind genau wie eine Frau, die ihrem Mann ergeben ist und immer an ihn denkt. Die anderen, die sich nicht hingeben können, sind wie eine Frau, deren herz an anderen Männern hängt, obwohl sie nach außerhin ihrem Mann ergeben scheint. Nun, die Frau die nur einem Mann ergeben ist, ist glücklich. Ihre ganze Aufmerksamkeit ist auf ihn gerichtet. Auch ein Mann wird eine solche Frau lieben, die an keinen anderen außer ihm denkt, die ihn verehrt und sonst keinen im Herzen hat. Was ist ein Herz wert, das so vielen anderen Männern ergeben ist, obwohl es mit einem verheiratet ist? Wenn ihr also wollt, daß eure Hingabe und Liebe zu Gott Frucht tragen, dann ergebt euch einem voll und ganz. Denkt an ihn, seht ihn, hört von ihm und erkennt ihn. Und jenen, die uns auf dem weg helfen, danken wir. Bhakti oder Hingabe wird nur dann Frucht tragen, wenn ihr ganz voll und ganz ihm ergeben seid -–so sehr, daß ihr euch selbst vergeßt.

Wenn wir im Tiefschlaf sind, murmeln wir manchmal etwas vor uns hin. Dann dringt das aus uns heraus, was unser Unterbewußtsein in Form von weltlichen Gedanken gespeichert hat. Wir murmeln etwas, das aus großer Tiefe kommt, wovon wir nichts wissen, weil es von unterbewußten Gedanken, die bereits im Gemüt gespeichert sind, überdeckt wird. Kabir sagt: „Woran erkennt man einen Menschen, der Gott voll und ganz ergeben ist? Wenn die Worte Gottes oder des Meisters im Tiefschlaf aus seinem Mund kommen, dann ist er voll und ganz Ihm ergeben. Was würde ich solch einem Menschen darbieten? Ich würde ihm mein Leben darbieten – und meine Haut, um Schuhe für seine Füße daraus zu machen.“ Versteht ihr, welche Art der Hingabe volle Frucht trägt? Die einem voll und ganz ergeben ist. Unser Gemüt ist so vielem ergeben. Solche Hingabe trägt keine Frucht. Wenn wir möchten, daß unsere Hingabe Tag für Tag Frucht trägt und wir sie in diesem Leben ernten wollen, dann sollten wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Füße des Herrn richten – oder auf den Herrn, der sich im Gott- im- Menschen offenbart. Wenn ihr daher die ganze Welt um seinetwillen liebt, hängt ihr nicht mehr an ihr. Wenn ich euch zum Beispiel liebe, liebe ich natürlich auch eure Kinder. Wenn ich eure Kinder liebe, aber euch nicht, dann...?

Deshalb liebt Gott, und liebt um seinetwillen alle anderen, die als Rückwirkung der Vergangenheit mit euch verbunden sind. Gebt und nehmt bereitwillig mit aller Liebe und Hingabe, denn Gott hat euch vereint. Auf diese Weise hängt ihr nicht an der Welt und ihr braucht nicht mehr in die Welt zurückzukehren. Ihr geht einfach dorthin, wo eure ganze Hingabe ist.

Ein König veranstaltet zum Beispiel einmal eine Ausstellung mit einigen sehr schönen und kostbaren Kleinodien. Dann bat er seine Untertanen, hinzugehen und sich auszusuchen, was sie davon gerne haben wollten; sie durften aber nur eines wählen. Als sie ihre Wahl getroffen hatten, durften sie das nehmen, was sie sich ausgesucht hatten und nichts anderes. Und wer in die Ausstellung ging, der sagte: „Oh, das ist sehr schön, das ist sehr kostbar“, und nahm es sich. Ein junges Mädchen – innerlich sehr weise, obwohl es äußerlich ganz durchschnittlich erschien – lobte die Ausstellung und sagte: „Dies ist sehr schön, das ist auch sehr schön, das gefällt mir“, und so fuhr sie fort. Dann dachte sie: „Das sind so viele kostbare Dinge – einer muß sie hierher gebracht haben, der jeden frei wählen läßt, zu nehmen, was er will. Aber wer ist das? Wo ist er?“ Und sie ging durch die ganze Ausstellung, wählte aber nichts aus. Der König, der sie veranstaltet hatte, saß ganz an ihrem ende. Das junge Mädchen sagte sich: „Das ist der König, der dies alles veranstaltet hat – nun gut“, und sie wollte ihm ihre Hand auf den Kopf legen. Der König saß da und wunderte sich. „Sieh mal an“, dachte er, „alle meine Untertanen sind nur hinter meinen Gaben und nicht hinter mir her. Das ist der einzige Mensch, der mich will und nichts anderes.“ Der König verstellte sich und sagte: „Oh, geh‘ doch und such dir etwas aus und nimm es dir, die Ausstellung ist gleich zu Ende.“ Das junge Mädchen ging zu ihm, legte die Hand auf seinen Kopf und fragte: „Wem gehörst du jetzt?“ Der König antwortete: „Ich bin dein, denn du hast mich berührt.“ „Und wer hat die ganze Ausstellung veranstaltet?“ „Ich – all das ist mein.“ „Und da du nun mein bist, ist auch das alles mein.“

Versteht ihr mich? Wenn eure Hingabe volle Frucht tragen soll, dann seid eine Zeitlang voll und ganz ergeben, tut nur eine Sache auf einmal. Wenn ihr euch so hingebt – und sei es nur für ein paar Minuten – wird es Frucht tragen. Wenn ihr stundenlang meditiert und eure Aufmerksamkeit zerstreut und auf viele Dinge verteilt ist, dann trägt eure Hingabe keine Frucht. Jetzt seht, wo ihr steht.

 


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