27 Wie man Empfänglichkeit
entwickelt – I Leben
kommt von Leben. Die Ausstrahlung eines Menschen, der von der Kraft belebt
wird, durch die sich Gott zum Ausdruck bringt, kann sich auf einen anderen
übertragen, der empfänglich ist. Er mag weit entfernt oder ganz nah sein – wenn
er nicht empfänglich ist, kann er dieses Leben nicht erhalten. Leben strahlt
durch Leben aus und auch durch die Augen. Die Augen sind die Fenster der Seele.
Die Seele, die durch die Verbindung mit Gott belebt wird, kann dieses Lebensprinzip
durch die Augen ausstrahlen – nicht durch den Verstand. Mit dem Verstand können
wir nur Dinge unterscheiden. Leben wird durch Leben übertragen und nur an jene,
die empfänglich sind. Sonst können sie dies Leben nicht erhalten. Spiritualität
kann man also nicht lernen – sie wird den empfänglichen Seelen wie eine
Infektion übertragen. Jemand kann jahrelang im gleichen Haus wie der Meister
wohnen und keinen Funken Spiritualität aufnehmen. Dagegen wird eine
empfängliche Seele – auch wenn sie weit weg wohnt – mehr damit anfangen, als
eine nicht empfängliche, die ganz nah bei ihm lebt. Im Leben eines
empfänglichen Menschen sammeln sich alle guten Eigenschaften. Deshalb sagt
Kabir, daß es sinnlos ist, physisch beim Meister zu sein, wenn euer Gemüt nicht
für den Gott im Menschen empfänglich ist. Empfänglichkeit
läßt sich entwickeln, wenn man alle fremden Gedanken vertreibt. was bleibt,
seid ihr und er. Ihr wirkt hinter den Augen und der Gott im Menschen wirkt auch
dort. Die Augen sind die Fenster der Seele, und der Gottmensch lehrt andere
durch die Augen – ohne zu sprechen. Was ich euch sage, ist natürlich ein sehr
schwieriger Punkt. Ihr könnt jahrelang beim Meister wohnen und dennoch kein
Leben entwickeln. Wie ihr denkt, so werdet ihr. Dieses Leben fließt in euer
Leben über, wenn ihr empfänglich werdet. Ihr werdet eins mit ihm und nie mehr
zwei sein. Deshalb hat Paulus gesagt: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern
Christus lebt in mir.“ Genau das haben fast alle Meister gesagt, ob sie nun in
Indien oder woanders lebten. Maulana Rumi sagte: „Ich bin so erfüllt von meinem
Meister, daß ich vergessen habe, wie ich heiße und ob er in mit ist oder ich in
ihm bin. Ich kann es nicht unterscheiden.“ das wird zum Schicksal empfänglicher
Seelen. Er ist alle Weisheit, Gnade, Barmherzigkeit und Liebe. Diese
Eigenschaften könnt ihr in euch entwickeln, wenn ihr empfänglich werdet – nicht
durch Worte. Durch Worte versteht ihr auf der Ebene des Verstandes; aber wenn
ihr nicht empfänglich werdet, kann kein Leben auf euch ausstrahlen und in euch
einströmen. Versteht ihr? das ist der Grund, warum Hunderte von Menschen im
gleichen Hause wie der Meister leben mögen und dennoch keine Spiritualität
entwickeln. Ich
habe euch zwei Beispiele gegeben, eines von Paulus und ein anderes von Maulana
Rumi. Ein solcher Mensch wird Gurmukh genannt. Er wird zum Sprachrohr des
Gurus, aber nicht auf der Ebene des Verstandes. Auf der Ebene des Verstandes.
Auf der Ebene des Verstandes könnt ihr euch vieles merken, was der Meister
gesagt und gelehrt hat. Aber das hat kein Leben – weil ihr nur auf der Ebene
des Verstandes sprecht. Leben oder Bewußtheit ist etwas ganz anderes als
intellektuelles Ringen oder Streiten. Versteht ihr jetzt, was ich sagen will?
Wir kommen da auf einen sehr schwierigen Punkt zu sprechen. Diese Dinge kann
man nicht schriftlich erklären. Geschriebenes kann nicht die Worte übertragen,
die ein Mensch direkt spricht und die mit höherem Leben geladen sind. Deshalb
hat Soami Ji gesagt: „Wenn ihr zum Satsang geht, dann zieht den vollen Nutzen
daraus.“ Wie? Vergeßt alles, wenn ihr zum Satsang kommt. Vergeßt selbst die
Umgebung und wer neben euch sitzt. Vergeßt auch euren eigenen Körper. Dann
bleiben nur ihr und er. Augen sprechen zu Augen. Die Augen sind die Fenster der
Seele. Wenn ihr euch derart vertieft, werdet ihr empfänglich und erhaltet
Leben. Leben kann nicht durch Papier oder den Verstand übertragen werden. Der
Verstand erklärt nur, was eben mit Worten erklärt werden kann und nichts
weiter. Die Sprache ist manchmal recht unzulänglich. Wir sind bewußte Wesen und
wir werden bewußter, wenn wir durch die Empfänglichkeit das Brot des Lebens
erhalten. Diese Ausstrahlung kann man ganz nahe beim Meister oder auch Tausende
von Kilometern entfernt empfangen. Durch Funk und Fernsehen hört und seht ihr
über Tausende von Kilometern hinweg. Wenn ihr das Mensch gewordene Naam – das
fleischgewordene Wort – seid, warum sollt ihr dann nicht auch überallhin
ausstrahlen können? Ihr könnt es. Wer Empfänglichkeit entwickelt, erhält das
wahre Brot des Lebens und das wird ihm mehr Leben geben. Das Leben ist bereits
in euch, aber ihr habt euch noch nicht selbst erkannt, weil ihr von Gemüt,
Materie und den nach außen fließenden Energien umhüllt seid. Ihr habt euch so
sehr mit dem Körper und den äußeren Dingen identifiziert, daß ihr euch nicht
von ihnen lösen und erkennen könnt, wer ihr wirklich seid. Wenn ihr euch mit
eurem höheren Selbst verbindet – mit einem Menschen höchster Bewußtheit – dann
entwickelt ihr euch weiter. Guru Nanak hat gesagt: „Nur der lebt, o Nanak,
dessen Seele sich mit dem vereint, der
das Sprachrohr der Kraft ist, die Wort oder Naam genannt wird, durch die sich
Gott zum Ausdruck bringt.“ Wenn ihr für ihn empfänglich werdet, der das Fleisch
gewordenen Wort ist, werdet ihr natürlich mehr Leben erhalten. Wie
ich euch gesagte, kann man Spiritualität nicht lernen, sondern nur aufnehmen,
wenn man empfänglich wird. Nur durch Liebe könnt ihr empfänglich werden. ein
Liebender bleibt auch unter Tausenden von Menschen ganz allein, weil all seine
Aufmerksamkeit auf den Meister gerichtet ist, mit dem er sich ausschließlich
beschäftigt. Nur so könnt ihr Empfänglichkeit entwickeln. Wenn ihr empfänglich
werdet, erhaltet ihr mein Leben. Durch intellektuellen Gespräche versteht ihr
nur, was mit ‚Brot des Lebens‘ gemeint ist und nicht versteht. es gibt im
Sanskrit das Wort ‚Upasna‘. Upasna bedeutet ‚bei einem Meister sein‘. Nichts
steht zwischen euch und dem Meister. Er ist vollkommen bewußt und auch ihr seid
bewußte Wesen. Bewußte Wesen sollten nichts zwischen sich haben – außer
vielleicht den physischen Körper, die nach außen fließenden Energien oder den
Intellekt. Über diese Dinge sollten wir uns erheben und uns mit dem höheren
Selbst verbinden. Das können euch nur jene lehren, die von diesem Leben erfüllt
sind. Wer nicht mit dem höheren Selbst verbunden ist, kann das Leben nicht
erhalten. Wenn ihr dieses Leben erhaltet, werdet ihr zur Wohnstatt aller
Tugenden. Durch Selbstprüfung werdet ihr alle Unvollkommenheiten ausmerzen. Ihr
versucht zwar diese höheren Tugenden zu entwickeln; aber ihr scheitert dann und
wann. Doch wenn ihr dieses Leben in euch erhaltet und dazu die Selbstprüfung
beachtet und tagtäglich alle Unvollkommenheiten in euch ausmerzt, wird eure Verbindung stärker. Wenn ihr für einen
Gottmenschen empfänglich werdet, braucht ihr kein Tagebuch oder ähnliches. Ihr
werdet das Leben unmittelbar erhalten und wenn ihr es bekommt, löst ihr euch
von allem anderen. Am Feuer weicht natürlich alle Kälte. Habt ihn nur wirklich
verstanden, was ich euch sagen will? Eben das gibt euch die physische Gegenwart
des Meisters. Wer
zum Meister kommt und keine Empfänglichkeit entwickelt, glaubt, daß er durch
seine eigenen Bemühungen mehr erreichen wird (einen kleiner Anstoß wird ihm
natürlich helfen) – doch durch die Empfänglichkeit lernt ihr mehr, als auf jene
andere Weise. Was tut ihr, wenn ihr meditiert? Ihr müßt euch bemühen; aber es
sollte eine Bemühung ohne Mühe sein, bei der die Frage: ‚Wer handelt?‘ nicht
auftaucht. Ihr solltet alle Hoffnung auf den einen vor euch setzen oder auf die
Kraft, die auch in euch wirkt. Die Bücher geben euch Hinweise, aber nicht das,
was euch gerade erklärt wird. Kabir sagt, daß es kein Upasna ist, wenn ihr
jemandem körperlich nahe seid, aber eure Gedanken in der ganzen Welt umherschweifen.
Ihr könnt dann nicht den vollen Nutzen aus der Gegenwart des Meisters schöpfen.
Der Meister ist ja nicht der physische Körper. Er hat einen physischen Körper,
um durch ihn zu wirken, aber er ist das fleischgewordene Wort. Der Meister gibt
euch eine bewußte Verbindung mit der zum Ausdruck kommenden Gotteskraft – dem
Licht und dem Tonstrom. Je mehr ihr euch mit dem Licht und dem Tonprinzip im
menschlichen Körper verbindet, wo sie sich offenbaren, um so mehr Leben werdet
ihr haben. Leben kommt von Leben, und ihr erhaltet es, wenn ihr empfänglich
werdet. Bei
der Initiation werdet ihr mit der Kraft verbunden, durch die sich Gott zum
Ausdruck bringt. Wenn ihr das täglich übt, dann könnt ihr es entwickeln.
Gleichzeitig solltet ihr euch selbst prüfen und alle Unvollkommenheiten
ausmerzen. Je mehr ihr euch mit dieser Kraft verbindet, desto mehr Liebe,
Weisheit und Leben werdet ihr erhalten. Durch Gespräche und Vorträge beginnt
ihr, etwas zu begreifen, aber ihr erhaltet es nicht. Verstehen ist eine Sache –
doch dieses Sein, dieses Leben zu erlangen, ist eine ganz andere. Wie ich euch
gestern sagte, ist der Satsang eine Schule, in die ihr nicht nur geht, um etwas
über die Spiritualität zu lernen, sondern um sie auch zu erhalten. Zuerst
begreift ihr, worum es geht. Dann nehmt ihr durch Empfänglichkeit das Leben in
euch auf. Das ist ein sehr weites Gebiet. Wenn ihr euch damit befaßt, versteht
ihr mehr und mehr und mehr. Über Tausende von Kilometern hinweg seid ihr ihm
ganz nah, wenn ihr empfänglich seid.
Daher hat Kabir gesagt: „Der Meister mag jenseits der sieben Meere leben und
der Schüler diesseits – wenn er seine Aufmerksamkeit einfach auf den Meister
lenkt, ist er genauso gesegnet, als ob er ihm ganz nah wäre.“ Wenn ich
beispielsweise Anträge auf Initiation bekomme, schreibe ich zurück: „Gut, gebt
ihm die Meditationsanweisungen.“ Die Wort- Kraft stellt die Verbindung her.
Unterliegt nie der Täuschung, daß die Person sie herstellt, die die Anweisung
übermittelt. Sie ist nur das Gefäß, durch das die Anweisung gegeben werden.
Eigentlich könnt ihr die Initiation auch Tausende von Kilometern entfernt
erhalten ohne Vermittlung durch jemanden – wenn ihr empfänglich werdet. Aber
gewöhnlich verstehen das die Menschen nicht. Deshalb sind einige
bevollmächtigt, die Initiationsanweisung zu übermitteln. Tatsächlich wird die
Initiation genau in dem Augenblick vollzogen, wo sie genehmigt wird. Das macht
das Wort in euch oder der menschliche Pol, in dem sich das Wort vollkommen
offenbart. Versteht
ihr jetzt, was ihr beim Satsang lernt – was ihr durch ihn gewinnt? Zuerst muß
man auf der Ebene des Verstandes die Theorie begreifen und dann erhält man das
Brot des Lebens. Das gibt eurer Seele Stärke. Von der spirituellen Gesundheit
hängt das Leben von verstand und Körper ab. Alle Unvollkommenheiten werden von
euch abfallen – genau wie die Kälte weicht, wenn ihr am Feuer sitzt. Durch das
Hören des Tonstromes wird sich alles Gute in euch sammeln. Durch Hören könnt
ihr die Richtung bestimmen, in die ihr gehen müßt. Durch Hören wird euer inneres
Auge geöffnet, damit ihr seht, wohin ihr geht. Leider widmen wir diesen Dingen
zuwenig Zeit, sondern vergeuden sie nur mit unwichtigen Dingen, würde ich
sagen. Wenn ihr etwas verstanden habt, dann handelt entsprechend. Solange ihr
nicht verstanden habt, hilft euch der Satsang. Wen ihr etwas begriffen habt,
dann lebt danach und seid nur in der Gemeinschaft von einem, der dieses Leben
in sich hat. Das wird euch einen Auftrieb geben. wir müssen diese Dinge
verstehen und dann danach leben. Wenn ihr nur von Brot redet, könnt ihr euren
Hunger nicht stillen – dazu müßt ihr Brot essen. Deshalb sagte Christus: „Ich
bin das Brot des Lebens. Dies ist das Brot des Lebens, das vom Himmel kommt.
Wer davon ißt, wird leben in Ewigkeit.“ Eßt davon – Er ist natürlich das Brot
des Lebens. Er sagte auch: „Eßt mich und trinkt mich.“ Was sollen wir essen? Er
ist das fleischgewordene Wort. Je mehr ihr euch mit dem Wort, dem Licht und Ton
in euch verbindet und davon erfüllt seid, um so mehr vom Brot des Lebens eßt
ihr. |