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Wie man Liebe zu Gott entwickelt

 

Wir möchten einem begegnen, der uns etwas über den berichten kann, den wir gerne kennenlernen würden. Wenn wir seine Worte dann hören, wird unsere Aufmerksamkeit in jene Richtung gelenkt. Selbst wenn wir nur an ihn denken, von dem wir gehört haben, wird in uns natürlich der immer stärker werdende Wunsch entstehen, zu ihm zu gehen. Ihr möchtet gern in dem Land sein, in dem er lebt. Wenn ihr in dieses Land kommt, möchtet ihr in die Stadt gehen, in der er wohnt. Kommt ihr in diese Stadt, so werdet ihr nirgendwo stehenbleiben, sondern direkt zu seinem Haus gehen. Das ist natürlich.

Der menschliche Körper ist für alle, die ihn erhalten haben, die günstige Gelegenheit, um darin zu ihrem Vater zurückzukehren, aber erst einmal müssen wir etwas über den Vater wissen. In den Schriften lesen wir von den Heiligen, die den Meister gefunden und den Meister gesehen haben, in dem das Wort Fleisch ward und unter uns wohnte. Er wird euch von seinen eigenen Ersthanderfahrungen mit Gott erzählen. Das läßt eure Sehnsucht natürlich so sehr anwachsen, daß auch ihr ihn sehen und die gleiche Gotteserfahrung wie der Meister machen möchtet. Wenn wir also die Schriften über jene Meister lesen, die selbst eine unmittelbare Gotteserfahrung hatten, wird unsere Aufmerksamkeit in die gleiche Richtung gelenkt. Was sollen nun all unsere verschiedenen Übungen, wie das Lesen der Schriften und das Beten um dieses und jenes bezwecken? Daß sich unser Herzen mit liebevollem Denken an ihn erfüllen. Gott ist Liebe. Unsere Seele ist vom gleichen Wesen wie Gott – sie ist auch Liebe. Liebe kennt Bindung. Wir sind bewußte Wesen und unsere Liebe sollte einem vollkommen bewußten Wesen gelten. Statt dessen hat sie sich an den grobstofflichen Körper und die Außenwelt gehängt und wird daher Verhaftetsein genannt. Wir erden immer wieder in die Welt kommen, wo wir gebunden sind.

Der menschliche Körper, den wir bekamen, ist die günstige Gelegenheit, um unsere Liebe zur Welt zu Gott umzuwandeln. Kabir sagt, wenn wir das unser ganzes Leben vernachlässigt haben, dann sollten wir jetzt aufwachen und unsere Aufmerksamkeit weg von der Welt und zu Gott hin lenken. Wie können wir das erreichen? Als erstes lesen wir die heiligen Schriften, in denen frühere Meister über Gott sprechen. Wir hören von Gott, wir erfahren etwas über ihn von früheren Meistern, die durch ihre Bücher zu uns sprechen. Das bringt ein Verlangen nach ihm bevor, das immer stärker wird, bis wir die Trennung empfinden. Das liebevolle Denken an ihn rührt unser Herz natürlich, bis wir schließlich Tränen vergießen.

Was allein sollen nun all die äußeren Übungen, wie das Lesen der Schriften, bewirken? daß sich die Sehnsucht nach Gott und die Liebe zu ihm in euch entwickelt. Was ist das Kennzeichen der Liebe zu Gott? Wen ihr liebt, den tragt ihr immer im Herzen. Ihr vergeßt ihn nie. Was müßt ihr also tun, wenn ihr Gott lieben wollt? Ihr solltet jeden Augenblick eures Lebens an ihn denken und ihn nie vergessen. Wenn ihr jemanden liebt, ist euer Herz natürlich von ständigen Denken an ihn erfüllt. Ihr wollt diesen Menschen lieben; und wenn ihr ständig an ihn denkt und ihn in eurem Herzen bewahrt, wird sich ganz natürlich Liebe daraus entwickeln.

In diesem menschlichen Körper könnt ihr sehen, was ihr  tut und wie weit ihr euch entwickelt habt. Es ist gut, etwas über Gott zu hören, die heiligen Schriften zu lesen oder einem zu begegnen, in dessen Gesellschaft sich das liebevolle Denken an Gott vertieft. am besten jedoch – sogar noch besser als Schriften zu lesen – ist es, euch einfach in die Gemeinschaft von einem zu begeben, der von Liebe zu Gott überfließt. Durch seine Ausstrahlung wird sie auf euch übertragen. Wenn ihr zu jemandem geht, der Parfüm verkauft, wird euch, auch wenn er euch nichts verkauft, durch die Atmosphäre der Duft anhaften. Und wenn er euch ein Fläschchen Duftwasser gibt...? Ihr habt den menschlichen Körper erhalten: er ist der Ort, von dem aus ihr zum Vater zurückkehren könnt. Doch ihr könnt erst zurückkehren, wenn ihr das liebevolle Denken an Gott entwickelt. Dies vermögt ihr, wie ich euch schon sagte, einmal dadurch, daß ihr die heiligen Schriften lest und bestimmte Rituale durchführt. Aber vollen Erfolg werdet ihr erst dann haben, wenn ihr zudem einen findet, der von Liebe und Ergebenheit zu Gott überfließt. Die Gemeinschaft mit einem solchen Menschen wird Satsang genannt. Er ist das Sprachrohr Gottes. Er kann euer inneres Auge öffnen, damit ihr das Licht Gottes seht. Wahre Liebe entsteht erst, wenn ihr ihn seht. Bis ihr ihn selbst seht, müßt ihr in der Gemeinschaft von einem sein, der das fleischgewordene Wort ist. Das kommt zuerst und geht Gott voran. Der beste Weg, die Liebe zu entwickeln, ist also, sich mit einem zu verbinden, dessen Liebe zu Gott überfließt.

Die Meister sagen, daß ihr den menschlichen Körper erhalten habt, der die höchste Stufe der ganzen Schöpfung ist und in dem ihr eure Liebe von der Welt weg und Gott zuwenden könnt. Wir müssen prüfen, wie weit wir uns entwickelt haben. Lieben wir Gott wirklich? Wenn ja, wird er euch ganz sicher begegnen. Wenn aber das Innerste eures Herzens von Liebe zur Welt erfüllt ist, was man Verhaftetsein nennt, werdet ihr immer hierher zurückkehren – das ist alles. Wir müssen Liebe zu Gott entwickeln. Da bleibt nur die eine Frage: wo sind wir augenblicklich gebunden? Wenn wir am physischen Körper und unserer Umwelt hängen, werden wir immer wieder zurückkommen. Wenn wir aber wirklich Liebe für Gott entwickeln – wohin werden wir dann gehen? Zu Gott natürlich. Wir können nicht einfach für einen Liebe empfinden, aber wir können liebevoll an ihn denken; und das können wir entwickeln. Wir können nicht wahre Liebe zu Gott empfinden, solange wir ihn nicht sehen. Um Gott zu sehen, brauchen wir einen, der unser inneres Auge öffnen kann, damit wir das Licht Gottes sehen und der das innere Ohr öffnet, damit wir die Stimme Gottes hören. Der menschliche Körper ist die einzige Gelegenheit, um das zu tun; und wir leben glücklicherweise so viele Jahre in ihm. Wir haben uns irgendeiner Glaubensrichtung angeschlossen und auch einiges getan, aber wie weit haben wir uns entwickelt? Dem Regen gehen Wolken voraus. Ohne Wolken gibt es keinen Regen. Wenn ein Obstbaum blüht, erhoffen wir Früchte. Ohne Blüten können wir keine Früchte erhoffen. Blüten und Regenwolken sind die Verboten von Frucht und regen. Ähnlich wird euer Herz voll, wenn ihr die Trennung von Gott empfindet und nach ihm weint. Eure Tränen werden unaufhörlich fließen. Das ist ein Zeichen, daß ihr Gott näher kommt. Gott kommt zu euch.

Ein mohammedanischer Heiliger wurde gefragt, ob er zuerst Gott sähe und dann bete oder ob Gott nach seinen Gebeten komme. Er sagte: „Gott kommt zuerst, dann bete ich.“ Man fragte ihn, wie er wüßte, ob Gott da sei. Er sagte: „Wenn mein Herz voll wird, beginnen meine Augen Tränen zu vergießen. Ich denke dann, daß er gekommen ist und mich von innen her zu sich zieht – und dann bete ich.“

Das ist also der Verbote vom Kommen Gottes. Und jetzt schaut euch euer Leben daraufhin an und seht, wo ihr steht. Denkt ihr stets liebevoll an Gott? Das Verlangen nach ihm sollte euch so schmerzen, wie die Verletzung durch einen Dolch schmerzt. Wenn wir das nicht entwickelt haben, stehen wir nirgends. Wir vergeuden unser menschliches Leben. Bleibt in der Gemeinschaft, in der ihr gerade seid – das macht keinen Unterschied. Wir sind dorthin gestellt. Nur aus Liebe zu Gott habt ihr euch den verschiedenen Glaubensrichtungen angeschlossen. Wenn ihr Gott von Herzen liebt, haben all euer Lesen der Schriften und eure äußeren Übungen Frucht getragen. Wenn ihr alles gelesen und auswendig gelernt habt und doch kein funken Liebe zu Gott in eurem Herzen ist, dann war es umsonst. Vergeßt dann besser alles wieder!

Die Hauptsache ist also, Gott zu lieben. Das Kennzeichen der Liebe zu Gott ist das liebevolle Denken an ihn. Ihr vergeßt ihn nie mehr – ganz gleich, ob ihr eßt, schläft, kommt oder geht. Wenn ihr das entwickelt habt, werdet ihr natürlich zu Gott gelangen. Forscht daher tief in eurem Herzen und seht, wo ihr steht. Liebe läßt sich durch Lesen von Schriften und äußere Übungen entwickeln. am besten aber ist es, einen zu finden, dessen Liebe zu Gott überfließt. In der Gemeinschaft mit ihm erlangt ihr diese Liebe durch seine Ausstrahlung. Ich nannte euch als Beispiel den Parfümverkäufer. Auch wenn er euch nichts gibt, erfreut ihr euch an dem süßen Duft des Parfüms. Doch wenn er euch ein Fläschchen Duftwasser gibt, dann...? Ihr könnt dies sogar erhalten, wenn ihr Tausende von Kilometern entfernt sitzt – ihr braucht nur eure Aufmerksamkeit auf den Meister zu richten. Kabir sagt: „Wenn euer Meister jenseits des Meeres lebt und ihr diesseits, wendet ihm einfach eure Aufmerksamkeit zu.“ Durch Radio und Fernsehen könnt ihr jemandes Stimme hören und sein Gesicht sehen. Ähnlich könnt ihr den Meister, der das Fleisch gewordene Wort ist, über Tausende von Kilometern hinweg sehen und hören. Das ist das Kennzeichen; entscheidet nun, wo ihr steht. Denkt ihr immer an Gott – vergeßt ihr ihn niemals? Spürt ihr einen Schmerz in eurem Herzen? Ist euer Herz übervoll und fließen die Tränen? das sind die Zeichen, die zeigen, daß ihr Gott liebt. ein Mensch, der solche Liebe in sich hat, kann nicht sprechen. Die Sprache der Liebe kennt keine Worte. Nur die Tränen in seinen Augen zeigen uns diese Liebe. Das also müssen wir in unserem Leben entwickeln. Wir haben diesen menschlichen Körper schon so viele Jahre lang. Der größte teil unseres Lebens ist schon vorbei. In der kurzen Zeit, die uns noch verbleibt, sollten wir uns beeilen und diese Liebe so bald wie möglich entwickeln, so daß diese Leidenschaft für Gott in uns vorherrscht. Dann brauchen wir natürlich nicht mehr in die Welt zurückkehren. Werden wir dann in die Welt gesandt, so nicht als Gefangene, sondern als Ärzte.

Das heutige Thema ist also ganz klar: wir müssen Liebe zu Gott entwickeln. Alles, was ihr tut, sollte ihm gewidmet sein. Die Gemeinschaft mit jenen, deren Liebe zu Gott überfließt, und das liebevolle Denken an sie geben uns dabei einen Auftrieb. Alles Lesen von Schriften und alle Rituale oder äußeren Übungen tragen nur dann Frucht, wenn sich euer Herz mit liebevollem Denken an Gott erfüllt und die Tränen zu fließen beginnen. Ich denke, ihr könnt jetzt besser beurteilen, wo ihr steht. Jeden Tag erhaltet ihr etwas. Wir sollten es in unserem Herzen bewahren und sehen, wo wir stehen. Wenn wir diese Liebe haben, schön und gut – wir sollten Gott dafür danken. Wenn nicht, dann beeilt euch. Betet zu Gott, daß er diese Liebe zu ihm in euch entwickeln möge. Oder sucht die Gemeinschaft jener, die euch helfen, sie in euch zu entwickeln.

 

 

 


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