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Was ist Liebe?

 

Was ist Liebe? Jeder sagt: ich liebe Gott, ich liebe den Meister. Aber was ist Liebe? Liebe ist die Frucht eines Baumes. Sie ist das höchste Ziel, das sich in uns entwickelt und heranwächst. Wir sollten Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all unserer Kraft. Habt ihr ein Herz oder zwei? Ihr habt nur eins, und ihr könnt es nur einem geben, den ihr liebt. Was bleibt euch, wenn ihr euer Herz jemandem gebt? Ihr werdet denken, wie er denkt und nicht mehr auf eure Weise. Das ist das höchste Ziel. Lord Krishna sagte: „O mein Schüler, du hast nur ein Herz, und das hat Lord Krishna weggenommen.“ Wenn ihr euer Herz schon dem Gott im Menschen gegeben habt, dann bleibt euch nichts mehr, was ihr Gott noch geben könnt. Als erstes sollte unser Herz ein Ganzes und nicht in Stücke zerbrochen sein. Nur wenn es ganz ist, könnt ihr es hergeben.

Unser Meister sagte einmal im Satsang: „wenn einer von euch wirklich sein Herz hergeben kann, kommt er direkt in den Himmel!“ Ein Mann stand auf und sagte: „Gut, ich gebe mein Herz.“ Der Meister fragte ihn: „Bist du Herr über dein Herz?“ „Nein“, erwiderte der Mann. „wie kannst du es dann geben?“ sagte der Meister. Ihr könnt nur etwas geben, dessen ihr Herr seid und was euch gehört. Das Herz wird von den nach außen fließenden Energien hierhin, dorthin und überallhin gezogen. Wie könnt ihr es hergeben, wenn es so zerstreut ist? Wir beherrschen es nicht. Es wird in viele Richtungen gezogen.

Ich sprach also gerade von Liebe. Liebe ist die höchste Frucht eines Baumes. Wir wünschen sie uns – wir wollen sie haben, aber es bleibt nur ein Wunsch. Das Herz könnt ihr nur geben, wenn ihr  es von allen äußeren Dingen zurückzieht und Herr darüber seid. Es gibt Stufen, die dahin führen. Doch wir stellen uns nur etwas vor: „Wir möchten gern, wir wollen schon, wenn es doch so oder so ginge.“ Aber damit ist noch nichts getan. es gibt Stufen dahin, und der erste Schritt ist: „Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote.“ Was sind diese Gebote? „Liebt Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all eurer Kraft.“ Hier finden wir das Wort ‚Herz‘. Also von ganzem Herzen, nicht mit einem Herzen, das in Stücke geteilt und hierhin, dorthin und überallhin zerstreut ist. Sorgt also zuerst dafür, daß es ganz ist. Wir lieben Gott aus einem Wunsch heraus – man könnte sagen auf Grund von Wunschdenken. Es beginnt also damit, daß ihr Seine Gebote haltet. Wenn zum Beispiel im Westen ein Polizist das Haltezeichen gibt, dann bleiben auch die Fußgänger stehen. Ich habe es selbst gesehen, als ich drüben war. Wenn der Meister oder jemand, der ihr liebt, ‚Halt!‘ sagt, dann haltet da ein – geht keinen Schritt weiter. Aber halten wir seine Gebote? Wir tun es nicht. Wo ist dann unsere Liebe? Wir sehnen uns nach  Liebe, sie beschäftigt unser Wunschdenken, aber wir haben sie noch nicht. Wir haben noch nicht einmal den Grundstein für das Gebäude der Liebe gelegt. Der Bau beginnt erst, wenn ihr seine Gebote haltet. dann sagt der Meister: „Nehmt euch regelmäßig Zeit für eure Meditation. Merzt all eure Unvollkommenheiten tagtäglich aus.“ Wir sagen, wir haben keine Zeit, das Tagebuch zu führen. Wir haben noch nicht einmal mit den Grundschritten begonnen, von Liebe ganz zu schweigen. Weiterhin – wenn wir wollen, daß jemand an uns denkt und uns liebt, dann sollten wir unsere Gedanken immer auf ihn richten. Von einem gewissen Majnu, der Laila sehr liebte, wird erzählt, daß man ihn eines Tages sah, wie er die Pfoten eines Hundes küßte. Die Leute fragten ihn: „Was machst du da, bist du von Sinnen?“ „Nein, nein“, erwiderte er, „ich habe beobachtet, wie dieser Hund manchmal in die Straße meiner geliebten Laila lief.“ Wenn wir jemanden um des Meisters oder Gottes willen lieben, ist das ein Zeichen dafür, daß die Liebe zu eurem Geliebten, zum Meister, wächst. das sind die Grundsteine – aber denkt daran, Liebe ist es noch nicht! Liebe bedeutet das Weggeben eures Herzens. Ihr habt nur eines und wenn ihr es jemanden gebt, was bleibt dann übrig? Maulana Rumi sagt: „Wenn ihr euren Meister ein für alle mal angenommen habt, dann sind auch Gott und sein Prophet in ihm.“ Deshalb verehren wir Gott, wenn wir unser Herz einmal einem gegeben haben, in dem sich Gott offenbart. Wie ich euch ganz zu Anfang sagte, ist Liebe die Frucht eines Baumes. Wir beginnen erst mit Wunschdenken, wir möchten sie durch vergleichende Studien oder das Lesen der Schriften entwickelt.

Wen sollten wir lieben? Die Seele sollte Gott lieben, denn eine bewußte Wesenheit muß sich mit der Allbewußtheit verbinden. Das ist nur natürlich. Unsere Seele ist den äußeren Dingen der Welt verhaftet, und daher kommen und gehen wir dahin, wo wir gebunden sind. Jeder ist auf seine Weise überzeugt, daß er Gott liebt. Wir sehen Gott nicht, aber er offenbart sich in einem menschlichen Körper. Wenn wir sagen, daß wir ihn lieben, dann legen wir den Grundstein dieser Liebe, wenn wir als erstes seine Gebote halten. Zweitens, wenn ihr jemanden liebt, dann liebt ihr auch die, die zu ihm gehen. Wir kritisieren und streiten manchmal – sogar mit jenen, die auf dem gleichen Weg sind wie wir. Wo ist dann unsere Liebe zum Meister? das sind die Grundschritte, aber es gibt noch weitere Stufen. Wenn eure Liebe zu Gott oder Gott im Menschen wächst (sie sind ein und dasselbe), dann sehnt ihr euch natürlich nach ihm. Ihr könnt ihn nicht vergessen. Ihr möchtet bei einem sein, der eine Erfahrung aus erster Hand von ihm besitzt oder bei ihm war. Dann möchtet ihr Ihm gern nahe sein, so nahe wie möglich. Wenn ihr nicht bei ihm seid, doch einen von ihm sprechen hört, wird euer Herz voll und fließt durch die Augen über. das ist ein Zeichen dafür, daß eure Liebe zu ihm wächst. Das sind die Blüten, die die Frucht ankündigen. Vor dem Regen kommen Wolken. Ohne Wolken gibt es keinen Regen. Ohne Blüten keine Frucht. Um also diese Liebe zu entwickeln, müssen wir zuerst seine Gebote halten, zweitens alle Unvollkommenheiten ausmerzen und drittens für die spirituellen Übungen Zeit einzusetzen. Ihr solltet auch die Gemeinschaft mit einem suchen, der euch an euer Ideal erinnert. Meidet die Gesellschaft aller anderen, durch die ihr euch an die Welt bindet oder ihn vergeßt. Wenn ihr nicht in der Gemeinschaft jener sein könnt, die euch helfen, an ihn zu denken, dann lebt besser allein. Lebt mit den Meistern, die durch Bücher und Schriften zu euch sprechen. Dann wird es euch besser gehen. Einweiteres Zeichen dafür, daß ihr ihm in eurer Liebe näher kommt, ist das Gefühl der Trennung von ihm. Ihr werdet euch sehnen, ihn zu sehen. Wenn ihr von ihm hört, wird euer Herz voll und die Tränen laufen euch über die Wangen. Das sind die Zeichen, die euch zeigen, daß die Frucht heranreift. Diese Dinge sind die Blüten. Wenn schließlich die Frucht kommt, lebt ihr für den Meister und der Meister für euch. Das sind die Schritte auf dem Weg; und wir müssen nun prüfen, wo wir stehen.

Wir sollten auf nichts hören, was nicht den Schriften entspricht, was nicht in Einklang mit dem ist, was Gott sagen würde – auch wenn ständig dafür geworben wird. Versteht ihr mich? Wir sagen, wir lieben Gott, wir lieben unseren Meister. Das ist in Ordnung; wie aber läßt sich das erkennen? Wie fängt es an? Liebe heißt, euer Herz ein für allemal hinzugeben. Es kann nicht wieder zurückgenommen und einem anderen werden. Wir können unser Herz nur dann geben, wenn wir seiner Herr sind – anders nicht. Sonst können wir es nur wünschen. Ich würde sagen, das ist etwas ganz Praktisches, durch das wir uns hindurcharbeiten müssen. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Liebe entwickelt sich in direkter Gemeinschaft mit dem Meister oder indirekt, wenn ihr empfänglich werdet – auch über Tausende von Kilometern hinweg. Die Zeit wird kommen, wo ihr sagt: „Wer lebt in diesem Körper? Bin ich das?“ Ihr werdet euch selbst vergessen – ihr werdet den Meister im Innern sehen. Wenn ihr die Hände faltet, werden es die Hände des Meisters sein, nicht eure. Liebe ist die nächste Frucht am Ziel. Deshalb hat Paulus gesagt: „Gott ist Liebe und Liebe ist Gott.“ Wir sind der Frage ‚Was ist Liebe?‘ noch nicht auf den Grund gegangen. Alle sprechen von Liebe, aber wo steht ihr tatsächlich? Wenn einer sagt, er liebt Gott, aber seinen Bruder haßt, dann ist das keine Liebe. Ich glaube, Christus hat einmal gesagt, wenn ihr nicht eure Brüder liebt, wie könnt ihr dann Gott lieben, den ihr nicht seht? Wenn ihr nicht jene liebt, die ihr seht, wie könnt ihr dann Ihn lieben, den ihr nicht seht? Versteht ihr das? Darauf können wir achten. Jeder kann sich prüfen und dann selbst entscheiden. Ich weiß, was ich selbst nach diesem Leben machen werde. Das kann jeder wissen – er braucht sich nur nach innen zu wenden. Er kann sich selbst erforschen und wie ein strenger Richter sehen, wo er steht. Können wir es wagen, zu sagen: „Ich liebe meinen Meister. Ich liebe meinen Gott?“ Dieses Ideal wird überall gut aufgenommen – zu Hause, in jeder Gesellschaft, in jedem Land – überall auf der Welt.

Diese verschiedene Seiten der Liebe will ich euch erklären. Gestern habe ich euch eine, vorgestern eine andere und heute wieder eine andere Seite gezeigt. Prüft also von heute an, wo ihr steht. Liebt ihr Gott wirklich? Seid ihr wirklich auf dem Weg? Wenn ja, dann ist es gut. das könnt ihr besser an euren Taten prüfen, nicht an den Worten. Wie ich euch sagte, fängt das ABC mit dem Befolgen seiner Gebote an. Das sind die Zeichen dafür, daß ihr beginnt, Gott oder den Meister zu lieben. Alles fängt mit dem Befolgen seiner Gebote an. „Wenn ihr mich liebt, haltet meine Gebote“, hat Christus gesagt. Eure Liebe zeigt sich wirklich erst im Dienst am anderen. Wer Gott liebt, aber seine Brüder und andere Geschöpfe Gottes haßt – wie kann er Gott wirklich lieben? das ist ein bloßes Lippenbekenntnis. Geht der Sache auf den Grund und findet heraus, wo ihr steht. Einander zu lieben, sich selbst für den anderen zu opfern – das wären erste Zeichen. Ihr solltet alle lieben, die zu euch kommen – ob sie Schüler sind oder nicht. So beginnt ihr in die Liebe hineinzuwachsen. Nur darüber nachzudenken nützt nichts. Ihr müßt es in die Praxis umsetzen. Ihr müßt danach leben. Manche glauben, daß sie einen Himmel für sich errichten, indem sie dem Meister dienen, aber ihr könnt den Himmel hier auf der Stelle verwirklichen, wenn ihr bescheiden, einfach und liebevoll zu Füßen des Meisters lebt. Kabir sagte einst: „Ich ging zum Hause meines Vaters und sah, daß er nicht da war. Ich erkannte, daß er mit den Heiligen hier auf Erden lebt.“ Ihr könnt den Himmel auf Erden verwirklichen. Das ist mit ‚Dein Reich komme auf Erden‘ gemeint. Es kann nur kommen, wenn ihr so lebt. Nun entscheidet, wo ihr steht, indem ihr euer Herz erforscht. Redereien nützen nichts, ihr müßt es durch Taten beweisen. Das sind feine Einzelheiten, die nicht in Büchern stehen. Viele Dinge werden erst durch die Aufmerksamkeit übermittelt. Die Worte, die mit voller Aufmerksamkeit gesprochen werden, dringen in unser Herz. Ein lebendiges Buch wird euch helfen, und der Meister ist ein lebendiges Buch. Die Auserwählten sind begünstigt. Sie sollten sich dessen würdig erweisen. Ihr würdet doch nicht den Himmel zu Füßen des Meisters verlassen wollen, um in einen anderen Himmel zu gehen? Gott wohnt in der Gemeinschaft eines Heiligen.

 

 


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