ALLE RELIGIONEN LEHREN SHABD

 

In allen allen religiösen Büchern finden wir Hinweise auf Shabd. Die Hindu-Schriften sprechen davon als „Shabd-Brahm“ und „Ashabd-Brahm“ oder „Naam“, das für die Erschaffung der Welt verantwortlich ist. Die alten Weisen und Seher rühmten es in ihren Preisgesängen und nannten es „Shruti“, was bedeutet, das, was gehört wird. Die esoterischen Lehren gingen vom Meister auf den Schüler weiter und das Wort wurde in dem einzelnen nach Jahren spiritueller Schulung offenbart. Zur Zeit der Upanishaden wurde es als „Udgit“ oder der „Gesang des Jenseits“ bekannt, was besagt, dass es etwas aus der anderen Welt ist, aus der spirituellen, die jenseits der Sinne liegt; denn die Sinne könnten es nicht umschließen; man hat sie zu überschreiten, um seine Weisen zu fassen. (Vergl. Chandogya 1. Teil und Maitreya Upanishad 6. Kap.) Andere Begriffe, die ebenfalls dafür gebraucht wurden, sind „Pranav“ und „Aum“, denn es kann nur im geistigen Ohr gehört und mit den Prana- Vibrationen besungen werden, ohne die äußere Hilfe der Zunge oder der Lippen. Im 6. Abschnitt der Maitreya Upanishad heißt es, dass es zwei Brahms gibt, ein Shabd Brahm und ein Ashabd Brahm und dass man, um Ashabd Bram zu erreichen, in erster Linie über Shabd Brahm meditieren muss, der verschiedene Tonarten umfasst, die im Innern gehört werden können, wenn man die Ohren mit den Daumen verschließt. So kann man zu „Ashabd und Gupat Brahm“ gelangen, einem Zustand, der über den drei Gunas und den drei geistigen Eigenschaften (Qualitäten) liegt und Turiya Pad oder die übersinnliche Ebene genannt wird.

Im „Yoga Sandhya“ (Seite 112) wird empfohlen, dass ein Yogi, der die Yoga-Übungen ausführt, seine Ohren mit den Daumen verschließen und in sich den melodischen Weisen des chid-akash oder des geistigen Bereichs lauschen sollte, um dadurch sein Gemüt zu beruhigen und den Turya-Zustand zu erlangen, wodurch er dann in Avyakat aufgehen kann.

In der Chandogya Upanishad (III. 17 – 6 und 9 – 3) ist erwähnt, dass Naad (die himmlische Musik) aus der Universalen Sonne von Brahmand hervorgeht und dass dieses Geheimnis von Angris Rishi an Krishna (den Liebling von Devki) weitergegeben worden sei.

Guru Amardas berichtet uns im „Rag Bhairon“, dass Bhagat Prehlad durch Shabd erlöst wurde.

Shabd ist die rettende Lebensschnur in allen Zeitaltern. Prehlad, der Sohn des Dämonenkönigs, kannte weder Gayatri noch ein Ritual; durch die Verbindung mit Shabd wurde er eins mit Gott.

Bhairon M. 3


In der Bhagavad Gita ist gesagt:

Wenngleich noch unter der Herrschaft der Sinne, fühlt man sich gottwärts gezogen kraft der Gewohnheit, die man in früheren Geburten erwarb. Selbst der Sucher nach Erleuchtung überschreitet Shabd Brahm. Der Yogi aber, der sich fleißig seiner Übung widmet, erlangt Vollkommenheit in diesem Leben mit Hilfe des Verborgenen aus mancherlei Geburten; gänzlich frei von Sünden, erreicht er so das höchste Ziel.

VI, 44 – 45

In Shalok 31 der Nad-Bind Upanishad lesen wir:

Möge der Yogi im Sidh-Asan sitzen und während er Vaisnavi Mudra übt, soll er den Ton durch sein rechtes Ohr hören.

Im Yog-Sandya ist ein sorgfältig ausgearbeiteter Bericht über die Praxis des „Hörens auf Shabd“ gegeben.

Im Vak-Ambrani Sukat der Rig Veda und Sukat 30 der Athrav Veda sind Hymnen zum Ruhme von Shabd zu finden. In der Hans Upanishad der letzteren wird erklärt, dass einer, der Japa mit dem Hans Mantra 10 Millionen mal übt, zur Verwirklichung von Naad gelangt. Ferner heißt es, dass Naad zehn verschiedene Melodiearten umfasst, von denen man neun übergehen muss; über die zehnte, die dem Ton eines entfernten Donners gleicht, hat man zu meditieren und sie zu praktizieren, denn sie führt zu Par-Brahm.

Im Hatha Yoga Pradipka sind viele Verse zum Ruhme von Shabd zu finden (Vers 80, 81, 83, 84, 90 – 92, 95 – 98, 101 und 105). In den Veden wird davon als Naad und Akash Bani (die Stimme vom Himmel) gesprochen. In der buddhistischen Literatur wird darauf als „Vollklingendes Licht“ oder „Flammender Ton“ Bezug genommen.

Auch die alten Griechen sprachen von „Shabd“. Den Schriften von Sokrates entnehmen wir, dass er einen eigenen Ton in sich hörte, die ihn unwiderstehlich in höhere Bereiche zog. Phytagoras hat ebenso von „Shabd“ gesprochen. Plato erwähnte die „Sphärenmusik“. In der griechischen Sprache gibt es den Begriff „Logos“, der von „Iogo“ (ich spreche) kommt und soviel bedeutet wie „Wort“ oder die Zweite Wesenheit der Trinität. Diesen Begriff „Logos“ gibt es sowohl in der hebräischen wie in der christlichen Philosophie und Theologie und er findet in seinem mystischen Sinn in der hellenistischen und neuplatonischen Philosophie Verwendung. Genauso gebrauchte der Apostel Johannes den Begriff „Wort“. Es ist ein Tonprinzip (Shabd), das von der Großen Stille (Ashabd) herrührt. Im chinesischen Schrifttum wird es Tao genannt. Lao Tse (4. Jahrhundert vor Christus) verwandte das Wort „Tao“, um damit das verborgene Prinzip des Universums zu benennen; es besagt soviel wie „Straße“ oder „Weg“. In den Avesta-Schriften von Zoroaster, dem Lebens-Propheten, begegnen wir dem Wort „Sarosha“, das den Engel der Inspiration bezeichnet, welcher das Universum belebt. Es ist eine Kraft, die von den sechs spirituellen Kräften, von denen Zoroaster spricht, getrennt ist. Es ist der Kult des Ewigen Lebens und stammt von der Sanskrit-Wurzel „Shru“ (hören), das heißt, die Kraft Gottes, die gehört werden kann. Im Zend-Avesta gibt es eine Anrufung an Mazda, in der die Gabe „Sarosha“ für jene erfleht wird, die er liebt. Es ist dasselbe wie Shabd in der Terminologie der Heiligen.

In unserer Zeit predigten alle zehn Gurus (der Sikhs) angefangen bei Sant Kabir und Guru Gobind Singh, wie auch Dadu, Jagjiwan, Tulsi, Darya Sahib, Lal Das, Paltu und viele andere über „Shabd“.

Der heilige Johannes begann sein Evangelium mit den denkwürdigen Worten:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbige war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht und ohne dasselbige ist nichts gemacht, was gemacht ist.

Joh. 1, 1

In Jesaja 40, 8 heißt es:

Das Gras verdorret, die Blume verwelket ... aber das Wort unseres Gottes bleibet ewiglich.

Und wieder lesen wir:

Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes.

Lukas 8, 11

Madame Blavatsky, die Gründerin der Theosophischen Gesellschaft, beschrieb es als die „Stimme der Stille“. Bei den Freimaurern hören wir von ihm als dem „Verlorenen Wort“, für dessen Suche die Freimaurer-Meister ihren Orden gründeten.
Im Koran findet man eine Ayat: Gott befahl und es wurde getan; „kun-feu-kun“. Es ist wahrlich das „Kalma“ der Moslems.
Die Sufis, ein Orden der mohammedanischen Mystiker, nennen es „Vadan“. Und es heißt:

Wenn Anaam (das Namenlose) sich nicht selbst offenbart hätte und Naam geworden wäre, gäbe es keinen Ton und kein Universum.

Hazrat Inayat Khan, ein Moslem-Heiliger des Mystiker-Ordens der Sufi, erläutert, dass diese Schöpfung nichts weiter als die Musik Gottes sei, denn sie ist das Ergebnis oder die Offenbarung Seiner Kraft. Er nennt sie „Saute Sarmadi“ oder den berauschenden Wein aus dem Garten Allahs (Gott) und gab eine ausführliche Beschreibung davon, wie aus dem nachfolgenden Bericht ersichtlich ist.

Der ganze Raum ist voll des „Saute Sarmad“ oder des „abstrakten Tones“. Die Vibrationen dieses Tones sind zu fein, als dass sie von materiellen Ohren oder Augen gehört oder gesehen würden; denn es ist für die Augen schon schwierig, Form und Farbe von geistigen Vibrationen auf der äußeren Ebene wahrzunehmen. Es war der „Saute Sarmad“, der Ton des Abstrakten, den Mohammedaner in der Höhle von Ghara-Hira vernahm, als er sich ganz in sein Ideal verlor. Der Koran bezieht sich auf diesen Ton mit den Worten „Sei, und alles wurde“ (Kun-feu-Kun). Moses hörte diesen Ton auf dem Berg Sinai (Kooh-i-Toor), als er mit Gott sprach. Das gleiche Wort ward Christus hörbar, als er in der Wüste in seinen himmlischen Vater versunken war. Shiva nahm während seines Samaghi in den Himalayas denselben „Anhad-Naad“ wahr. Krishnas Flöte symbolisiert diesen Ton, bildlich dargestellt. Der gleiche Ton des Meisters die Quelle aller Offenbarungen, die ihnen von innen her enthüllt werden, und aus diesem Grunde kennen und lehren sie alle ein und dieselbe Wahrheit...

Wer das Geheimnis des Tones kennt, weiß um das Mysterium des ganzen Universums. Wer immer den Weisen dieses Tones folgte, vergaß alle irdischen Unterschiede und Verschiedenheiten und gelangte zum gleichen Ziel der Wahrheit, in dem alle Gesegneten Gottes vereint sind. Der Raum befindet sich innerhalb des Körpers wie auch darum herum; mit anderen Worten, der Körper ist im Raum und der Raum ist im Körper.


Da es sich so verhält, klingt der Ton des Abstrakten allezeit im Menschen, um ihn herum und über ihm. In der Regel hört ihn der Mensch nicht, weil sein Bewusstsein ganz und gar auf seine physische Existenz ausgerichtet ist. Er wird durch seine Erfahrungen in der äußeren Welt durch den physischen Körper so in Anspruch genommen, dass ihm der Raum mit all seinen Wundern an Licht und Ton leer erscheint... Der begrenzte Umfang des irdischen Tones ist so konkret, dass es die Wirkung des Tones des Abstrakten auf den Gehörsinn schwächt, obschon die irdischen Töne im Vergleich dazu wie die einer Pfeife zu einer Trommel sind. Wenn der Abstrakte Ton hörbar wird, werden dem Mystiker alle anderen Töne undeutlich.

Der Ton des Abstrakten wird in den Veden „Anhad“ genannt, was soviel wie unbegrenzter Ton bedeutet. Die Sufis sagen „Sarmad“, was die Vorstellung von Trunkenheit gibt. Das Wort Trunkenheit wird hier gebraucht, um eine Erhebung zu bezeichnen; das Freisein der Seele von der irdischen Gebundenheit. Diejenigen, welche den „Saute Sarmad“ hören und über ihn meditieren können, sind allen Ängsten, allen Sorgen, Krankheiten und aller Furcht enthoben, und die Seele ist von der Knechtschaft durch die Sinne und den physischen Körper befreit. Die Seele desjenigen, der diesen Ton vernimmt, wird alles durchdringende Bewusstheit und sein Geist zur Batterie, die das ganze Universum in Bewegung hält...

Dieser Ton entfaltet sich aufgrund seiner Offenbarung durch die verschiedenen Körperkanäle (Nadis) durch zehn unterschiedliche Aspekte; er klingt wie Donner, Meeresrauschen, Schellengeläut, fließendes Wasser, Bienensummen, Spatzengezwitscher, eine Veena, eine Pfeile oder der Ton einer Shankha (Muschelhorn), bis er schließlich zu „Hu“, dem heiligsten aller Töne wird. Dieser Ton „Hu“ ist der Anfang oder das Ende aller Töne, seien sie von Mensch, Tier, Vogel oder irgendeinem Gegenstand.

In den Moslem-Schriften wird er beschrieben als „Kalam-i-Ilahi“ (die Stimme Gottes), „Nada-i-Azam“ (der Ton vom Himmel), „Ism-i-Azam“ (der große Name), „Saut-i-Sarmadi“ (der berauschende Ton), „Saut-i-Nasira) (der melodische Ton), „Kalam-i-Majid“ (das Große Gesetz) und „Kalam-i-Haq“ (die Stimme der Wahrheit), die im Inneren gehört werden kann, und er wurde als „Sultan-ul-Zikar“ oder der „König der Zikars“ gelehrt.

In den Lehren der mohammedanischen Heiligen gibt es unzählige Hinweise darauf:

Erhebe dich über deinen geistigen Horizont, o tapfere Seele, und lausche dem Klang der Musik, die von oben herunterkommt.

Maulana Rumi

Die ganze Welt ist voll des Tones; ihn zu hören, musst du das innere Ohr entsiegeln. Dann hörst du eine unendliche Musik; sie wird dich über die Grenzen des Todes hinausführen.

Shah Niaz

Ein anhaltender Ton wird vom Himmel herniedergetragen, und so wundere ich mich, wie du Dingen nachgehen kannst, die ohne jeden Nutzen sind.

Hafiz

Verbanne alle Skepsis aus deinem Herzen und höre auf die Weisen der himmlischen Musik. Empfange in dir die Botschaft von Gott, denn sie kommt nur durch die heilige Verbindung mit dem Selbst.

Maulana Rumi

Der Prophet tat kund, dass er die Stimme Gottes hörte, und sie traf sein Ohr so deutlich wie jeder andere Laut. Doch deine Ohren hat Gott versiegelt, und so hörst du Seine Stimme nicht.

Maulana Rumi

Über den Propheten Mohammed wird gesagt, dass er im Alter von vierzig Jahren Botschaften von Gott empfing, nachdem er fünfzehn Jahre lang die Verbindung mit „Awaz-i-Mustqim“ (Anhad Shabd oder dem endlosen Wort) praktiziert hat und sieben Jahre lang Schimmer der Wahrheit (Blitze himmlischen Lichts) gesehen hatte. Einmal blieb er zwei Jahre lang in der Höhle von Hira in Meditation.

Al-anwar von Maulana Sheikh
Mohammed Akram Sabri

Auf Seite 106 derselben Schrift heißt es, dass der Prophet in der Höhle von Hira sechs Jahre „Sultan-ul-Azkar“ (Surat Shabd Yoga) geübt habe, und dass sich Hazrat Abdul Quadir Jillani in jener heiligen Höhle zwölf Jahre lang dem gleichen hingab.


Alle Sikh-Gurus und andere Heilige lehrten dies immer wieder in sehr klaren und deutlichen Worten. So sprach Guru Nanak:

Durch stocktaube Ohren hast du deinen ganzen Verstand verloren, denn du hast keine Verbindung mit „Shabd“; du warst dem Verstand sklavisch ergeben und hast so deine menschliche Geburt verwirkt. Ohne die Meisterseele bleibt man der Wirklichkeit gegenüber blind.

Bhairon M. 1

Hunderte von Monden und tausende von Sonnen mögen die Welt erhellen; doch ohne eine Meisterseele können sie die Finsternis des menschlichen Geistes nicht zerstreuen.

Nanak

Ähnlich erklärt Guru Amar Das:

Ohne die Verbindung mit Shabd bleibt man blind und taub; welchen Nutzen hat dann deren Leben in der Welt? Sie erlangen nicht das Wasser des Lebens und entgehen nicht dem endlosen Zyklus der Geburten.

Sorath M. 3

Praktiziere das Wort des Meisters, denn durch das Wort erkennt man die Wahrheit.

Bihagra M. 4

Ohne den Meister gibt es keine heilige Gemeinschaft; und ohne das Wort kann man die Wahrheit nicht erkennen (erreichen).

Maru M. 3

Aus dem oben Gesagten wird hinreichend klar, dass alle Meisterseelen, seien sie Hindus, Moslems, Christen oder zahllose andere, mit der Wissenschaft des Wortes vertraut waren, wenn sie sie auch nicht als eine reguläre Wissenschaft erklärten. Die meisten von ihnen berichten nur von Anhad Shabd, welches zu And und Brahmand, den subtilen und kosmischen Regionen, führt. Doch vollendete Heilige, ganz gleich, ob sie der einen oder anderen Religion angehörten, sind noch darüber hinaus gegangen und haben von Sar Shabd und Sat Shabd und von Regionen gesprochen, die jenseits von Brahmand liegen (Par Brahmand, d.h. Sach Khand, Alakh und Agam Deshas).


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