8 Was wahre Liebe
ist – II
Liebe ist unseren Seelen eingeboren. Gott ist Liebe
und unsere Seelen sind ihm wesentlich. Liebe ist Bindung an jemanden. Wir sind
bewußte Wesen, unsere Seelen sind bewußte Wesenheiten. Unsere Seele sollte an
die Überseele gebunden sein, die ganz und gar bewußt ist. Statt dessen hängt
sie an der Welt. Das ist der Grund, warum wir immer wieder zurückgekehrt sind.
Sie hätte sich Gott oder dem Gott im Menschen zuwenden sollen. Wenn unsere
Seele an ihm hängt, werden wir dahin gehen, wo er hingeht. Er braucht nicht auf
die Erde zurückkehren – weshalb dann wir? was ist also Liebe? Liebe ist die Eigenschaft der
Seele. Sie ist unseren Seelen bereits eingepflanzt, eingeboren. Sie braucht
immer eine Bindung und wirkt Leben- spendend für den Menschen. Genau wie Wasser
einem Fisch das Leben gibt. Wenn man einen Fisch aus dem Wasser nimmt, dann
stirbt er. Es gibt auch eine bestimmt Pflanze, die im Wasser wächst. Je mehr
Wasser sie bekommt, desto mehr wächst sie. Gleicherweise erfreuen sich jene
Seelen, die mit der Liebe Gottes beschenkt wurden, dieser Liebe, die für sie
wie ein lebenspendendes Wasser ist. Sie ist das Wasser des Lebens für die
Seele. Ein Mensch, der sich wirklich von der Welt gelöst hat, wird nicht von
ihr beeinflußt. Wirkliche Entsagung bedeutet eigentlich, nicht mehr an die Welt
oder an irgend etwas Äußeres gebunden zu sein. Ein Mensch, der innerlich liebt,
Gott liebt, ist so sehr an ihn gebunden, daß alles andere aus seinem Denken
weicht; nichts sonst zieht ihn mehr an. Wenn zum Beispiel so ein Mensch hier
sitzt, können Hunderte von Leuten um ihn herum sein – doch er wird einzig und
allein in den Meister vertieft sein. Das kann nur Liebe. Liebe heißt auch
Opfern. Die Meister sagen, wer das Spiel der Liebe spielen will, sollte mit dem
Kopf als Gabe in den Händen kommen. Und selbst dann würde er kein Wort darüber
verlieren. Gott kennt die tatsächliche Neigung unseres Gemüts und was sich
darin abspielt. Ich weise damit auf eine Tatsache hin. Was will ein Liebender? Er will immer den Meister
sehen. Er liebt alles vom Meister. Ich erzählte gerade von einem Mann, der vor
einigen Jahren zu einer Friedenskonferenz hierher kam. Er war Minister in Korea
und kam in den Ashram und wurde initiiert. Er war so berauscht, daß er alle
Mauern und Bäume des Ashrams umarmt. Er sagte immer, sie wären so schön, so
liebenswert. Warum? Wegen des Meisters natürlich Liebe macht alles schön; das
ist nur natürlich. Ein anderes mal rief mich ein Mann aus Amerika an. „nun, was
möchtest du?“ fragte ich ihn. „Ich möchte nur deine Stimme hören, sonst nichts.
Sprich einfach über irgend etwas“, erwiderte er. Ich sagte: „Was willst du? Sag
es mir.“ „Nein, nein, ich möchte nur deine Stimme hören.“ Er machte ungefähr
eine Stunde lang so weiter. Er wollte nur meine Stimme hören. Wißt ihr, wieviel
ihn dieses Telefonat gekostet haben muß? Ich glaube nicht weniger als ... ein
normales Gespräch kostet mindestens dreißig oder vierzig Rupien, nur für ein
paar Worte. Dann waren es zumindest 200 Dollar oder noch mehr. das ist nur natürlich. Wenn einer liebt, wird er
alles schön finden. In Indien gibt es die Geschichte eines Mannes namens Majnu,
der sehr in Laila verliebt war. eines Tages sah er einen Hund und begann, seine
Pfoten zu küssen und ihn zu umarmen. Die Leute fragten ihn: „Was machst du denn
da?“ „Oh, ich sah diesen Hund den weg gehen, wo meine geliebte Laila wohnt“,
antwortete er. Das ist Liebe – das ist nur natürlich. So heißt es auch, daß die Augen, die den Meister
nicht sehen, herausgerissen werden sollten, und die Ohren, die des Geliebten
Stimme nicht hören, besser taub wären. Gesegnet ist das Haupt, das sich zu
Füßen des Geliebten niederbeugt. Guru Nanak und Shamas Tabrez sagten, daß die
Arme, die den Meister nicht umarmen, gebrochen werden sollten. Das vermag nur Liebe.
Was will ein Liebender? Natürlich dem Meister nahe sein – Gott in ihm
natürlich. Er möchte jedes Wort hören, das der Meister spricht. Er wird es um
jeden Preis befolgen. „Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote.“ Ich würde
sagen, das ergibt sich ganz natürlich. Wer liebt, wird das tun, was der Meister
sagt, ob er in des Meisters Gegenwart oder fern von ihm ist. Der Meister ist
das verkörperte Wort. Auch wenn der Schüler tausende von Kilometern entfernt
ist, achtet der Meister dennoch auf ihn, denn er ist das offenbarte Wort.
Manchmal offenbart sich der Meister auch körperlich. Erfüllt also die Wünsche
des Geliebten. Das vermag nur Liebe. Und was kostet sie? Sie kostet nichts. Ihr
braucht nur eure Aufmerksamkeit auf den Geliebten richten. Alles andere wird
sich ganz natürlich ergeben. Wieder taucht die Frage auf: „Was ist Liebe? Wo ist
sie zu finden? Was erfordert sie? wie kann sie entwickelt werden?“ Das habe ich
gestern erklärt. Wenn ihr jemanden liebt, ist er immer in euren Gedanken. Wenn
ihr immer an jemanden denkt, fühlt ich euch natürlich zu ihm hingezogen. Wenn
jemand zu euch kommt und vom Meister spricht, so seht ihr in ihm euren
wirklichen Verwandten. Das ist ein Zeichen der Liebe. Am besten und wirksamsten
könnt ihr sie entwickeln, wenn ihr euch in die Ausstrahlung von einem begebt,
der von Liebe und Gottberauschtheit überfließt. Das ist der schnellste und
natürlichste Weg, um sozusagen angesteckt zu werden. Ihr werdet beim Meister
angesteckt, weil seine Liebe zu Gott überfließt. Und was kostet das? es kostet
nichts. Der Geliebte möchte, daß der Liebende keinen sonst anschaut oder anhört
und an niemanden denkt, als an den Geliebten. Das vermag nur die Liebe. Warum
sollte ein Mensch, der sosehr liebt, wieder auf die Welt zurückkehren? Er wird
vielleicht als Lehrer, als Meister wiederkommen, um die Kinder Gottes in seine
Heimat zurückzuführen. Aber er wird nie mehr als Gefangener kommen, als
Rückwirkung der Vergangenheit und an die Welt gebunden. Das vermag nur Liebe –
das gibt sie uns. Eure Aufmerksamkeit zerstreut sich in so viele
Richtungen. Sie ist genau wie ein Rohr mir vielen Löchern. Wenn nun Wasser
durch das Rohr fließt, verrinnt es Tropfen um tropfen aus jedem Loch. Wenn ihr
alle Löcher abdichtet bis auf eines, schießt das Wasser hervor. Wenn wir unsere
Liebe, die sich jetzt auf so vieles verteilt, von der Außenwelt zurückziehen
und nun der Weg zu Gott oder Gott im Menschen übrig bleibt, dann schießt sie
natürlich hervor. Liebe ist unseren Seelen bereits eingeboren, sie ist nur in
so vieles geteilt: Körper, Vergnügungen, Kinder, weltliches Ansehen. Wenn wir
nur eine Öffnung frei lassen und unsere Liebe dorthin lenken, wird sie
naturgemäß von anderen Dingen losgelöst sein. Das wird Wunder wirken. Jedes Wort vom Meister ist mit seiner Liebe geladen
und strahlt sie aus. warum reisen die Menschen Tausende von Kilometern, um hier
zu sein? wofür? Um den Meister zu sehen und seine Worte zu hören. Sie können
natürlich auch Tausende von Kilometern entfernt dieselbe Wirkung erfahren,
indem sie einfach ihre Aufmerksamkeit auf den Meister richten. Kabir sagt, wenn
der Meister jenseits des Meeres lebt und ihr diesseits, so braucht ihr nur eure
Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken. Aber selbst wenn ihr das vermögt, solltet ihr
die direkte Erfahrung der Gemeinschaft mit dem Meister nicht unterschätzen. Das
alles macht die Liebe. Wenn ihr sie in euch entwickelt, kommt alles andere von
selbst. Wenn solche Menschen auf die Welt kommen, wird sie
von Liebe überflutet, weil sie euch durch Anstrengung oder Ausstrahlung
übertragen wird. Auf Eisschollen werdet ihr frieren. Am Feuer wird euch heiß.
Bei einem, der sich die Liebe und Glückseligkeit Gottes hat, werdet auch ihr
davon angesteckt. Bei einem, der durch Lust, Geringschätzung anderer,
Vergeltungstrieb und vieles andere gefärbt ist, wird euch natürlich heiß
werden, nicht kalt. Deshalb betonen die Heiligen immer, wie wichtig die
Gemeinschaft mit ihnen ist. Bei wem ihr auch seid, dessen Ausstrahlung wird auf
euch wirken. Gott ist Liebe, unsere Seele ist Liebe, und der Weg
zurück zu Gott führt auch über die Liebe. Was soll das ganze Schriftenlesen,
das Ausüben von diesem oder jenem Ritual? es soll eure Aufmerksamkeit auf Gott
lenken. Nur aus diesem Grund sollt ihr eure Liebe, die in so viele Richtungen
zerstreut ist, wieder vereinen, in eine Richtung lenken. wenn ihr das nicht
erreicht, sind alle äußeren Übungen vergeblich. Über Liebe zu reden ist eine
Sache – sie im Herzen zu haben, eine ganz andere. Gestern sagte ich euch, daß
sie Sache des Herzens und nicht des Verstandes ist. Den Verstand haben wir zum
Begreifen – das ist alles. Wir aber müssen Liebe entwickeln. Nur durch Liebe
könnt ihr Gott erreichen. Sie läßt sich so entwickeln, wie ich es euch schon
gestern und heute weiter erklärt habe. Wir müssen sehen, ob wir solche Liebe in
unserer Seele tragen, ob wir sie in uns entwickelt haben. Es nützt nichts,
irgend etwas zu berühren, irgendwohin zu gehen, zu singen oder dies und das zu
tun. Prüft nur, wie weit ihr Liebe zu Gott in euch entwickelt habt. Wenn ihr an
Gott denkt oder ihn oder Gott im Menschen liebt, werdet ihr natürlich die
gleichen Eigenschaften entwickeln, die er verkörpert. Das Tonprinzip Gottes
hören ist genau wie Getreide mähen und zusammengetragen, um alle Körner
herauszudreschen. Dieser Ort wird dann der Sammelplatz aller Körner. Wenn ihr
das Licht Gottes seht oder seine Stimme (das Tonprinzip) hört, sammeln sich
alle Tugenden in euch. Nur durch die Verbindung mit dem Ton oder dem Licht
Gottes werdet ihr alle Tugenden erwerben. Diese Dinge ergeben sich dann ganz
natürlich. Hieran mangelt es uns. Wir nehmen uns dafür weniger Zeit als für
äußere Dinge. Als erstes solltet ihr euch durch und durch Gottes
bewußt werden, zunächst in euch, dann umfassend. Wir kümmern uns mehr um
Rituale und Äußeres als um die Liebe zu Gott. Das ist nicht gut. Gesegnet sind
all jene Bußübungen und Rituale, die in euch Liebe zu Gott entwickeln. Nur um
seinetwillen übt ihr doch all diese Rituale aus. Es sind zwar gute Handlungen
und werden auch Gutes bewirken – führen euch jedoch nicht zu Gott. Bleibt also
in eurem Land, bei eurer Glaubensrichtung – das ist nicht wichtig. Wichtig ist,
wie weit ihr Liebe zu Gott entwickelt habt. Die Rituale und Bußübungen sind
gesegnet, die euch helfen, Liebe zu Gott zu entwickeln. Dafür braucht ihr dringend
die Gemeinschaft mit Heiligen. Die Gemeinschaft mit guten Menschen wird
natürlich das Gute in euch entwickeln. Die Gemeinschaft mit spirituellen
Menschen wird Spiritualität in euch entwickeln. Deshalb heißt es, daß man einen
Menschen an seinem Umgang erkennt. Das ist also ein Zeichen der Liebe. Je mehr
ihr euch in dieser Richtung entwickelt, desto mehr seid ihr gesegnet und lebt
ein sinnvolles Leben. Wenn nicht, dann nehmt ihr einen Weg auf, der euch immer
wieder in die Welt zurückbringt. Gesegnet ist der Mensch, der den Meister
trifft, der die Saat von Naam in euch sät. Wenn sie einmal gepflanzt ist, kann
sie nicht mehr zerstört werden. Wenn ihr ständig mit Naam in Verbindung kommt,
werdet ihr Gott lieben. Ihr seid dann losgelöst von der Welt. Auch wer eben
erst initiiert wurde, hat die Saat von Naam in sich. Er hat ein Anfangskapital
bekommen. Wenn er es in seinem Leben nicht entwickelt, wenn er es vergißt, wird
er zurückkommen müssen – aber nicht unterhalb der menschlichen Ebene, weil
diese Saat allein im menschlichen Körper aufgehen kann. Aber wozu wiederkommen
– selbst als Mensch? Warum nicht mehr Zeit einsetzen und das entwickeln, was
ihr bereits erhalten habt? Ihr könnt mehr Liebe zu Gott oder Gott im Menschen
entwickeln, wenn ihr seine Gebote haltet. dann müßt ihr nicht zurückkehren. Je
weiter ihr im irdischen Leben fortschreitet, desto höher wird die ebene sein,
zu der ihr gelangt. Bitte, nehmt euch daher mehr Zeit für eure Übungen.
Entwickelt Liebe zu Gott in euch. Ihr werdet gesegnet sein. Dann habt ihr euer
Leben am besten genützt. Wir reden und reden – aber wieviel tun wir wirklich?
Eine Unze Praxis ist besser als Tonnen von Theorien. Deshalb sind Reformer
gesucht, die nicht andere, sondern sich selbst verbessern. Vorbild ist besser
als Vorschrift. Daran fehlt es uns. Wir halten uns nur an die äußeren Rituale
und kümmern uns nicht um ihren ursprünglichen Sinn. Die Menschen opfern diesen
Übungen sogar ihr Leben, aber sie vergessen Gott dabei, für den sie bestimmt
waren. das ist, offen gesagt, sehr schlecht. Die höchste Religion ist, Liebe zu
Gott und Gottbewußtheit in euch zu entwickeln – in seiner heiligen Gegenwart zu
sein, würde ich sagen. Er ist überall – wo ist er nicht? Wir haben unser wahres
Sein in ihm. Es bleibt nur eins: das Auge zu öffnen, um ihn zu sehen. Dieses
Auge wird vom Meister geöffnet. Er gibt euch eine Verbindung mit der sich zum
Ausdruck bringenden Gotteskraft – dem Licht – und dem Tonprinzip. Je mehr Zeit
ihr euch dafür nehmt, desto mehr werden sich alle Tugenden in euch entwickeln.
Seht also, wo ihr steht. |