18

 

Warum wir den Gottmenschen verehren sollten

 

Warum sollten wir überhaupt jemanden verehren? Und warum vor allem den Gott im Menschen? Zuallererst – Gott ist in ihm offenbart. Gott ist auch in uns, aber nicht offenbart. Schon ein kleiner Gedanken von Ihm gibt uns einen Anstoß, uns über das Körperbewußtsein zu erheben. Wir erhalten ein Guthaben, etwas, mit dem wir beginnen können, Gott zu sehen und zu hören. Warum also sollten wir den Gott im Menschen verehren? Gott ist Liebe und auch wir sind verkörperte Liebe. Für die Liebe ist es nur natürlich, sich immer an etwas zu binden. Die Liebe bindet uns an unseren Körper, an unsere Kinder, unsere Gesellschaft und an unser Land. Unsere Liebe ist in viele Teile aufgeteilt. Der Sinn der Liebe zu einem Gott im Menschen ist, sie zu vereinen und in einem Brennpunkt zu sammeln. Es ist wie bei einem Wasserrohr mit vielen Löchern, durch die das Wasser tropfen um Tropfen verrinnt. Wenn ihr alle Löcher verschließt und nur eins offen laßt, dann seht ihr, wie das Wasser durch das offene Loch hervorschießt. Der Sinn der Liebe zu einem Gott im Menschen ist, sie ganz in einem Brennpunkt zu sammeln – da, wo er sich offenbart. Weil sich Gott in ihm offenbart, zieht er uns an. Er zieht eure Seele zu sich. Ihr wißt doch, wie ein Vogel zwitschert, wenn er die Blumen blühen sieht. Papierblumen bringen ihn nicht zum Singen und Bilder von Blumen sagen ihm nichts. Die Schönheit Gottes, die im Gottmenschen strahlt, zieht die Seelen an. Je mehr ihr eure Aufmerksamkeit auf ihn richtet, um so mehr wird euch diese Strahlung in ihm anziehen und so stark werden, daß all eure anderen Bindungen abfallen. Das ist ein Hauptgrund, warum wir den Gott im Menschen verehren sollten.

Der andere Grund ist: „Wie du denkst, so wirst du.“ Jeden Tag wird eurer Seele etwas von seinem Leben eingegeben. Ihr erhaltet etwas von dieser Fülle des Lebens, die vom Ursprung allen Lebens stammt. Wenn ihr jemanden liebt, wird eure Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet sein, selbst wenn Hunderte anderer Menschen um euch herumsitzen. Ähnlich zieht euch die Ausstrahlung des Gott im Menschen an. Jede Minute werdet ihr ihn verehren. Denn ‚wie ihr denkt, so werdet ihr.‘ Mit der Zeit vergeßt ihr, ob ihr es seid oder er es ist. So wie der heilige Paulus sagte: „Ich bin es, doch nun nicht ich, es ist Christus, der in mir lebt.“ Ein solcher Initiierter wird dem Meister gleich, und der Meister ist Gott gleich. Deshalb sollten wir den Gott im Menschen lieben.

Warum sollten wir seine Gebote halten? Wenn ihr an jemanden hängt, folgt ihr ihm, wohin auch immer er geht. Wenn ihr aber den Meister liebt – Gott in ihm – wohin geht ihr dann? Ihr geht dahin, wo er hingeht. Wenn er nicht in die Welt zurückkehren braucht – wie solltet ihr es dann! Es gibt so viele Gründe, warum wir den Gott im Menschen lieben sollten.

Ich gab euch eben das Beispiel von einem, der einen Meister liebte, dessen Name Bheek war. Der Schüler sagte immer den Namen des Meisters vor sich hin. Er war ganz in Einklang mit dem Meister. Zu dieser Zeit regierten die Moslem- Könige. Die Leute hörten, wie er „Bheek, Bheek“ vor sich hinsagte und fragten ihn: „Wer ist dein Gott?“ Er antwortete: „Bheek ist mein Gott.“ „Wer ist sein Prophet?“ „Mein Meister ist der einzige Prophet.“ Den mohammedanischen Bräuchen entsprechend beschlossen sie, ihn zu enthaupten. Sein Fall wurde dem König vorgelegt, damit dieser das Urteil bestätige. Der König sah seine gottberauschten Augen und sagte: „Laßt ihn los.“ Die Leute sagten: „Er wird weglaufen.“ Aber der König erwiderte: Nein, nein, er läuft nicht weg.“ Dann wandte er sich an den Mann und sagte: „Schau, es herrscht eine große Dürre in unserem Land. Würdest du deinen Meister Bheek bitten, uns regen zu senden, damit die Felder genug Wasser haben?“ „Gut, ich sage es ihm“, antwortete der Schüler von Bheek. So viel Vertrauen hatte er in seinen Meister. Vertrauen wir dem Meister auch so? „Gut“, sagte der König, „warum kommst du zurück?“ „Übermorgen“, antwortete Bheeks Schüler. Er ging fort, und natürlich fiel bald ein heftiger Regen. Das Land wurde reichlich bewässert. Am dritten Tag kam er zurück und der König bot ihm Geld und Dörfer an und sagte: „Dies will ich deinem Meister geben.“ „Oh, nein, nein, das sind alles vergängliche Dinge. Ich kann meinem Meister keine vergänglichen Dinge bringen“, entgegnete Bheeks Schüler.

Was hat es für einen Sinn, einen Meister zu verehren? Ihr habt Gott noch nicht gesehen und bis ihr ihn seht, was könnt ihr da tun? Das Beste ist, ihn dort zu sehen, wo er sich offenbart. Wenn ihr den Gott- im- Menschen seht, seht ihr Gott. Christus hat gesagt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ Die Verehrung des Gott- im- Menschen ist die Verehrung Gottes. Ihr seid ständig von Kopf bis Fuß von liebevollem Denken an ihn erfüllt. Mit der Zeit vergeßt ihr dann euch selbst – ob ihr es seid oder er. Maulana Rumi sagte, daß „mein inneres Selbst so sehr von meinem Meister überflutet ist, daß ich vergessen habe, wer ich bin. Ich bin nicht mehr.“

Aus diesen Gründen, aus so vielen, verehren wir den Gott im Menschen. Wohin werdet ihr gehen, wenn ihr ihn verehrt? Ihr werdet dahin gehen, wo er hingeht. Wenn ihr eure ganze Aufmerksamkeit auf ihn richtet, wird er euch anziehen und all eure Fesseln zerschneiden. Ihr werdet ganz allein sein, selbst wenn ihr unter Tausenden von Menschen seid – denn ihr gebt euch nur eurem Meister hin. Äußerlich scheint ihr ein gewöhnlicher Mensch zu sein, der sich auf der Erde bewegt. Aber ihr seid kein gewöhnlicher Mensch mehr, ihr seid ein Mensch des Meisters. Wenn der Meister Gott im Menschen ist und ihr ein Meister seid, dann werdet ihr auch Gott im Menschen werden. Das ist der natürlichste Weg. Er erfordert keine Philosophie. Wie du denkst, so wirst du. Wir müssen nur die Gebote des Meisters befolgen. Damit beginnt es.

Gestern habe ich euch dargelegt, welche Dinge der Hingabe im Weg stehen und wie sie für euch volle Frucht trägt. Jetzt erkläre ich euch, warum ihr den Meister verehren solltet. Das geschieht zu eurem Verständnis. Alles hat sein Warum und Wofür. Aber seid vorsichtig, daß ihr euch nicht einem falschen Meister ergebt. Woran kann man einen wahren Meister von einem, der nur vorgibt, es zu sein, unterscheiden? Ein wahrer Meister kann euch erheben. Er befähigt euch, im Innern etwas zu sehen und zu hören. Wenn er das für kurze Zeit vermag und euch dazu noch etwas gibt, um mit dem Licht und dem Ton zu beginnen – nun, das ist das äußere Kennzeichen. Laßt euch nicht von äußerem Glanz verführen. Schaut nur darauf, was er euch geben kann.

Meistens ist die Welt mit sogenannten Meistern überschwemmt. Ein wirklicher Meister ist einer, der euch am allerersten Tag etwas geben kann, mit dem ihr beginnen könnt. Das könnt ihr dann von Tag zu Tag entwickeln. Wenn ein Same in die Erde gelegt und regelmäßig begossen wird, dann wächst er. Die Liebe zum Meister in das Wasser. Je mehr ihr ihn liebt, desto genauer werdet ihr seine Gebote halten und ständig an ihn denken. Je mehr ihr ihn liebt, um so mehr nehmt ihr den Lebensimpuls des Meisters in euch auf und fließt von Leben über. Das hat so viel Gutes. Christus sagte: „Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben; wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ Die gleiche Lehre haben alle früheren Meister verkündet.

Wenn ihr mit einem gottbewußten Menschen in Verbindung kommt, könnt ihr Gottbewußtheit entwickeln. Er selbst ist Gottbewußtheit. Er hat sich dahin erhoben. Was geschieht, wenn ihr euch zum Meister erhebt? Da er ein gottbewußter Mensch ist, werdet auch ihr gottbewußt. Dies ist ein einfacher Weg; und wenn ihr regelmäßig übt, könnt ihr in sehr kurzer Zeit alles erreichen. Leider stehen euch so viele Dinge im Weg, wie ich euch gestern erklärte. Auf all das müssen wir sehr achten. Wenn ihr immer an ihn denkt, wird eure Liebe größer. Wenn ihr zum Beispiel durch einen Messerstich verletzt seid (was Gott verhüten möge), fühlt ihr den Schmerz in eurem Herzen. Niemand sieht es, aber es schmerzt euch ständig im Innern. Gleicherweise werdet ihr niemals den Meister vergessen, wenn ihr ihn liebt. Ihr braucht nur an den Meister zu denken, und schon fließen die Tränen aus euren Augen. Darum sollten wir den Meister lieben; um diese Liebe wird sich nur entwickeln, wenn wir seine Gebote halten.

 

 


Weiter