WAS IST NAAM? WAS BEDEUTET NAAM?

 

Alle Schriften sprechen von Naam, sind aber nicht in der Lage, eine hinreichende Erklärung davon zu geben. Man kann Naam unmöglich definieren noch mit vielen Worten schildern. Man kann es als „Lebensimpuls“ oder „bewusstes Prinzip“ beschreiben. Wenn es zu vibrieren beginnt, bringt es einen melodischen Ton hervor, der Naam oder Shabd genannt wird. Dieser Tonstrom, der aus der tiefen Stille des Formlosen Kutasth hervorgeht, ist für alle Formen und Farben, seien sie für die bloßen Augen sichtbar oder nicht, verantwortlich. An diesem Lebensprinzip hängt alles Leben. Ohne Naam kann es nichts Lebendiges geben. das Tonprinzip durchdringt alles; ob es wahrgenommen wird oder nicht, tönt es vom Kopf bis zu den Füßen wider. Es ist der Kern und die Essenz und zugleich die materielle und bewirkende Ursache des endlosen Universums, in welchem die physische Erde nur ein verschwindend kleines Teilchen ist.

O Pipa! Diese universale Vibration ist die Erste Grundlose Ursache, aber sie kann nur durch eine Meisterseele erfasst werden.

In allen Religionen wird von Gott als dem offenbarten Ton gesprochen. es ist ein Strom, der lebendig und bewusst ist, und den Samen der Schöpfung in sich trägt. Er wird das „Lebensprinzip“ genannt. Durch dieses Glied, das sich zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung befindet, kann der Geist oder die Seele des Menschen den physischen Körper überschreiten und durch die spirituellen Regionen gelangen, um die Wahre Heimat des Vaters – Sach Khand – zu erreichen. Aus den Schriften wissen wir, dass das Tonprinzip oder Naam aus zwei Arten besteht, der äußeren und der inneren. Erstere umfasst die Worte des Mundes und Worte, die ausgesprochen oder niedergeschrieben und berichtet werden. Dies stellt alles Wissen und alle Gelehrsamkeit auf der intellektuellen Ebene dar und wird Apara Vidya oder das Wissen von der Welt und der weltlichen Umgebung genannt. Hier ist alle weltliche Weisheit inbegriffen. Es wird auch Varn-Atmak genannt, denn damit kann sich Atma oder die Seele zum Ausdruck bringen und in der Welt wirksam sein. Alle Buchgelehrsamkeit ist durch Varn Atmik Shabd verursacht. Das Begreifen der Welt und der weltlichen Beziehungen hängt von dieser Art Shabd ab, was im Äußeren, d. h. auf der physischen Ebene hilfreich ist. Es dient als Mittel, um Gedanken und Gefühle von Mensch zu Mensch zu übermitteln, wie es auch das Tier tut. Der „äußere Ton“ dient weiter als der erste Schritt beim Studium der Wissenschaft des Geistes. Da die Theorie der Praxis vorausgeht, muss der Meister-Heilige davon Gebrauch machen, damit dieses so sehr tiefgründige Thema verständlich wird. Wiederum muss Japa oder die mündliche Wiederholung bestimmter Worte oder Namen Gottes mittels „Varn Atmak Shabd“ ausgeführt werden. Als erstes ist die vorbereitende Schulung des Geistes auf diesem Pfad wesentlich, und daher die Notwendigkeit für den äußeren Ton oder Shabd.

Es gibt vier Arten Japa:

1. Baikhri oder das mündlich mittels der Zunge ausgeführt wird;

2. Madhma oder im Geist, am Sitz von Shakti in Kanth oder der Kehle geübt;

3. Pashianti, auch dies ist geistiger sadhan, am Sitz des Herzens ausgeführt;

4. Para ist ebenso ein mentaler Vorgang und wird geübt, indem die
    Aufmerksamkeit auf den Sitz des Nabels geheftet ist.

Alle diese Arten Japa bringen in variierendem Grade Trost und man erlangt einen Frieden des Gemüts, der von vorübergehender Natur ist, weil die verschiedenen Körperchakras die sie umfassen, von niedrigerer Ordnung sind und deshalb Shiv-Netra oder dem Dritten Auge liegen.
Außer diesen gibt es Simran oder Japa des unbeschreiblichen und verborgenen Tonstromes, der aus sich selbst aus den Tiefen der Großen Stille hervorgeht. Dies wird Para Vidya (Wissenschaft des Jenseits) oder Dhun Atmak Shabd genannt. Bei dieser Art Japa muss man auf das alles durchdringende Naam oder Shabd hören. Dieser Ton kann nicht auf symbolische Art erläutert werden. Man kann mit ihm über dem Sinnenplan hinter dem Zentrum der beiden Augenbrauen in Berührung kommen. Die wahre Bedeutung von Naam, dem Schöpfer der verschiedenen Ebenen und Aufteilungen der endlosen Universen, kann durch einen Adepten in der Wissenschaft des Surat Shabd Yoga erkannt werden, der seine Seele mit dem Tonprinzip vereint hat.

Der, welcher Japa mit der Zunge des Gedanken übt, kennt die wahre Natur des Tonstromes (Wort oder Naam).

Malar M. 1

Zweifellos ist Dhun Atmak Shabd die Essenz der Seele, aber man kann ihn nicht erfassen, ohne die Hilfe und Führung einer Meisterseele oder eines Adepten auf diesem Gebiet, und ohne Surat Shabd Yoga, d.h., dem Kontakt mit dem Geist oder der Seele mit dem wesentlichen Lebensprinzip (durch einen regelrechten Prozess der Umkehrung oder der Selbstanalyse). Man kann des Lebens kostbarste Gabe nicht erlangen, wenn sich der Geist durch die ständige Verbindung mit dem Gemüt und den Sinnen, die in den Freuden der Welt und den weltlichen Dingen schwelgen, dem äußeren Tun hingibt.

Der große amerikanische Philosoph Emerson spricht von der Umkehrung als „inneres Anklopfen“.


Jesus sagte: „Klopfet an und es wird euch aufgetan.“

Naam oder der Name ist Varn Atmak, während Naami oder der Benannte die große Kraft hinter den beschreibenden Worten ist, als Dhun Atmak. Man muss von den bestimmten Worten absehen und sich der Kraft selbst zuwenden, welche durch die Worte bezeichnet wird. Japa oder Varn Atmak wird mündlich mittels der Zunge ausgeübt und ist somit ein vorbereitendes Verfahren bei der spirituellen Schulung der Seele.
Sant Ravi Das sagt in diesem Zusammenhang:

Ohne das tatsächliche Sehen (eines Gegenstandes) erhebt sich kein Verlangen; was immer das bloße Auge schauen kann, ist vergänglicher Natur. Der, welcher den inneren Kontakt (von Surat und Shabd) von Geist und Seele durch Varn Atmak Worte herstellt, ist ein echter Yogi, wunschlos und frei.

Bhairon Ravi Das

Varn Atmak oder bestimmende Namen gleichen Puppen, die scheinbar durch sich selbst tanzen; aber tatsächlich werden sie durch unsichtbare Hände, welche die Schnur dahinter lenken, zum Tanzen gebracht. Auf genau dieselbe Weise gibt es unfehlbare Bindeglieder zwischen Naam und Naami (oder den Namen und dem Benannten; Varn Atmak und Dhun Atmak Shabds). Varn Atmak Worte bahnen den Weg zu Dhun Atmak Shabd und sind somit eine wesentliche Hilfe, die Schwingungen des Gemüts zur Ruhe zu bringen, um es von allen Unreinheiten zu säubern und es zu befähigen, den Dhun Atmak im Innern zu ergreifen; denn ohne diesen Elan Vitae oder die Lebensschnur kann der Geist die physische Ebene (des Körpers) nicht überschreiten und in die höheren spirituellen Bereiche kommen, die in die Heimat unseres Vaters führen. Die Varn Atmak Worte können infolge der sprachlichen Unterschiede differieren, aber Dhun Atmak Shabd ist das Lebensprinzip des Geistes oder der Seele und bleibt immer gleich. Er ist in der Tat die Ungesprochene Sprache, ein Ungeschriebenes Gesetz in sich selbst durch alle Zeiten hindurch und wird es in alle Ewigkeit bleiben; denn alles Leben ist eines und nur eines für die ganze Schöpfung, obgleich es in vielfältige Formen erscheint. Die Lehren der Heiligen, welche die eine Wirklichkeit umschließen, sind aus dem Grunde ein gemeinsames Erbgut für die gesamte Menschheit und nicht für die eine oder andere Klasse, sozialer Gemeinschaft oder religiöse Glaubensrichtung. Sie sind umfassend in ihrem Ausblick und nicht sektiererisch. Die Heiligen sind die Kinder des Lichts und geben das Licht an alle, ungeachtet des Standes und der Glaubensanschauung. Gott schuf den Menschen (einen verkörperten Geist), und der Mensch brachte Religionen hervor und hat sich in seinem eigenen Werk gefangen gleich der Seidenraupe in ihrem Kokon. Die Heiligen kommen, um die Menschen aus ihrer selbstgeschaffenen Gebundenheit zu befreien, sie aus ihrer engen Schablone herauszunehmen, die sie sich durch die jahrhundertelang gewohnte Lebensweise gebildet haben, um in den selbstverfertigten Kokon hineinzupassen. Heilige geben sich nicht mit sozialen Gemeinschaften ab, noch schaffen sie solche. Ihr lauter Ruf richtet sich allein an den Geist. Sie kommen in einem göttlichen Auftrag:

Den Menschen von der Dunkelheit zum Licht, vom Unwirklichen zum Wirklichen, und vom Tod zur Unsterblichkeit zu führen,

und mahnen:

Erhebe dich, erwache und ruhe nicht, bis das Ziel erreicht ist.

Veden

Darum erklärte Christus:

Ihr sollt nicht wähnen, dass ich kommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht kommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.

Matth. 5, 17

Und wieder heißt es:

Für sie (die Heiligen) gibt es keinen Unterschied zwischen den sogenannten zweimal geborenen: den Brahmanen, Kshatriyas, Vaishas, und den niedriggeborenen Sudras; sie wenden sich an alle gleichermaßen. Der Geliebte des Meisters (der Gurmukh) verehrt Naam und erlangt Moksha (Befreiung) – das Naam, o Nanak, welches alle gleich durchdringt.

Suhi M. 5

In der Lebensgeschichte Guru Nanaks finden wir die Anekdote von Mian Mitha, einem Frommen aus Mikhankot, einer Stadt im Punjab (jetzt West-Pakistan). Während seiner Wanderung begegnete Guru Nanak diesem Frommen und sagte ihm, dass man ohne Naam oder das Wort weder hier noch danach Frieden findet und der karmischen Gebundenheit nicht entgehen kann. Hinsichtlich dem, was Naam oder das Wort sei, sagte er, dass es nicht durch die Sinne erfasst werden könnte, aber dass man es auf der übersinnlichen Ebene ergreifen kann. Der Guru forderte Mian Mitha auf, in sich hineinzuhören, aber Mian hörte nichts. daraufhin nahm ihm der Meister beiseite und, indem er ihn aufmerksam ansah, sagte er nochmals, er möchte sich innerlich einstimmen, woraufhin Mian ausrief, dass er die Vibration von Naam in jeder Pore seines Körpers ganz deutlich spüre. Dies zeigt, dass das „Wort Gottes“ nicht so einfach beschrieben werden kann und durch vitale Vibration gekennzeichnet ist, die nur gespürt und wahrgenommen, aber nicht erkannt werden können.

Der Geliebte des Meisters spürt und erfährt den belebenden Lebensimpuls in jeder Pore seines Körpers.

Ramkali M. 1

Die Heiligen sagen darum für gewöhnlich, dass es nur einen Gott und nur einen Weg gibt, der zu Ihm führt. Die spirituelle Schulung mischt sich nicht in die Staatsangehörigkeit eines Menschen ein und ebenso wenig in seine Religionsgemeinschaft. Jeder, welcher Nationalität oder Religion er auch immer angehört, kann sich dieser Schulung unterziehen und erfolgreich dem Pfad der Heiligen folgen. Das göttliche Bindeglied des Wortes ist bereits in jedem einzelnen und es hat nichts zu sagen, wer er ist oder welcher Stellung er im Leben innehat. Es handelt sich um einen Vorgang der Selbstanalyse und Umkehrung, und einer, der sich diesem unterzieht, kann diese rettende Lebensschnur ergreifen. Doch das Bedauernswerte ist, dass sich jeder an die uralten Vorstellungen klammert und nicht bereit ist, sich von ihnen loszureißen und Gedanken anzunehmen, die neu und andersartig scheinen. Durch die ständige Gemeinschaft mit einem Gottmenschen oder einem, der sich selbst verwirklicht hat, dämmert ihm allmählich das Licht der Wahrheit, und im Laufe der Zeit beginnt er die Wahrheit zu erkennen.

 

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