1 Nächstenliebe
Wenn reich zu sein etwas Gutes ist, sollten wir auch
andere reich machen, und das können wir nur, wenn wir von dem, was uns gehört,
etwas abgeben. Unser Meister Baba Sawan Singh gab zunächst ein Zehntel, aber
nach einiger Zeit sandte er seinem Meister Baba Jaimal Singh alles. Baba Jaimal
Singh gab dann immer etwas für den Lebensunterhalt von Baba Sawan Singh und
seiner Familie zurück. Baba Sawan Singh legte seinem Meister einfach alles zu
Füßen, und der Meister gab ihm dann etwas für ihren Lebensunterhalt zurück.
Deswegen sagte unser Meister immer, ihr sollt ein Zehntel geben; und wenn ihr
dann am Jahresende nachrechnet, werdet ihr sehen, daß ihr euch dadurch andere
Ausgaben sparen konntet, zum Beispiel für Krankheiten und ähnliches. Wenn ihr
nachprüft, werdet ihr feststellen, daß es stimmt. Also verliert ihr nichts,
wenn ihr gebt. Je mehr ihr geben könnt, desto mehr wird euch zufließen. Wenn
die Meister kommen, geben sie alles für ihren Meister hin. Was hat Christus
gesagt? „Wenn ihr in das reich Gottes eingehen wollt, dann verkauft alles, was
ihr habt.“ das ist die höchste Form, dem Meister alles zu geben. Jeder Mensch
muß also zunächst lernen, wie er seinen Lebensunterhalt ehrlich verdient und
dann sollte er mit anderen teilen. Er sollte nicht alles behalten. Wenn ihr
behaltet, werdet ihr fühlen, wie ihr innerlich hart werdet. Eure Hände werden
schwarz, wenn ihr Gold oder Silber zu lange darin haltet. glaubt ihr etwa, daß
ein herz, das an diesen Dingen hängt, dabei rein wird? Zuallererst solltet ihr
also, wenn ihr euch auf eurem spirituellen Weg einen Dienst erweisen wollt,
euren Lebensunterhalt ehrlich verdienen und mit anderen teilen. fangt an mit
ganz wenig – was euch eben möglich ist – und gebt dann immer mehr, bis ihr
schließlich alles für Gott hingebt. Seit Abrahams Zeiten gab jeder Zehnten
seiner Hingabe – wie es Brauch war von Anbeginn. Selbstloser Dienst ist auf zweifache Weise möglich.
Die erste Art ist körperlicher Dienst. Wenn jemand krank ist, geht hin und
pflegt ihn. Soll ich tatenlos zusehen, wenn einer in Not ist, hungrig, arm und
bloß? Die Meister haben sich immer um die Armen gekümmert, sie getröstet und
auf die Ebene der anderen Menschen erhoben. Würden wir so handeln, würde jeder
mit anderen teilen – es gäbe keine Armen auf der Welt. Warum gibt es so viele
notleidende und hungernde Menschen? weil wir nicht teilen. Wenn wir also mit
anderen teilen, dehnt sich unser Selbst aus. Im Augenblick des Gebens fühlt ihr
im Innern einen Funken Freude. Das ist der direkte Ausgleich dabei. Wenn ihr
gebt, so gebt jedoch nie mit der Hoffnung auf Gegenleistung. Gebt um des
Teilens mit anderen willen. Manchmal geben wir wegen der Belohnung, die wir
dafür im Himmel erwarten. das ist nicht richtig – es muß selbstloses Geben
sein. Das ist eine der Voraussetzungen für den, der auf dem spirituellen Weg
fortschreiten möchte. Der ist demnach ein Mensch, der für andere lebt und mit
anderen, den Bedürftigen und Hungrigen
teilt – mit jenen, die armselig dahinleben und ihre Lage nicht aus eigener
Kraft verändern können. und was tun wir? wir füttern unsere Kinder reichlich,
während die Kinder unserer Nachbarn vor Hunger sterben. So sollten wir nicht
handeln. Eine mohammedanische Heilige bereitete sich einst
auf eine Pilgerreise nach Mekka vor. Mekka ist ein Wallfahrtsort für
Mohammedaner und liegt in Arabien. Sie hatte etwas Geld für die Reise und sah
beim Aufbruch einen armen Hungernden in der Nähe. Sie gab ihm all ihr Geld und
konnte so nicht zu dem Wallfahrtsort reisen. Was geschah daraufhin? Ein Engel
erschien ihr und sagte, daß ihre Wallfahrt angenommen worden sei. Versteht ihr, was gemeint ist? Nur wer von seinem
eigenen Einkommen lebt, das er im schweiße seines Angesichts ehrlich verdient
hat und mit anderen teilt, kann auf dem spirituellen Weg fortschreiten. Gebt
nicht um eines Ausgleichs oder einer Gegengabe willen. Gebt, weil ihr mit
anderen teilen wollt. Das ist eure Pflicht gegenüber euren Brüdern und
Schwestern. Einmal war Christus in einer Versammlung, als seine
Mutter hereinkam und sich dazu setzte. Jemand sagte zu Christus, daß seine
Mutter da sei, und er antwortete ihm: „Dies sind meine Brüder und Schwestern –
und auch die meiner Mutter.“ Alle Meister verhalten sich so. wenn unser Meister zu Hause war, kamen die Armen zu
ihm; und er half ihnen nach besten Kräften. Ein Mensch läßt sich erst daran
wirklich erkennen, ob er anderen dient und für andere lebt. Wir sind alle Tiere
in Menschengestalt. Das heutige Thema heißt also: Verdient zuallererst
euren Lebensunterhalt auf ehrliche Weise und teilt dann mit anderen, so gut ihr
könnt. Fangt an mit ganz wenig – was euch eben möglich ist – vielleicht ein
Zehntel, vielleicht ein Vierzigstel, aber etwas müßt ihr geben. Hier im Ashram wird darüber Buch geführt,
abgerechnet und das wird überprüft. Wir haben eine ordnungsgemäße Buchhaltung,
die von einem vereidigten Buchprüfer kontrolliert wird. damit habe ich nichts
zu tun. Ich habe mein eigenes Einkommen, meine Pension. Einmal stellte sich bei
einer solchen Buchprüfung heraus, daß eine sehr arme Frau eine ‚paisa‘ (einen
Pfennig) gegeben hatte. Der Buchprüfer sagte: „Ja, einige geben 100 Rupien und
andere geben 50 Rupien, aber diese Gabe ist die wertvollste von allen.“ Ein
Pfennig ist sehr wertvoll, wenn ein armer Mensch sein ehrlich verdientes
Einkommen teilt, obwohl es sehr mager ist. Denn wenn er sogar von diesem
geringen Einkommen einen Pfennig gibt, ist das wertvoller, als wenn ein Reicher
hundert oder tausend Rupien gibt. Ich habe dafür eine Regel eingeführt, daß
jene, die mehr als dreißig oder vierzig Rupien geben, zu mir kommen müssen. Ich
muß sehen, ob sie in der Lage sind, zu geben oder nicht. Manchmal wollen wir
aus lauter Ergebenheit alles hergeben – selbst auf Kosten unserer eigenen
Kinder. Die wenig geben, sind sehr willkommen. Ihre gaben werden mit großer
Freude angenommen. Sie werden nicht zurückgewiesen. Aber manchmal stelle ich
fest, daß gerade diejenigen ihr Geld ohne Namensnennung einsenden, die es sich
nicht leisten können, zu geben. Einmal hatte ich einen solchen fall hier.
manchmal lehne ich das Geld ab, manchmal nehme ich die Hälfte an. Ich will nur
sehen, ob nicht jemand aus Hingabe seine eigene Familie vernachlässigt. Darum
muß ich mich kümmern. Es ist auch meine Pflicht, zu eurem Besten zu wirken. Der
Mann zum Beispiel, den ich eben erwählte, gab regelmäßig 150 Rupien im Monat.
Sein gesamtes Monatseinkommen betrug aber nicht mehr als 200 Rupien. Wie konnte er es sich leisten, von 200
Rupien 150 herzugeben? So ging ich der Sache nach und stellte fest, daß er
seinen Namen nicht angeben hatte. Ich bat den Mann, während des Satsangs nach
vorne zu kommen, da ich das Geld für ihn aufbewahrt und nichts davon genommen
hatte. Es ist Aufgabe des Schülers, alles zu geben, und
Aufgabe des Meisters, nichts für sich selbst anzunehmen. Der Schüler mag etwas
zur Förderung der Arbeit des Meisters geben, sollte aber gleichzeitig wissen,
wieviel er wirklich geben kann. Wenn er sich nicht um das Wohl seiner eigenen
Kinder kümmert, ist das auch nicht richtig. Deswegen unsere Regel: wer mehr als
einen bestimmten Betrag gibt, der kommt zu mir. Dalip Singh (der Kassenführer)
muß sich genauestens danach richten. Er kann zehn, zwanzig oder dreißig Rupien
annehmen, aber wer mehr geben will, muß zu mir kommen. Manchmal nehme ich es
an, manchmal nicht. Manchmal gebe ich alles zurück, manchmal gebe ich die
Hälfte zurück. Man sollte also lernen, mit anderen zu teilen – Schritt für
schritt. man mag mit ganz wenig anfangen, vielleicht mit einem Vierzigstel oder
einem Zwanzigstel. Ein Zehntel war das Übliche. Wer es sich nicht leisten kann,
ein Zehntel zu geben, der soll ein Zwanzigstel oder ein Vierzigstel geben – es
kann auch ein einziger Pfennig sein, den man mit anderen teilt. Also – wer auf
dem spirituellen Pfad fortschreiten will, muß zuallererst seinen Lebensunterhalt
ehrlich verdienen und dann mit anderen teilen. Wißt ihr, warum ich kein Geld von denen annehme, die
nicht initiiert sind? wer weiß, wie sie das Geld verdient haben! Wenn jemand
initiiert ist, kümmert sich der Meister um ihn. Um das Geld derer, die nicht
initiiert sind, kümmert sich niemand. Was immer sie geben – es muß
zurückgezahlt werden. Ihr müßt Mitleid haben, ihr müßt mit anderen teilen. Gebt
nichts mit der Hoffnung auf Gegenleistung oder auf etwas, das ihr im Jenseits
erwartet. So sollten wir nicht handeln. Gebt einfach und ganz – teilt mit
anderen. Sie sind eure Brüder und Schwestern in Gott. Versteht ihr jetzt, was
Nächstenliebe heißt? Diese Dinge stehen nicht in Büchern. Nehmt nichts für euch
persönlich an. Die Hauptregel ist also: Verdient zuerst euren Lebensunterhalt
ehrlich und teilt dann mit anderen – sei es auch ganz wenig. Je mehr ihr geben
könnt – ohne eure Familie zu vernachlässigen – desto besser. dann werdet ihr
zuguterletzt alles für Gott geben. Wir sollten ohne die geringste Hoffnung auf
Gegenleistung geben – aus selbstlosem Dienst. wir sind alle Brüder und
Schwestern in Gott. es war einmal ein Heiliger namens Baba Kahan, dem
Baba Sawan Singh jedesmal zehn Rupien gab, wenn er ihn in Peshawar besuchte.
Einmal war Baba Sawan Singh im Feldeinsatz und verdiente ziemlich viel – etwa
eintausend oder zweitausend Rupien. Er besuchte wie gewöhnlich Baba Kahan. weil
ich zu der Zeit in Peshawar war, besuchte ich ihn auch. Baba Kahan sagte zu
Baba Sawan Singh: „Schau, diesmal möchte ich zwanzig Rupien.“ Der Meister
antwortete: „Was – wirst du etwa habgierig?“ „Überhaupt nicht“, erwiderte Baba
Kahan, „möchte diesen Extrabetrag nur, um das Gift aus all dem Geld, das du
verdient hast, herauszuziehen. Früher hast du weniger verdient und ich nahm
zehn Rupien und gab sie den Armen. Jetzt möchte ich nur deswegen zwanzig Rupien
haben, weil du mehr Geld hast. Teile es mit anderen.“ Er nahm nichts für sich
selbst an. Das ist mit Geben gemeint. Wenn wir etwas geben und eine Gegenleistung dafür
wollen, so ist das kein selbstloser Dienst. dafür habt ihr in euren
Tagebüchblättern eine Spalte. Sie bedeutet etwas – sie ist zu eurem Besten
dort. Versteht ihr, was der Sinn der Nächstenliebe ist? wenn ihr
Gegenleistungen erwartet, tritt das Gesetz von Ursache und Wirkung in Kraft.
Dagegen wird sich eine Mutter, deren Kinder hungern, jeden Bissen vom Munde
absparen, um ihn den Kindern zu geben. Sie erwartet keine Gegenleistung. Helft
also anderen aus dieser Einstellung heraus und in diesem Geiste. manchmal geben wir nur, damit es auf andere wirkt.
Das ist nur für unser Ansehen gut. Diese Nächstenliebe ist keine. Christus hat
gesagt: „Wenn du aber Almosen gibst, so laß diene linke Hand nicht wissen, was
die rechte tut.“ wenn die eine Hand etwas gibt, laß die andere nichts davon
wissen. genau das ist mit Nächstenliebe gemeint. |