Der Ausweg Die Art und Weise, wie der Meister das
schwierige und verwirrende Problem der Karmas in Angriff nimmt, wird
nachfolgend kurz erklärt: Die
Saatkarmas oder Sanchit: Sie liegen
verborgen im Vorratslager und bilden seit endlosen Zeiten, vom Anbeginn der
Welt an, eine Rechnung zu unseren Lasten. Niemand kann ihnen entgehen, solange
sie sich nicht in den unzähligen Lebensläufen, die noch vor uns liegen,
ausgewirkt gaben. Dies müßte auch noch geschehen, ohne daß wir ihnen neues
Karma hinzufügen, was der Natur der Dinge nach eine Unmöglichkeit ist. Es ist
also nicht möglich, diese gewaltige Schuld, die uns belastet, zu begleichen.
Gibt es dann keinen weg, um diesen großen Abgrund, der zwischen Bewußtsein und
Unterbewußtem liegt, zu überbrücken und wiederum die Kluft, die das
Unterbewußte vom Unbewußten trennt, zu überwinden? Für jedes Übel, sei es
spirituell oder weltlich, gibt es ein Heilmittel. Wenn man Samenkörner in eine
Pfanne erhitzt, bis sie platzen, verlieren sie ihr Keimvermögen oder ihre
Fruchtbarkeit, mit anderen Worten, die Kraft zu keimen und Frucht zu tragen.
Auf genau die gleiche Weise können sie Speicherkarmas (Sanchit- Karmas) mit dem Feuer von Naam oder dem Wort versengt oder verbrannt und somit für die Zukunft
unschädlich gemacht werden, denn dann wird man ein bewußter Mitarbeiter am
göttlichen Plan und verliert jede Verbindung mit der unbekannten Vergangenheit. Schicksalskarmas
oder Pralabdh: Sie bestimmen unser
gegenwärtiges Schicksal und bilden den Bestand und bilden den Bestand oder die
Bestimmung, wie man es nennen mag. Ihre Frucht muß ertragen werden, ganz
gleich, wie bitter oder süß sie ist, denn man kann nicht umhin, das zu ernten,
was man einmal gesät hat. Der Meister überläßt sie darum dem Menschen
unberührt, damit dieser sie mit liebevoller Sanftmut erträgt und im
gegenwärtigen Leben zu Ende bringt. Würden diese Karmas nämlich ausgelöscht
oder auf irgendeine Weise geändert, hätte das die Auflösung des Körpers zur
Folge. Doch der Schüler wird nicht alleine gelassen, wenn er sich mit ihnen
auseinanderzusetzen hat. Sobald der Meister ihn initiiert hat, kümmert sich die
Meisterkraft um den Schüler. Bei jedem Schritt wird ihm ein gutes Stück
geholfen. Durch allmähliche spirituelle Disziplin erlernt er den Vorgang der
Selbstanalyse und des Zurückziehens, und sein Geist gewinnt an Stärke, mit dem
Ergebnis, daß die sonst schmerzlichen Auswirkung dieser Karmas nunmehr
lediglich wie eine sanfte Brise über ihn hinwegwehen und ihn unversehrt lassen.
Sogar bei ernsten und unheilvollen Fällen bringt der Meister sein Gesetz des
Mitgefühls und der Gnade zur Anwendung. Alles Leid des ergebenen Schülers wird
erheblich gemildert und abgeschwächt. Manchmal wird die Intensität körperlicher
und geistiger Nöte ein wenig verstärkt, um die Dauer des damit verbundene
Leides zu verkürzen, während in anderen Fällen ihre Stärke erheblich verringert
und ihre Dauer verlängert wird, wie es jeweils angemessen scheint. Aber das ist
nicht alles. Die Leiden, Nöte und Krankheiten des physischen Körpers rühren von
den Sinnesfreuden her; und physisches Leid muß natürlich vom physischen Körper
ertragen werden. Der Meister als das verkörperte Wort oder der irdische Pol
Gottes weiß alles über seine Schüler, wo sie auch sein mögen, ob weit entfernt
oder ganz nahe. Übernimmt er jedoch durch das Gesetz des Mitgefühls die Karmas
seiner ergebenen Schüler, muß er sie seinen eigenen Schultern aufbürden, denn
das Gesetz der Natur muß auf die eine oder andere Weise erfüllt werden. Dies
geschieht in sehr seltenen Fällen, wenn es der Meister für angebracht hält.
Überdies würde wohl kein Schüler einen Ablauf des Geschehens hinnehmen wollen,
bei dem der Meister für sein Vergehen zu Leiden hätte. Im Gegenteil, der
Schüler muß lernen, aufrichtig zu seinem Meister zu beten. Tut er das, so kann
er gewiß sein, daß ihm alle mögliche Hilfe zuteil wird, die seine Not lindert
oder seine Lage verbessert und das sich ergebende Leid auf ein Mindestmaß
verringert. Und die Seele selber wird außerdem erstarken, wenn sie sich vom
Brot des Lebens ernährt und durch das Wasser des Lebens erhält. Es
gibt jedoch Dinge, über die der Mensch keine merkliche Kontrolle hat: 1.
die
Süße und die Bitternis des Lebens mit ihren Annehmlichkeiten und
Unannehmlichkeiten sowohl physischer als auch geistiger Art; 2.
Reichtum,
Wohlstand und Macht oder Armut, Elend und niedrigen Stand; 3.
Name
und Ruhm oder schlechten Ruf und völliges Vergessensein. All
das sind die gewöhnlichen Begleiterscheinungen des Lebens auf Erden, die kommen
und gehen, wie es vorherbestimmt ist. Alle menschlichen Bestrebungen zielen
darauf ab, eine oder mehrere Annehmlichkeiten des Lebens zu erhalten und das
Unangenehme zu umgehen. Dabei erkennen wir nicht, daß das Leben selbst so
flüchtig ist wie eine Wolke, gleich einem Schatten ohne Substanz, ähnlich einer
Fata Morgana oder einem Irrlicht, das immer umherhuscht und sich dem
unachtsamen Wanderer im sengend heißen Wüstensand der Zeit ständig entzieht.
Durch Unterweisung und Übung machen die Meister- Heiligen der verkörperten Seele
(jiva) die trügerische Natur der Welt
und alles Irdischen deutlich und offenbaren in ihm die ewige Quelle des Lebens,
die ihn, wenn er sie gefunden hat, bis ins innerste Mark und alle Fasern seines
Seins erfüllt, die ihm völlige Zufriedenheit schenkt und ihn befähigt, das
Leben selbst mit Freuden aufzugeben. Saatkarmas
oder Kriyaman: Das sind jene Karmas,
die wir während unseres gegenwärtigen Aufenthalts auf der irdischen Ebene
täglich bewirken. In dieser Hinsicht wird jedem Schüler auferlegt, von jetzt an
ein keusches und reines Leben in Gedanken, Worten und Taten zu führen und sich
allem zu enthalten, was von Übel ist, denn jene Verletzung oder Nichteinhaltung
dieses Gesetzes hat unweigerlich Leid zur Folge, und der Preis der Sünde ist
nichts weniger als der Tod, wahrlich der Tod, an den Wurzeln des Lebens. Hier
erhebt sich die Frage, wie die Meister- Heiligen manche der karmischen Bürden
der Menschenseele unter außergewöhnlichen und seltenen Umständen auf sich
nehmen und es dabei so einrichten, daß sie von den unangenehmen Auswirkungen
befreit werden. Denn die Karmas, die mit dem physischen Körper verbunden sind,
müssen, wie bereits gesagt, vom physischen Körper ertragen werden. Gott selbst kleidet sich in des gemeinen Menschen Fleisch, um schwach genug zu Sein, Leid zu erdulden.
John Donne Die
Geschichte gibt uns ein Beispiel aus dem Leben von Baber, dem ersten Mogul-
König Indiens. Sein Sohn Humayun erkrankte schwer, und jeder bangte um sein
Leben. In stillem Mitgefühl betete der König zu Gott, es möge ihm erlaubt
werden, die Krankheit seines Sohnes zu übernehmen, und so seltsam es scheinen
mag, von diesem Augenblick an trat eine Wendung ein; der Prinz begann
allmählich zu genesen, während der König dahinsiechte und starb. Das ist nur
ein einzelnes Beispiel stellvertretenden Leides auf der menschlichen Ebene. Der
Meister ist eins mit dem Herrn der Barmherzigkeit. In seinem Reich, das
grenzenlos ist, gibt es kein Aufzählen von Taten. In das Göttliche eingebettet,
gewährt er jedem einzelnen die Verbindung mit der erlösenden Rettungsleine im
Innern, die in Zeiten der Pein als Notanker dient. Das Schiff mag in den
stürmischen Wassern des Lebens hin und her geworfen werden, doch da es an der
schwimmenden Boje vertäut ist, kann es nicht untergehen, ungeachtet der
stürmischen Winde und Wasser ringsumher. Der
Mensch wird unweigerlich gezwungen, die Bühne der Welt blindlings zu betreten,
um einfach die Frucht seines Schicksalskarmas zu ernten, von dem er keinerlei
Kenntnis hat. Er ist sich nicht einmal der Wirkungsweise der physischen Ebene
bewußt, geschweige denn der höheren Ebenen. Mit all seinen Bekenntnissen und
Beteuerungen erweist er Gott nur einen Lippendienst, da er keinen Zugang zu den
göttlichen Bindegliedern im Innern hat, den erlösenden Rettungsleinen: dem
Licht und der Stimme Gottes. Er kennt nicht einmal die Natur seines eigenen,
wahren Selbst und verwendet all seine Zeit für Sinnesfreuden. Er betrachtet
sich selbst nur als Zufallsgeschöpf und lebt auf gut Glück, wie eine bloße
Puppe auf der Bühne des Lebens. Andererseits
kommt ein Heiliger mit einem Auftrag und einem Ziel. Er ist Gottes Erwählter,
sein Messias und sein Prophet. Er wirkt in seinem Namen und durch die Kraft
seines Wortes. Er hat keinen eigenen, unabhängigen Willen, der vom Willen Gottes
getrennt wäre; und da er sein bewußter Mitarbeiter am göttlichen Plan ist,
sieht er die verborgene Hand Gottes in allem Geschehen des Lebens. Er lebt in
der Zeit und gehört doch in Wahrheit dem Zeitlosen an. Er ist Herr über Leben
und Tod, doch voll Liebe und Mitleid für die leidende Menschheit. Sein Auftrag
ist, jene menschliche Seelen mit Gott zu verbinden, die sich nach
Wiedervereinigung mit ihm sehnen und aufrichtig danach streben. Sein
Tätigkeitsbereich ist ganz verschieden und unabhängig von dem der Avatare, denn diese Verkörperung wirken
nur auf der menschlichen Ebene, und ihre Arbeit ist es, die Welt rechter
Verfassung und in Ordnung zu halten. Lord
Krishna (Soll als Inkarnation des
höchsten Gottes 3000 v. Christus gelebt haben) hat mit unzweideutigen
Worten erklärt, daß er dann in der Welt kommt, wenn das Spiel der Kräfte von
Gut und Böse nicht mehr ausgewogen ist, und daß es sein Ziel ist, das verlorene
Gleichgewicht wieder herzustellen, den Rechtschaffenen zu helfen und die
Ungerechten zu bestrafen. Gleiches können wir im „Ram Chitra Mansa“ über Lord
Rama (Nach den frühen Upanishaden [4. Jh. V. Christus] als Inkarnation Vishnus
verehrt, später als höchster Gott gewürdigt) lesen. Er verkörperte sich
erneut, als das Übel in der Welt im Zunehmen war. Die Avatare kommen, um die Gerechtigkeit wieder herzustellen. Sie
können jedoch nicht die Gefängnistore der Welt öffnen, um die verkörperten
Seelen herauszulassen und in die spirituellen Ebenen zu bringen. Diese Aufgabe
fällt gänzlich in den Bereich der Heiligen, die als bewußte Mitarbeiter der
Gotteskraft am göttlichen Plan mitwirken und einzig die Verehrung des
Göttlichen lehren, denn diese allein setzt den Auswirkungen des Karmas ein
Ende. Ein Moslem- Heiliger sagte: Zuletzt kam ans Licht, daß im Reich der Meisterheiligen (Darveshs) Karmas nicht zählen. Und
wiederum heißt es: Ein Meister-Heiliger verjagt die Karmas, die wie Schakale vor einem Löwen entfliehen. Keiner
vermag den Folgen seiner Taten zu entgehen, nicht einmal Gespenster und Geister,
weder Riesen noch Dämonen (Kinnars
[Wesen, halb Mensch, halb Tier], Yakshas [Geiste], Gandharvas [Singende
Halbgötter]) oder Götter (Devas). Jene mit leuchtenden, astralen
und ätherischen Körpern erfreuen sich der Früchte ihrer Taten in der Region der
dritten großen Ebene (Brahmand) über
den beiden ersten (Pind und And). Auch sie warten auf eine
menschliche Geburt und streben sie an, um der Gewalt der karmischen
Rückwirkungen zu entgehen; denn allein durch die menschliche Geburt haben sie
die Möglichkeit, mit einem Gottmenschen in Verbindung zu treten, der ihnen das
Geheimnis des göttlichen Pfades, den Tonstrom
oder das heilige Wort, offenbaren
kann. Ein
Mensch bräuchte viele Jahre geduldiger Meditation, wollte er fähig sein, das
System von Gottes mächtiger Herrschaft in gewissem Ausmaß zu verstehen; und dem
forschenden Sucher kann auf dieser Stufe nur sehr wenig gesagt werden. Es ist
ebenso schwierig, einen wahren spirituellen Meister zu verstehen. Doch bei all
dem spielt ein Heiliger (Sant),
während er auf der Welt weilt, gewöhnlich die normale Rolle eines Menschen und
spricht von sich selbst stets als von einem Sklaven, Leibeigenen und Diener
Gottes und seines Volkes. Wenn
ein Meister- Heiliger die Lasten der Karmas ergebener Seelen auf seine
Schultern nimmt, übergeht oder beseitigt er deswegen nicht das höchste Gesetz.
Man kann seine Stellung mit der eines verkleideten Königs vergleichen, der
sich, um die Lage seiner Untertanen zu verbessern, freiwillig unter sie mischt,
um ihre Schwierigkeiten zu verstehen und zuzeiten auch ihre Freuden und Sorgen
zu teilen. Soweit es den menschlichen Körper betrifft, macht ein Meister-
Heiliger von einem besonderen göttlichen Zugeständnis Gebrauch. Kurz gesagt,
kann er den Tod durch die Guillotine in einen Dornenstich verwandeln. Manchmal
erlaubt er seinen Körper in geringem Ausmaß das zu erleiden, was für einen
gewöhnlichen Menschen eine große Qual gewesen wäre. Er zeigt den Menschen, daß
alle Körper leiden, denn dementsprechend lautet das Naturgesetz für alle verkörperten
Geschöpfe. „Das physische Leben ist nur Trübsal“, erklärte Sakya Muni, Lord Buddha (Erleuchteter, soll im 7. Jahrhundert v.
Christus gelebt haben). Auch der heilige Kabir (Berühmter indischer Heiliger
des Surat Shabd Yoga) sagte, daß er noch keinen einzigen Menschen gesehen habe,
der glücklich war; jeder, dem er zufällig begegnete, befand sich in irgendeiner
Not. Guru Nanak (Erster Guru der Sikhs, lehrte, daß der weg zu Gott für alle
Menschen der gleiche ist) zeichnet uns ein anschauliches Bild einer Welt voller
Sorgen und Leiden, ausgenommen davon jene seltenen Menschen, die bei Naam Zuflucht gefunden hatten. Durch
diese traurige Erfahrung um uns herum halten wir den Gottmenschen für einen
gewöhnlichen Sterblichen, wie wir es sind. Indem er körperlichen „Schmerz“
erduldet, bekleidet er allem äußeren Anschein nach die Rolle eines Menschen,
doch innerlich ist er immer vom physischen Körper getrennt. Die ständige
Verbindung mit Gott im Innern ermöglicht ihm, dem zu entgehen, was für den
Schüler ein unerträglicher Schmerz wäre. Jeder,
der auf diesen Pfad gesellt wurde und sich mit dem Prozeß der Umkehr
beschäftigt, kann seine Sinnesströme vom Körper zurückziehen, indem er sich am
Zentrum hinter den Augen sammelt. Die zeit mag verschieden sein, die der einzelne
Mensch jeweils benötigt, um dieses Ziel zu erreichen, aber die Ergebnisse
folgen mit Sicherheit und sind in jedem Fall nachweisbar. Die ergebenen Schüler
auf diesem Pfad lehnen selbst auf dem Operationstisch die dem Patienten
normalerweise verabreichten Betäubungsmittel freiwillig ab. Sie ziehen ihr
Bewußtsein vom Körper zurück und spüren somit nicht die Auswirkungen des
Messers oder Skalpells des Chirurgen. Von Bhai
Mani Singh, der durch Abschneiden aller Gelenke zum Tode verurteilt worden
war, wird berichtet, daß er dem Vorgang nicht nur lächelnd zustimmte, sondern
auch gegen den Schafrichter Einspruch erhob, als dieser versuchte, sich der
schädlichen Aufgabe zu entledigen und kurzen Prozeß zu machen, indem er die
Glieder Stück für Stück abtrennte, statt Gelenk für Gelenk, wie ihm befohlen
worden war. Die
Initiierten des Meisters (Satsangis),
welche die Dinge mit offenen Augen betrachten, begegnen sehr oft derartigen
Fällen. Jene Seele, die einen inneren Zugang haben, bleiben in das große Selbst
im Innern vertieft und stellen ihre Fähigkeit nicht zur Schau. Dieses Gesetz
bewährt sich aus dem einfachen Grund, daß Heldentaten wie diese oft darauf
angelegt sind, als Wunder zu gelten und daher gewissenhaft zu vermeiden sind.
Heilige zeigen keine Wunder und erlauben auch keinem ihrer Schüler, sich solch
prahlerischem und sinnlosem Blendwerk hinzugeben. Wenn
Heilige scheinbar krank sind, kann man im allgemeinen sehen, daß sie vom Arzt
verordnete Arzneien einnehmen, aber in Wirklichkeit brauchen sie eine solche Behandlung
nicht. Sie tun das nur, um die Gesetze der Welt zu beachten. Auf diese Weise
geben sie den Menschen ein Beispiel, den üblichen weltlichen Weg mit Klugheit
beizubehalten und sich einer richtigen Behandlung zu unterziehen, falls es
nötig ist. Natürlich wird vom Schüler erwartet, Medikamente zu verwenden, die
keinerlei Produkte und Substanzen tierischen Ursprungs enthalten; doch manche
Schüler, die einen unerschütterlichen Glauben an die gütige Kraft des Meister-
Heilenden im Innern haben, vermeiden gewöhnlich auch die sogenannte
„Heilmaßnahmen“ und erlauben der Natur, durch sich selbst zu wirken, denn die
heilende Kraft im Innern ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen
Systems. Die körperlichen Störungen, die manchmal auftreten, sollten frohen
Mutes angenommen und ertragen werden, denn sie sind im allgemeinen das Ergebnis
unserer eigenen Ernährungsfehler und sind durch rechte hygienische Maßnahmen
und ausgewählte Nahrung wieder behebbar. Hippokrates, der Vater der
medizinischen Wissenschaften, betonte mit Nachdruck, daß die Nahrung als
Medizin betrachtet werden sollte. Selbst schwere Erkrankungen, die von
karmischen Rückwirkungen herrühren, sollten ohne Murren oder Bitterkeit mit
Geduld ertragen werden, denn alle karmischen Schulden müssen bezahlt und die
Rechnungen hier und jetzt beglichen werden. Es ist besser, dies möglichst
schnell geschehen zu lassen, anstatt noch irgendwelche offene Posten zur
späteren Bezahlung stehen zu lassen. Es wird berichtet, daß zur Zeit Hazrat
Mian Mirs, eines frommen Moslems und Mystikers, sein Schüler Abdullah, als er
mit einem Leiden darniederlag, seine Sinnesströme zum Augenbrennpunkt zurückzog
und sich sicher in der Zitadelle des Friedens einschloß. Da zog er sich
unversehrt in die Zitadelle des Friedens zurück. Als ihn sein Meister Mian Mir
besuchte, holte er Abdullah ins Körperbewußtsein zurück und gebot ihm, zu
bezahlen, was er schuldig sei, denn durch eine solche Taktik könne er sich der
Bezahlung nicht auf unbegrenzte Zeit entziehen. Im
Gegensatz zu den meisten von uns wenden die Meister- Heiligen nicht viel Zeit
für die Pflege und Bedürfnisse des Körpers auf. Sie betrachten das physische
Kleid als bloßen Lumpen, der eines Tages weggeworfen wird. Wenn es nötig ist,
leisten sie schwere körperliche und geistige Arbeit, ohne sich niederlegen oder
ausruhen zu wollen, und bleiben ohne jede Unterbrechung viele Nächte lang wach.
Solche erstaunlichen Leistungen geben der modernen Wissenschaft Rätsel auf,
doch für die Heiligen sind sie etwas Alltägliches, denn sie sind mit den
höheren Naturgesetzen vertraut, von denen wir keinerlei Kenntnis haben, und
machen von ihnen Gebrauch. Handlungen oder Karmas können als persönliches Karma
oder Gruppenkarma eingeordnet werden. Letztere sind Karmas, die von einer
Gemeinschaft oder einem Volk als Ganzes ausgeführt und als Dharma bezeichnet werden. Wie ein einzelner die Früchte seiner
eigenen Karmas (Handlungen) erträgt, so auch eine Gemeinschaft, denn auch sie
muß die Auswirkung der allgemeinen Politik, die sie verfolgt, hinnehmen. Das
führt dazu, daß auch unschuldige Menschen unter den Mißständen zu leiden haben,
die aus dem falsch erdachten Gruppenkarma (Dharma)
der Gemeinschaft, der sie angehören, entstehen. Als der persische Schah Nadir
in Indien einfiel und ein allgemeines Blutbad unter der Bevölkerung Delhis
befahl, war das ganze Volk bestürzt, und man glaubte, daß die sozialen
Mißstände des Volkes die Gestalt Nadirs angenommen hätten. Die gerechte
Vergeltung aller begangenen Sünden und Versäumnisse liegt im Wesenskern der Naturgesetze
begründet, und die Bestrafung sucht uns in der einen oder anderen Gestalt heim,
ob man diese Kraft nun Rachegöttinnen, Eumeniden oder wie auch immer nennt. |