4. Tod im Leben und eine Neue Geburt

Der Kontakt mit dem Göttlichen ist nur möglich, wenn sich die Seele über das Körperbewußtsein erhebt, d.h. über den Sinnesplan und auf der übersinnlichen Ebene zu sich kommt; denn wahres Erkennen ist Sache der Seele, ohne die Hilfe der Sinne.

"Hier sieht man ohne Augen und hört ohne Ohren, geht ohne 
Füße, wirkt ohne Hände und spricht ohne Zunge.
O Nanak, durch den Tod im Leben versteht man den Göttlichen 
Willen und sieht die Wirklichkeit von Angesicht zu Angesicht."

Um diese Erfahrung zu erlangen, hat sich die Seele vorübergehend vom Körper mit den verschiedenen Sinnen, die an ihn gebunden sind, vom Gemüt, den Lebensenergien - von allem, was grobstofflich ist, zu grob, um mit der Wahrheit Kontakt zu haben - zu trennen. Mit anderen Worten, die verkörperte Seele hat sich selbst zu entkörpern, um eine reine und einfache Seele zu werden und an nichts gebunden zu sein, ehe sie mit der subtilen und verfeinerten Meisterkraft in Verbindung kommen kann. Darum sagt Guru Nanak:

"Es sei denn, man erhebt sich zur Höhe Gottes, so kann man 
Gott nicht erkennen."

Die Göttliche Kraft kann durch etwas, das einer niedrigeren Ebene angehört, weder begriffen noch erfaßt werden. Bei all unserer Rechtschaffenheit sind wir nichts wert und solange wir im Körper sind, ist keiner wirklich rechtschaffen, nein, nicht einer. Indem sich die Seele über das Körperbewußtsein erhebt, leuchtet sie in ihrer ursprünglichen Reinheit, erlangt das kosmische Bewußtsein und fühlt gleichsam, daß sie ein bewußter Mitarbeiter am Göttlichen Plan ist. Dieses Aufblühen vom Mikrokosmos in den Makrokosmos wird "Duaya Jamma" oder die "Zweite Geburt" genannt, d.h. die Geburt aus dem Geist, da sie verschieden ist von der Geburt aus dem Fleisch. So heißt es in den Evangelien:

"Es sei denn, daß jemand von neuem geboren wird, so kann er 
das Reich Gottes nicht SEHEN."

"Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, 
so kann er nicht in das Reich Gottes HINEINKOMMEN." 
                                                                                    Joh. 3,3-5

"Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben." 
                                                                       1.Kor. 15,50

"Lerne zu sterben, damit du zu leben beginnen kannst."

Danach richtet sich der Mensch nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist. Da der Zurückziehungsprozeß der Seele mit dem wirklichen Tod verwandt ist, erlangt man dadurch den Sieg über den Tod - dem letzten Feind der Menschheit. Der tägliche Tod, nach Belieben herbeigeführt, nimmt den Stachel des Todes fort. Wir stoßen hier auf Hinweise vom Tod im Leben in den Schriften aller Religionen. Kabir, ein indischer Heiliger von großem Ansehen, sagte:

"Der Tod, vor welchem sich die Menschen sich so schrecklich 
fürchten, ist mir eine Quelle des Friedens und der Freude."

Dadu, ein anderer Heiliger bestätigt:

"O Dadu, lerne zu sterben noch während des Lebens; denn am 
Ende müssen alle sterben."

Maulana Rumi sagt darüber:

"Solange der Mensch die Sinnesebene nicht überschreitet, 
bleibt er dem Göttlichen Leben völlig fremd."

Ähnliche Worte finden wir in den Evangelien, wie "Ich sterbe täglich" und "Ich bin gekreuzigt in Christo"; dazu Christi eigene Ermahnung an seine Nachfolger: "Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir." All dies bezieht sich auf ein und dasselbe, nämlich auf den letztlichen Sieg des Geistes über das Fleisch - die wahre Auferstehung oder der vollkommene Übergang von einem Leben in ein anderes.

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