Religiöse Unterschiede

Die religiösen Unterschiede, so wie sie in Erscheinung treten, sind alle von Menschen geschaffen und eine Folge von Engherzigkeit und Bigotterie.
Heilige und Seher haben eine allgemeine Botschaft für die ganze Welt. Es ist die Botschaft der universalen Liebe. Tatsächlich kann nicht ein einziger seine Liebe zu Gott beweisen, solange er nicht weiß, wie er seinen Nächsten lieben soll. Gerade wie körperliche Krankheiten den menschlichen Körper ruinieren, so wirken sich auch geistige Verderbtheiten aus. Letztere vergiften das Kreislaufsystem im Körper, so dass man durch Gier, Egoismus, Hass, Übelwollen und Feindseligkeit sehr in Mitleidenschaft gezogen wird, was wiederum zu einer verkehrten Lebenseinstellung führt. So wird der Mensch auf die Stufe der Tiere hinuntergezogen; nein, zeitweise sinkt er sogar noch tiefer; und sehr oft ist die Folge davon sozialer und wirtschaftlicher Zusammenbruch.
Immer wenn Meisterseelen in die Welt kommen, sagen sie uns, dass alle religiösen Verschiedenheiten das Ergebnis von Unwissenheit, individuellen Schrullen, religiöser Eitelkeit oder spiritueller Selbstsucht sind. Die sogenannten Führer in allen Religionen leiden unter fehlgeleitetem Eifer und engherzigen Vorurteilen, so dass sie unmöglich eine objektive, freie Auffassung von den sie umgebenden Dingen haben können. Im Gegenteil, sie sehen die Welt durch die rauchgeschwärzte Brille, die sie selbst vor Augen haben. Sie kennen keine Duldsamkeit für Dinge und Zustände, die nicht mit den starren Formeln ihrer organisierten, sektiererischen und religiösen Ordnungen übereinstimmen.
Es gibt nur eine weltumfassende universale Religion, die Religion der Liebe, die sich auf der großen fundamentalen Wahrheit der Vaterschaft Gottes und der Bruderschaft der Menschen gründet. Allein durch Selbstsüchtigkeit, kleinliche Vorurteile und umnebelten Verstand haben wir beschränkte sektiererische Machtbereiche gebildet. Wir haben Hecken und Mauern von Hass und Feindschaft um uns errichtet und scheiden somit Mensch von Mensch, Klasse von Klasse, Nation von Nation und Land von Land. In diesem Zusammenhang sagte der große mohammedanische Heilige Hafiz:

Die Wahrheit leuchtet sowohl im Islam wie auch im Kufar (dem Mann des Glaubens und dem Ketzer), und all die scheinbaren Unterschiede in den verschiedenen Gemeinschaften sind in Wirklichkeit nichts. Infolge bloßer Vorurteile, haben die Brahmanen und Sheikhs (die religiösen Häupter der Hindus bzw. des Islam) verschiedene Trinkgefäße, obwohl in der Weinschenke nur ein Kellermeister (der Gottmensch) ist, der denselben Wein (der Gottesliebe) aus der gleichen Flasche an die verschiedenen Zechbrüder, die am Tisch sitzen, ausgibt.
Die Heiligen sagen uns, dass es im ganzen Universum nur einen Gott gibt. Die Upanishaden sagen dasselbe:

Die Wahrheit ist eine, obwohl sie die Weisen verschieden benennen.

Er ist der Gott der ganzen Schöpfung und nicht der der einen oder anderen Religion. Es besteht in der Tat kein Unterschied zwischen Karta (der eine wahre Schöpfer) bei den Hindus und Karim (der Barmherzige) bei den Moslems; Ram (der Erhalter bei den Hindus) und Kalim (der Mitleidsvolle bei den Moslems). Alle diese Namen beschreiben die verschiedenen Attribute Gottes und wurden von Weisen, Heiligen, Rishis und Munis verschiedener Glaubensrichtungen in ihrer eigenen Sprache ausgedrückt. Die Namenlose Realität ist eine, doch sie antwortet auf die Rufe aller und auf jeden Namen, mit dem der Mensch sie anfleht.

Der Namenlose Eine hat viele Namen. Er hört darauf, ganz gleich, mit welchem Namen man sich an Ihn wendet.

Maulana Rumi

Man muss den Gefahren des Zweifels und des Skeptizismus sorgsam ausweichen. Gott allein soll verehrt und angebetet werden. Er ist der Gott aller, und jeder einzelne ist Seine Offenbarung. In allen wirkt derselbe Lebensimpuls, und jedem leuchtet das gleiche Licht. Die gesamte Menschheit bildet in sich eine einzige Klasse. In diesem Zusammenhang sagt Guru Gobind Singh:

Manche lassen sich den Kopf kahl scheren, während sich andere in flammenfarbene Kleider hüllen; wieder andere nennen sich Yogis (sie tragen hölzerne Ohrringe und ziehen immer von Ort zu Ort). Andere beachten das Zölibat in ihrer Suche nach dem Herrn, und weitere unterziehen sich strengen Härten und Bußen. Manche sind Hindus, und manche sind Türken, während andere Imams, Rafzi oder Anhänger irgendeines Heiligen sind. Trotz all dieser unterschiedlichen Bezeichnungen sind sie im Grunde alle eines: »die Menschheit«, d.h. Menschen, aus Gott geboren und in Ihn eingebettet. Nennt Ihn den Schöpfer oder den Barmherzigen, den Geber oder Rahim, es hat nichts zu sagen. Nehmt es als festgelegte Wahrheit, und lasst euch nicht durch die unterschiedlichen Namen verwirren. Sie alle dienen und verehren denselben Gott, den Herrn und Meister des Universums. Alle stellen das Bild des gleichen Gottes dar und existieren durch seine Liebe und sein Licht allein. Dieser Namenlose Eine hat viele Namen, doch Er hört auf jeden, mit dem man sich an Ihn wendet.


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