33 Was ist Liebe? Was
ist Liebe? Jeder sagt: ich liebe Gott, ich liebe den Meister. Aber was ist
Liebe? Liebe ist die Frucht eines Baumes. Sie ist das höchste Ziel, das sich in
uns entwickelt und heranwächst. Wir sollten Gott lieben von ganzem Herzen, von
ganzer Seele und mit all unserer Kraft. Habt ihr ein Herz oder zwei? Ihr habt
nur eins, und ihr könnt es nur einem geben, den ihr liebt. Was bleibt euch,
wenn ihr euer Herz jemandem gebt? Ihr werdet denken, wie er denkt und nicht
mehr auf eure Weise. Das ist das höchste Ziel. Lord Krishna sagte: „O mein
Schüler, du hast nur ein Herz, und das hat Lord Krishna weggenommen.“ Wenn ihr
euer Herz schon dem Gott im Menschen gegeben habt, dann bleibt euch nichts
mehr, was ihr Gott noch geben könnt. Als erstes sollte unser Herz ein Ganzes
und nicht in Stücke zerbrochen sein. Nur wenn es ganz ist, könnt ihr es
hergeben. Unser
Meister sagte einmal im Satsang: „wenn einer von euch wirklich sein Herz
hergeben kann, kommt er direkt in den Himmel!“ Ein Mann stand auf und sagte:
„Gut, ich gebe mein Herz.“ Der Meister fragte ihn: „Bist du Herr über dein
Herz?“ „Nein“, erwiderte der Mann. „wie kannst du es dann geben?“ sagte der
Meister. Ihr könnt nur etwas geben, dessen ihr Herr seid und was euch gehört.
Das Herz wird von den nach außen fließenden Energien hierhin, dorthin und
überallhin gezogen. Wie könnt ihr es hergeben, wenn es so zerstreut ist? Wir
beherrschen es nicht. Es wird in viele Richtungen gezogen. Ich
sprach also gerade von Liebe. Liebe ist die höchste Frucht eines Baumes. Wir
wünschen sie uns – wir wollen sie haben, aber es bleibt nur ein Wunsch. Das
Herz könnt ihr nur geben, wenn ihr es
von allen äußeren Dingen zurückzieht und Herr darüber seid. Es gibt Stufen, die
dahin führen. Doch wir stellen uns nur etwas vor: „Wir möchten gern, wir wollen
schon, wenn es doch so oder so ginge.“ Aber damit ist noch nichts getan. es
gibt Stufen dahin, und der erste Schritt ist: „Wenn ihr mich liebt, so haltet
meine Gebote.“ Was sind diese Gebote? „Liebt Gott von ganzem Herzen, von ganzer
Seele und mit all eurer Kraft.“ Hier finden wir das Wort ‚Herz‘. Also von
ganzem Herzen, nicht mit einem Herzen, das in Stücke geteilt und hierhin,
dorthin und überallhin zerstreut ist. Sorgt also zuerst dafür, daß es ganz ist.
Wir lieben Gott aus einem Wunsch heraus – man könnte sagen auf Grund von
Wunschdenken. Es beginnt also damit, daß ihr Seine Gebote haltet. Wenn zum
Beispiel im Westen ein Polizist das Haltezeichen gibt, dann bleiben auch die
Fußgänger stehen. Ich habe es selbst gesehen, als ich drüben war. Wenn der
Meister oder jemand, der ihr liebt, ‚Halt!‘ sagt, dann haltet da ein – geht
keinen Schritt weiter. Aber halten wir seine Gebote? Wir tun es nicht. Wo ist
dann unsere Liebe? Wir sehnen uns nach
Liebe, sie beschäftigt unser Wunschdenken, aber wir haben sie noch
nicht. Wir haben noch nicht einmal den Grundstein für das Gebäude der Liebe
gelegt. Der Bau beginnt erst, wenn ihr seine Gebote haltet. dann sagt der
Meister: „Nehmt euch regelmäßig Zeit für eure Meditation. Merzt all eure
Unvollkommenheiten tagtäglich aus.“ Wir sagen, wir haben keine Zeit, das
Tagebuch zu führen. Wir haben noch nicht einmal mit den Grundschritten
begonnen, von Liebe ganz zu schweigen. Weiterhin – wenn wir wollen, daß jemand
an uns denkt und uns liebt, dann sollten wir unsere Gedanken immer auf ihn
richten. Von einem gewissen Majnu, der Laila sehr liebte, wird erzählt, daß man
ihn eines Tages sah, wie er die Pfoten eines Hundes küßte. Die Leute fragten
ihn: „Was machst du da, bist du von Sinnen?“ „Nein, nein“, erwiderte er, „ich
habe beobachtet, wie dieser Hund manchmal in die Straße meiner geliebten Laila
lief.“ Wenn wir jemanden um des Meisters oder Gottes willen lieben, ist das ein
Zeichen dafür, daß die Liebe zu eurem Geliebten, zum Meister, wächst. das sind
die Grundsteine – aber denkt daran, Liebe ist es noch nicht! Liebe bedeutet das
Weggeben eures Herzens. Ihr habt nur eines und wenn ihr es jemanden gebt, was
bleibt dann übrig? Maulana Rumi sagt: „Wenn ihr euren Meister ein für alle mal
angenommen habt, dann sind auch Gott und sein Prophet in ihm.“ Deshalb verehren
wir Gott, wenn wir unser Herz einmal einem gegeben haben, in dem sich Gott
offenbart. Wie ich euch ganz zu Anfang sagte, ist Liebe die Frucht eines
Baumes. Wir beginnen erst mit Wunschdenken, wir möchten sie durch vergleichende
Studien oder das Lesen der Schriften entwickelt. Wen
sollten wir lieben? Die Seele sollte Gott lieben, denn eine bewußte Wesenheit
muß sich mit der Allbewußtheit verbinden. Das ist nur natürlich. Unsere Seele
ist den äußeren Dingen der Welt verhaftet, und daher kommen und gehen wir
dahin, wo wir gebunden sind. Jeder ist auf seine Weise überzeugt, daß er Gott
liebt. Wir sehen Gott nicht, aber er offenbart sich in einem menschlichen
Körper. Wenn wir sagen, daß wir ihn lieben, dann legen wir den Grundstein
dieser Liebe, wenn wir als erstes seine Gebote halten. Zweitens, wenn ihr
jemanden liebt, dann liebt ihr auch die, die zu ihm gehen. Wir kritisieren und
streiten manchmal – sogar mit jenen, die auf dem gleichen Weg sind wie wir. Wo
ist dann unsere Liebe zum Meister? das sind die Grundschritte, aber es gibt
noch weitere Stufen. Wenn eure Liebe zu Gott oder Gott im Menschen wächst (sie
sind ein und dasselbe), dann sehnt ihr euch natürlich nach ihm. Ihr könnt ihn
nicht vergessen. Ihr möchtet bei einem sein, der eine Erfahrung aus erster Hand
von ihm besitzt oder bei ihm war. Dann möchtet ihr Ihm gern nahe sein, so nahe
wie möglich. Wenn ihr nicht bei ihm seid, doch einen von ihm sprechen hört,
wird euer Herz voll und fließt durch die Augen über. das ist ein Zeichen dafür,
daß eure Liebe zu ihm wächst. Das sind die Blüten, die die Frucht ankündigen.
Vor dem Regen kommen Wolken. Ohne Wolken gibt es keinen Regen. Ohne Blüten
keine Frucht. Um also diese Liebe zu entwickeln, müssen wir zuerst seine Gebote
halten, zweitens alle Unvollkommenheiten ausmerzen und drittens für die
spirituellen Übungen Zeit einzusetzen. Ihr solltet auch die Gemeinschaft mit
einem suchen, der euch an euer Ideal erinnert. Meidet die Gesellschaft aller
anderen, durch die ihr euch an die Welt bindet oder ihn vergeßt. Wenn ihr nicht
in der Gemeinschaft jener sein könnt, die euch helfen, an ihn zu denken, dann
lebt besser allein. Lebt mit den Meistern, die durch Bücher und Schriften zu
euch sprechen. Dann wird es euch besser gehen. Einweiteres Zeichen dafür, daß
ihr ihm in eurer Liebe näher kommt, ist das Gefühl der Trennung von ihm. Ihr
werdet euch sehnen, ihn zu sehen. Wenn ihr von ihm hört, wird euer Herz voll
und die Tränen laufen euch über die Wangen. Das sind die Zeichen, die euch
zeigen, daß die Frucht heranreift. Diese Dinge sind die Blüten. Wenn
schließlich die Frucht kommt, lebt ihr für den Meister und der Meister für
euch. Das sind die Schritte auf dem Weg; und wir müssen nun prüfen, wo wir
stehen. Wir
sollten auf nichts hören, was nicht den Schriften entspricht, was nicht in
Einklang mit dem ist, was Gott sagen würde – auch wenn ständig dafür geworben
wird. Versteht ihr mich? Wir sagen, wir lieben Gott, wir lieben unseren
Meister. Das ist in Ordnung; wie aber läßt sich das erkennen? Wie fängt es an?
Liebe heißt, euer Herz ein für allemal hinzugeben. Es kann nicht wieder
zurückgenommen und einem anderen werden. Wir können unser Herz nur dann geben,
wenn wir seiner Herr sind – anders nicht. Sonst können wir es nur wünschen. Ich
würde sagen, das ist etwas ganz Praktisches, durch das wir uns hindurcharbeiten
müssen. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Liebe entwickelt sich in direkter
Gemeinschaft mit dem Meister oder indirekt, wenn ihr empfänglich werdet – auch
über Tausende von Kilometern hinweg. Die Zeit wird kommen, wo ihr sagt: „Wer
lebt in diesem Körper? Bin ich das?“ Ihr werdet euch selbst vergessen – ihr
werdet den Meister im Innern sehen. Wenn ihr die Hände faltet, werden es die
Hände des Meisters sein, nicht eure. Liebe ist die nächste Frucht am Ziel.
Deshalb hat Paulus gesagt: „Gott ist Liebe und Liebe ist Gott.“ Wir sind der
Frage ‚Was ist Liebe?‘ noch nicht auf den Grund gegangen. Alle sprechen von
Liebe, aber wo steht ihr tatsächlich? Wenn einer sagt, er liebt Gott, aber
seinen Bruder haßt, dann ist das keine Liebe. Ich glaube, Christus hat einmal
gesagt, wenn ihr nicht eure Brüder liebt, wie könnt ihr dann Gott lieben, den
ihr nicht seht? Wenn ihr nicht jene liebt, die ihr seht, wie könnt ihr dann Ihn
lieben, den ihr nicht seht? Versteht ihr das? Darauf können wir achten. Jeder
kann sich prüfen und dann selbst entscheiden. Ich weiß, was ich selbst nach
diesem Leben machen werde. Das kann jeder wissen – er braucht sich nur nach
innen zu wenden. Er kann sich selbst erforschen und wie ein strenger Richter
sehen, wo er steht. Können wir es wagen, zu sagen: „Ich liebe meinen Meister.
Ich liebe meinen Gott?“ Dieses Ideal wird überall gut aufgenommen – zu Hause,
in jeder Gesellschaft, in jedem Land – überall auf der Welt. Diese
verschiedene Seiten der Liebe will ich euch erklären. Gestern habe ich euch
eine, vorgestern eine andere und heute wieder eine andere Seite gezeigt. Prüft
also von heute an, wo ihr steht. Liebt ihr Gott wirklich? Seid ihr wirklich auf
dem Weg? Wenn ja, dann ist es gut. das könnt ihr besser an euren Taten prüfen,
nicht an den Worten. Wie ich euch sagte, fängt das ABC mit dem Befolgen seiner
Gebote an. Das sind die Zeichen dafür, daß ihr beginnt, Gott oder den Meister
zu lieben. Alles fängt mit dem Befolgen seiner Gebote an. „Wenn ihr mich liebt,
haltet meine Gebote“, hat Christus gesagt. Eure Liebe zeigt sich wirklich erst
im Dienst am anderen. Wer Gott liebt, aber seine Brüder und andere Geschöpfe
Gottes haßt – wie kann er Gott wirklich lieben? das ist ein bloßes
Lippenbekenntnis. Geht der Sache auf den Grund und findet heraus, wo ihr steht.
Einander zu lieben, sich selbst für den anderen zu opfern – das wären erste
Zeichen. Ihr solltet alle lieben, die zu euch kommen – ob sie Schüler sind oder
nicht. So beginnt ihr in die Liebe hineinzuwachsen. Nur darüber nachzudenken
nützt nichts. Ihr müßt es in die Praxis umsetzen. Ihr müßt danach leben. Manche
glauben, daß sie einen Himmel für sich errichten, indem sie dem Meister dienen,
aber ihr könnt den Himmel hier auf der Stelle verwirklichen, wenn ihr
bescheiden, einfach und liebevoll zu Füßen des Meisters lebt. Kabir sagte
einst: „Ich ging zum Hause meines Vaters und sah, daß er nicht da war. Ich
erkannte, daß er mit den Heiligen hier auf Erden lebt.“ Ihr könnt den Himmel
auf Erden verwirklichen. Das ist mit ‚Dein Reich komme auf Erden‘ gemeint. Es
kann nur kommen, wenn ihr so lebt. Nun entscheidet, wo ihr steht, indem ihr
euer Herz erforscht. Redereien nützen nichts, ihr müßt es durch Taten beweisen.
Das sind feine Einzelheiten, die nicht in Büchern stehen. Viele Dinge werden
erst durch die Aufmerksamkeit übermittelt. Die Worte, die mit voller
Aufmerksamkeit gesprochen werden, dringen in unser Herz. Ein lebendiges Buch
wird euch helfen, und der Meister ist ein lebendiges Buch. Die Auserwählten
sind begünstigt. Sie sollten sich dessen würdig erweisen. Ihr würdet doch nicht
den Himmel zu Füßen des Meisters verlassen wollen, um in einen anderen Himmel
zu gehen? Gott wohnt in der Gemeinschaft eines Heiligen. |