22

 

Die Schwierigkeiten, die der Entwicklung der Hingabe an den Meister im Weg stehen

 

An den Lehren des Meisters festzuhalten, ist genau wie auf des Messers Schneide zu gehen. Je mehr ihr auf des Messers Schneide geht, desto mehr zerschneidet ihr euch die Füße. Was bedeutet das? Je mehr ihr an den Lehren und Geboten des Meisters festhalten, desto mehr müßt ihr euer altes Ansehen – das, was ihr seid, ob hoch oder niedrig – ablegen. Ihr dürft euch nur noch um den meister kümmern. Was er sagt, ist biblische Wahrheit. Das hat Gott auch durch den Koran verkündet, und alle Meister haben dasselbe gesagt. So müssen wir seine Gebote halten, ob uns die Leute deswegen achten oder nicht. Ihr müßt zu Gott in euch und in ihm wahr sein, ohne euch darum zu kümmern, was die Leute sagen. Christus sagte: „Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote.“ Die Gebote des Meisters zu halten ist schwierig. Manchmal drücken wir uns aus dem einen oder anderen Grund davor, sie zu befolgen; wir haben Angst vor dem, was andere Leute dazu sagen werden. Doch haltet immer an dem fest, was euer Meister – Gott in ihm – sagt, ob die Leute euch deswegen achten oder nicht. Ihr müßt das befolgen, was der Meister lehrt, sagt oder gebietet und danach leben, ohne Rücksicht darauf, ob die Welt euch bewundert oder nicht.

Wenn sich ein Mensch innerlich entwickelt, sieht er natürlich Gott im meister. Khusro war ein Schüler von Nizamuddin Aulia und verehrte seinen Meister sehr. Die Leute fingen an zu reden: „Seht her, er ist ein Mohammedaner und verehrt einen Menschen, einen Körper. Er ist kein rechter Mohammedaner.“ Khusro erwiderte: „Es kümmert mich nicht, was die Welt über mich redet – ob dies oder das – ich bin ein Ergebener meines Meisters und werde an dem festhalten, was er sagt.“

Wir müssen also nach dem leben, was der meister sagt. Wenn er ‚Halt!‘ sagt, dann haltet inne – das ist alles. Wer nach dem lebt, was der Meister sagt, wer die Worte und Gebote des Meisters ehrt, dem wird gewiß die Erlösung zuteil. Wer ihm nur physisch gehorcht, doch nicht nach dem lebt, was er sagt, der hat noch Zeit. Die Zeit spielt eine wichtige Rolle, um uns die völlige Befreiung zu ermöglichen. Die erste Schwierigkeit auf dem Weg zur Hingabe an den Meister ist also, daß ihr das befolgen müßt, was er sagt, ganz gleich, ob die Welt euch rühmt oder nicht. Es ist möglich, daß er etwas sagt, was eurem Verstand nicht gefällt – doch was ist eure Pflicht? Was tut der Soldat, wenn der Offizier im Kampf ‚Feuer!‘ befiehlt? Er muß schießen. Der Meister jedoch wird nie etwas Unrechtes verlangen. Ihr versteht vielleicht im Moment nicht, was er sagt, doch er hat gute Gründe dafür, die eurem Besten dienen. Deshalb ist es sehr schwierig, den Geboten des Meisters zu gehorchen.

Ich will euch ein Beispiel aus meinem eigenen Leben geben. Mein meister hatte angeordnet, daß ich nirgends mehr hingehen sollte, außer zum Satsang. Ich war ständig damit beschäftigt gewesen, die Kranken und Armen zu versorgen, Satsangs zu halten und den Leuten bei ihren Schwierigkeiten zu helfen – manchmal bis spät in die Nacht. Dann hörte ich ganz damit auf. Die Leute gingen zum Meister und sagten, ich würde sie nicht mehr besuchen. Der Meister sagte: „Er soll auch nicht!“ Eine Frau kam damals zu mir und sagte, daß ihr Mann im Sterben läge und bat mich, ihn zu besuchen. Ich sagte zu ihr: „Liebe Frau, es tut mir leid, aber ich fürchte, ich kann nicht kommen. Ich kann den strikten Befehl nicht mißachten, den mit mein Meister gegeben hat“, und so ging sie weg. Am nächsten Tag kam sie wieder und sagte: „Mein Mann sagte, daß du im Namen des Meisters bitte kommen solltest.“ Ich weinte. Ich sagte zu ihr: „Mein Meister wird für ihn sorgen. Es tut mir leid, ich kann es nicht.“ Ihr Mann starb. Zwei oder drei Tage danach kam unser Meister nach Lahore. Ich war bei ihm, als die Frau kam und sich beim Meister beschwerte: „Seht, Meister, mein Mann verlangte nach ihm, aber es kam nicht.“ Der Meister schaute mich an und sagte: „In einem solchen Fall solltest du gehen.“ Nun war es so, daß jeder, zu dem ich gehen oder den ich besuchen sollte, sterben mußte, denn ich durfte nur kommen, wenn jemand starb und nicht zuvor. Die Leute beschwerten sich beim Meister: „Er kommt nicht, um unsere Kranken zu betreuen. Selbst wenn sie sterben, kümmert er sich um sie.“ Da sagte der Meister sehr schroff zu ihnen: „Schon gut, wenn jemand von ihm stirbt, dann geht auch nicht hin!“

Seht ihr die Schwierigkeit; wie schwer es ist, das zu befolgen, was der Meister sagt? Einmal wurde mein ältester Sohn (er ist auch hier) krank; und die Ärzte sagten, daß er in zwei oder drei Tagen sterben würde. Am dritten Tag war er dem Tod sehr nahe. Man sagte mir, ich müsse ihm beistehen, und so nahm ich frei. Leider oder Gott sei Dank war dies gerade an einem Tag, an dem ich auf Anordnung meines Meisters an einem Ort sprechen sollte, der etwa dreißig Kilometer von Lahore entfernt war. Ich dachte: „Nun gut, die Ärzte sagen, daß mein Sohn sterben wird – und da ist das Gebot meines Meisters. Was soll ich tun? Ja, es ist des Meisters Sache, für ihn zu sorgen – ich kann sein Leben weder verlängern noch verkürzen.“ Ich machte mich also zu dem Ort auf, wo ich sprechen sollte, und es war ungefähr Mittag, als ich fertig war. Das war in der Nähe von Beas, und ich überlegte, daß ich den Meister gern besuchen würde. Ich erinnere mich, daß es ein sehr heißer Tag war, und ich kam dort ungefähr um 2.00 Uhr nachmittags an. Der Meister schickte gleich nach mir und ich ging zu ihm und grüßte ihn ehrerbietig. Er lag auf seinem Bett und setzte sich auf, als ich eintrat und fragte mich als erstes: „Was ist mit deinem Sohn, wie geht es ihm?“ Ich erzählte ihm, daß er sehr krank sei und die Ärzte gesagt hätten, er würde in drei Tagen sterben, aber daß der Meister mit befohlen hatte, an jenem Ort zu sprechen. Der Meister wurde sehr traurig, und ich sagte zu ihm: „Wer immer an Dich denkt, dessen Sorge und Trauer vergehen. Warum bist Du so betrübt?“ Der Meister sagte: „Schau, du hast deine Bürde auf mich geworfen, nun muß ich mich darum kümmern..“ Mein Sohn starb nicht, er lebt immer noch. Versteht ihr, wie schwierig es ist, an den Worten des Meisters festzuhalten? Dann geschah es, daß meine kleine Tochter an einem Abend starb; und ich mußte an einem weit entfernten Ort Satsang halten. Dies sind alles ganz normale Dinge, aber wir müssen dem Gebot des Meisters gehorchen. Früh am Morgen schickte ich nach Dalip Singh und gab ihm Anweisungen, in meiner Abwesenheit der Bestattung des Leichnams beizuwohnen. Die Leute redeten über mich: „Was macht denn der?“ Aber dennoch ging ich meiner Pflicht nach. Versteht ihr mich? Die Gebote des Meisters zu halten ist sehr schwer. Wir tun nur äußerlich so, als ob wir den Geboten des Meisters gehorchen – aber wir leben nicht nach innen. Auch in seiner Abwesenheit bleiben die Gebote dennoch Gebote. Das wirkliche Gebot ist der Guru, der Meister. Wer die Worte des Meisters achtet, wird ganz sicher erlöst. das ist ein Guru, warum die Hingabe an den Meister wie das Gehen auf des Messers Schneide ist.

Zum anderen braucht Bhakti oder Hingabe an den Meister keinerlei äußere Formen oder Rituale, kein großes Getue und keine Heuchelei. Lebt auf einfache Weise. Der Meister ist sehr menschlich, würde ich sagen. Er ist ein Mensch wie ihr und lebt ganz natürlich – kein Theater, keine Pose und keine Großtuerei, nichts von dieser Art. Das ist nur natürlich. Diese beiden Dinge also stehen unserer vollständigen Hingabe an den Meister im Weg. Darum ist es schwierig, über die Liebe zum Meister zu sprechen. Wir können unendlich viel reden, aber wie weit halten wir seine Gebote? Ein Gramm Praxis ist besser als Tonnen von Theorie. Wer seine Gebote hält, wird vergessen, daß er ein Sikh, Mohammedaner, Hindu oder Christ ist. Er wird sich einfach als Ergebener des Meisters betrachtet.

Einmal wurde ich von einem liebevollen Schüler des Meisters an einen Ort im Dschungel eingeladen und versprach, daß ich kommen würde. In der Nähe dieses Ortes lebten einige Leute, die mir nicht wohl wollten und sagten, sie würden mich umbringen, wenn ich käme. Meine Begleiter bekamen Angst und wollten nicht mitgehen. Ich sagte zu ihnen: „Entweder ihr kommt mit oder ich gehe allein. Wenn ich es versprochen habe, muß ich kommen.“ Als ich den Dschungel erreichte, tauchten die Leute auf, die gegen mich waren. „Nun, meine Freunde, kommt her und zeigt mir den Weg“, sagte ich. Sie liefen vor mir her zu dem Ort, wo ich sprechen sollte. Ich sagte zu ihnen: „Seht, ich bin kein Sikh, kein Mohammedaner und kein Radhasoami. Ich bin kein Christ, sondern ein Ergebener meines Meisters. Mein Glaube ist der meines Meisters. Ihr könnt zu mir kommen oder nicht.“ Sie waren ganz verwandelt. Der liebevolle Schüler wartete unterdessen voller Angst und weinte um mich.

Bhakti heißt also, nur dem Meister ergeben zu sein. Ihr werdet tun, was er will. Ein Ergebener wird nicht die Anordnungen des Meisters abwarten, er wird ahnen, was seine Absicht ist und wird sie ausführen, ohne daß er es gesagt bekommen muß. Deshalb gibt es Schwierigkeiten auf dem Weg der Hingabe an den Meister. Es ist so schwierig, wie auf eines Messers Schneide zu gehen. Was also ist das Wichtigste? Wenn ihr mich liebt, dann haltet meine Gebote.“ Das hat Christus gesagt. Wer seine Gebote hält und danach lebt, wird ganz sicher erlöst. Die Gebote des Meisters zu befolgen, heißt nach ihnen zu leben – nicht nur sie im Kopf zu haben. Ob er vor euch steht oder ob ihr fern von ihm seid, ihr müßt einfach an seinem Wort festhalten. das ist Gott in euch, der Meister in euch.

Aus diesen zwei Gründen ist Gurubhakti oder die Hingabe an den Meister schwierig. Er mag uns etwas geben oder uns etwas nehmen. Es ist alles sein. Er mag euch wie einem Kassenführer ein paar tausend Rupien überweisen und euch bitten, zweitausend an den und den zu schicken. Ihr seid nur ein Verwalter. Zum Meister wahr zu sein, heißt zu seinen Worten – dem, was er sagt – wahr zu sein. Wir sollten nach ihnen leben, ob uns die Leute deswegen achten oder schlecht von uns sprechen. Der Meister kennt keine Zurschaustellung, Großtuerei oder Verstellung. Er lebt immer ganz natürlich. Seine Worte nur im Kopf zu behalten, reicht nicht – ihr müßt nach ihnen leben. Ein Gramm Praxis ist besser als Tonnen von Theorie. Verdaute Nahrung gibt euch Kraft, unverdaute Nahrung macht euch krank.

Wenn der Meister an einem Ort lebt, der Tausende von Kilometern entfernt ist, dann müßt ihr Empfänglichkeit entwickeln. In Funk und Fernsehen hört ihr die Stimme und seht den, der spricht. Der Gott im Menschen ist das fleischgewordene Wort; er ist überall. Ihr braucht nur Herz und Geist auf ihn zu richten, um Empfänglichkeit zu entwickeln. Dann werdet ihr von dort Hilfe erhalten. Jedoch ist es nicht zu unterschätzen, wenn ihr physisch mit ihm in Verbindung gelangt. So kommt ihr direkt ans Feuer. Andernfalls müßt ihr eure Aufmerksamkeit auf ihn richten. Hier braucht ihr euch nur ein wenig oder gar nicht anzustrengen, um eure Aufmerksamkeit auf ihn zu richten. Ihr seht ihn mit eigenen Augen. Versteht ihr jetzt, wie Hingabe entwickeln wird, wie sie stärker werden kann und wie ihr euch selbst durch Hingabe wandeln könnt? So sollten wir nun prüfen, wo wir stehen!

Wenn unsere Herzen dem einen ergeben sind und wir um dieses einen willen selbstlos dienen, so wird uns das nicht binden – denkt daran! Wenn ihr jedoch nur um des äußeren Ruhmes und der Ehre willen ergeben seid, damit ihr in der Welt einen guten Namen hat, dann seid ihr gebunden. Ihr geht dahin, wo ihr gebunden seid. Die Meister haben diese Dinge jeweils auf ihre Weise erklärt; und ihr werdet feststellen, daß die Worte und Schriften aller Meister von den gleichen Dingen sprechen. Aber nur wer sie verwirklicht, der weiß, was wahre Hingabe bedeutet. Deswegen solltet ihr euch euren spirituellen Übungen regelmäßig widmen. Ihr solltet auch eure Tagebücher führen, denn dies erzieht euch zur Regelmäßigkeit. Ich ermahne euch immer: „Schickt eure Tagebücher wenigstens leer ein.“ Wie lange werdet ihr sie so schicken? Ein oder zwei Monate, dann werdet ihr euch moralisch verpflichtet fühlen, etwas zu tun. Ihr werdet Regelmäßigkeit entwickeln. Dann werde ich sagen: „Gut, bitte setzt nun mehr Zeit ein.“ Ich bestrafe nie jemanden; auch nicht jene, die nicht tun, was ich sage. Ich bitte sie nur noch einmal, das zu tun, was ich sage. Das ist der Sinn der Tagebuchblätter und wie wichtig es ist, sie zu führen. Wie viele führen ihre Tagebücher wirklich richtig? manchmal bringen mir die Leute ihre Tagebücher einfach und ich sehe, daß sie ganz leer sind, aber nur wenig oder keine innere Erfahrung gemacht wurde. Ich sage: „Lieber Freund, dein Tagebuch ist in Ordnung, aber eigentlich solltest du schon zur dritten Ebene gelangt sein.“ Ein Herz, das nirgends gebunden ist, nie an weltliche Dinge denkt und ich den verschiedenen Spalten des Tagebuchs keine Fehler aufzeigt, ist rein und Gott muß in ihm sein. Er ist bereits dort, aber dann wird er sich offenbaren.

 

 

 


Weiter