SAT SANDESH

Der Pfad der Meister

Mai / Juni 1968

 

 

VOM MEISTER

 

Gedicht: Ein vollendeter Mensch

Die Botschaft des Meisters

Der Meister spricht:

Keuschheit und Vergebung

Die Notwendigkeit eines Meisters

Geburtstagsbotschaft

Surat Shabd Yoga

 

VON ANDEREN VERFASSERN

 

Vom Schreibtisch des Herausgebers

Das Leben im Geiste (Bhadra Sena)

Sant Kirpal Singh (Bhadra Sena)

Die Umwandlung des Menschen (Dr. George Arnsby Jones)

Weltgemeinschaft der Religionen (Baron W. F. von Blomberg)

Meine Suche nach Gott (Jerry Astra Turk)

Gedicht: Der gesegnete Tag (Darshan)

Augenblicke aus dem Leben des Meisters (Bhadra Sena)

Der Kampfplatz Gottes (Betty Shifflet)

Gedicht: Spirituelle Geburt (Baroness von Blomberg)

Gedicht: O Formloser Einer (Nanak)

Meisters Geburtstagsfeierlichkeiten

Uralte Weisheiten

 

 

EIN VOLLENDETER MENSCH

 

O Mensch, Du bist ein Altar für die Welt

und die Seele des Universums.

Personifizierte Wahrheit, bist Du in Wahrheit gekleidet.

Das Herz der Wahrheit und der Wegweiser zu ihr.

Alle sind gekommen, um zu Deinen Lotosfüßen Zuflucht zu nehmen.

 

Da Du alle Liebe bist, sind wir gekommen,

um teilzuhaben an Deiner Liebe.

Du bist das Höchste und die Krone der Schöpfung;

Du bist der Größte und Vollkommenste des Universums.

Wer auf der Welt ist besser als Du?

Oh, keiner!

Wer kann Dich übertreffen in den zwei Welten?

Oh, keiner!

 

Alle schauen auf Dich in tiefer Verehrung,

denn Du bist der Geliebte aller.

Du bist das Ziel und die Seele selbst der Engelscharen.

Alle unsichtbaren Werte des Makrokosmos sind völlig offenbart in Dir.

Alle Anzeichen von Gottes Plan sind in Deinem Wesen.

 

Wer auch immer auf Dich schaut, erfährt den Geist des Herrn.

Du bist wahrlich die Heimstatt aller göttlichen Eigenschaften.

Wo findet man sonst alle Tugenden und all die Pracht?

Sie alle vereinigen sich allein im Vollendeten Menschen.

 

Ist es euer Wunsch, Gott zu sehen,

so schaut auf Gottes Herrlichkeit in Ihm!

Zu Ihm sprechen, auf Ihn zu hören, heißt sich an Gott zu wenden.

Der Vollendete Mensch ist wahrlich Gottes Ebenbild.

Er ist wahrhaftig Gott Selbst, o, zweifelt nicht daran.

 

Ihr könnt Gott im Innersten Seines Herzens finden.

Seine Persönlichkeit ist fürwahr die Wohnstatt

aller göttlichen Merkmale und Eigenschaften.

 

Kirpal Singh

 

 

DIE BOTSCHAFT DES MEISTERS

 

Meine Lieben,

 

Ich sende euch ‘Sat Sandesh‘‚ die ‘Botschaft des Herrn‘, die alle Heiligen und Propheten von Zeit zu Zeit zur Führung und Erhebung des Menschen gebracht haben. Kabir sagt: Ich kenne die Wahre Heimat des Vaters und bin gekommen, um euch die Botschaft Gottes zu künden. Gott sagt:

 

Ich bin der Herr der ganzen Schöpfung. Der Mensch ist der Höchste in der ganzen Schöpfung. Er ist Mir am nächsten. Ich habe allen Menschen die gleichen Vorrechte gegeben. Sie sind auf dieselbe Weise geboren mit demselben äußeren und inneren Aufbau. Dies ist die goldene Gelegenheit, die euch gegeben wurde, um Mich zu erkennen. Seitdem ihr in die Welt gesandt wurdet, seid ihr nicht zu Mir — der Wahren Heimat – zurückgekehrt, sondern haftet so sehr an den Freuden des Gemüts und den nach außen gehenden Kräften, daß ihr sogar euch selbst vergessen habt; nicht zu sprechen von Mir. Ich habe Heilige und Propheten geschickt, um euch zu erwecken und zu Mir zurückzubringen‚ aber Ihr habt euch nicht darum gekümmert zu kommen. Statt ihr Dienen anzuerkennen, habt ihr sie in Unruhe gebracht.

 

Ich sendete Christus — das Wort wurde Fleisch — der euch eindringlich ermahnte. Wandelt euer Herz, denn das Reich Gottes ist nahe. Die Religionen kamen ins Sein, um die Lehren aller Meister frisch zu erhalten. Religion in ihrer ursprünglichen Schönheit bedeutet eine lebendige Wirklichkeit. Es ist ein Zustand allumfassender Gottesbewußtheit, in welchem ihr lebt, euch bewegt und in meiner liebenden Gegenwart euer Sein habt. Alle eure Aktivität oder eure Einrichtungen sollten durch die Liebe zu Mir inspiriert sein; denn dies würde keine Fremdlinge, nichts Andersartiges, keinen Haß zurückgelassen haben und Streit würde nicht bekannt gewesen sein.

 

Wenn ihr Mich suchen wollt; dann überwindet alle Ängste. Dies könnt ihr nur erreichen, wenn ihr alles Anhaften an Reichtum, Familie und Körper abschüttelt; denn das eine wie das andere ist Mir und wurde euch gegeben, um den besten Gebrauch davon zu machen, damit ihr Mich erreicht. Diese Loslösung des Herzens kommt nur zustande, ‘wenn du mich liebst mit deinem ganzen Herzen, mit deinem ganzen Gemüt und mit all deiner Kraft‘. Dies ist die wahre Entsagung, die der höchste Ausdruck der Religion ist.

 

Alle Heiligen und Propheten, die ich nach Osten oder Westen sandte, deren Leben war verzückt durch die Vision der Einheit aller Geschlechter und Religionen im Geiste. Das Äußere ist der Ausdruck des Gemüts; solange ihr nicht erst die Einheit in euren Herzen herstellt, könnt ihr nicht die Einheit aller Menschen entfalten.

 

Es gibt zwei Methoden, durch die dieses Ziel erreicht werden kann: Die eine ist die innere Methode der Meditation, wenn man in die Stille des Herzens geht, wo sich die Quelle Meiner Liebe, alle Glückseligkeit und Freude ergießt. Ihr müßt wiedergeboren werden; solange ihr nicht wiedergeboren (oder zweimal geboren) seid, könnt ihr nicht in Mein Reich kommen, das in euch liegt. Jene, die einmal das Wasser des Lebens dieser Quelle getrunken haben, sind für immer berauscht und die Liebe fließt in all ihrer Freude und Anmut von ihnen zu allen Menschen aus — die dem Frieden auf der ganzen Welt unter Deinem Willen, o Herr, den Weg öffnet.

 

Die zweite ist, die Bedeutung und das Ziel des Wissens zu verstehen, was in einem einzigen Gedanken ‘Dienst‘ an Meiner ganzen Schöpfung, den Menschen, Vierfüßlern und Vögeln etc, ist. Die Bedeutung wahren Lebens ist Dienen und Opfern.

 

Solange ihr vor allen Dingen selbst gesegnet sein wollt und erwartet, daß andere euch dienen, werdet ihr dem Weg der Spiritualität ein Fremder bleiben. Wenn ihr wünscht, daß die anderen gesegnet sind, werdet ihr Erfolg haben auf eurem Weg zurück zu Mir.

 

Seid nicht ein Reformer, der andere zum Guten bringen will, doch seid Zeuge der Liebe, die alle Liebe in Gedanken, Worten und Taten ausstrahlt. Gebt lieber ein Beispiel, als anderen Vorschriften zu machen. Ihr ergeht euch in einem Meer von Reden, aber wieviele Unzen von Taten sind da?

 

Eine Unze Praxis ist besser als Tonnen von Theorien. Gebraucht sind solche, die sich selbst, nicht andere reformieren.

 

Die Religion verfällt, wenn Formen und Rituale wichtiger werden als Ich (Gott). Das innere Licht in euch schwindet und macht der intellektuellen Annahme eines Dogmas oder Glaubensbekenntnisses Platz, das ihr für die Rechtfertigung haltet, der ihr bereitwillig euer Leben hingebt. Die Religion verfällt weiter, wenn weder Ich (Gott) noch die Kirche euch leitet, ihr aber zu Sklaven des Mammon und der materiellen Macht einer starken Religion werdet; nur die Formen bleiben und enden in selbstischen Zielen durch die sogenannten Schirmherren und Kontrahenten der Religionen.

 

Ihr seid mir alle teuer, liebe Kinder. Ich rate euch allen, wo immer ihr lebt, setzt euch zusammen als Brüder und Schwestern und versteht einander. Löst alle Meinungsverschiedenheiten und Mißverständnisse — ihr seid bereits eins als Mensch, als Seele (bewußte Wesen), als Schüler derselben Meisterkraft (die durch die menschlichen Pole von Hazoor Baba Sawan Singh Ji und Seinem Sohn Kirpal Singh wirkt); und Ich bin in jedem von euch als die beherrschende Kraft, die euch im Körper hält. Beseitigt alle Zweiheit und jedes Anderssein. Ihr werdet in der Lage sein, nur in Meinem Namen zusammenzusitzen und werdet diese Einheit in Mir in der Gemeinschaft eines Heiligen erkennen.”

 

Möge diese Lektion in die Herzen aller von euch gehen, daß der Zweck des Lebens die Hingabe an das Ewige ist und der Sinn des Lebens, sich dort Ewigen Werten des Lebens zu weihen.

 

Möge der Segen des Meisters für immer und ewig bei euch sein.

 

Kirpal Singh

 

 

VOM SCHREIBTISCH DES HERAUSGEBERS

 

Mit einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit an den Allmächtigen haben wir die große Freude anzukündigen, daß wir mit dem Segen des Meisters Sant Kirpal Singh Ji Maharaj, Ruhani Satsang Delhi, nun ‘Sat Sandesh‘, die Botschaft der Wahrheit oder die Botschaft des Meisters, veröffentlichen. Wir haben bereits zwei Ausgaben, eine in Hindi und eine in Urdu, um die Gedanken und Lehren des Meisters unter den Menschen auszubreiten. Da eine ständige Nachfrage im Westen wie im Osten nach ‘Sat Sandesh‘ bestand, hielten wir es für angebracht, ihren Bedürfnissen gerecht zu werden, indem wir eine neue Reihe in dieser Form in englischer und nun auch in deutscher Sprache herausbringen.

 

Die Lehren des Meisters sind in der ganzen Welt bekannt. Als Präsident der Weltgemeinschaft der Religionen von ihren ersten Anfängen im Jahre 1957 an, hat er intensiv den Osten und den Westen bereist, um die innere Botschaft der Wahrheit zu bringen, die von Baba Sawan Singh und allen anderen Meistern gegeben vurde. ”Erkenne dich selbst und erkenne Gott” ist sein immer wiederkehrendes Thema und wie dies praktisch zu tun ist, das ist, was er diejenigen, die mit ihm in Kontakt kommen, lehrt, ihnen veranschaulicht und enthüllt.

 

Der Meister gehört der Welt und die Welt gehört ihm. Alle Religionen sind die seinen und doch steht er fern aller religiösen Strenge und jeden Dogmas. Die verschiedenen sozialen Religionen, die wir heute haben, setzen ethische und moralische Grundsätze fest, die mehr oder weniger allgemeingültig sind und auf diesen wichtigen Übereinstimmungen, die diesen zugrunde liegen, baut der Meister das goldene Gebäude der Spiritualität auf, ganz gleich wo und wie die verschiedenen Religionen entstanden sind und was die Menschheit aus ihnen gemacht hat, nachdem ihre Begründer gestorben sind. Er beseitigt die verknöcherten Erstarrungen und Verkrustungen, die mit der Zeit entstanden sind und stößt auf die Lebenswurzeln auf ihrem Grunde, stellt die ewigen Werte des Lebens — Selbstverwirklichung und Gottverwirklichung —der Allgemeinheit vor und macht sie nach und nach so frisch und wohlriechend wie sie waren, als sie vor Jahrhunderten begründet wurden, elastisch, eklektisch und von Leben durchpulst. Die Spiritualität in ihrem innersten Wesen ist die Mutter aller Glaubensrichtungen und Religionen. Sie ist keine Institution noch ein Glaubensbekenntnis, noch erfordert sie blinden Glauben. Sehen ist glauben, und diese direkte und unmittelbare Erfahrung steht über allem Bücher-, intellektuellem oder anderem Wissen. Wahres Wissen erhält man durch die Seele in einer Übertragung oder Eingebung, die von den Sinnen unabhängig ist. Es umfaßt die Ganzheit des Seins. Wie man zu ihm gelangt im Labratorium des menschlichen Körpers, das ist die einzige Frage, wofür Ruhani Satsang einsteht und weswegen er alle einlädt, unabhängig von dem persönlichen religiösen Glauben, der territorialen Abhängigkeit ihres Brauchtums und der darin begründeten Lebensweise, wie sie nach physischen, geographischen, ethnologischen und ähnlichen Erwägungen festgelegt sind. Ohne sich in verworrene metaphysische Verwicklungen und philosophische Polemik einzulassen, hilft der Meister ganz einfach, in jedem selbst die Ufer des Lebens wiederzuentdecken, die in dem gewaltigen Strudel der Welt und in der unaufhörlichen Betriebsamkeit auf der Sinnesebene verlorengingen. Er macht jeden wirklich religiös in seiner eigenen Religion, ganz gleich, welche es auch immer ist.

 

Ein allgemeines Forum zu errichten, wo Menschen der verschiedenen Religionen zusammenkommen können, war immer der große Wunsch des Großen Meisters Hazoor Sawan Singh Ji Maharaj und wir haben jetzt den so sehr benötigten allgemeinen Ort im Sawan Ashram, der nach dem großen Meister benannt wurde. Er hat Zentren in aller Welt und zahllose Menschen erhalten spirituellen Nutzen von seinem Gründer und Leiter — Sant Kirpal Singh - dessen Dienst in der Sache der Spiritualität in der ganzen Welt anerkannt wurde.

 

Möge Hazoors Segnungen uns in diesem Unternehmen und allen Suchern nach der Wahrheit helfen, das ist unser sehnlichster Wunsch.

 

 

DAS LEBEN AUS DEM GEISTE

 

von Bhadra Sena

 

Jede gute Gabe und jede vollkommene Gabe kommt von oben, von dem Vater des Lebens.

 

‘Lebe um zu lernen und lerne zu sterben‘ ist ein ganz einfaches Sprichwort, aber nur wenige von uns sind sich seiner tiefen Bedeutung bewußt. Es kann erst verwirklicht werdet, wenn wir es in unserem eigenen Leben praktizieren.

 

Nur ein vollendeter Meister — vollendet in der Wissenschaft und Kunst des Lebens — kann uns deutlich machen, was Vollkommenheit ist und die Vollkommenheit erlernt und im Leben gelebt werden kann. Daher kann die Notwendigkeit eines vollkommenen Meisters nicht genug betont worden, wenigstens für diejenigen von uns, die um Vollkommenheit flehen in dem unvollkommenen und dunklen Leben der Sinne, das wir an der Peripherie unseres Seins, weit entfernt vom Mittelpunkt des Lebens und des Daseins, führen.

 

Der Mensch muß der Lehrer des Menschen sein auf allen Ebenen des Daseins. Wir brauchen einen Lehrer von der Wiege bis zum Grabe, oder dem Krematorium, wie der Fall gerade liegt. Mit all unserer Ausbildung, die wir von der Kindheit bis zum Alter erhalten, bekommen wir selten eine Gelegenheit, die Wissenschaft des wahren Lebens, oder gar wie es als eine Kunst zu praktizieren ist, zu lernen. Bevor wir nicht nach den Wurzeln des Lebens graben, können wir nicht die Quelle finden, von welcher gesagt ist: ”Ich gebe dir lebendiges Wasser, wer aber das Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.”

 

Niemand kann bei all seinem Lernen und Wissen aus sich selbst der Wahrheit nahe kommen, der lebenden Wahrheit, durch die, wenn man sie kennt, alles andere bekannt wird und nichts unbekannt läßt, wie die Schriften sagen. Es ist eine Wissenschaft der Seele oder Para Vidya (die Wissenschaft des Jenseits, unabhängig von den Sinnen) und eine Erfahrung davon kann man nur durch einen praktischen Prozeß der Selbstanalyse haben, durch den der Geist von Körper und Gemüt getrennt wird, womit er jetzt durch die über Äonen andauernde Gemeinschaft identifiziert ist.

 

Nur wenn der Geist zu sich kommt und vom körperlichen und mentalen Bereich frei wird, ist er fähig, das Licht der Stille zu sehen und die Stimme der Stille zu hören. Es ist eine Erfahrung, welche die Priester, Pandits und Pathis (die die heiligen Schriften vortragen), Maulvi Maulanas und Mujahids (die Bußübungen verrichten) kaum gewähren können bei all ihrer heiligen Erkenntnis. Ein wirklich erwachter Mensch kann in seiner Gnade das alles-sehende Auge und das alles-hörende Ohr öffnen und Ewiges Leben gewähren, so daß man nicht den Schmerz des zweiten Todes empfindet.

 

Die esoterische Wissenschaft ist ganz abstrakt und schwer verständlich. Daher die Wichtigkeit und Notwendigkeit eines lebenden Meisters. Er ist das Alpha und Omega, der Anfang und das Ende, das Erste und Letzte auf dem Wege zu Gott. Er lädt alle ein und sagt: ”Mögen die Durstigen und wer immer es will, frei das Wasser des Lebens trinken.”

 

Das bedeutet wahrhaftig, das Leben des Geistes zu leben, das im Leben gelernt und geübt werden muß.

 

 

DER MEISTER SPRICHT

 

 

KEUSCHHEIT UND VERGEBUNG

 

Das höchste Ideal des menschlichen Lebens ist die Gottverwirklichung. Religionen wurden gemacht, um die Lehren großer Seelen, die Erleuchtung erreichten, zu verewigen. Sie hinterließen einen Bericht ihrer persönlichen Erfahrungen zur Führung der Nachwelt. Sie haben alle gesagt, daß Gott allgegenwärtig ist. Was immer wir um uns sehen, ist ohne Zweifel Seine Offenbarung. Die Frage aber ist, wie Ihn zu sehen?

 

“Des Herrn Wort ist allesdurchdringend,

es gibt keinen Platz wo sein Wort nicht existiert.”

 

Jap Ji

 

“Wir haben Gottes Schimmer gesehen.”

 

Gurbani

 

Man kann Gott nur durch Erheben auf Seine Ebene des Überbewußtseins erfahren. Obwohl die Atmosphäre voll von Bakterien ist, ist dem bloßen Auge nichts sichtbar. Ist damit erwiesen, daß es nichts in der Luft gibt? Wir können durch ein Mikroskop Tausende von winzigen Objekten sehen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ist das, was immer in der Luft gegenwärtig ist, bis zur Sichtebene unserer Augen zu vergrößern, oder unser Sehvermögen sollte so fein werden, um diese winzigen Keime klar sehen zu können. So ist es unmöglich für uns, den sehr subtilen und unbeschreiblichen Herrn mit unseren physischen Augen zu sehen. Wenn wir fähig sind, Überbewußtsein und Subtilität Seiner Ebene zu entwickeln, können wir einige Erfahrung von Ihm haben. Es ist die Frage der Entwicklung des dritten Auges. Wer kann das innere Auge öffnen? Nur die Gnade des Meisters kann es.

 

“Durch die Gnade eines Gottmenschen wirst

du den Tempel des Herrn innen sehen.”

 

Gurbani

 

Der menschliche Körper ist der Tempel Gottes. Um Überbewußtsein zu erlangen, muß man sich von allen physischen Gebundenheiten zurückziehen. Solange wir mit äußeren Dingen identifiziert bleiben, können wir keine subtile Form annehmen. Tulsi Sahib sagt:

 

“Der Herr wohnt in uns, aber wir bleiben unwissend.

Verflucht ist solch ein Leben.”

 

Sogar nach Erhalt des menschlichen Lebens ist es, wenn Er innen nicht offenbart wird, ein großer Fluch, weil wir diese Aufgabe nur im menschlichen Leben ausführen können.

 

“O Tulsi! Die ganze Welt leidet an grauem Star.”

 

Die Ärzte geben den Patienten, die an grauem Star leiden, nicht die Sehkraft wieder. Sie entfernen nur das dünne Häutchen, das die Pupille des Auges bedeckt. Gleichermaßen ist der Herr in uns. Er ist unsere kontrollierende Kraft. Das ganze Universum ist Seine Offenbarung. Er kann innen verwirklicht werden, aber nicht, bevor unser feinstoffliches Auge fähig ist, die Dunkelheit innen zu durchdringen.

 

Tulsi Sahib und Shamas-i-Tabrez haben beide dasselbe gesagt: Schaut den Herrn mit euren eigenen Augen und hört Seine Ewige Musik mit euren eigenen Ohren. Wenn wir durch die Dunkelheit innen durchsehen, können wir das Göttliche Licht erfahren. Tulsi Sahib sagt, daß man ohne die Hilfe eines vollkommenen Meisters nicht fähig ist, die Dunkelheit zu durchdringen. Darin liegt die Größe einer Meisterseele, daß sie unsere Dunkelheit vertreiben und uns die innere Erfahrung des göttlichen Lichtes geben kann. Das ist möglich, wenn unsere Aufmerksamkeit von außen abgezogen ist und wir uns über das Körperbewußtsein erheben. Das ist nicht leicht. Trotz jahrelanger Meditationen konnten frühere Weise und Propheten nicht immer diese Erfahrung des göttlichen Lichtes erhalten. Sie pflegten ‘Kumbhak‘ (Hatha—Yoga—Übungen) zu praktizieren und nach Durchgehen der sechs ganglionischen Zentren hatten sie eine kleine innere Erfahrung im Zentrum zwischen den beiden Augenbrauen. Diese Praxis erfordert Hunderte von Jahren.

 

“Nur der allmächtige Meister kann die Seele hinaufziehen.”

“Er allein kann uns vom Gefängnis des Vergessens befreien.”

 

Soamiji

 

Wer kann sich über das Körperbewußtsein erheben? Der, welcher nicht gebunden und nicht durch sinnliche Vergnügungen in Anspruch genommen ist, kann es. Nur ein solcher Mensch kann leicht innen anklopfen. Ethisches und reines Leben ist deshalb-sehr wesentlich. Sogar wenn der Meister durch Seine Gnade jemanden, dessen Leben nicht rein ist, über das Körperbewußtsein hebt, wird dieser nicht fähig, dem zu widerstehen. Es ist kristallklar, daß es zwei Haupthindernisse auf dem Weg gibt: leidenschaftliche Wünsche und Zorn. Ein reines Leben zu führen ist nicht genug. Wir müssen alle Wünsche überwinden. Im Zorn fließt die Seele aus. Sichgehenlassen und Zorn führen zu verschiedenen anderen Lastern. Wenn diese zwei Feinde nicht zuerst diszipliniert sind, können die anderen wie Gier, Gebundenheit und Egoismus nicht kontrolliert werden. Einer, der erfolgreich alle diese fünf Feinde besiegt, ist frei von Leiden. Die Sinne nehmen ihre Kraft vom Gemüt und das Gemüt von der Seele. Wenn unsere Aufmerksamkeit am Sitz der Seele konzentriert ist, werden die Sinne machtlos.

 

Heilige zeigen uns durch Surat Shabd Yoga den Weg zurück zu Gott. Wo ist der Sitz der Seele im Körper? Zur Zeit des Todes zieht sich die Seele, nachdem sie die niedrigeren Regionen verlassen hat, hinter die beiden Augenbrauen zurück. Jeder, der imstande ist, während seiner Lebenszeit seine Sinnenströme an diesem Punkt zurückzuziehen, kann sein inneres Auge öffnen. Aber dies kann nur durch die Gnade eines vollkommenen lebenden Meisters geschehen. Zuerst hilft uns der Meister im Zurückziehen unserer Aufmerksamkeit von äußeren weltlichen Dingen, mit welchen sie identifiziert ist. In diesem Körper, dem Tempel Gottes, wohnen beide, wir und unsere kontrollierende Kraft. Der Meister hat große Macht, die Seele über den Sinnenplan zum Sitz der Seele zu ziehen. Er öffnet das innere Auge. Somit hat der spirituelle Aspirant eine Ersthand—Erfahrung und braucht nicht irgendeinen anderen Beweis.

 

“Bis ich die Wahrheit mit meinen eigenen Augen sehe, kann ich nicht vollkommen davon überzeugt sein von dem, was der Meister sagt.”

 

Gurbani

 

Bevor nicht die Sinne unter Kontrolle, das Gemüt ruhig und auch der Intellekt im Gleichgewicht sind, kann die Seele sich selbst nicht erkennen. Gyan Yoga wird nicht viel helfen. Wir ziehen nur Schlüsse, um Wissen zu erwerben. Aber das wahre Wissen muß erfahren werden. Nur ein Adept, der eine Ersthanderfahrung gemacht hat, kann euch eine Probe davon geben. Gleichermaßen kann euch nur einer, in welchem das göttliche Licht offenbart ist, Licht zeigen. Intellektuelle und religiöse Prediger können diese Arbeit nicht tun. Wahre innere Erfahrung kann nur durch die Gnade eines wahren kompetenten Meisters gegeben werden. Durch das Eingeben seines eigenen Lebensimpulses stellt Er uns auf den spirituellen Pfad und vereinigt uns dann mit der Kraft Gottes. Einer, der die Sinne bezwungen hat, qualifiziert sich für die göttliche Gnade. Durch Üben von Keuschheit und Vergebung können Begierden und Zorn kontrolliert werden. Wenn ihr ins Detail geht, werdet ihr finden, daß diese unsere Hauptbürden sind. Wenn ihr einmal jemandem still zuhört, werdet ihr merken, daß dieser von seinen leidenschaftlichen Wünschen, kleinen Eifersüchteleien, Uneinigkeiten, Feindschaften, Gegenbeschuldigungen etc. spricht. Einige wird er überschätzen, andere unterschätzen. Von diesen Fehlern muß man sich befreien. Der Prophet Mohammed hat gesagt: “Wenn ihr die beiden Sinnesorgane, natürlich das eine zwischen den beiden Lipp6n und das andere zwischen den beiden Oberschenkeln, kontrollieren könnt, werde ich Bürge stehen für euch am Hof des Herrn.” Wir lesen oder hören lediglich diese Worte, gehen aber nicht tiefer in deren Sinn. Wenn diese zwei Tugenden ausgebildet wären, würde es ein großer Segen sein. Durch den Mangel dieser Tugenden wird die Meditation behindert. Dies ist der Hauptgrund, weshalb ich auf das Führen eines Tagebuches unbedingten Nachdruck lege. Die erste Spalte im Tagebuch ist für Ahimsa (Gewaltlosigkeit) und Vergebung. Sogar wenn dich jemand verletzt, vergib ihm. Beleidigt nicht die Gefühle von irgend jemanden. Einer, welcher Ahimsa praktiziert, würde nicht eine Lüge erzählen, andere betrügen oder unrechtmäßigen Gewinn haben. Laßt uns nun sehen, was Heilige zu dem Thema gesagt haben.

 

Keuschheit und Vergebung sind die zwei grundlegenden und edlen Tugenden von allem. Wenn wir diese Tugenden erwerben, werden wir erfolgreich in unserer Meditation sein. Christus sagt: “Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihrer ist das Himmelreich.” Kinder sind mit diesen beiden Qualitäten ausgestattet. Der Sex ist ihnen vollkommen gleichgültig. Er macht ihnen nie etwas aus, sogar wenn sie nackt sind. Wenn sie vom rechten Weg abgehen, sind wir (die Eltern) schuld. Wenn sie sich untereinander streiten, bringen sie ihre Differenzen bald ins Reine. Laßt uns wie kleine Kinder werden und wir werden erfolgreich in unserer Meditation sein. Ein kompetenter Meister wendet durch die Wirksamkeit der Gotteskraft, die in Ihm wirkt, eure Aufmerksamkeit von den äußeren Bestrebungen weg, zieht sie über den Sinnenplan und öffnet das innere Auge. Er gibt dem spirituellen Aspiranten etwas Kapital der inneren Erfahrung, was seine Gnade ist, aber es ist unsere Verantwortung, diese zu bewahren.

 

Ibrahim Adham, der König von Bukhara, ging einmal zu Sant Kabir. Er diente seinem Meister (Kabir) Tag und Nacht. Mutter Loi, eine Schülerin von Kabir, lobte eines Tages Ibrahim wegen seines selbstlosen Dienstes bei dem Meister und meinte, Ibrahim wäre ein verdienter Ergebener für die spirituelle Gabe geworden. Kabir erwiderte, daß Ibrahim noch nicht Reife erlangt hätte. Um dies zu prüfen bat Kabir, sie soll Abfall vom Dach des Hauses auf Ibrahims Kopf werfen und dann auf das hören, was er zu sagen hatte. Sie tat das. Ibrahim sagte dazu, wenn er in Bukhara gewesen wäre, dann hätte er dem Unfugmacher entsprechend Bescheid gesagt. Als Kabir von Ibrahims Reaktion erfuhr, sagte er, daß dieser seinen Stolz über die Königswürde und den Egoismus nicht überwunden hätte, und deshalb nicht reif genug für die Initiation sei. Nach einiger Zeit sprach Kabir zu Loi, daß Ibrahim reif geworden sei für die Gabe der Spiritualität. Da sie keine bemerkenswerte Änderung an Ibrahim festgestellt hatte, wünschte sie das Kennzeichen für dieses Urteil zu wissen. Dieses Mal bat Kabir sie, Nachtschmutz auf Ibrahim zu schütten. Sie tat es. Zu ihrer Überraschung sagte Ibrahim: “O Gott! Ich bin sogar schlechter als dieser.”

 

Denkt daran, einer, dessen Herz voll des Mitleids für andere ist, der Gutes wünscht, selbst nachdem er beleidigt wurde und sogar für seine Feinde betet, ist als ein Mahatma (große Seele) bekannt.

 

Christus wurde gefragt, welches der Schlüssel des Verhaltens im Leben sein sollte. Auf die Frage über Moses‘ Anweisung in einem solchen Fall wurde ihm gesagt: “Auge um Auge und Zahn um Zahn.” Dazu erwiderte Christus: “Weil eure Herzen verhärtet waren, gab er euch diese Anweisung.” Als er gebeten wurde, seine eigene Meinung zu äußern, sprach Christus: “Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.” Als er weiter gefragt wurde, wie man mit Feinden fertig werden sollte, antwortete er: “Liebe deine Feinde.” Eifersucht, Groll, Verleumdung, Falschheit und Betrug können durch Liebe überwunden werden. Bevor diese Fehler nicht aufgegeben sind, gibt es keinen Ausweg. Sogar bei Predigern und Reformern findet man den Mangel an Keuschheit und Vergebung. Sie erlauben sich Gegenbeschuldigungen, Falschheit, Betrug, Heuchelei usw. Das, was wünschenswert ist, ist das Üben von Vergebung. Wenn wir kindergleiche Qualitäten entwickeln, können wir unser Ziel erreichen. Laßt uns nun hören, was Sant Kabir zur Reinheit des Lebens zu sagen hat: “Wenn Keuschheit und Vergebung in jemandes Herz wachsen, wird der unsichtbare Herr sichtbar. Ohne Keuschheit kann man Ihn nicht erreichen. Leere Worte sind von keinem Nutzen.”

 

Kabir sagt in sehr klaren Worten, daß Keuschheit und Vergeben die zwei Voraussetzungen für Gott—Verwirklichung sind. Ohne Reinheit des Lebens sind alle Predigten oder Gelehrsamkeit von keinem Nutzen. Keuschheit bedeutet Reinheit in Gedanken, Worten und Taten. Keuschheit ist Leben und Sichgehenlassen ist Tod. Vergeben ist schwierig zu praktizieren. Äußerlich stellen wir uns demütig, aber innerlich zögern wir nicht, andere zu verletzen.

 

Ich erinnere mich an einen Vorfall in meinem Leben. Vor langer Zeit wurde meiner Frau die Geldbörse auf dem Bahnhof entwendet. Die Polizei fing den Dieb und die Geldbörse wurde von ihm zurückgegeben. Ich wurde ersucht, einen Bericht bei der Polizeistation zu hinterlegen. Ich sagte der Polizei, daß das unnötig ist, da die Geldbörse gefunden werden ist. Aber auf deren Drängen hin mußte ich, vielleicht zum ersten Mal, zur Polizeistation gehen. Ich sagte dem diensthabenden Polizisten, daß ich nicht daran interessiert sei, über die Angelegenheit zu berichten. Aber er war damit nicht einverstanden und letztlich wurde der Bericht gemacht. Später mußte ich als Zeuge zur Gerichtsverhandlung gehen. Der Polizeibeamte sprach zu mir über den Fall. Er meinte, Gerechtigkeit muß erfolgen; aber ich behauptete, daß es zwei Aspekte des Gesetzes gibt, der eine ist Gerechtigkeit und der andere Mitleid oder Barmherzigkeit. Ich betonte, daß, wenn auch Gerechtigkeit durchgeführt worden ist, Bitterkeit bleiben würde; wohingegen durch Barmherzigkeit vergeben werden könnte. Mitleid führt zu Barmherzigkeit, was wiederum zu Gewaltlosigkeit in Gedanken, Worten und Taten führt. Wie dem auch sei, als ich vor Gericht erschien, sagte ich dem Richter, daß ich nichts dagegen hätte, wenn er den Angeklagten aus einem Grunde freilassen könnte. Der Richter ordnete seine Freilassung mit einer Verwarnung an, nachdem er sich vergewissert hatte, daß kein Bericht über eine Vorstrafe des Angeklagten vorlag. Das Ergebnis war, der Angeklagte und seine Verwandten waren mir immer dankbar geblieben. Was für eine kolossale Wirkung hat Vergebung! Gerechtigkeit könnte nie diesen Effekt erzeugen. Verzeihen ist die größte aller Tugenden. Sie ist Reinheit der Gedanken. Aber leider wird all unsere Zeit in Spannungen und mit geringfügigen Zwistigkeiten verbracht. Wir finden es schwierig, anderen zu verzeihen. Denkt daran, nur ein tapferer Mensch kann anderen vergeben, nicht eine schwache Person. Indirekt bleiben wir beschäftigt im Verdammen unserer Gegner. Solche Personen können niemals Gott erkennen.

 

Alle Gelehrtheit und religiöse Bestrebungen sind von wenig Bedeutung, wenn nicht die Qualitäten der Keuschheit und des Vergebens gründlich verstanden und im Leben geübt werden. Weil diese beiden Tugenden in den Kindern sind, haben die Heiligen für sie immer eine große Liebe. Gott wohnt nicht in den Himmeln, aber in uns. Wenn nicht ein einwandfreier Hintergrund entwickelt ist, ist spirituelles Vorwärtskommen nicht möglich. Kabir erklärt jetzt in größerer Einzelheit, was Keuschheit ist: “Einer, der keusch ist, ist der Größte von allen und eine Wohnstatt aller~Tugenden.”

 

Keuschheit ist die Hauptquelle aller Tugenden. Man begegnet selten einer wirklich keuschen Person. Die Nähe einer solch reinen Seele hat eine beruhigende Wirkung und sogar deren Widerspiegelung verursacht Erwachen. Das ist keine Übertreibung. Durch die Tugend des ethischen Lebens wird der Körper des Enthaltsamen mit der göttlichen Gnade, Ruhe und Wohlgeruch geladen. Keuschheit ist somit ein großer Segen. “Keuschheit bringt alle Schätze der drei Welten (physisch, astral, kausal).”

 

Ihr mögt fragen, was verheiratete Personen tun sollen. In den alten Tagen (in Indien) pflegten die Leute in den ersten fünfundzwanzig Jahren Enthaltsamkeit zu beachten. Anschließend, nach Ausrichtung auf die religiösen Schriften, ließen sie sich für die nächsten fünfundzwanzig Jahre als Haushalter nieder. Nachdem ein oder zwei Kinder gekommen waren, verließen sie ihr Heim, um für eine Periode von weiteren fünfundzwanzig Jahren in den “Vanaprastha Ashram” einzutreten. Während dieser Periode widmeten sie sich ihrer selbst, um das letzte Ziel des Lebens - Selbst- und

Gottverwirklichung - zu erreichen. Nach Erreichen des Zieles (im Vanaprastha Ashram) wurden sie Sanyasis, solche, die der Welt vollkommen entsagen und von Ort zu Ort wandern, um Religion zu predigen.

 

Der wahre Sinn der Ehe ist, einen Lebenspartner zu haben, der einem in allen Lebenslagen, in Freud und Leid, in Reichtum und Armut beisteht. Beide sollten im Streben, Gott zu erkennen, zusammenarbeiten. Fortzufahren Kinder zu zeugen, ist nicht unser Ziel. “Wenn eine Frau ein Kind zur Welt bringen muß, sollte sie einen Heiligen, einen Menschenfreund oder einen großen Kämpfer gebären. Sonst ist es besser, wenn sie unfruchtbar bleibt und das göttliche Licht nicht vergeudet.”

 

Unsere Vorfahren pflegten allgemein ein diszipliniertes Leben zu führen, aber jetzt gibt es wenig Zurückhaltung. Ich muß dies wegen der beklagenswerten Lage, in welcher wir uns befinden, sagen. Die Weltbevölkerung erhöht sich mit der alarmierenden Zahl von 90 pro Minute. Wir können uns das Bevölkerungsproblem in 20 oder 30 Jahren gut vorstellen. So ist es umso mehr notwendig für uns, Enthaltsamkeit zu üben. Christus hat gesagt: “Ehemänner sollten ihre Frauen wie Christus die Kirche lieben.” Swami Ram Tirath hat ebenfalls betont: “Wenn Ehemänner und Ehefrauen sich nicht lieben wie Brüder und Schwestern, gibt es keine Hoffnung für Indien.” Jene, die erwachten, sprachen so. Die Lösung liegt also im Führen eines Lebens der Selbstzurückhaltung. Selbst wenn es einem Menschen möglich ist, einen vollkommenen Heiligen zu finden, der dem Schüler eine Ersthanderfahrung geben kann, ist ein Fortschritt auf dem spirituellen Pfad unmöglich, wenn nicht Keuschheit und Vergebung praktiziert wird. Wir sollten deshalb die Vergangenheit vergessen und von jetzt an ein reines Leben führen.

 

“Es ist kein Mangel an gelehrten, religiösen und disziplinierten Leuten, aber wir treffen selten eine wirklich keusche Person.” Kabir sagt, daß es zahllose gelehrte Menschen gibt, solche, die meditieren und Konzentration erlangen und solche, die gütig und diszipliniert sind, aber ein Enthaltsamer ist selten zu finden. Ich bin mit den Oberhäuptern fast aller Religionen in Kontakt gekommen, aber nur wenige führen ein Leben des Zölibats. Ein Enthaltsamer kann sein wahres Ziel ohne viel Anstrengung erreichen. Einer, der beides, Vergebung und Keuschheit praktiziert, hat nichts zu befürchten und wird Gott erkennen. Laßt mich das Beispiel meines Großvaters geben. Er war ein Mann reinen Herzens. Er würde nie über irgendjemand geklagt haben. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren wurde er Witwer. Er heiratete nicht wieder, obwohl er mehr als hundert Jahre alt wurde. Am Tage vor seinem Tode sagte er zu einigen Leuten, daß er die Welt am nächsten Tage verlassen würde und wenn sie irgendeine Botschaft an ihre Lieben im Himmel übermitteln möchten, sollten sie sie ihn wissen lassen. Kurz vor seinem Ende baten ihn einige seiner Verwandten, den Namen Gottes anzurufen, aber er sagte: “Gott durchdringt meinen Körper ganz und ich gehe geradewegs zu Ihm.” Ich spreche von den Reinen. Solche Leute haben ein angeborenes Empfinden für die Gegenwart Gottes.

 

“Jene, die vollkommenen Glauben in Gott haben,

erfreuen sich des Inbegriffs des wahren Wissens.”

 

Gurbani

 

Ihr mögt fortfahren, euer ganzes Leben hindurch zu meditieren, aber wenn ihr nicht Keuschheit und Vergebung praktiziert, wird es keine Früchte tragen. Zorn verursacht Aufregung. Die meisten der Krankheiten sind psycho-somatisch als Ergebnis gefühlsmäßger Störungen, verursacht durch Haß, Feindschaft und Sorge. Heilige betonen immer ausdrücklich das grundlegende Wesentliche des Lebens, aber leider schenken wir dem keine Aufmerksamkeit.

 

“Keuschheit ist das Meer der Glückseligkeit, niemand kann seine Tiefe ergründen. Ohne das Wort kann niemand ein Sadhu (disziplinierte Seele) genannt werden. Ohne Kapital kann man kein Geldverleiher sein.” Kabir sagt, daß Keuschheit das Meer der Glückseligkeit ist. Es ist so tief, daß keiner seine Tiefe ermessen kann. Nur die Heiligen, die das personifizierte Wort sind, können es erkennen. Das Wort offenbart sich, wo ein Lebeh der Enthaltsamkeit geführt wird.

 

“Der, der den Samen verliert, verliert alles.”

 

Nanak

 

Ein Mensch, der Keuschheit und Vergebung praktiziert, kann Gott erkennen und wahrlich ein Sadhu genannt werden. Diese beiden Tugenden sind von erster Bedeutung und wo immer sie sind, kommen weitere Tugenden von selbst dazu. Ein solcher Mensch wird durch den ständigen Kontakt mit dem inneren Tonstrom (Shabd) eine Gebetskammer aller Tugenden.

 

Einer, der einen Meister gefunden hat, aber nicht Sein Sprachrohr (Gurumukh) geworden ist, hat sich noch nicht selbst von den Gelüsten des Fleisches befreit. Nachdem man einen Meister gefunden hat, muß man Empfänglichkeit für ihn entwickeln. Wer ist ein Gurumukh? Einer, der keine eigenen Wünsche hat und im Willen des Meisters lebt. Ein solcher Mensch ist automatisch von allen Leidenschaften befreit. Da der Meister eine Verkörperung der Keuschheit ist, strahlt Keuschheit von ihm aus und dringt in dem Moment in den Schüler ein, wenn er an ihn denkt. Er ist voll des Mitleids und vergibt allen. Nur ein Gurumukh kann von allen Arten der Schwachheit frei werden, weil er im Wort des Meisters bleibt.

 

“Wenn ihr mich liebt, haltet meine Gebote.”

 

Christus

 

Hazoor Sawan Singh Maharaj pflegte zu sagen: “Wir zögern in Anwesenheit eines Kindes eine häßliche Handlung zu begehen. Wie können wir es wagen, das jeweils zu tun, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß Gott in uns alles sieht.”

 

Der Meister ist eine Verkörperung des Wortes und gibt uns einen Kontakt mit Ihm. Durch Hören auf die Ewige Musik und Sehen des Göttlichen Lichtes erlangt man inneren Frieden.

 

“Das Gemüt wird durch die Verbindung mit Naam gefügig.”

 

Gurbani

 

In den Upanishaden steht, daß wir durch Erreichen des Wortes alles erreichen.

 

“Solange der Mensch tierische Neigungen hat, kann er nicht ein Gurmukh sein. Wenn der Satguru innen wohnt, ist der Schüler frei von Gelüsten.” Wie du denkst, so wirst du. Wenn euer Gemüt ständig bei einer keuschen Person verweilt, werdet ihr unbewußt Keuschheit anziehen und euch zu eigen machen. Kabir sagt, daß der, welcher sich als ein Satguru inkarniert, sich automatisch von allen Wünschen befreit. In erster Linie kommt das süße Gedenken an Ihn. Das nächste ist eine Offenbarung innen. Man sollte deshalb große Vorsicht walten lassen hinsichtlich des Annehmens eines Meisters. Wenn er wirklich ein Adept in der Wissenschaft der Seele ist, kann man Erlösung erreichen. Ansonsten kann man, wenn man sich auf die Form eines sogenannten Guru konzentriert, höchstens so werden wie er.

 

Ihr habt vielleicht von Dadu Sahib gehört. Eines Tages ging er barhäuptig. Jemand klopfte ihm auf den Kopf und fragte: “Wo ist Dadus Haus?” Er antwortete: “Gehe diesen Weg und du wirst ihn im Hause antreffen.” Zu seiner Bestürzung fand er denselben Mann (Dadu) im Hause sitzen. Der Besucher schämte sich, als er erkannte, daß er den Heiligen beleidigt hatte. Dadu Sahib sagte, daß das nichts auagemacht habe, denn selbst ein irdener Topf von unbedeutendem Wert wird erst gekauft, nachdem der Käufer sich von dessen Nutzbarkeit überzeugt hat, indem er ihn überall abklopfte.

 

“Ein Meister sollte erst nach reiflicher Überlegung gewählt werden, gerade wie Wasser erst nach der Filterung genommen werden sollte.”

 

Ein vollkommener Mensch ist eine Seltenheit. Die Welt ist voll von sogenannten Gurus, während es nur wenige wirklich kompetente Meister gibt. Alleine solche Meister wie Weise, Heilige und große Seelen sind in den Veden und anderen Schriften beschrieben, denn sie sind das personifizierte Wort.

 

“Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.”

 

Christus

 

Er, der euch eine Ersthanderfahrung des göttlichen Lichtes und des himmlischen Tons geben kann, ist ein wahrer Meister.

 

“Durch die Gemeinschaft mit einem Heiligen wird die Kraft Gottes innen offenbart.”

 

“Ein Heiliger verleiht das Wesen der esoterischen Wissenschaft.”

 

Gurbani

 

Jedermann kann lehren, predigen oder eine religiöse Ansprache halten, aber eine praktische innere Erfahrung kann nur durch eine erwachte Seele gegeben werden.

 

“Nur ein wachsamer und weit erwachter Mensch kann Keuschheit praktizieren.

Solche Menschen können nicht durch die Diebe der sinnlichen Wünsche beraubt werden.”

 

Nur ein wachsamer und bewußter Mensch kann Keuschheit üben und ein höheres Bewußtsein erlangen. Durch das Praktizieren der Keuschheit erhebt man sich nach und nach ins kosmische Bewußtsein. Wenn Bewußtsein innen dämmert, wird man nicht durch sinnliche Wünsche beunruhigt. Wir werden durch fünf tödliche Neigungen beraubt. Wenn Keuschheit und Vergebung fehlen, kommt eine dicke Wand der Dunkelheit über die Seele und wir sind nicht Herr unserer selbst. Christus hat dieses Stadium als “Tod der Seele” beschrieben. Was ist der Tod der Seele? Es ist das Trüben des Licht—Bewußtseins in uns. Gebundenheit an materiellen Komfort erniedrigt und schwächt unser Bewußtsein. Das Bewußtsein wächst mit zunehmender Wachsamkeit. Woher kommt diese Wachsamkeit? Sie kommt durch das Üben von Mitleid und Keuschheit. Seht, wie wichtig diese Tugenden sind, aber wir schenken ihnen keine Beachtung. Wir wurden schon gesegnet durch seine Gnade und ebenso mit dem Kapital des heiligen Naam. Ist es dann nicht unsere Pflicht, unser Kapital zu bewachen? Wir sollten seine Gebote halten, anstatt ihm nur Lippenbekenntnis zu machen.

 

“Der, welcher höflich zu seinen Gästen ist, ist eine große Seele; der, welcher ihnen einen Platz anbietet, ist ein Heiliger. Der, bei dem es an diesen Höflichkeiten mangelt, ist entweder ein Ketzer oder ein Heide.” Nun, all dies betrifft unser äußeres Verhalten. Einer, der mit den beiden Tugenden der Keuschheit und des Mitleids ausgestattet ist, heißt selbst seinen Feind höflich willkommen. Ein Mahatma (große Seele) hat diese große Eigenschaft. Er heißt jeden willkommen, der sich an ihn wendet, sogar mitten in der Nacht. Solch ein Mensch bleibt höflich selbst im Angesicht des Todes. Enthaltsamkeit in der Jugend einzuhalten, ist eine große Sache. Gewöhnlich verschieben die Menschen das auf das Alter.

 

“Jene, die nicht meditieren während sie jung sind, würden nicht fähig sein, es im Alter zu tun.” Da im Alter körperliche Beschwernisse, eine nach der anderen, auftreten, können wir nicht in Meditation verweilen. Deshalb sollte man beginnen wenn man jung ist. Heilige haben gesagt, daß einer, der, wenn er jung ist, Enthaltsamkeit praktiziert, ein Prophet ist. Das ist kein Kinderspiel. Wir lesen diese Dinge einfach und vergessen sie.

 

Wir vergeben den anderen nicht. Ermangelt es an Vergebung, tauchen Ärger, Eifersucht, Groll, Verleumdung etc. auf. Unsere Herzen und Gemüter sind mit all‘ solchen Gedanken verunreinigt. Wir sprechen von diesen Dingen und zögern nicht, jene zu verleumden, über die wir uns ärgern. Mein Meister pflegte zu sagen: “Alle sinnlichen Genüsse haben in sich einen Geschmack, aber welchen Geschmack hat man vom Verleumden anderer? Wenn es irgendeinen gibt, ist er süß, sauer, salzig oder geschmacklos?” Noch wird jede Familie, Gesellschaft und jedes Land von dieser Krankheit geplagt. Ein Ergebener, der eine Verkörperung der Vergebung ist, hat nichts zu fürchten. Er wird andere immer mit Liebe grüßen. Wenn jemand übel von euch denkt, laßt es ihn tun. In welcher Weise rührt es euch? Statt dessen schädigt sich der erstere selbst durch sein Ärgerlich— und Neidisch—sein. Wenn ihr Unrecht vergeltet, werdet ihr gleicherweise geplagt sein. Der, welcher bedenkt, daß der Herr allgegenwärtig ist und sich Ihm weiht, läßt sich nicht erregen durch das, was andere von ihm sprechen. Dies sind die Unzulänglichkeiten auf unserem Weg zur Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis.

 

“Vergebung löscht das Feuer des Zornes.” Große Seelen gehen soweit, jene, die Fehler an ihnen finden, willkommen zu heißen. Einmal ging ein Mann zu Lord Buddha und fing an, ihn zu beschimpfen. Als er sich anschickte zu gehen, bemerkte Lord Buddha: “Bruder, höre mir zu, wenn der Empfänger sich weigert, die ihm dargebotene Gabe anzunehmen, verbleibt sie beim Geber. Ich weigere mich, die Gabe, die du mir gebracht hast, anzunehmen.”

 

“Wenn einer schimpft und der andere übt Vergeltung, gibt es eine Fülle von Beschimpfungen. Jedoch im Falle von Nichtvergeltung endet die Angelegenheit.

 

Kabir

 

“Wo Mitleid ist, da ist Religion. Wo Begierde ist, da ist Sünde. Wo Zorn ist, da ist Negation. Wo Vergebung ist, da ist der Herr Selbst.”

 

Mitleid führt zu Vergebung und Begierde führt zur Sünde. Begierde und Verhaftetsein bedeutet Verlangen nach Name und Ruhm. Für die Erfüllung seiner Wünsche wird man auf andere neidisch. Man wird weder gut noch schlecht durch die Meinung anderer. Jene, die sich erlauben, andere zu verleumden, sind unbezahlte Lehrlinge der Kriminalpolizei Gottes. Gott und der Meister sind beide in euch. Der, welcher wahr zum Meister ist, hat nichts zu fürchten, denn sein Herz ist rein und Reinheit des Herzens schenkt zusätzlich Stärke. Mann kann Gott nicht eher erkennen, als bis das Gemüt im Gleichgewicht ist. Zorn, Neid, Bosheit und Übelwollen, auch in Gedanken, entfachen überall die Flammen unsichtbaren Feuers. Kabir sagt, daß man an einem solchen Ort nichts als negative Kraft findet; aber wo Vergebung ist, da ist Gott Selbst. Vergebung wäscht alle inneren Beschmutzungen weg und führt zum Frieden des Gemüts. Andererseits ist es so, Zorn ruft Zorn hervor und Beschuldigungen Gegenbeschuldigungen, die ganze Atmosphäre vorderbend.

 

“Aller Streit und Hader geht von Beschimpfung aus.”

 

Kabir sagt, daß häßliche Sprache die Wurzel aller Streitigkeiten ist. Ihr wißt, wie der große Mahabharata-Krieg begann. Nur durch sarkastische Worte. Eine ein—fache sarkastische Bemerkung von Praupadi führte zur Zerstörung von Indiens Kultur und Zivilisation.

 

“Keine Macht der Erde kann dem schaden, der durch den Guru beschützt ist.”

 

Gurbani

 

Wenn jemand Gedanken des Neides und des Grolls hegt‚ fallen diese doppelt auf ihn zurück. Das ist das Naturgesetz. Ein edler Gedanke läßt Tausende edler Empfindungen entstehen und ein übler Gedanke Tausende üble. Wenn man einen einfachen Samen in die Erde sät, trägt die daraus sprießende Pflanze Hunderte gleicher Samen. Ebenso wäre es, wenn man einen Mangosamen pflanzen würde; man würde hunderte Mangos von ihm bekommen. Ein Gedanke mag eine beruhiqende Wirkung erzeugen, während ein anderer einen aufregen kann. Jede Handlung, selbst ein Gedanke, hat seine Gegenreaktion.

 

“Die Worte eines boshaften Menschen sind gleich vielen Pfeilen, aber nur alleine Heilige können sie tragen. Wenn Brennendes ins Meer fällt, welchen Schaden kann es anrichten?” Kabir sagt, daß boshafte Worte wie vergiftete Pfeile sind. Aber ein Verzeihender ist wie ein Ozean, der selbst durch Brennendes nicht berührt wird. So ist Vergebung ein großer Segen. Kabir sagt, daß ein Mensch durch Ertragen äußeren Ungemachs hart wird. “Der, welcher seinen Boden bereitet hat, kann immer auf die Sphärenmusik hören.”

 

“Die Erde kann Graben ertragen und der Wald das Fallen. Nur ein Heiliger kann schroffe und boshafte Worte ertragen und niemand anderes.” In jedem Ausmaß könnt ihr das Land umgraben oder einen Wald roden, ohne irgendeine Gegenreaktion. Gleichermaßen ist nur ein Heiliger mit Vergebung und Keuschheit ausgestattet. Unkenntnis des Gesetzes ist keine Entschuldigung. Man kann nur das ernten, was man gesät hat.

 

Handlungen, gut oder schlecht, tragen ihre eigenen Früchte. Wir müssen diese Grundsätze verstehen und sie im Leben erfüllen. Zum einen ist ein vollkommener Meister schwer zu finden, der die Fähigkeit besitzt, die Erfahrung des inneren Lichts zu geben. Selbst wenn ihr einen findet, könnt ihr das Ziel ohne Reinheit des Lebens und Vergebung nicht erreichen. Wenn ihr das, was ich jetzt gesagt habe, befolgt und danach handelt, werdet ihr befreit sein von der Bindung an die Materie und das Gemüt. Diese Tugenden werden euch höheres Bewußtsein bringen und ihr werdet Vertrauen in die Existenz Gottes entwickeln. Nach allem, was ist der Zweck der Anbetung? Er ist, um festen Glauben in die Existenz Gottes zu entwickeln. Durch Selbstprüfung könnt ihr sehen, welches eure Lage ist. Gelehrte Leute, Moralisten und Theologen, predigen im allgemeinen zu anderen. Wie ist deren eigene Situation? Es ist wohl gesagt: “Reformer sind erwünscht, aber nicht von anderen, sondern von sich selbst.” Wir predigen den anderen, was wir selbst nicht praktizieren. Das Ergebnis ist, daß alle Ermahnungen wenig Wirkung auf andere haben.

 

Seid wahr zu Ihm, der in euch wohnt. Wenn ihr die beiden Tugenden — Keuschheit und Vergebung — praktiziert, werdet ihr finden, daß ihr ohne viel Anstrengung höheres Bewußtsein, vollkommenes Erwachen und restlosen Frieden des Gemüts erlangen werdet. Dadurch werdet ihr beginnen, Frieden, Harmonie und Ruhe an jene, die um euch sind, auszustrahlen.

 

 

SANT KIRPAL SINGH

 

von Bhadra Sena

 

KIRPAL — ‘Der Gütige‘ — erwies sich als ein prophetischer Name für einen, der dazu bestimmt war, ein vollendeter Meister zu werden, den Göttlichen Willen zu offenbaren und das größte Geschenk ‘Naam‘, das Wort, an Tausende verkörperte Seelen im Osten und Westen zu geben.

 

Kirpal war ein früh entwickeltes Kind und zeigte schon in ganz jungen Jahren Zeichen spirituellen Bewußtseins. Als Kind von 4 Jahren entwickelte er seine ganz eigene Meditationstechnik und entfaltete Fernsicht und Hellsehen. Er war jedoch unglücklich über diese Entwicklung und betete zu Gott, ihn wie einen normalen Menschen zu belassen.

 

In der Schule, als einmal ein Bischof zu Besuch kam, war dieser erstaunt über Kirpals großes Verlangen nach Gotterkenntnis und prophezeite dem Jungen eine große Zukunft, der den tiefen Sinn des Evangeliums Christi vielen Geistlichen, Priestern und hohen Würdenträgern und zahlreichen christlichen Bekenntnissen bringen sollte.

 

Von frühem Alter an betete er zu Gott, daß er ihn zu den Füßen seines Satguru führen sollte. 1917, sieben Jahre vor seiner physischen Begegnung, begann Kirpal Singh die strahlende Gestalt seines Meisters Hazoor Sawan Singh Ji Maharaj in seinen Meditationen zu sehen. Zuerst glaubte Kirpal Singh, daß das strahlende Wesen Guru Nanak war, der Begründer der Sikh—Religion. 1924 geschah es, daß er seinem Meister in Beas (Punjab) begegnete. Zu seinem Erstaunen erblickte Kirpal Singh dieselbe erhabene Persönlichkeit, die er auf den inneren Ebenen zu treffen gewohnt war. Kirpal Singh hatte seinen Lebenden Meister gefunden. So widmete er sich von ganzem Herzen der Aufgabe, sich zu vervollkommnen und arbeitete unaufhörlich und unermüdlich 24 Jahre lang unter der Führung seines Meisters, der ihn ständig zu seinem wahren Nachfolger vorbereitete. Schon 1927 ermächtigte der Meister Kirpal Singh, Satsang in Lahore, Rawalpindi und verschiedenen anderen Orten im Lande zu halten. Hazoor pflegte in Satsangs zu erklären: “Geht zu Kirpal Singh um spirituelle Führung.” Dies zeigt offenkundig die wahre Sohnschaft zu seinem Meister. 1939 ließ der große Meister Kirpal Singh mehr als 200 Personen in seiner Gegenwart in Beas initiieren. Viele dieser Initiierten leben noch.

 

Kirpal Singh schrieb zwei Bände, jeder etwa 1000 Seiten stark, betitelt: ‘Gurmat Sidhant‘, von denen jedes Wort von Hazoor genehmigt wurde, der ‘Gurmat Sidhant‘ als einen Schatz der Gottheit beschrieb. Kirpal Singh bat den Meister demütig, diese Bände unter seinem (Hazoors) Namen herauszugeben, weil sie unter seiner Eingebung geschrieben worden waren. Der Meister bewilligte gnädig die Bitte.

 

Am 12. Oktober 1947 rief Hazoor Kirpal Singh zu sich und sagte: “Kirpal Sirgh, ich habe alle meine Arbeit verteilt, außer der Aufgabe der Naam-Initiation. Das vertraue ich dir heute an, so daß diese heilige und ehrwürdige Wissenschaft gedeihen möge.” An einem Abend im Februar 1948 sagte Hazoor: “Kirpal Singh, ich habe die Hälfte deiner Arbeit getan und habe Naam an über 150000 Personen gegeben, den Rest hast du zu vollenden.”

 

Am Morgen des 2. April 1948, an dem Tage, an dem der große Meister Hazoor Sawan Singh Ji die physische Welt verlassen hat, stand Kirpal Singh am Bett seines leidenden Meisters und betete: “Meister, Ihr steht über dem Wohlbefinden oder Nicht-Wohlbefinden des Körpers, aber wir Hilflosen können den Anblick von Hazoors Leiden nicht ertragen. Ihr verfügt über alle Kräfte. Wir wären dankbar, wenn Hazoor diese Zeichen von Krankheit und Leiden hinwegnehmen würde.”

 

Gebete haben Erfolg, wo alle menschlichen Anstrengungen versagen. Als Kirpal Singh nach diesem Gebet seine Augen öffnete, befand sich Hazoors Körper in einem Zustand vollkommener Ruhe. Er öffnete seine strahlenden, Barmherzigkeit ausstrahlenden Augen, gefüllt mit göttlicher Liebe und sah Kirpal Singh an, der sein Haupt in ehrfürchtiger Verehrung senkte und sagte: “Es ist alles durch Hazoors Güte.” Der Meister schaute weiterhin für drei oder vier Minuten in des Schülers Augen. Kirpal Singh erschauerte und erfuhr eine unbeschreibliche Seligkeit, wie er sie niemals vorher erfahren hatte. So ging die spirituelle Kraft von Auge zu Auge nach der uralten Tradition. Danach schlossen sich die immer strahlenden Augen Hazoors, um sich nie wieder zu öffnen.

 

Die physische Trennung vom Meister war zu viel für einen Gurmukh-Schüler. Noch mehr so für Sant Kirpal Singh, der herangebildet und erzogen wurde zum Zwecke der Erneuerung der Menschheit. Das Hinscheiden von Hazoor Sawan Singh Ji hatte eine große Lücke in seinem Leben zurückgelassen. Die Welt war plötzlich dunkel und trostlos geworden. Nichts mehr konnte ihn auf dieser Welt halten. Er zog sich zurück in die weiten waldigen Zufluchtsorte der Himalayas, den dauernden Wohnsitz der Rishis seit undenklichen Zeiten, um den Rest seiner Tage in einsamer Zurückgezogenheit zu verbringen.

 

Aber niemand gehört nur sich selbst. Eine große Kraft ist in den Angelegenheiten der Menschen wirksam und bei Menschen, die eine Bestimmung haben, im besonderen. Wie lange konnte er teilnahmslos bleiben gegenüber den schmerzlichen Nöten seiner Glaubensbrüder, die gebeugt zurückgeblieben waren. Niemand war da, um ihnen Trost zu geben und sie zu führen, insbesondere, da die meisten von uns, sich sonnend im gütigen Sonnenschein des Großen Meisters, nie nach innen gingen, um seine heilige Gegenwart im Innern zu enthüllen.

 

Dieser Zustand völliger Verzagtheit und äußerster Trostlosigkeit hatte seine Wirkung. Das Meer des Göttlichen Erbarmens hob sich mächtig empor. Es kam ein Ruf von innen zu Ihm - ein schmetternder Ruf vom Großen Meister — zurückzugehen in das Feld der Tätigkeit, um seinen Schülern in ihren schlimmen Nöten beizustehen, um die Sache weiterzuführen, die jetzt die seine war und für welche der Große Meister ihn nahezu ein Vierteljahrhundert geschult hatte und schließlich, um ein allgemeines Forum zu schaffen, wo die Führer aller Religionen in liebevoller Gemeinschaft zusammenkommen konnten als Kinder des einen Gottes.

 

Ein ergebener Schüler hat keine eigene Wahl. Er muß innerhalb des Rahmens des göttlichen Planes als ein bewußter Mitarbeiter der allesdurchdringenden Kraft arbeiten. Das führte zur Gründung des Ruhani Satsang im Jahre 1948: ein Ort für die Blüte der Spiritualität, rein und einfach mit keiner anderen Bedeutung als man sie üblicherweise in den offenbarten Originalreligionen findet, die aber später in den biblischen Schriften versiegelt wurden. Er wurde später Sawan Ashram genannt, nach dem Namen seines spirituellen Beschützers, um als spiritueller Treffpunkt für alle Interessierten zu dienen, um an dem Wesenskern, der allen Religionen zugrunde liegt, teilzuhaben. Der Ruhani Satsang hat Zentren, die über das ganze Land verstreut sind und im Ausland an verschiedenen Orten des Kontinents von Europa, von Griechenland bis England und in Amerika jenseits des Atlantik von Kanada bis Mexiko und Südamerika, wo die Menschen spirituellen Gewinn haben durch die Gnade des Meisters. Dieses riesige Netzwerk der Freundschaft und des Wohlwollens, das zur Vervollkommnung der Menschheit führt, wurde auf zwei Weltreisen zustande gebracht, die der Meister unternommen hatte; eine im Jahre 1955 und die andere in den Jahren 1963/64.

 

Im Jahre 1957 wurde der Meister als Ergebnis der Beratungen der Führer der verschiedenen Religionen der Welt, die in der Konferenz der Weltreligionen versammelt waren, einstimmig zum Präsidenten der Weltgemeinschaft der Religionen gewählt. Seit dieser Zeit erfüllt er erfolgreich die riesenhafte Aufgabe, die anscheinend unterschiedlichen Religionen der ganzen Welt zu vereinigen, indem er auf wissenschaftliche Art die wesentlichen Übereinstimmungen auf der Ebene von Mensch, Geist und Gott aufzeigt. Diese sind begründet auf dem ethischen und moralischen Gesetz, welches mehr oder weniger das gleiche ist und was die Menschheit vorbereitet auf die letzte Aufgabe‚ die spirituelle Rehabilitierung, die zu Selbsterkenntnis, Gotterkenntnis und zu der direkten und unmittelbaren Erfahrung des Geistes im Innern führt. Dieser ist eine von der äußeren lebendigen Form getrennte Wesenheit. Dann werden die Ufer des Lebens wieder entdeckt, die ersten Offenbarungen der Gottheit, die die völlig ungleichen Wesenheiten — den materiellen Körper und den lebenden Geist — in einem wohlklingenden Gleichklang zusammenhält. Diese einzigartige Botschaft des Meisters wurde den Menschen aller Stände gegeben, von den Geringsten bis zu den Höchsten, den Staatsoberhäuptern, Staatsmännern und Regierenden, Oberpriestern und Prälaten‚ den Führern der politischen und religiösen Ideen und so daß sie die Menschen richtig führen können auf dem Wege der Rechtschaffenheit und nützliche Glieder des Körpers Politik werden, vollkommen gegründet in Gott und Gottes Wegen.

 

Der Meister ist ein befruchtender Schreiber, begnadet mit einer leichten Feder, womit er die abstrakte und schwer verständliche Wissenschaft der Seele und esoterische Probleme, die für gewöhnlich dem menschlichen Verständnis trotzen, behandelt. Jemand, der die Wirklichkeit unmittelbar gesehen hat, kann glaubwürdig die sonst unerklärlichen Probleme erklären und die scheinbar unvereinbaren Doktrinen und Dogmen mit einer Klarheit, die nur ihm zu eigen ist, in Einklang bringen. Die meisten Werke des Meisters sind in viele Sprachen übersetzt worden, insbesondere ins Griechische, Deutsche, Französische, Spanische und Englische. ‘Gurmat Sidhant‘ ist ein hervorragendes Werk, das tausende Seiten umfaßt.

 

Der Wind bläst wo er will, aber niemand kann sagen, wann er kommt und wohin er geht: So ist es mit dem, der aus dem Geiste geboren ist. Die Flutwelle des Geistes wie sie kommt und geht, kennt keine Grenzen und geht fort und fort ohne irgendeinen Widerstand. Der Aufprall des Geistes auf die Menschen der Welt ist so groß, daß sie alle rassischen und religiösen, territorialen und sprachlichen Schranken übersteigt, spontan hervorkommt, um die Gotteskraft zu verherrlichen, die sich im Menschen offenbarte. Sehen wir nicht den ungeheuren Wandel des Herzens, verursacht durch das spirituelle Erwachen, welches uralte Orthodoxie hinwegschwemmte und alle Arten von Stolz und Vorurteile, die durch Farbe, Rasse und Überheblichkeit hervorgerufen wurden? Es ist ein gesundes Zeichen, daß Menschen desselben Glaubens den eines anderen achten, der in Traditionen geboren ist, von ihren eigenen völlig verschieden und dies einfach wegen seines Dienstes in der Sache der Spiritualität. Es kennzeichnet den Wendepunkt in der spirituellen Geschichte, der auf eine neue und umfassende Annäherung an die Religionen und ihre Probleme hindeutet, die einst den Menschen vom Menschen getrennt haben. Es ist wirklich eine Auszeichnung für das Land, das solche Wissende hervorbringt, die zur Erkenntnis der Welt gelangen und von allen als die ihren begrüßt werden. Dieser wunderbare Wandel des Herzens hat das menschliche Denken und Verständnis umgewälzt und umfaßt die verschiedenen Nationen der Welt. Das Verdienst hierfür gebührt dem Großen Meister Hazoor Sawan Singh, zu dessen Füßen der Meister die Wissenschaft der Spiritualität gelernt hat und die Kunst übte, ein wahres Leben im Geiste zu leben, die Seele und der Kern aller Religionen.

 

 

DIE UMWANDLUNG DES MENSCHEN

 

von Dr. George Arnsby Jones

 

In seiner Suche nach der letzten Wahrheit des Lebens findet der Mensch gewöhnlich, daß er drei fundamentalen Fragen gegenübersteht:

 

1. Wie kann er das wahre Höchste, oder Gott, finden — oder erkennen?

 

2. Wie kann er die Worte, welche dem spirituellen Ideal Gottes dienen, erlangen?

 

3. Wie kann er eine Theologie oder Weltanschauung seines spirituellen Höchsten darlegen, welche sich auf das gesamte Universum bezieht?

 

Offensichtlich sind dies die fundamentalen Fragen, welche der Suche nach spiritueller Wahrheit zugrunde liegen und durch die Zeitalter hindurch haben sich große Denker bemüht, diese Fragen in vielen Weisen zu beantworten.

 

Während es grundlegende Differenzen zwischen der dargelegten Theologie jeder größeren sozialen Religion gibt — und es wäre töricht, diese Differenzen des Ausdrucks zu ignorieren — besteht in ihnen allen eine Tendenz, den Begriff des Monotheismus anzuerkennen. Ein höchstes Wesen regiert das Universum. Die hebräische Darstellung: ‘Der Herr unser Gott ist ein Herr; und du sollst den Herrn unseren Gott lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und und mit all‘ deiner Kraft‘ wird in den Hauptdarlegungen der Weltreligionen wiedergegeben. Im 14. Jahrhundert v. Chr. ermahnte Pharao Echnaton die Ägypter, nur die eine Höchste Gottheit anzubeten. Er nahm den Sonnengott Aton als sichtbares Symbol des höchsten Seins, aber dies war nicht Heidentum, die Menschen mußten etwas Greifbares zu sehen haben, um das höchste Sein zu verehren. Heute akzeptieren wir weit größere Abstraktionen als die früheren Menschen, aber es bleibt die Tatsache, daß die Grundlage der offenbarten Religion zu sehen sein muß. Um die Worte Plotins zu umschreiben, wir müssen ”die erhabene Schau” erlangen.

 

Sogar bei der Vielfalt von zweitrangigen Gottheiten haben die orientalischen Religionen immer ein höchstes Wesen als Haupt der großen Hierarchie des Seins. Diese Einstellung unterscheidet sich nicht wesentlich vom Bild Gottes, das durch Judentum und Christentum gegeben wird, daß sie ein unbegrenztes Wesen mit zahllosen göttlichen Eigenschaften und Charakteristiken haben. Die Weltreligionen in ihren verschiedenen Arten haben die Frage Nummer drei durch Schaffung von Theologien oder Weltbildern in verschiedenen Versuchen beantwortet, um zu zeigen, wie das Höchste sich auf das gesamte Universum und auf alle erschaffenen Dinge bezieht. Es ist in der Tat der Umfang dieser Weltbilder in der Vielzahl der religiösen Schriften, welcher ernsthafte Wahrheitssucher hindert, irgendeine grundlegende Einheit der religiösen Glaubensrichtungen zu sehen. Ebenso haben die meisten Religionen in ihren Schriften einen bedeutsamen Teil von Gesetzen und moralischen Anweisungen. Diese Gesetze spiegeln oft mehr nationale oder rassische Unterschiede wider, als religiöse. Zum Beispiel ist die Haltung gegenüber Frauen in den christlichen, jüdischen, Moslem- und Hindu—Schriften — die vielen anderen nicht zu erwähnen - ausgesprochen unterschiedlich erklärt. Wenn also der Sucher seiner Religion nur die vielen und oft widersprechenden moralischen und ethischen Vorschriften zugrunde legt, wird er finden, daß die großen Religionen in einem großen Teil voneinander abweichen.

 

Wenn es jedoch das anerkannte Ziel der Religionen ist, den Menschen zurück zur fundamentalen Wirklichkeit zu verbinden, dann ist in dieser einfachen Feststellung ein Treffpunkt für die Glaubensrichtungen der Welt, obwohl es eine schwierige Aufgabe ist, Priester, Rabbis, Minister, Bikhus und andere heilige Männer der verschiedenen Glauben vollkommen davon zu überzeugen, was mit “Rückverbindung zur letzten Wirklichkeit”gemeint ist. Ein buddhistischer Bikhu wird sicherlich nicht genau dasselbe meinen wie ein katholischer Priester oder ein jüdischer Rabbi, um eine angemessene mögliche Situation anzuführen, wo sich alle drei in der Gemeinschaft einer Diskussion treffen können. Der Frage Nummer zwei nähern sich die Praktiker der verschiedenen Religionen unterschiedlich. Natürlich würden einige dieser Praktiker der Natur oder dem Sinn, welcher durch ein anglo-sächsisches Wort — Gott — symbolisiert wird, nicht zustimmen. Nichtsdestoweniger finden diese Praktiker oft wieder einen Treffpunkt dadurch, daß sie schauen, die Enden ihres religiösen Glaubens zu gewinnen: Gebet, Kontemplation, Meditation und andere spirituelle Übungen. Sie werden sich dann bemühen, die Frage Nummer drei durch Anwenden ähnlicher Techniken zu beantworten, selbst wenn ihre religiösen Glaubensrichtungen und Loyalitäten verschieden sind.

 

Wir haben nun etwas von der Weise gesehen, wie die Religionen versuchen, unsere einleitenden Fragen zwei und drei zu beantworten. Die erste Frage ist natürlich die grundlegende und die schwierigste, denn es ist in der Voraussetzung der Existenz Gottes, der letzten Wirklichkeit, daß die anderen Fragen überhaupt irgendeine Gültigkeit haben. In einem sogenannten ontologischen Argument für die Existenz Gottes brachte ein christlicher Geistlicher wie St. Anselm, Erzbischof von Canterbury, im 11. Jahrhundert den Begriff Gottes in folgende Form: “Ein Wesen, welches sich nicht größer vorgestellt werden kann.” Mit dem Wort “größer” meint St. Anselm “vollkommener” und nicht notwendigerweise “größer” im räumlichen Sinn. Descartes, der Denker des 16. Jahrhunderts, bekannt als Vater der modernen Philosophie, formulierte diesen Begriff wieder in mehr philosophischer Sprache. Aber seit der Zeit Descartes gibt es viele neue Begriffe bezüglich der Natur der letzten Wirklichkeit, welche von den Feststellungen Emmanuel Kants bis zu den Aussprüchen von Bertrand Russell reichen. In unserem jetzigen Jahrhundert haben Philosophen gezeigt, daß Sprache, was wir auch immer mit ihr tun und wie wir sie auch immer gebrauchen, unzulänglich ist,überhaupt irgendeine “Realität” auszusagen — ganz zu schweigen, die letzte Wirklichkeit. Diese großen Denker haben tatsächlich auf ihre eigene Weise eine Schlußfolgerung erlangt, welche durch die größten Mystiker und heiligen Menschen durch die Zeitalter hindurch vergelegt worden war: Sprache ist im Verstehen der Realität unwirksam. Wieder, um Plotin zu zitieren: “Worte können nur den Weg zur Schau weisen. Sie ist in jenem Punkt, wo jeder selbst sehen muß.”

 

Der spirituelle Aspirant hat einen Auftrag bekommen “selbst zu sehen” durch den wahren Satguru oder spirituellen Ratgeber. Er begibt sich auf eine Reise, welche, so glaubt er, die drei Fragen beantworten wird, welche zu Beginn dieses Artikels aufgeführt wurden; er glaubt dies ernsthaft und er weiß, zu sehen und zu hören und die Wirklichkeit Gottes zu erfahren, muß die endgültige Antwort für den Einzelnen sein, nachdem alle Prüfung und alles Studieren der Schriften und Philosophien der Welt keine tatsächliche Erfahrung gebracht hat. Solches Studieren kann ihn in den richtigen Gemütszustand für seine persönliche “Reise der Seele” bringen, aber er sollte sich immer erinnern, daß, welche Fragen auch immer durch seine eigene Erfahrung beantwortet wurden, für andere diese gleichen Fragen verbleiben. Schülerschaft auf einem hohen spirituellen Pfad gibt nicht automatisch den Aspiranten ein Privileg, zu belehren, zu predigen oder andere Menschen zu “instruieren” über das, was er als “einen und einzigen wahren Pfad zur Befreiung” betrachtet. Wenn der Schüler sich klar darüber wird, daß seine eigenen Worte die Samen des Irrtums und der Täuschung tragen, wobei es nichts zu besagen hat, wie erleuchtet seine eigene innere Erfahrung ist, dann wird er vielleicht ein bißchen mehr demütig werden und seine Handlungen — und nicht das laute Lärmen, welches von seinen Lippen fließt — ein lebendiges Zeugnis geben lassen von der Tatsache, daß er “das Wasser des Lebens” gefunden hat.

 

Es ist die Höhe der Torheit, andere zu ermahnen, ihren religiösen Glauben oder ihre Sitten aufzugeben, einfach weil man mit viel Rechtfertigung glaubt, daß der spirituelle Pfad, den man gewählt hat, besser ist als alle anderen. Es mag ein hochstehender spiritueller Pfad sein, aber bei den Zuhörern hören sich solche Worte so an, als wenn man nur noch einer von den vielen evangelistischen ”Faßschlagern” ist, die auf diesem kleinen Planeten so reichlich vorhanden sind.

 

Der Aspirant auf dem spirituellen Pfad von der Schülerschaft sollte wenigstens etwas Wissen haben von den grundlegenden Fragen der religiösen Glaubensgemeinschaften anderer Menschen; er sollte einleuchtenderweise ein theoretisches Wissen der spirituellen Wissenschaft, welche er unternimmt, haben und wenn er vor der Öffentlichkeit steht und diese in intellektuellen Vergleichen und Differentiationen anspricht, sollte er fähig sein, die Lehren der heiligen Wissenschaft in intelligenter Sprache zu übermitteln.

 

Es ist töricht, eure Zuhörer beständig zu informieren, daß das Gemüt eine “Schlinge und eine Täuschung” ist, während man ständig das grundlegende Werkzeug des Gemüts benutzt: die menschliche Sprache. Die Zeit ist vielleicht gekommen, wo alle, die sich zur Schülerschaft zum Satguru und zur Praxis der heiligen Wissenschaft bekennen, ein bißchen die Verantwortlichkeiten der Schülerschaft und das Verstehen der Fragen, welche allen religiösen und spirituellen Bemühungen zugrunde liegen, widerspiegeln. Die Satgurus und heiligen Menschen aller Zeitalter haben ständig wiederholt. daß die Menschen nicht durch die Worte, die sie äußern, umgewandelt werden, sondern durch das WORT, das von Gott ist und Gott ist.

 

 

NOTWENDIGKEIT EINES MEISTERS

 

Kirpal Singh

 

Der formlose Gott durchdringt das Universum in der Form von ‘Shabd‘ oder dem Wort; aber wir können nicht gesegnet werden, es sei denn, wir sind fähig, uns mit ihm zu verbinden. Die ganze Atmosphäre ist mit Elektrizität geladen, aber man kann keinen Nutzen daraus ziehen, solange man nicht den elektrischen Schalter erreichen kann, der die Energie überwacht, die von dem Kraftwerk ausgeht. Ist dieser Kontakt einmal hergestellt, gibt er uns Licht, Heiß— oder Kaltluft, wie man es gerade braucht, und hilft uns auf unzählige Weise - bei der Reinigung des Hauses, beim Kochen und ähnlichem. In genau derselben Weise könnte man wahrlich gesegnet werden und unermeßlich reichen spirituellen Ertrag ernten, wenn man einen menschlichen Pol erreichen könnte, wo Gottes Energie in der Form von Shabd sich manifestiert. Heilige, Propheten, Seher und Meisterseelen sind solche manifestierten Pole, die Gottes Licht, Leben und Liebe aufleuchten lassen. Sie sind die Kinder des Lichts und kommen, um der Welt, die in äußerste Dunkelheit gesunken ist, Licht zu geben. Sie sind das personifizierte Wort und sozusagen Gott in der Welt polarisiert.

 

Die heiligen Menschen Gottes haben geredet,

getrieben von dem heiligen Geist.

 

- 2 Petrus 1:21

 

Der Geist des Herrn hat durch mich geredet

und seine Rede ist auf meiner Zunge.

 

- 2 Samuel 23:2

 

Der Satguru oder der Meister der Wahrheit ist nun der Pol, von dem aus Gottes Energie für den göttlichen Willen arbeitet. Diese Energie oder Shabd ist die feinste Form des großen Unbekannten und Unerkennbaren. Der Satguru ist es, durch den man ihn erkennen und in Kontakt mit Shabd kommen kann.

 

Es ist das Körperliche, von dem aus wir uns auf das Subtile hinbewegen. Der Meister und des Meisters Tonstrom sind die Mittel zu diesem Ziele. Sie allein können den Geist gottwärts führen. Der Meister löst für uns Gottes Mysterium und rettet uns aus den Fangarmen von Gemüt und Materie.

 

Sein langer und starker Arm zieht die Seele aus dem Bewußtsein des Körpers und des Gemüte und macht sie geistbewußt, indem er sie mit dem Tonprinzip verbindet.

 

Die strahlende Musik führt dann die Seele zu der Quelle oder Region, von der sie ausgeht. Der Meister und der Tonstrom sind nicht zwei verschiedene Wesenheiten, sondern nur zwei Aspekte desselben Dinges.

 

Wenn er auf dem physischen Plan arbeitet, nimmt er eine physische Form an und arbeitet durch diese, ohne welche geistige Instruktionen nicht mitgeteilt werden können. Aber sobald er die menschliche Seele von den verschiedenen Hüllen und Umkleidungen befreit, nimmt er eine subtile Form an, leuchtend und strahlend, und arbeitet durch diese.

 

Dieser Prozeß geht weiter, bis der Geist des Menschen identisch wird mit der des Meisters. Das ist der große Zweck der Erfüllung, um derentwillen Meister in diese niedrigste Region kommen, die so voll ist von Elend und Weh. Gewappnet mit der rettenden Gnade Gottes in der Form des heiligen Geistes - verschieden benannt als: Shabd, das Wort, Naad, Bani oder Kalma - rettet der Meister solche Seelen, die reif sind für die Erlösung und auf ihn schauen und an ihrem Heil arbeiten, indem sie seinen Geboten folgen.

 

Es sei denn, Gott kommt im Gewand des Menschen und wohnt unter uns, sonst können wir Gott nicht erkennen, trotz Seiner allem innewohnenden Gegenwart.

 

Man muß die Milch buttern und Feuer aus dem Felsen schlagen, bevor man weiß, daß Butter in der Milch und Feuer im Stein verborgen ist. Deshalb wird das Wort Fleisch und wohnt unter uns, wie wir aus der Bibel wissen.

 

Wenn die Seelen ruhelos werden durch ihre lange Verbannung in die physische Ebene und hilflos danach verlangen heimzukommen, und sie sehen keinen Weg heraus aus den Klauen von Kals alles durchdringenden Begrenzungen von Zeit, Raum und Kausalität, wird durch die mitleiderregenden Rufe die rettende Gnade des Meisters angerührt und kommt in die Welt in der Form eines Sant Satguru (Meister der Wahrheit), um ihnen aus dem Engpaß herauszuhelfen.

 

Der lebende Meister ist es, der diese Arbeit tun kann, keiner sonst. Er spricht durch die “Stimme der Stille”, Sein ist ein ungeschriebenes Gesetz und eine ungeschriebene Sprache.

 

Wenn die Schriften auch heilig und autoritativ sind, so enthalten sie doch nur Berichte über spirituelle Regionen und verzeichnen die Erfahrungen ihrer Autoren, aber können nicht spirituelle Instruktionen weitergeben, noch Führer sein auf dem spirituellen Pfad.

 

Das “Wort des Meisters” arbeitet als ein “Sesam öffne dich” für die himmlischen Regionen. Er hält den Schlüssel, der das Reich Gottes aufschließt, das jetzt eine verlorene Provinz in uns ist. Aus Mitleid und Liebe für die verlorenen Schafe kommt der Hirte aus seiner Schafhürde und betritt den steinigen Pfad in endloser Suche, indem er die verlorenen Seelen hier und dort aufliest.

 

Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

 

- Joh. 8:12

 

 

WELTGEMEINSCHAFT DER RELIGIONEN

 

von Baron W. F. von Blomberg

 

Der Meister sagt, daß die Weltgemeinschaft der Religionen eine allgemeine Plattform ist, um die Führer aller Religionen zusammenzubringen und besseres Verstehen unter ihnen zu schaffen, während Ruhani Satsang für jene ist, die tiefer zu gehen wünschen, um innere spirituelle Erfahrung zu haben. Die Weltgeineinschaft der Religionen hat jetzt aktive Gruppen in England, Paris, Ghana, Berlin und dem Iran mit individuellen Mitgliedern in aller Welt. Die religiösen Führer der Welt beginnen zu erkennen, daß alle Glaubensrichtungen grundlegend ein und dasselbe Ziel haben — der Seele zu helfen, vollkommene Entwicklung zu erlangen. Wir können wahren Frieden nur haben, wenn dieses Ziel erreicht ist. Ganz gleich, wie wir unsere Zeit verzetteln oder einer gegen den anderen kämpfen, das menschliche Bestreben ist so stark und so natürlich, daß kein anderes Ziel oder Bestreben, als das Identifizieren mit dem Höchsten Sein uns sichere Führung im Leben geben kann. Wahre Religion befreit von Argwohn und Gezänk und macht das Ziel des wahren Lebens klar. Die spirituelle Lebensanschauung tritt dann in den Vordergrund. Echter Frieden und Glückseligkeit sind unteilbar mit Spiritualität verbunden. Zeit und Raum haben die Religionen gezwungen, verschiedene Formen anzunehmen. Durch das spirituelle Bewußtsein haben wir rechtes Verstehen für äußere Formen, Rituale und Symbolik jeder Glaubensrichtung. Dieses Verstehen wird Haß, welcher unter verschiedenen Religionen weit verbreitet ist, beseitigen. Alle von uns kennen zu gut das schreckliche Blutvergießen im Namen der Religion. Die Zahl der religiösen Kriege in der menschlichen Geschichte und die Leiden, die durch sie verursacht wurden, sind unbeschreiblich. Heute sind wir Zeuge von Ungerechtigkeit, Engherzigkeit und hartem Verhalten im Namen der Religion. Eine große Gefahr in dem fürchterlichen Fortschritt der Wissenschaft und der Herrschaft über die Natur und deren Kräfte ist, daß der Mensch geneigt ist, auf sich selbst als allwissend zu schauen, oft materielle Gewinne für das letzte Ziel des Lebens verkennend. So müssen wir bedenken, daß die Grundlage des religiösen Glaubens nicht materiell ist, sondern spirituell. Bei einem kürzlichen Besuch im Hauptquartier der amerikanischen Astronauten erfuhr ich, daß die Beteiligten sich mit dem großen Erfolg der Raumforschung der Spiritualität näherkommend fühlen und ein Erkennen der spirituellen Kräfte haben. In der Tat treiben uns die heutigen schrecklichen Zerstörungserfindungen der Welt zum Geistigen, als dem einzigen Schutz und der einzigen Antwort. Wir sehen in diesen Zerstörungskräften das Gespenst unserer eigenen Vernichtung und daher suchen wir einen Ausweg aus der schwierigen Lage. Der Ausweg führt durch die spirituelle Tür — durch Wahrheit, Liebe und Gewaltlosigkeit. Wir können weder vom wissenschaftlichen Fortschritt profitieren noch unserem Schicksal entkommen, ohne spirituelle Werte. Wahre Religion ist eines Menschen innere Erfahrung. Mensch, erkenne dich selbst, wie Sant Kirpal Singh oft sagt. Es ist der Schlüssel zu den Geheimnissen des Lebensursprungs und der Beziehung zwischen Mensch und dem Höchsten Sein. Die Weltgemeinschaft der Religionen bringt die Führer der Weltreligionen sehr oft zusammen. Durch dieses Zusammentreffen beginnen sie einander zu lieben und zu verstehen. Selbst wenn sie nicht miteinander übereinstimmen, fangen sie an, den Sinn jeden Glaubens zu verstehen. Wenn die Weltgemeinschaft der Religionen nur eines ihrer Ziele erreicht — das Zusammenführen der religiösen Führer der Welt - werden wir dem Weltfrieden näher sein als je bevor.

 

 

MEINE SUCHE NACH GOTT

 

Von Jerry Astra Turk

 

Wir sind Gott sehr nahe in unserer Kindheit und sehen durch die Augen der Unschuld. Wenn die Erwachsenen im Leben eines Kindes Gott zugewandt sind und die junge Seele immer zum himmlischen Vater weisen, dann ist es wirklich ein glückliches Kind.

 

Als Kind fühlte ich immer ein starkes Bedürfnis, in die Schäfchenwolken zu fliegen und sah Satdeva Kirpal mit seinem Turban in einem riesengroßen Sessel sitzen und die Wolken bildeten einen leuchtenden Hintergrund für eine immerwährende Gegenwart. Ich fragte die anderen kleinen Kinder, ob sie auch Gott im Himmel sitzen sehen können, aber leider konnten sie es nicht. Das tat mir sehr leid für sie.

 

Schon als Kind wußte ich, daß Gott in einer menschlichen Gestalt irgendwo auf dieser traurigen Erde lebt und ich hatte mich entschlossen, Ihn zu suchen. Aber anstatt dessen hat Er mich gefunden. Ich war bereit, meine sterbliche Hülle abzulegen, um bei Ihm sein zu können.

 

Meine physische Geburt fand in New York statt, aber die wirkliche Geburt meines Geistes erfolgte am 27. Juli 1958 und von da ab begann ich wirklich zu leben als unsterbliche Seele, kein Gegenstand des Rades der Geburten und Tode, da ich den Gottmenschen gefunden hatte, der in der heiligen Gestalt von Satdeva Gurdev Kirpal Wohnung nahm.

 

Gurdev Kirpal erschien mir in vielen Formen, in der Gestalt von vielen Meistern. Er brachte mich in die inneren Ebenen und sagte mir, daß ich eine Verbindung mit Gott habe. Ich hatte Ihn viele Jahre erwartet. Als Er nicht kam, glaubte ich schließlich, daß mein Geliebter mich verlassen hat. Ich betete: “Wenn du nicht innerhalb zwei Wochen zu mir kommst, dann nehme ich mir das Leben ... denn ich will nur dich.” Innerhalb dieser Zeitspanne ging der große Guru Anami Kirpal in meinem Haus umher in der strahlenden Astralgestalt, indem sein Turban die Zimmerdecke berührte. Zu dieser Zeit kam eine liebe Seele, Tanya Shook, zu mir und fragte mich, woher ich soviel über Yoga wisse. Ich sagte ihr, daß mein Vater erscheine und mir Bücher zum Lesen gäbe. Sie sah mich an, hielt inne und war belustigt über das, was ich sagte und fragte mich: “Weißt du, daß du einen lebenden Meister haben mußt, um zu Gott zu gelangen?” Natürlich war ich sofort anderer Meinung als sie und sagte ihr, warum sollte ich, wenn ich Gott selbst sah, ihn verlassen, um einen Meister als Gott zu suchen. “Nein”, sagte sie, “es heißt, daß du Gott nicht finden kannst, bevor du nicht einen Meister gefunden hast.” Ich sah sie groß an. Dann sagte mein Geliebter plötzlich: “Sage ihr, sie möge nachhause gehen und ein Bild des Meisters bringen.” Ich sagte ihr das also. Sie kam meinem Wunsche nach und war innerhalb einer Stunde mit dem Bild zurück. Ich warf einen Blick darauf und rief aus: “Weißt du nicht, wer dein Meister ist?” Sie sah mich mit tragenden Augen an, als würde sie glauben ich sei verrückt geworden. Ich war wirklich verrückt, aber vor Erlösung von meinem Kummer und meiner Sehnsucht, Gott in menschlicher Gestalt gefunden zu haben. “Er ist derjenige, den ich sehe und mit dem ich spreche, der, der mir alle diese Dinge sagt und der mich zu den unbekannten Orten bringt. Er ist Gott.” sagte ich ihr. “Nun”, sagte Tanya, “mußt du Vegetarierin werden.” “Ich bin Vegetarierin, ich muß ihn jetzt haben,” antwortete ich. “Nein, das bist du nicht,” sagte sie. “Ich bin”, rief ich. Sie fragte “seit wann?” Ich antwortete: “Seit diesem Augenblick, nichts, was nicht sein Gebot ist, werde ich tun. Ich wünsche ihn und werde ihn haben.”

 

Direkt am nächsten Tag flog ich nach Louisville Kentucky um Godguru Gurugod Kirpals heilige Instruktionen von einer wunderbaren und lieben ergebenen Dame zu erhalten: Mrs. Gordon Hughes. Ich kann immer noch nicht glauben, daß der Heilige Gott selbst seine Arme ausgestreckt hat und mich schwache und sehnende Seele aus dem Rachen der Hölle gezogen hat in seinen uralten Schoß spiritueller Herrlichkeit.

 

Es ist nur noch ein Ruf in meinem Herzen: Ich werde ihn immer lieben, von ganzer Seele, von ganzem Herzen, Gemüt und mit ganzer Kraft und daß ich keinen Gott oder Götter außer ihm habe, denn er ist der absolute Shabda Anami-Purusha und ohne ihn sind wir nichts als lebende Tote.

 

Ich sehe kein anderes Antlitz vor mir als das meines geliebten Kirpal.

Ich höre nur eine Stimme: Seine.

Wo immer ich gehe, trägt er mich in seinem Herzen.

Ich sehe, daß er allgegenwärtig ist, so bin ich es auch.

Nur ihn wünschend bin ich wunschlos geworden.

Er ist nur Liebe, ich bin auch Liebe.

Indem ich immer bei ihm bin existiert nichts anderes; auch ich existiere nicht; Ich bin nur das, was mein heiliger Vater Kirpal ist.

 

 

DER GESEGNETE TAG

- 6. Februar 1894 -

 

Gesegnet war der Tag, als sich das Ewige Licht in Gestalt des glorreichen strahlenden Meisters selbst manifestierte auf dieser vergänglichen Welt.

 

Gesegnet war der Tag, als sich die Pracht und Gnade des Himmels in der Gestalt des Geliebten des Universums verdichtete.

 

Gesegnet war der Tag, als sich die köstlichen Wolken göttlicher Gnade in Fülle auf diese ausgedörrte Erde ergossen.

 

Gesegnet war der Tag, als bei der Ankunft des Universalen Mundschenks der Kelch voller Wonne war und die Schenke in Trance.

 

Es war bei Kirpals erhabener Ankunft, daß die Schenke Gottes überfloß von göttlichem Weib

 

Er ist der universale Mundschenk. Er ist der Nektar der Unsterblichkeit. Er ist das Licht Gottes, das in dieses unvergängliche Universum herniederkam, um es mit unvergänglicher Glückseligkeit zu übergießen, die aus Seinen gottberauschten Augen kommt.

 

Es ist durch Seine immerwährende Gnade, daß das menschliche Herz das Ewige Licht und die Himmlische Musik offenbart.

 

Darshan

 

 

GEBURTSTAGSBOTSCHAFT

 

Meine Lieben,

 

Ich sende euch allen meine besten Wünsche für euer spirituelles Wohlergehen an dem Tag, an dem ich in das 95. Jahr meines irdischen Aufenthalts eintrete.

 

Ihr habt den Menschenkörper erhalten, der der höchste in der ganzen Schöpfung ist. Die Quelle aller Glückseligkeit — das Wasser des Lebens - Naam - für das ihr innen anklopfen müßt, um ewiges Leben zu erlangen, fließt in euch über. Um dieses göttliche Ziel zu erreichen, habt ihr euch den verschiedenen Religionen angeschlossen. Da ihr Gemeinschaftswesen seid, braucht ihr Religionsgemeinschaften, durch die ihr für euch selbst Hilfe bewirkt, wie auch, um für andere von Hilfe sein zu können. Ein Mensch ist, der nicht nur für sich selbst lebt, sondern gleicherweise auch für andere. Ihr solltet euch über die Begrenzungen erheben, die dem inneren Kern als Verkleidung dient, um das Wasser des Lebens zu kosten, das im Innern überfließt mit der Gnade des Meisters, der das Fleisch gewordene Wort ist und unter uns weilt. Die Verkleidung sollte nicht zu dicht sein, damit sie den Kern, die Gottheit in euch, nicht beeinträchtigt. Die Religionen bedürfen der Reformation, indem sie von den äußeren Formen und dem Althergebrachten zu dem Zweck erhoben werden, für den sie einstehen.

 

Ihr seid zuerst Menschen, dann tragt ihr die äußere Etikette der einen oder anderen Religion; so sind wir als Menschen alle eins. Wir sind verkörperte Seelen — bewußte Wesen — Tropfen vom Heer aller Bewußtheit, und somit sind wir Brüder und Schwestern in Gott und derselbe Gott ist über uns. Diese Einheit ist bereits da, aber wir vergessen sie. Wir sollten uns über Brauchtum, Glaubensansichten und Klassen erheben, und all die Armen und Unglücklichen lieben und ihnen dienen, denn die Gottheit leuchtet in allen von ihnen auf dieselbe Weise.

 

Gott ist Liebe und die Liebe ist unseren Seelen eingeboren. Der Weg zurück zu Gott ist auch durch Liebe, und so sollte die Liebe all unser Tun leiten. Wir sollten Nachdruck auf die direkte Schau legen, statt auf Zeremonie und Bücher. Gott ist unserer Seele am nächsten und überwacht uns im Körper, wie Er auch die ganze Schöpfung nach Seinem Willen überwacht.

 

Im Abstimmen auf Naam — das Wort Gottes — liegt das Heilmittel für alles Übel der leidenden Menschheit. Dieses Naam offenbart sich in den reinen Herzen. Darum sollten wir rein in Gedanken, Worten und Taten sein, um die Wahrheit zu verwirklichen. “Selig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.” Laßt uns unsere Herzen Ihm zuwenden. Des Lebens reichste Schätze von Naam sind in euch — hört auf das, was der Meister sagt – Er kann das Tor aufschließen, damit ihr sie findet.

 

Mein Meister liebte es, von sich als dem “Diener der Diener” zu sprechen und brachte sein ganzes Leben im Dienste der Menschheit hin. Wir sollten dem Zauber der “Größe” aus dem Weg gehen und das neue Leben des Dienens und Opferns zum Wohle aller leben und unsere besten Friedenswünsche an alle auf der ganzen Welt senden. Wir brauchen keine großen Pläne und Programme. Es ist genug, wenn wir bei uns selbst und der eigenen Umgebung beginnen und unser Leben diesem Liebesdienst weihen, der des Meisters Botschaft überall verbreiten wird und ein neues Leben der Hoffnung für die Menschen insgesamt erschließt.

 

Ich sehe die Welt niedergedrückt durch Glaubenskonflikte und Parteien und dunkle Wolken hängen allerorts über uns. Ich bitte Gott wie Guru Nanak: “Die Welt ist in Flammen, errette sie durch Deine Gnade, o Herr, auf welche Weise sie auch immer errettet werden möge.”

 

Laßt uns ein einfaches Leben führen, das die Gottheit in uns in all unserem Tun offenbart.

 

Mit aller Liebe an jeden von euch,

 

Kirpal Singh

 

 

AUGENBLICKE AUS DEM LEBEN DES MEISTERS

 

Von Bhadra Sena

 

 

Kirpals frühes Leben war voll von Wundern. Während er in der vierten Klasse war, ging er einmal zu seinem Lehrer und bat um die Erlaubnis, nachhause gehen zu dürfen, weil “meine Großmutter mütterlicherseits im Sterben liegt.” Der Lehrer glaubte ihm nicht und war erstaunt: “Das ist seltsam, daß du, während du hier sitzt, deine Großmutter zuhause sterben siehst. Du solltest besser bei deinen Aufgaben bleiben.” Bald darauf kam ein Bote aus Kirpals Haus, um ihn zu seiner sterbenden Großmutter zu holen.

 

Als Kirpal ungefähr 12 Jahre alt war, las er ein Buch über Ramanuja, einen indischen Heiligen. Eine Begebenheit in dem Buch beeindruckte ihn sehr: Unmittelbar nach seiner Initiation versammelte Ramanuja einige Leute um sich und sagte: “Alles Wissen, das ich von meinem Meister erhalten habe, werde ich euch übermitteln!” Er war gewarnt worden, daß eine solche Handlungsweise eine Mißachtung der Gebote des Meisters darstellt und ihn in die Hölle bringen würde. Da sagte Ramanuja: “Mir ist es gleich, wenn ich zur Hölle gehe, wenn ihr dadurch errettet werdet.” Nachdem er diese Geschichte gelesen hatte, dachte Kirpal oft, wenn er jemals den Reichtum der Spiritualität erlangen sollte, würde er auch freigebig die spirituellen Schätze verteilen. Hazoor (Baba Sawan Singh Ji Maharaij) nannte Kirpal Singh in dieser Beziehung einen Verschwender und überschüttete ihn mit seinen Gaben.

 

Als Junge war Kirpal sehr fleißig. Als er in der neunten Klasse war, hatte er schon alle Bücher der Schulbibliothek gelesen. Er war ständig der Erste in seiner Klasse. Eines Tages hatte der Junge, der immer der Zweite der Klasse war, sich nicht so gut vorbereitet wie der Lehrer es erwartet hatte, worüber dieser ärgerlich war. Der Junge beklagte sich, daß dies sein erster Fehler sei, während Kirpal Singh selten seinen Anweisungen folgen würde. Der Lehrer sagte ihm, daß Kirpal viel mehr wissen würde als in den Büchern steht.

 

Kirpals ausgedehnte Studien setzten ihn weit über seine Mitschüler. In einer Prüfung gab sein Lehrer ihm einst in Geschichte 54 Punkte von 55 und gab dem Nächstbesten 37. Der letztere protestierte, daß er alle Fragen richtig beantwortet und Wort für Wort den Text wiedergegeben habe. “Wie kommt es, daß ich nur 37 Punkte bekomme, während Kirpal 54 bekommt?” Der Lehrer lächelte und sagte: “Es ist wahr, daß du alles widergegeben hast, aber Kirpal hat viel mehr geschrieben. Er hat auch die Ansichten aller großen Geschichtsschreiber wiedergegeben. Ich hätte ihm hundert von hundert Punkten gegeben, konnte das aber bei einem Thema wie Geschichte nicht tun.

 

Kirpal war ein sehr gehorsames Kind, aber bei zwei Gelegenheiten behauptete er sich ruhig, aber entschieden. Er pflegte jedem, den er kannte, zu helfen, ohne Rücksicht auf seine Beziehungen zu seiner Familie. Einst rief ihn sein Vater zu sich und sagte: “Pal (sein Kosename) unsere Freunde sollen deine Freunde sein und unsere Feinde deine Feinde.” Aber Pal sagte mit kühler Überlegung: “Vater, deine Freunde werden natürlich meine Freunde sein, aber es ist nicht notwendig, daß deine Feinde auch meine Feinde sind, denn deine Feinde können es durch ein Mißverständnis geworden sein. Das Leben ist zu kurz und ich bin nicht gekommen, um Feindschaft und Haß zu haben. Ich bin gekommen, um alle zu lieben.”

 

Bei einer anderen Gelegenheit, als er im technischen militärischen Dienst war, bot ihm jemand ein Bestechungsgeld an, damit er ihm einen Gefallen tue. Anstatt das Angebot still anzunehmen, sagte er: “Was soll das Geld, wo ich doch für diese Arbeit bezahlt werde.” “Es ist so üblich”, war die Antwort. Er lehnte es ab, das Geld anzunehmen und warf es in Gegenwart aller weg. Als sein Vater von dem Vorfall erfuhr, versuchte er ihm die Ungehörigkeit dieser Handlungsweise klarzumachen, aber Kirpal hörte nicht auf solche Ratschläge. Er sagte seinem Vater, daß er ihm sein ganzes Gehalt geben würde, aber er könne nicht von seinem Sohn erwarten, daß er sich zu unehrenhaften Absichten herablassen würde. Während seiner ganzen Dienstzeit blieb er seinen Grundsätzen treu und ging nie davon ab.

 

Kirpal Singh sagte seiner Mutter sechs Monate vor ihrem Tod, daß ihr Ende nahe sei und bat sie, sie möge in Liebe des Herrn gedenken. Seine prophetischen Worte wurden wahr und sie verstarb zu der Zeit, die er vorausgesagt hatte. 17 Tage vor ihrem Tod schrieb er ihr, sie möge sich für ihre letzte Reise bereit machen. Als er den Bericht über ihre Krankheit bekam, bat er seinen ältesten Bruder in Naushera, er möge sofort nach Hause gehen, um ihr beizustehen, weil es ihm selbst nicht möglich war, zu gehen. Es geschah also, daß seine Mutter innerhalb von ein paar Tagen nach seines Bruders Ankunft starb.

 

Ähnlich sagte er seinem Bruder den Tod seiner Schwägerin voraus. Der Bruder war darüber erstaunt, weil alles zu Hause in Ordnung war. Aber so seltsam es scheinen mag, seine Schwägerin bekam plötzlich eine ernste Krankheit und verstarb.

 

1912 besuchte Kirpal Singh in seiner Nachbarschaft eine junge Dame, die auf dem Sterbebett lag. Sie sagte plötzlich: “So, jetzt gehe ich”, und innerhalb weniger Minuten hörte sie auf zu atmen. Dieser Vorfall berührte ihn tief und er begann nachzudenken: “Was, vor ein paar Minuten sprach sie so wie jeder andere von uns. Es muß eine Kraft da sein, die noch in uns ist, die aber aus ihr herausgegangen ist. Was konnte diese Kraft sein?”

 

Am Verbrennungsplatz sah er die Leiche eines alten Mannes auf dem Holzstoß neben dem der jungen Dame. In dem Augenblick wurde ihm klar, daß der Tod keinen Unterschied zwischen alt und jung mache. Es war das karmische Spiel und der Körper mußte eines Tages abgelegt werden. Während er noch in diese ernsten Gedanken versunken war, fiel sein Blick auf eine Grabschrift: “Bedenke, daß du sterben mußt. Wir waren einst wie du und erfreuten uns des Lebens. Aber wehe, jetzt sind wir eine Handvoll Staub unter diesem Stein.”

 

Diese drei Szenen, die sich in schneller Folge hintereinander abspielten, machten einen tiefen Eindruck auf den jungen Mann. Er lag nächtelang wach und dachte über die Rätsel des Lebens nach — das Lebensprinzip. Wie wirkte es? Von wo kam es? Und wie ging es? Um eine Lösung dieser Probleme zu finden, wandte er sich den heiligen Schriften zu und ging zu Weisen und Heiligen. Dies brachte ihn auf einen langen Weg auf der Suche nach der Lösung des Problems vom Leben und Sterben‚ das sich schließlich zu den Füßen des Großen Meisters Hazoor Sawan Singh Ji Maharaj klärte.

 

Durch ein reines Gemüt und echte Hingabe entwickelte Kirpal Singh schon in den zwanziger Jahren Kräfte der Fernsicht. Er konnte auch in den Herzen anderer Menschen lesen. Diese Fähigkeit wirkte sich störend auf seine tägliche Arbeit aus und machte das Leben beschwerlich. Er betete daher zu Gott und bat um zwei Gaben: Erstens, diese göttliche Gabe sollte aufgehoben werden, so daß er sein irdisches Leben wie ein normaler Mensch leben konnte. Zweitens, wenn irgendjemand durch ihn Hilfe zuteil werden sollte, so wollte er davon keine Kenntnis haben.

 

Kirpal Singh benutzte seine Freizeit, um anderen zu helfen. Er besuchte Patienten im Krankenhaus, half ihnen finanziell und diente ihnen in jeder möglichen Weise. 1919, nach dem Ersten Weltkrieg, jagte eine Grippe-Epidemie durch das Land. Sie forderte einen hohen Tribut an Menschenleben. Die Menschen hatten eine solche Angst vor Ansteckung, daß sie Freunde und Verwandte im Stich ließen. Ohne Rücksicht auf eine Gefahr für ihn selbst, organisierte Kirpal Singh eine Hilfsdiensttruppe, um den Leidenden zu helfen. Auch als die Beulenpest im Punjab ausbrach, errichtete er eine Truppe von freiwilligen Helfern und begab sich furchtlos in den Dienst der Kranken.

 

Kirpal Singh war noch in den zwanziger Jahren und lebte ein bescheidenes Leben, als sein kränklicher Onkel kam, um bei ihm in Lahore zu leben. Er brachte seinen Onkel ins Krankenhaus. Eines Tages, als er seinem Onkel mit einer Tasse Milch half, sah er einen ausgemergelten Mann in einem Bett in der Nähe. Kirpal Singh ging zu ihm und fragte ihn, ob er Hilfe brauche. Das ließ Tränen der Dankbarkeit in des alten Mannes Augen aufsteigen. Von dem Tage an sorgte Kirpal Singh für beide Patienten, indem er ihnen Früchte kaufte und was sie sonst noch brauchten. Infolge dieser Extraausgaben mußte er sich für einige Zeit mit getrocknetem Korn und Wasser zufrieden geben. Sein Onkel wunderte sich und sagte: “Du tust alles was du kannst für mich, weil ich dein Onkel bin. Aber warum wird dieser alte Mann genau so von dir behandelt wie ich?” Kirpal Singh antwortete bescheiden: “Der alte Mann hat genau so viel Recht auf mich wie du. In der Tat hat die ganze Welt dasselbe Recht auf mich. Ich bin für die Schöpfung da und die Schöpfung für mich. Wir sind eins und nicht zwei. Ich bin für alle da und nicht nur für den Einzelnen.”

 

Kirpal Singh arbeitete als Rechnungsführer beim Sikh-Regiment in Dera Ismail Khan (jetzt in Pakistan) lange bevor er zu seinem Meister kam. Ein grimmig aussehender Mann - ein persönlicher Leibwächter des Kommandanten — pflegte einfach das Fleisch, das für die Soldaten gekocht wurde, wegzunehmen und niemand wagte es, ihn zur Rede zu stellen. Seltsamerweise war dieser Mann sehr bemüht, Kirpal Singh‘s Wohnung in dessen Abwesenheit sauberzuhalten. Eines Tages kam Kirpal Singh früher zurück. Er wunderte sich, diesen Mann das Haus sauber machen zu sehen und fragte ihn, warum er sich so sehr für ihn bemühe. Mit gefalteten Händen antwortete der Mann: “Herr, wenn ich Euch sehe, dann fallen mir alle meine Sünden ein und ich beginne von Kopf bis Fuß zu zittern. Ich habe unzählige Verbrechen begangen in meinem Leben und habe viele unschuldige Menschen getötet. Gibt es für einen Menschen wie mich noch Hoffnung?” Kirpal Singh tröstete ihn, indem er sagte, daß die Göttliche Gnade auch für die schlechtesten Menschen da sei, vorausgesetzt, daß sie ihre Vergangenheit ernstlich bereuen und willens sind, neu anzufangen. Der Mann war bewegt durch diesen Rat. Er gab seine alte Lebensweise auf und wurde ein gottesfürchtiger Mann.

 

Einmal, nachdem er initiiert worden war, ging Kirpal Singh zu seinem Dorf, um seine kranke Kousine Ram Labhai zu besuchen. Als er noch auf dem Wege war, sagte Ram Labhai zu ihren Eltern, daß Bhapaji, wie Kirpal Singh von den jüngeren zu Hause genannt wurde, gekommen sei, um sie zusammen mit einem ehrwürdigen alten Mann zu besuchen. Sie sagte: “Bhapaji ist gerade weggegangen, nachdem er den alten Mann vorgestellt hat.” Ihr Vater wunderte sich und fragte sie, wer ihr Bhapaji sei? “Sieh, da geht er mit dem alten Mann und war gerade bei mir.” sagte sie. Von dem Augenblick an fing sie an, sich besser zu fühlen. Als Kirpal Singh am nächsten Abend ankam, fragte sie ihn: “Du bist gestern Abend hiergewesen. Warum bist du so schnell weggegangen?” Kirpal Singh antwortete: “Nicht ich, sondern mein Meister hat dich besucht. Wirst du fähig sein, den stattlichen alten Mann wiederzuerkennen, wenn du ihn sehen würdest?” “Gewiß”‚ antwortete sie. Zwei Monate später, als Hazoor in Rawalpindi war, kam Kirpal Singh mit Raum Labhai, um seinen Meister zu besuchen. Sie sahen Hazoor aus einer Entfernung. Kirpal zeigte auf Hazoor und fragte das Mädchen, ob sie den alten Mann erkennen könne. Sie antwortete prompt: “Das ist der alte Mann, der mit dir an jenem Abend kam.”

 

Es war eine Winternacht. Hazoor Sawan Singh ruhte auf seinem Bett. Kirpal Singh und Dr. Julian Johnson, ein amerikanischer Schüler, waren bei ihm. Dr. Johnson fragte: “Sollte ein Schüler seinen Meister um einen Gefallen bitten oder nicht?” “Ein Schüller will immer das eine oder andere von seinem Meister,” antwortete Hazoor und fügte hinzu: “Wenn wir als Erlöser in die Welt kommen, bringen wir unseren eigenen Mitarbeiterstab mit. Wenn wir unsere Aufgabe an einem Ort erfüllt haben, werden wir gebeten, an einen anderen Ort zu gehen.”

 

Als die Dera (Beas—Kolonie) gebaut wurde, arbeitete Kirpal Singh auch freiwillig mit, wie so viele andere. Einige Leute rieten ihm, keine körperliche Arbeit zu tun, weil er andere wichtige Aufgaben zu erfüllen habe. Kirpal Singh sagte ihnen: “Ich habe einen physischen Körper und muß mit ihm physisch dienen. Ich habe einen Intellekt und muß intellektuell dienen. Da ich eine verkörperte Seele bin, muß ich auch spirituell dienen. Für mich ist alle Arbeit Gottesdienst und eine Arbeit der Liebe, da ich den selben Gott in allen sehe wie in mir selbst.”

 

Wenn gebildete Besucher ein intellektuelles Gespräch mit Hazoor begannen, verwies er sie gewöhnlich an Kirpal Singh und sagte: “Wenn ihr Spiritualität in wenigen Worten verstehen wollt, kommt zu mir, wenn ihr aber diskutieren und debattieren wollt, dann geht zu ihm.” Über ihn pflegte Hazoor zu sagen: “Kirpal Singh hat ein besonderes Geschick, das schwerverständliche Thema der Spiritualität aus verschiedenen Blickpunkten zu erklären, bevor er das Ganze zu einem vollständigen Bild zusammenfügt. Er erklärt zuerst, wie man die verschiedenen Teile des Gewehrs auseinanderlegt und wie man sie dann wieder zu einem Stück zusammenfügt.”

 

Unter Anweisung und Inspiration von Hazoor schrieb Kirpal Singh ein umfangreiches Werk über die spirituelle Wissenschaft in Punjabi, indem er das Thema in all seinen Aspekten beschreibt. Bekannt als Gurmat Sidhant (in zwei Büchern) ist diese Abhandlung eine meisterhafte Darlegung des Pfades der Meister in einem klaren Stil. Als dieses umfangreiche Werk veröffentlicht wurde, bemerkte Hazoor, indem er sich erhobt: “Kirpal Singh, jetzt ist es kaum noch nötig, Prediger Satsangs abhalten zu lassen. Das Buch enthält alle wesentlichen Punkte der heiligen Schriften und sein Studium wird die Wirkung eines Satsangs haben.” Hazoor war sehr beeindruckt, als das Kapitel über ‘bireh‘ (Qual des Getrenntseins) ihm vorgelesen wurde. Er wollte das Kapitel mehrere Male vorgelesen haben. Jedesmal, wenn er es hörte, glänzten Tränen in seinen Augen. Blitzartig leuchtete es dem Schreiber auf, daß auch er eines Tages unter dem großen Schmerz der Trennung von seinem geliebten Meister zu leiden haben wird.

 

Während seiner letzten körperlichen Krankheit sagte Hazoor eines nachts: “Eine starke Sonne ist aufgegangen. Können die Leute von Jullundur sie sehen?” Alle, die um ihn waren glaubten, daß Hazoor in einem Zustand war, in dem er phantasierte. Dr. Schmidt aus der Schweiz, ein Schüler und Arzt, der ihn behandelte, meinte, daß es sich um Urämie handele. Als Kirpal Singh kam, fragte Hazoor dasselbe. Kirpal Singh antwortete: “Nicht nur die Menschen in Jullundur, sondern sogar die Bewohner von Amerika und anderer weit entfernter Orte können die Sonne zu dieser Zeit in der Nacht sehen, wenn Eure Heiligkeit ihnen das innere Auge öffnet.” Erfreut, diese richtige Antwort zu hören, sagte Hazoor: “Kirpal Singh, du hast die richtige Antwort gegeben.”

 

Nachdem Hazoor in seine himmlische Heimat gegangen war, zog Kirpal Singh, sein spiritueller Nachfolger, sich in die Himalayas zurück, um den Rest seines Lebens in einsamer Meditation zuzubringen. Hier pflegte er 18 Stunden des Tages in Meditation zu sitzen. Er saß meistens auf einem Felsen mitten in der Strömung des Ganges. Eines Tages kam die Nachricht, das eine Flut bevorstehe. Der Wasserspiegel stieg sehr schnell und hatte bald das Gefahrenzeichen überstiegen. Seine Begleiter waren natürlich beunruhigt und in ihrer Sorge, ihn aus seiner Meditation zu rütteln, bewarfen sie ihn vom Flußufer aus mit Kieselsteinen. Sie fühlten sich ganz hilflos und beteten zu Hazoor um ihre Rettung. Zu der Zeit erreichte das Wasser seine Füße. Schließlich öffnete er seine Augen und sagte: “Hae Data” (O Gütiger). Zu ihrem Erstaunen sahen sie den Meister auf dem Wasser auf sich zukommen, als würde er auf dem Land gehen.

 

Während seiner Vortragsreise in den USA drückten einige Gelehrte Zweifel über die Wirksamkeit von Sant Mat — dem Pfad der Meister — aus. Der Meister erklärte: “Es ist Ihnen gelungen, Energie hervorzubringen und sich in so vielen Arten nutzbar zu machen im Dienste der Menschheit. Sie unternehmen Raumflüge, um die Geheimnisse der anderen Planeten zu enthüllen. Sie sollten aber wissen, daß hinter all dieser Kraft und Energie eine bewußte Kraft steht, die alles beherrscht und die Natur in ihren mannigfaltigen Formen in Gang hält. Können Sie ein Bruchteil dieses Bewußtseins, des Lebensimpulses, der im Universum vibriert, erzeugen? Die neueste Entdeckung der Wissenschaft ist das, was wir die Atomenergie nennen, die durch Atomspaltung hervorgebracht wird. Was haben Sie gefunden, als Sie ein Atom spalteten? Eine Bewegung der Elektronen und Neutronen und diese Bewegung, das werden Sie zugeben, ist rhythmisch und gleichmäßig und nicht zufällig. Die verschiedenen Bestandteile eines Atoms, wie sie sich bewegen, erzeugen eine melodische Vibration und leuchten in starkem Glanz. Dieses melodische Licht ist die Gotteskraft hinter allem. Der Mensch kennt nie nicht genug, sonst würde er nicht unwissentlich an seiner eigenen Zerstörung arbeiten. Dieser feurige Ton ist die Allbewußtheit, die in jedem von uns wirksam ist und wir können mit ihr in Verbindung kommen durch die Gnade eines wirklichen kompetenten Meisters, der sie in sich selbst offenbart hat, er kann sie auch in anderen offenbaren. Shabd oder die himmlische Musik, die das gesamte Universum trägt, ist in uns und kann erfahren werden durch die Gnade eines vollendeten Meisters.”

 

 

DER KAMPFPLATZ GOTTES

 

von Betty Shifflett

 

Der große Meister Kirpal Singh hat die Satsangs als eine Arena beschrieben, wo die spirituelle Kraft entfaltet wird. Laßt uns prüfen, warum das so ist.

 

Unsere Satsangs haben den Zweck, rein spirituelle Gespräche unseres Meisters und der Heiligen der Vergangenheit aufzunehmen. Diese werden von ergebenen Initiierten, die auf dem Pfad sind, zusammen mit denen, die als Zuhörer kommen, geführt. Hier ist die Bühne, wo durch die Kinder des Lichts das große Drama der vergangenen und gegenwärtigen Karmas ausgetragen wird mit der wunderbaren Meisterkraft über uns, die weiß, was jeder von uns benötigt, um ihn seiner wahren Heimat Sach Khand (die höchste spirituelle Ebene) näher zu bringen. Wenn wir auf Gottes Kampfplatz erfolgreich sein wollen, dann muß unser größtes Verlangen dem Meister gelten und der Liebe Gottes und nichts anderes. Unsere Satsangs dienen nicht der Unterhalten des Gemüts oder der intellektuellen Anregung, sondern um uns zu helfen, uns auf den heiligen Berg zurückzuziehen, den Berg der Verklärung, der sich hinter dem dritten Auge erhebt, wo unser Geliebter wartet. Er wird uns ganz in sein Reich aufnehmen, wenn wir unseren Wert, unsere Liebe, unsere Toleranz und unseren Glauben durch Seine Gnade beweisen. Wir wissen aus der Geschichte, daß viele Nachfolger des Herrn in der Frühzeit des Christentums in einen wirklichen physischen Kampfplatz gworfen wurden, um für ihren Glauben im Herrn gegen hungrige Löwen und Tiger zu kämpfen, die speziell für diesen Zweck gehalten wurden. Unser Meister hat uns gnädigst auf den Kampfplatz der Schakale, der Beschäftigkeit unseres Gemüts, gestellt und hat uns mit dem Schwert des heiligen Naam (des Wortes) bewaffnet, um diese trügerischen Feinde zu besiegen. Er beobachtet und wartet ab, wie wir unsere Kraft mit dieser Herausforderung messen.

 

Sant Kirpal Singh hat geschrieben, daß “gegenseitiges Vertrauen und Toleranz unter den Lieben neue Ausblicke rechten Verstehens eröffnen und die heiligen Bande der Brüderlichkeit festigen kraft der heiligen Initiation in die Mysterien des Jenseits.” Der Meister hat in seinen wundervollen Weihnachts— und Neujahrsbotschaften betont, daß ein neues Jahr ein neues leben bedeuten sollte, voll von neuen Ausblicken und neuem Streben. Wir wollen uns erneuern und die Vergangenheit vergessen. Wie können wir diese Aufgabe ernsthaft erfüllen? Es ist ganz einfach — indem wir ihm vertrauen, der seinen Sitz am Brennpunkt zwischen den beiden Augenbrauen bei jedem von uns eingenommen hat zur Zeit der heiligen Initiation. Vertrauen erzeugt Vertrauen. Er vertraute uns das höchste Geschenk an, das es gibt. Können wir ihm nicht als Erwiderung einen Glauben schenken, der auf Erfahrung beruht und ihm in jeder unserer Handlungsweisen im Satsang vertrauen? Wir sind eine heilige Gemeinschaft. Der Meister hat uns zusammengebunden mit dem güldenen Band der Liebe, Liebe zum heiligen Naam (den Heiligen Geist), das Wasser des Lebens. Diese Bande können nicht erschüttert und nicht zerrissen werden. Laßt uns mit heiliger Ehrfurcht und Verehrung für den Meister an den Satsangs teilnehmen und uns gegenseitig Achtung entgegenbringen, wissend, daß der Meister für uns alle da ist und uns niemals aufgeben wird. Wir müssen, wenn wir ihn lieben, seine Gebote einhalten. Wir sind von Gott ausgewählt und durch den Gottmenschen mit der Gotteskraft (Naam) verbunden worden. Laßt uns die alte Trägheit zurücklassen und auf dem königlichen Pfad gottwärts eilen, weil unser Herr auf uns wartet. Der laute Ruf des Meisters ist: Der, welcher dich hierher gesandt hat, ruft dich zurück. Kehre zurück zu ihm und werde eins mit ihm. So können wir auf  dem Kampfplatz Gottes mit dem Tod kämpfen, dem letzten Feind des Menschen und wie Paulus den Tod besiegen.

 

 

SPIRITUELLE GEBURT

 

Suche nicht vergebens nach den vergänglichen Werten des Lebens,

die kommen und wieder gehen.

 

Es ist wie die Jagd nach Luft, um dann festzustellen,

daß sie vergeht, wenn sie auch noch so begehrt wird.

 

Der wahre Reichtum, der niemals vergeht,

ist das Geschenk der spirituellen Geburt,

die unbeachteten Dinge, die das Feuer nicht verbrennen kann,

die Dinge, die noch bestehen, wenn die Welten vergangen sind.

 

Baroness von Blomberg

 

 

O FORMLOSER EINER

 

Zahlos sind jene, die an Dich denken und

zahllos jene, die Dich lieben.

Zahllos sind die, die Dich anbeten und

zahllos jene, die Dich in Härten und Bußen suchen;

zahllos sind die, die Deinen Ruhm aus heiligen Büchern künden und

zahllos jene, die in Yoga vertieft der Welt mit Gleichmut gegenüberstehen.

Zahllos jene Deiner Ergebenen, die über Deine

Eigenschaften und Deine Weisheiten sinnen; und

Zahllos jene, die Wahrheit und Barmherzigkeit üben.

Zahllos sind jene, die dem Schwert des Feindes mutig ins Gesicht schauen, und

Zahllos jene, die Schweigen gelobten und mit stetiger Liebe über Dich meditieren.

Welche Kraft habe ich, Dein wunderbares Wesen zu begreifen?

Zu gering bin ich, mein Leben Dir zu opfern.

Was immer Dir gefällt ist gut;

Du bist immer und ewig,

O Formloser Einer.

 

Nanak

 

 

MEISTERS GEBURTSTAGSFEIERLICHKEITEN

 

Meisters Geburtstag (am 6. Februar) wurde in Delhi von tausenden Wahrheitssuchern, die sich zu dieser Gelegenheit im Sawan Ashram versammelt hatten, gefeiert. Eine große Anzahl Ergebener kam nicht nur aus den verschiedensten Orten in Indien, sondern auch aus dem Ausland. Der Ashram war wunderbar mit Blumen und Girlanden geschmückt.

 

Die Feierlichkeiten begannen um 3.30 Uhr am Morgen, als der Meister aus seinem Haus kam und die Ergebenen segnete. Der Meister nahm auf der Estrade Platz und lauschte den bezaubernden frommen Gesängen, die von einer Gruppe Ergebener vorgetragen wurden. Es war ein kalter Morgen, aber alle saßen regungslos, gefesselt durch die zauberhafte Atmosphäre und die wohlklingende Musik. Als die Musik vorüber war, erklärte der Meister den wahren Sinn eines Geburtstages. “Für Heilige ist der Geburtstag der Tag, an dem einer wiedergeboren wurde oder das Körperbewußtsein übersteigt,” sagte er. “Ihr seid alle Mikro—Götter” und “ihr müßt wiedergeboren werden,” betonte er einige Male. Die ganze Versammlung meditierte um 6.30 Uhr unter der persönlichen Führung des Meisters. Die Meditation endete um 9.30 Uhr und hunderte von Menschen berichteten von wundervollen inneren Erfahrungen.

 

Später am Tage trugen Dichter ihre Gedichte der Liebe und Ergebung für den Meister vor. Geistliche der verschiedensten Glaubensrichtungen brachten ihre Glückwünsche dar und lobpreisten den Meister für seine Mission. Die denkwürdigen Feierlichkeiten waren um 21.00 Uhr mit einer Satsang—Ansprache des Meisters, in welcher er ausführlich über den eigentlichen Sinn des menschlichen Lebens und den Weg zurück zu Gott sprach, beendet.

 

 

SURAT SHABD YOGA

 

Die beiden Dinge, die sich aus einer Untersuchung der allgemeinen Yogaformen zeigen, welche nach Patanjali entwickelt wurden, sind: erstens, daß sich die Seele über das Körperbewußtsein erheben kann, wenn die Mittel gegeben sind, durch die sie ihre Energien im Brennpunkt sammeln kann, ohne zu der mühseligen Kontrolle der Pranas Zuflucht zu nehmen; und zweitens, daß vollkommene spirituelle Verwirklichung oder echter Samadhi nicht nur eine Sache des Überschreitens des Physischen ist (obgleich dies als erster Schritt notwendig ist), sondern das Ende einer komplizierten inneren Reise, bei welcher es viele Zwischenstationen gibt, deren Erreichen unter gewissen Umständen irrtümlicherweise für das letzte Ziel gehalten werden kann, was jeden weiteren Fortschritt ausschließt. Das Problem, das sich für den wahren Sucher angesichts einer solchen Situation erhebt, ist, andere Hilfsmittel zu entdecken als die der Pranas, des Jnani oder der Hingabe (bhakti) an einen Isht-deva. Es wird die Geistesströme nicht nur von der gegenwärtigen physischen Gebundenheit befreien, sondern auch die Seele in die Lage setzen, unbehindert nach oben und von einer spirituellen Ebene zur anderen zu gelangen, bis sie alle Bereiche des Relativen, von ‘naam‘ und ‘rup‘, ‘kal‘ und ‘mahakal‘ völlig übersteigt und somit ihr Ziel erreicht: die Einswerdung mit dem Namenlosen und Formlosen.

 

Der Ton-Strom

 

Es ist im Zusammenhang mit diesem Problem, daß der Surat—Shabd Yoga, der der Yoga des himmlischen Tonstromes ist, seine einmalige Bedeutung erhält. Diejenigen, welche diesen Yoga gemeistert haben, lehren, daß das Absolute, obschon in seinem ursprünglichen Zustand frei von allen Attributen, sich selbst in die Form projiziert und zwei erste Attribute annimmt: Licht und Ton. Es ist kein bloßer Zufall, daß in den Offenbarungsschriften aller bedeutenden Religionen häufig Hinweise auf das “Wort” zu finden sind, welches eine Hauptstellung in ihren Lehren innehat. So lesen wir im Evangelium:

 

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

 

Joh.l,l

 

In den alten indischen Schriften lesen wir wiederholt von “Aum”, das heilige Wort, welches die drei Bereiche ‘bhur‘, ‘bhuva‘ und ‘swah‘ (das Physische, das Astrale und das Kausale) durchdringt.

 

Guru Nanak sagt:

 

Himmel und Erde kamen allein aus Shabd (das Wort).

Aus Shabd allein ward das Licht geboren;

Einzig aus Shabd entstand die Schöpfung;

Shabd ist des Wesens Kern in allem.

 

Janam Sakhi

 

Shabd ist die richtungweisende wirkende Kraft Gottes, der Ursprung aller Schöpfung.

 

Prabhatij

 

Die Moslem Sufis erklärten:

 

Die Schöpfung kam durch ‘saut‘ (Ton oder Wort) ins Dasein, und aus ‘saut‘ ging alles Licht hervor.

Shamas Tabrez

 

Der Große Name ist das Wesen und das Leben aller Namen und Formen;

Seine offenbarte Form erhält die Schöpfung.

Er ist das große Meer, von dem wir allein die Wellen sind.

Nur der kann dies fassen, der unsere Wissenschaft gemeistert hat.

 

Abdul Razaq Kashi

 

Moses hörte die Gebote Gottes inmitten von Donner und Feuer; während es im Gedankengut von Zoroaster und im Tao gleichermaßen Hinweise auf das ‘Schöpferische Wort‘, das ‘Göttliche Licht‘ und auf das ‘Wortlose Wort‘: das verschwiegene Wort, gibt.

 

Einige gelehrte Schüler und Theologen der späteren Zeit haben zufolge ihrer eigenen begrenzten Erfahrung diese Schilderung als biblische Hinweise auf intuitive oder intellektuelle Erleuchtung hingestellt. Aber bei näherer Prüfung erweist sich eine solche Darstellung als unhaltbar. Den Begriffen “Wort” und “Logos”‚ wie sie die Griechen, Hebräer und Europäer angewandt haben, mag die Bedeutung “Ursache” oder “Ordnung” aufgezwungen worden sein, und “Licht” mag auf diese Weise nichts anderes besagen als “mentale Erleuchtung”, aber ihre Entsprechung in der religiösen Literatur - nad, udgit, akash-bani, shabd, naam, saut, bang-i-Illahi, nida—i-asmani, sarosha, tao, und jyoti, prakash, tajalli, nur—i—yazdani etc. weigert sich ein solches Zerrbild für ihre ursprüngliche mystische Bedeutung zu dulden. Überdies haben einige Seher ihre wirkliche Bedeutung auf eine Weise dargelegt, daß es keinen Spielraum für eine Zweideutigkeit oder auch für einen Zweifel geben kann, nämlich, daß das, was sie in sich schließt, keine bildliche Schilderung von einer gewöhnlichen mentalen Erfahrung ist, vielmehr eine transzendente innere Wahrnehmung und Erkenntnis. So finden wir in der Offenbarung:

 

Seine Augen waren wie eine Feuerflamme ...

Seine Stimme wie großes Wasserrauschen ...

Sein Angesicht leuchtete wie die helle Sonne ...

 

Und ich hörte eine Stimme vom Himmel als

eines großen Wassers und wie eine Stimme

eines großen Donners; und die Stimme, die

ich hörte, war als der Harfenspieler,

die auf ihren Harfen spielen.

 

XIV

 

Und aus den Upanishaden wissen wir:

 

Zuerst gleichen die brausenden Töne jenen der Meereswogen,

dem Fallen des Regens, dem Rauschen des Baches,

und dann wird bheri gehört, untermischt mit den Tönen

der Glocke und der Muschel.

 

Der Prophet Mohammed hörte eine himmlische Musik, die allmählich die Gestalt von Gabriel annahm und sich in Worte formte; wohingegen Baha U‘llah erklärte:

 

Myriaden von mystischen Zungen finden Ausdruck in einer Sprache, und Myriaden Seiner verborgenen Mysterien werden in einer einzigen Melodie enthüllt: aber leider gibt es kein Ohr, das ihr lauscht, kein Herz, das sie versteht. Blind sind deine Augen, daß du mögest schauen Meine Schönheit; verstopfe deine Ohren, damit du die süße Melodie Meiner Stimme hören kannst.

 

Diese Hinweise auf Licht und Ton sind nach den Meistern des Surat Shabd Yoga nicht bildlich, sondern buchstäblich zu nehmen; und sie beziehen sich nicht auf die äußere Beleuchtung oder die Töne dieser Welt, vielmehr auf die inneren transzendenten. Dieser transzendente Ton und dieses transzendente Licht, lehren sie, sind die ersten Offenbarungen Gottes, wenn Er Sich in die Schöpfung hineinprojiziert. In Seinem namenlosen Zustand ist Er weder Licht noch Dunkelheit, weder Ton noch Stille, aber wenn Er Form und Gestalt annimmt, erheben sich Licht und Ton als Seine ersten Attribute.

 

Diese Geisteskraft — Wort, Naam, Kalma — oder ‘der waltende Gott‘ ist für alles was ist verantwortlich. Doch die physischen Universen, die wir kennen, sind nicht die einzigen, die sie hervorgebracht hat. Sie hat Myriaden Regionen und Myriaden Schöpfungen ins Leben gerufen. In der Tat ist das Ganze eine großartige, unergründliche, grenzenlose Gestaltung, in welchem der positive Pol (Sach Khand oder Sat Lok) durch eine Ebene aus reinem unvermischten Geist gebildet ist, während der negative (Pind) aus grober, physischer Materie besteht, mit der wir in dieser Welt vertraut sind. Dazwischen liegen unzählige Regionen, welche diejenigen, welche von einem Ende zum anderen gelangt sind, oftmals in drei unterschiedliche Ebenen aufteilen, welche ihrem eigenen besonderen Ausgleich von positiv—spirituellen und negativ—materiellen Kräften entspricht.

 

Die Meister lehren, daß das eine dauerhafte Prinzip, welches alle diese Ebenen aus reinem Geist bis zur groben Materie verbindet, das Prinzip des flammenden Tones oder der tönenden Flamme ist. Das Wort oder Shabd mag während seines Abstiegs eine unterschiedliche Dichtigkeit von spirituell—materiellen Kräften annehmen — die Mystiker sprechen von purpurnem Licht, von Mittagslicht oder von dem der untergehenden Sonne und sie beziehen sich auf den Ton von Flöten, Harfen, Violinen, Muschelhörnern, Donner, Glocken, fließendem Wasser etc., aber obgleich er sich auf den verschiedenen Ebenen unterschiedlich offenbart, bleibt er dennoch in sich selbst unverändert.

 

Ein Strom, der auf den schneeigen Gipfeln gewaltiger Berge entspringt, erfährt während seines Laufes zum Meer viele Veränderungen, die der Richtung, der Form, der Bewegung und Erscheinung, aber sein Wasser bleibt das gleiche.

 

Könnte man diesen hörbaren Lebensstrom in sich selbst entdecken, könnte man seine untersten Enden finden, so könnte man ihn als einen Pfad benutzen, der unweigerlich zu seiner Quelle führt. Die Ströme mögen an bestimmten Stellen in Schluchten und Stromschnellen hineinkommen, aber sie sind nichtsdestoweniger der sicherste Weg für die Aufwärtsreise. Mag eine Bergkette auch noch so unwegsam sein, so schneiden die Wasser doch einen Pfad und bahnen einen Durchgang, und einer, der sich ihre Führung zunutze macht, findet immer den Weg. Und seit dieses Naam oder der Wort—Strom aus Anaan oder dem Wortlosen hervorgegangen ist, wird der, welcher sich daran festhält, in jedem Fall zum Ausgangspunkt gelangen, wenn er eine Ebene variierender Bedingtheit nach der anderen durchmißt, bis er am Ursprung von Name und Form ankommt und sich mit dem verschmelzt, das weder Name noch Form hat.

 

Die Ecksteine:

 

Der Ton—Strom bietet dem Menschen zweifellos den sichersten Weg, um von der Form zum Formlosen zu gelangen; aber die Frage, die sich da erhebt, ist: wie kann sich der Mensch Zugang zu ihm verschaffen, um auf diese Weise seine innere Reise zu beenden? Jene, welche auf diesem Pfad kundig sind, sagen immer, daß es drei Bedingungen gibt, die erfüllt werden müssen, bevor man in diesem echtesten und eigentlichen Yoga Erfolg haben kann.

 

Satguru:

 

Die erste Bedingung ist, daß man einen Satguru oder wahren Lehrer findet, der ein Adept in dieser mystischen Wissenschaft ist. Sie ist eine Sache der praktischen Selbstverwirklichung und nicht die einer philosophischen Erörterung oder einer intuitiven Empfindung. Wenn es eine der bloßen Theorie wäre, dann würden Bücher und Schriften genug sein für unseren Zweck, und wenn es eine der bloßen Empfindung sein würde, dann könnte jeder einfach auf die Eingebungen seines Gemüts bauen. Aber das Problem, das vor uns liegt ist, daß wir einen ‘sechsten Sinn‘ erschließen müssen, den der direkten transzendenten Wahrnehmung, des inneren Hörens und Sehens. Dies jedoch kann nicht lediglich durch das Lesen von Büchern kommen. Wenn einer blind und taub geboren ist, kann er mittels der Blindenschrift die ausführlichsten Erklärungen über des Menschen Reichtum und der verschiedenen Erfahrungen des Hörens und Sehens lesen, aber sein Studium kann ihm niemals die direkte Erfahrung einbringen. Er kann durch die Bücher höchstens eine Vorstellung von einer umfassenden Erfahrungsebene bekommen, die ihm völlig unbekannt ist, und dies kann in ihm den inneren Drang erzeugen, Mittel und Wege zu finden, durch die er seine körperlichen Beschränkungen überwinden kann. Allein der erfahrene Arzt oder Chirurg kann Heilung bringen, vorausgesetzt, daß seine Krankheit überhaupt heilbar ist. Fällt er einem Scharlatan in die Hände, wird sein Zustand nur schlimmer und noch mehr kompliziert.

 

Gleicherweise muß der Aspirant, welcher innere spirituelle Meisterschaft sucht, nach der Hilfe eines solchen Ausschau halten, der den Weg bereits kennt. Alles Lesen der Schriften, all sein Überlegen, kann ihn bestenfalls (wenn er für das darin Enthaltene empfänglich ist) zu dem einzigen Schluß bringen: der Notwendigkeit eines lebenden Meisters. Ohne einen solchen kann er nicht einmal die wahre Bedeutung der offenbarten Schriften verstehen. Sie sprechen von Erlebnissen, die über seiner Erfahrungsebene liegen, und wenn sie seine Sprache gebrauchen, können sie nur in Bildern und Gleichnissen sprechen; denn wie könnte die Redeweise des Blinden das Geschehene direkt ausdrücken? Zu versuchen, das reiche spirituelle Erbgut unseres religiösen Schrifttums völlig in Begriffen, die unserer begrenzten Erfahrung entsprechen, zu erklären, kann nur zu einer Verzerrung und Verdrehung ihres wirklichen Sinnes führen. Wir können viel an psychologischer Weisheit anhäufen, aber die innere Bedeutung geht uns verloren, und unser ganzes verstandesmäßiges Theoretisieren kann uns lediglich in endlose theologische Widersprüche bringen, mit denen die verschiedenen institutionellen Religionen heutzutage überladen sind.

 

Nur einer, der selbst erfahren hat, was die großen Schriften beschreiben, vermag uns den wirklichen Sinn zu vermitteln. Aber die Aufgabe eines spirituellen Lehrers hört hier nicht auf. Die Aufklärung über die wahre Bedeutung der Religion ist nur ein erster Schritt. Nachdem der Aspirant die wahre Natur seines Zieles verstanden hat, muß er es praktisch und vernunftmäßig verfolgen. Etwas zu erkennen ist die eine Seite und es zu tun eine ganz andere. Erst wenn dem Aspiranten das Ziel, welches es zu erreichen gilt, erklärt ist, beginnt des Meisters Aufgabe. Es ist nicht genug damit, daß ein Arzt die Ursache der Krankheit des Blinden erkennt und bestimmt, er muß auch die Operation vornehmen. So gibt der spirituelle Führer dem Schüler bei der Initiation eine Ersthand—Erfahrung des inneren Lichts und des inneren Tones. Er bringt ihn in Verbindung mit dem göttlichen Strom und sei es an seinem untersten Ende und unterweist ihn im spirituellen sadhan (Übung)‚ welchem er nachkommen muß, um diese innere Erfahrung in vollem Umfang zu festigen und zu entwickeln.

 

Wer einen solchen Lehrer findet, ist wahrhaftig gesegnet. Aber ihn ausfindig zu machen und von ihm initiiert zu werden, ist nicht genug. Die noch im Keimen begriffene spirituelle Erfahrung, die er gibt, muß genährt und zur vollen spirituellen Blüte entwickelt werden. Um dazu imstande zu sein, muß man das was man hört aufnehmen und versuchen, es in die Praxis umzusetzen. Einen solchen Menschen zu kennen heißt ihn zu lieben und ihn zu lieben heißt seine Gebote zu halten. Solange man nicht lieben, gehorchen und sein Leben umformen kann, bleibt die Gabe des Meisters wie eine in der Stahlkammer verschlossene Saat, die nicht gedeihen und zur Frucht gebracht werden kann.

 

Sadachar:

 

Es ist die Notwendigkeit für Selbstdisziplin, die Sadachar zum zweiten Eckstein der Lehre macht. Das Wort ‘sadachar‘ ist nicht leicht zu übersetzen. Es gibt zwar viele buchstäbliche Entsprechungen, aber keine von ihnen bringt seine ausgedehnte und vielseitige Bedeutung wirklich zum Ausdruck. Kurz besagt bezieht es sich auf ein gutes Leben. Es schließt keine strengen Gesetze oder festgelegte moralische Vorschriften ein, legt aber Reinheit und Einfachheit nahe, die sich von innen her strahlend nach außen verbreitet und alles Tun, jedes Wort und jeden Gedanken durchdringt. Es bezieht sich ebenso auf die persönlichen Gewohnheiten, ob gut und hygienisch, wie auch auf die individuellen und sozialen Sitten. Auf seiner ethischen Seite bezieht es sich nicht allein auf den Umgang mit den Mitmenschen, sondern mit allem was lebt, d. h. der Harmonie, was die Folge der Erkenntnis ist, daß alles gleichen Wesens ist und darum genau so einen Teil des Brahman bildet wie der mächtigste der Gottheiten, Indra.

 

Die erste Lektion, die von einem wahren Meister gegeben wird, ist die von der ‘Gleichheit des Wesenskerns‘; derjenige, welcher diese Wahrheit begriffen hat, wird sein Leben dementsprechend führen. Er wird nicht die Beute seiner zügellosen Wünsche sein; sein einziges Ziel wird sein, den Ruhepunkt zu erreichen, der alles Tun in sich schließt, den Punkt, wo nichts zu haben ebensoviel heißt wie alles besitzen. Er wird dann wissen, daß der einzige Weg der Erfüllung durch Verzicht kommt, und der einzige Weg, um den Allmächtigen zu erreichen dadurch, daß man sich aller anderen Bindungen entledigt:

 

Um dahin zu kommen, Freude in allem zu finden,

wünsche Freude in nichts zu haben.

Um dazu zu kommen, alles zu besitzen,

wünsche nichts zu besitzen.

Um dahin zu gelangen, alles zu sein,

wünsche nichts zu sein.

 

Johannes vom Kreuz

 

Reinige dein Herzenskämmerlein, damit der Geliebte Einzug halten kann.

 

Tulsi Sahib

 

Wo nichts ist, da ist Gott.

 

W. B. Yeats

 

Befreit vom Dämon des Wunsches (kama) wird er frei vom Dämon des Zornes (krodh), welcher dem vereitelten Wunsche folgt. Von diesen losgekommen, wird er auch von Gier (lobh), Verhaftetsein (moha) und Stolz (ahankar) frei, die nur Ausweitungen des Wunsches sind.

 

Er würde ein von allem losgelöstes Leben führen (nishkama). Diese Loslösung würde jedoch für ihn nicht ein gleichgültiges Leben oder eines des asketischen Verzichts bedeuten. Alles Leben zu erkennen heißt, zwischen sich und der übrigen Schöpfung ein neues Band zu finden. Einer, der dieses kennt, kann einfach nicht gleichgültig sein. Er muß zwangsläufig bis zum Überfließen von Sympathie für alles, das ihm begegnet erfüllt sein und Sympathie für das Ganze muß einen gewissen heiligen Gleichmut dem Teil gegenüber enthalten. Er wird nicht weiter nur an seinen eigenen engen persönlichen Interessen festhalten, vielmehr seine Liebe und Hilfe allen zukommen lassen. Er wird langsam aber sicher etwas vom Mitleid des Buddha und von der Liebe Christi entwickeln. Er wird sich nicht veranlaßt fühlen die Welt zu verlassen, um in die Einsamkeit der Wälder und Berge oder in eine Wüste zu gehen. Die Loslösung muß eine innen sein, und einer, der sie nicht zuhause erlangen kann, wird sie auch nicht in den Wäldern erreichen. Er wird den großen Nutzen gelegentlichen Zurückziehens von den weltlichen Angelegenheiten und Sorgen in die Stille einer einsamen Konzentration und Meditation erkennen, aber er wird nicht versuchen, dem Leben und seinen Verpflichtungen zu entgehen. Er wird ein liebevoller Ehemann und ein guter Vater sein, aber er wird dabei niemals den eigentlichen Zweck den Lebens vergessen und immer dem Kaiser geben was des Kaisers ist und für Gott bewahren was Gott gehört. Er wird auch wissen, daß er nicht dadurch über den Wunsch hinausgelangt, wenn er ihn unterdrückt, sondern indem er ihm entsprechend begegnet und ihn überwindet. Für ihn ist ‘sanyasa‘ nicht eine Sache äußeren Ausweichens oder Entkommens, vielmehr eine der inneren Freiheit, ein Begriff, den Guru Nanak sehr gut zum Ausdruck gebracht hat, als er sagte:

 

Möge Genügsamkeit euer Ohrring sein;

Streben nach der Göttlichkeit und Achtung

für das Höhere Selbst euer Beutel;

Ständige Meditation über Ihn sei eure Asche.

Möge Bereitschaft für den Tod euer Mantel sein;

und euer Körper sei wie eine reine Jungfrau.

Und laßt eures Meisters Lehren der Stützstock sein.

 

Jap Ji, Vers 28

 

Die beiden Haupttugenden, die ein solcher Mensch pflegt, sind Nächstenliebe und Keuschheit. Er hat ein weites Herz und ist freigebig, und mehr um die Leiden anderer besorgt als um seine eigenen, und so wird es ihm nie schwer fallen, denen zu vergeben, die ihm Unrecht getan haben. Er wird einfach und zurückhaltend sein; er braucht wenig und ist leicht zufriedengestellt; denn einer, der zuviele Wünsche hat und an zu vielen Dingen haftet, kann nicht reinen Herzens sein. Seine Reinheit wird sich sogar soweit ausdehnen, daß er Fleisch und Alkohol meidet. Denn wenn alles Leben nur eines ist, hieße es, sich selbst zu verunreinigen, wenn man sich vom Fleisch anderer Lebewesen nährt. Und wenn es des Menschen Ziel ist, Bewußtseinsbereiche zu erlangen, die höher liegen als seine gegenwärtigen, bedeutet seine Zuflucht zu Narkotika und berauschenden Getränken, einen Rückschritt heraufzubeschwören. Es ist nicht eine besondere Eigenheit indischer Seher, daß sie die Enthaltsamkeit von Fleisch und Alkohol zu einem notwendigen Teil der spirituellen Schulung gemacht haben. Der Koran und die Bibel schärfen ähnliches ein. So finden wir im 5. Buch Moses:

 

... auf daß die Trunkenen mit den Durstigen dahinfahren!

Da wird der Herr dem nicht gnädig sein ...

Und der Herr wird seinen Namen austilgen unter dem Himmel ...

 

5. Mose 29,18 - 20

 

Und wieder heißt es:

 

Es ist besser, du essest kein Fleisch und trinkest keinen Wein und tuest nichts, daran sich dein Bruder stößet oder ärgert oder schwach wird.

 

Römer 14, 21

 

Weiter ist gesagt:

 

Die (Fleisch)-Speise dem Bauche und der Bauch der (Fleisch)—Speise; aber Gott wird diesen und jene zunichte machen. Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn und der Herr dem Leibe.

 

1. Kor. 6,13

 

Im Essäischen Johannes-Evangelium (der direkten Übertragung aus dem Aramäischen, mit den reinen und ursprünglichen Worten Jesu) lesen wir:

 

Aber sie antworteten ihm: “Wohin sollen wir gehen, Meister ... denn bei dir sind die Worte des ewigen Lebens. Sage uns welches sind die Sünden, die wir meiden müssen, damit wir nie mehr Krankheit sehen werden?”

 

Jesus entgegnete: “Es geschehe nach eurem Glauben” und er setzte sich in ihre Mitte und sprach:

 

“Denen der alten Zeit wurde gesagt, ‘Ehret euren himmlischen Vater und eure irdische Mutter und erfüllet ihre Gebote, damit ihr lange lebet auf Erden.‘ Und nach diesem wurde folgendes Gebot gegeben: ‘Du sollst nicht töten,‘ denn das Leben ist allen von Gott gegeben: und was Gott gegeben hat, soll der Mensch nicht wegnehmen. Denn ich sage euch, wahrlich, von einer Mutter stammt alles, was auf Erden lebt. Darum: der, welcher tötet, tötet seinen Bruder. Und von ihm wird sich die irdische Mutter abwenden und ihm ihre erquickenden Brüste wegnehmen. Und er wird von ihren Engeln gemieden werden und Satan wird in seinem Körper Wohnung nehmen. Und das Fleisch der geschlachteten Tiere in seinem Körper wird zu seinem eigenen Grab werden. Denn ich sage euch, wahrlich, der, welcher tötet, tötet sich selbst und wer das Fleisch der geschlachteten Tiere ißt, ißt vom Körper des Todes. Und ihr Tod wird sein Tod werden. Denn der Sünde Sold ist der Tod. Tötet nicht, noch esset von dem Fleisch eurer unschuldigen Beute, damit ihr nicht Sklaven des Satans werdet. Denn dieser ist der Weg der Leiden und er führt zum Tod. Tut aber den Willen Gottes, damit euch seine Engel dienen mögen auf dem Lebensweg. Hört darum auf die Worte Gottes: ‘Sehet da, ich habe euch gegeben allerlei Kraut, das sich besamet auf der ganzen Erde und allerlei fruchtbare Bäume, die sich besamen zu eurer Speise. Und allem Tier auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel, und allem Gewürm, das da lebet auf Erden, daß sie allerlei grün Kraut essen. Auch die Milch von allerlei Getier, das sich bewegt und lebt auf der Erde, soll euch zur Speise sein; genau wie ich das grüne Kraut auch ihnen gegeben habe, so gebe ich euch ihre Milch. Aber Fleisch und das Blut, das es belebt, sollt ihr nicht essen.‘ Und Jesus fuhr fort: “Gott gebot euren Ahnen ‘Du sollst nicht töten!” Aber ihre Herzen waren verhärtet und sie töteten. Danach wollte Moses, daß sie wenigstens nicht Menschen töten sollten, und er erlaubte ihnen, Tiere zu töten. Und dann war das Herz eurer Vorväter noch mehr verhärtet und sie töteten Menschen und Tiere gleicherweise. Aber ich sage euch: “Tötet weder Menschen noch Tiere, noch was ihr sonst als Speise nehmt. Denn wenn ihr lebende Speise nehmt, dieselbe wird euch erquicken; aber wenn ihr getötete Speise nehmt, wird die tote Speise auch euch töten. Denn Leben kommt nur von Leben und vom Tod kommt immer nur der Tod. Und was eure Speise tötet, tötet auch euren Körper. Und was euren Körper tötet, tötet auch eure Seele. Und euer Körper wird zu dem, was eure Speise ist; genau wie euer Geist das wird, was eure Gedanken sind.”

 

Zusammen mit der Reinheit in Speise und Getränk geht eine andere Art der Reinheit, jene, die sich auf das Geschlecht bezieht. Ein ergebener Schüler wird nicht all sein sexuelles Verlangen unterdrücken, denn dies kann nur eine Neurose erzeugen und den Weg für einen Sturz bereiten; so wird er immer versuchen, es zu veredeln. Er wird verstehen, daß es, was diesen Trieb anbelangt, die Absicht der Natur ist, die Rasse zu erhalten, und er wird ihn so lenken, daß diese Absicht erfüllt wird und macht ihn niemals zu einem Selbstzweck, d. h. zu einer Quelle physischer Freude, denn wenn es dazu kommt, wird er zu einem Rauschgift, das den Geist betäubt und die Zeugung, die von der Natur beabsichtigt ist, vereitelt; darüber hinaus unterstützt er die Erfindung empfängnisverhütender Mittel, indem er sie gebraucht.

 

Kurzum, der aufrichtige und gewissenhafte Aspirant wird seine ganze Lebensweise neu ordnen: Essen und Trinken, Denken, Handeln und Empfinden etc. Er wird nach und nach alle nebensächlichen und ungesunden Wünsche seines Gemüts ausrotten, bis er allmählich den Stand der Reinheit und Einfachheit erlangt, der dem Kinde zu eigen ist, denn

 

Wahrlich, ich sage euch: Es sei dann, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.

 

Matth. 18,3

 

(Auszug aus “Die Krone des Lebens”. Fortsetzung folgt.)

 

 

URALTE WEISHEITEN

 

Hier sind einige Lebensweisheiten, die ewige Gültigkeit haben. Laßt uns jeden Tag eine zum Nachdenken nehmen und die Wahrheit, die in ihr steckt, in unserem Leben widerspiegeln lassen. Wir müssen natürlich wachsam sein, daß wir sie rein erhalten und sie nicht verbiegen, damit sie in unsere alltägliche Bequemlichkeit passen.

 

1. Gottesfurcht ist beginnende Weisheit.

2. Der kommt Gott umso näher, je mehr er sich von der Welt abwendet.

3. Derjenige, der nicht liebt, kennt Gott nicht.

4. Liebe das Wort mehr als die Welt.

5. Richte dich selbst und hüte dich davor, andere zu richten.

6. Der Sieg über sich selbst ist ein vollkommener Sieg.

7. Beseitige die Wünsche und du wirst Frieden finden.

8. Verzichte auf alles und du wirst alles finden.

9. Die ewige Seligkeit und Schönheit ist in dir.

10. Lerne zu sterben, damit du zu leben beginnen kannst.

11. Du wirst dich nicht des Friedens erfreuen können, bevor du nicht innerlich mit mir vereint bist.

12. Von einem Wort gehen alle Dinge aus, alle Dinge sprechen von ihm.

13. Sprich mit deinem Herzen, in deinem Zimmer und sei still.

14. Diejenigen, zu denejenigen das ewige Wort spricht, sind von Unsicherheit befreit.

15. Das Ich ist der Freund des Ichs und das Ich ist der Feind des Ichs.

16. Gib das Fleisch auf für den Geist.

17. Ein demütiges Herz ist sich selbst das Glück.

18. Der Heilige Geist sucht immer ein demütiges Herz.

19. Lebe dem Herrn und sterbe dem Herrn.

20. Wen Gott liebt, den züchtigt er.

21. Dem Reinen ist alles rein.

22. Liebe das Fleisch nicht mehr als den Geist.

23. Danke für alles.

24. Empfange das Königreich Gottes als ein kleines Kind.

25. Das Königreich Gottes ist in dir.

26. Ein Mensch mit zwei Gesichtern ist in allen Dingen unsicher.

27. Wer mir nachfolgt, wird nicht in dar Finsternis wandeln.

28. Gib dich ganz hin und arbeite in meinem Weingarten. Ich selbst werde eine Belohnung sein.

29. Die spirituelle Gabe kommt durch Gottes Gnade und nicht durch unser eignes Verdienst.