SURAT SHABD YOGA (2.
Fortsetzung und Schluß) Von
‘tisra—til‘, dem ‘dritten Auge‘ aus, verbreitet sich der spirituelle Strom im
Körper. Alles, dessen man somit bedarf, ist, sein Abwärtsfließen an dieser
Stelle aufzuhalten, indem man die Sinne unter Kontrolle bringt; denn dann
sammelt er sich von selbst und fließt zu seinem Ursprung zurück. Verschließe
deine Lippen, deine Ohren und deine Augen; und wenn du dann die Wahrheit nicht
entdeckst, steht es dir frei, mich zu verhöhnen. Hafiz
Der
Sucher hat es nicht nötig, am unteren Ende zu beginnen; alles, was er tun muß,
ist, den spirituellen Strom in eine andere Richtung zu lenken und alles weitere
wird folgen. Wodurch
können wir den Herrn erreichen? Man
braucht nur das Herz umzupflanzen. Inayat
Shah
Diese
Einfachheit der Annäherung, verbunden mit nur geringer Anstrengung, hat viele
bewogen, den Surat-Shabd Yoga als den ‘Sahaj Marg‘ oder den leichten Weg zu
bezeichnen. Er beginnt dort, wo die anderen Yogas normalerweise enden.
Sahasrar, die Region des tausendfältigen Lichts, welche das Ziel der
gewöhnlichen Yogi—Reise kennzeichnet, nachdem die verschiedenen Körperchakras
durchquert sind, ist in etwa die erste Stufe, die der Übende des Surat—Shabd
Yoga nehmen muß. Weiter vermindert dieser Yoga die Anstrenung beim Übersteigen
des Physischen in in hohem Maße, weil er davon abläßt, auf die Pranas und
Kundalini-Energien störend einzuwirken. Durch die Berührung dem Ton-Prinzip
werden die Sinnesströme automatisch nach oben gezogen, ohne daß der Übende
dieses Ziel bewußt anstrebt, und die motorischen Ströme beeinträchtigt würden.
Dies vereinfacht nicht nur das Eingehen in don Samadhi—Zustand, sondern ebenso
den des Zurückkehrens. Der Adept auf diesem Pfad braucht keine äußere Hilfe, um
wieder zum physischen Bewußtsein zu gelangen — wie es bei einigen anderen
Yogaformen der Fall ist, denn der spirituelle Aufstieg wie auch der Abstieg
kann aus völlig freien Stücken erfolgen und in Gedankenschnelle erreicht
werden. Die Methode des transzendenten Hörens ist nur eine Ausweitung dessen,
was wir normalerweise täglich tun. Wenn wir einem verwickelten Problem
gegenüberstehen, sammelt sich unsere ganze bewußte Energie an einem einzigen
Punkt - dem Sitz der Seele — ohne daß dabei die pranisch—motorischen Energien,
die automatisch in unserem Körper wirksam sind, beeinträchtigt würden. Einer,
der Surat-Shabd übt, erlangt diese Konzentration willentlich und zielbewußt
durch ‘simran‘ und ‘dhyan‘, und sobald er sich mit dem tönenden Wort verbunden
hat, wird der sonorisch—spirituelle Strom, der noch im Körper ist, unweigerlich
aufwärts gezogen und dadurch ist das vollständige Übersteigen des Physischen
erreicht. Diese
Natürlichkeit und Leichtigkeit des Sahaj macht den Surat-Shabd Yoga allen
zugänglich. Die Musik des Göttlichen Wortes vibriert in allen gleich, und
einer, der diesen Pfad verfolgt, bedarf keines speziellen physischen oder
intellektuellen Rüstzeuges. Er steht den Alten genauso offen wie den Jungen,
den Sündern wie den Heiligen, den Einfachen wie den Gebildeten, Frauen und Kindern
wie den Männern. In der Tat machen Frauen und Kinder dank der ihnen eigenen
einfacheren Denkweise und ihrem spontanen Vertrauen anfangs oft schnellere
Fortschritte bei dieser Methode als ihre mehr weltklugen Brüder; wenngleich ein
voller Erfolg auf diesem Gebiet von unerschütterlicher Ausdauer und Bemühung
abhängt, die nicht immer in Erscheinung treten. Da keine strenge und umfassende
Schulung bezüglich der Ernährung und keine körperlichen Übungen verlangt
werden, ist ein ‘sanyasa‘ oder völliger Verzicht auf die Welt nicht notwendig
und sie kann von den ‘grahstis‘, den Verheirateten, genauso verfolgt werden wie
von den ‘brahacharis‘, die das Zölibatgelübde abgelegt haben. Wenn die
pranischen und vigyanischen Systeme die natürlichen sein würden, dann müßten
wir zu dem Schluß kommen, daß die Natur parteiisch ist; denn die physischen und
geistigen Fähigkeiten, die sie voraussetzen, sind unter den Menschen sehr
ungleich verteilt. Wenn die Sonne und die Luft für alle da sind, warum sollten
dann die spirituellen Gaben nur ein paar wenigen Auserwählten vorbehalten sein?
Überdies können Prana und Vigyana bestenfalls bis zu der Ebene ihrer Herkunft
führen; und da sie nicht rein spiritueller Natur sind, wie vermöchten sie dann
einen zum Bereich des reinen Geistes zu bringen? Wenn es jedoch heißt, daß der Surat—Shabd Yoga die
vollkommenste und natürlichste Yoga—Wissenschaft ist, so bedeutet das nicht,
daß er keine Bemühungen erfordert und daß man sich nur auf ihn zu verlegen
braucht, um Erfolg zu haben. Wenn das der Fall wäre, würde die Menschheit nicht
so im Finsteren umhertappen wie heutzutage. Tatsache ist, daß kompetente Lehrer
dieser Krone aller Wissenschaften selten sind und daß, selbst wenn man einen
solchen findet, nur wenige vorbereitet sind, um sich der Schulung zu
unterziehen, die erforderlich ist. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist
schwach. Die meisten Menschen sind so tief in die Liebe für die Welt
verstrickt, daß sie selbst dann, wenn sie einen Schimmer der inneren Schätze
erblickt haben, ihre weltlichen Wege nicht aufgeben wollen, um sich auf das zu
konzentrieren, dessen Besitz einen zum Herrn von all dem macht. Da bei diesem
Yoga die Betonung stets auf dem Inneren und niemals auf dem Äußeren liegt, gibt
es kaum einen besseren Weg für die Menschen im allgemeinen. Wie viele gibt es,
die ihr ganzes Leben äußeren Ritualen und Zeremonien widmen, und wie wenige
vermögen selbst nur für Augenblicke vollkommene innere Konzentration zu
erlangen, die nicht durch weltliche Gedanken gestört ist. Dies hat Kabir
veranlaßt, ihn mit dem Gehen auf eines Schwertes Schneide zu vergleichen,
während die Sufis von ihm als das ‘rah-i-mustqim‘, feiner als ein Haar und
schärfer als eine Rasierklingc, sprechen; Christus beschrieb ihn als den
“schmalen und engen Weg”, den nur wenige jemals beschreiten. Aber für einen,
den die Welt nicht lockt und der Gott innig liebt, gibt es keinen einfacheren
und schnelleren Weg. Er bedarf keiner anderen Kraft als der seines eigenen
Dranges und durch sein aufrichtiges und starkes Verlangen nimmt seine Seele,
frei von allen irdischen Bindungen, vom Strom des Shabd zum Ausgangspunkt
getragen, den Flug heimwärts, zum Hafen des Friedens und der Glückseligkeit.
Und sollte er auf seinem Heimwärtsflug irgendwelchen Behinderungen ausgesetzt
sein, so ist ein strahlender Freund immer zugegen, um ihn davor zu bewahren und
vor allen Fallgruben zu beschützen. Der Weg durch die höheren Ebenen liegt so
vollständig gekennzeichnet vor ihm, wie jener der Hatha—Yogis durch die
niederen Körperchakras; und getragen von einer solchen Kraft und von einem
solchen Freund geleitet, kann ihn nichts abschrecken oder gefangennehmen und
nichts vermag die Stetigkeit seines weiteren Weges zu beeinträchtigen. Ergreife
das Kleid von einem, o tapfere Seele, der alle Orte bestens kennt, die
physischen, mentalen, supra-mentalen und spirituellen; denn er wird dein Freund
im Leben wie im Tode, in dieser Welt und in den jenseitigen Welten bleiben. Jalalud-din
Rumi
Und Guru Nanak
sagt: Wer
einen wahren Meister gefunden hat und dem vollkommenen Weg des Heiligen Wortes
folgt, wird, lachend und lebend in dieser Welt, völlige Befreiung finden. Und wieder heißt
es: Wie
der Lotos soll er sich unbefleckt über den Sumpf der Welt erheben; und wie der
Schwan soll er, unberührt und unbehindert durch ihre schlammigen Wasser
emporfliegen. Der Meister Abgesehen
von seiner wissenschaftlichen Methode und dem im Vergleich leicht zu gehenden
natürlichen Weg, der frei von den Nachteilen anderer Yogaformen ist, ist ein
weiteres bezeichnendes Merkmal des Yoga des Tonstromes der einmalige ünd
eindringliche Nachdruck, den er beständig auf die Notwendigkeit eines
‘Satguru‘, ‘Pir—e—rah‘ oder ‘Murshid—i—Kamil‘, einen kompetenten lebenden
Meister, legt. Obwohl über dieses Thema bereits gesprochen wurde als die drei
Ecksteine einer Betrachtung unterzogen waren, bleibt doch noch vieles
auszuführen. Die
‘guru—shish‘ oder ‘guru—sikh‘ Beziehung ist bei allen Formen des praktischen
Yoga von Bedeutung; aber hier ist sie in einem einzigartigen Sinn ein
Grundfaktor. Denn beim Surat—Shabd Yoga ist der Meister nicht nur ein Wesen,
das uns die wirkliche Natur des Seins erklärt, uns die wahren Werte des Lebens
kundtut und uns in den zu praktizierenden ‘sadhans‘ unterweist, damit wir
innerlich fortschreiten können; er ist all das und noch mehr. Er ist auch der
innere Führer und leitet die Seele von einer Ebene zur anderen, bis sie ihre
letzte Bestimmung erreicht; er ist ein Führer, ohne dessen Hilfe sie die
dazwischenliegendun Stufen fälschlicherweise für das letzte Ziel halten und sie
auf Hindernisse stoßen würde, die sie unmöglich überwinden könnte. Man
braucht sich nicht zu wundern, daß alle Mystiker, die diesen Weg gegangen sind,
über die Rolle des Meisters, so wie sie ist, mit höchster Verehrung und
Ehrfurcht gesprochen haben. Von Kabir hören wir: Ich
verlange und sehne mich nach dem Staub seiner Füße - dem Staub, der das
Universum schuf: Seine
Lotosfüße sind der wahre Reichtum und ein Hafen des Friedens! Sie
gewähren unaussprechliche Weisheit und führen uns den Weg zu Gott. In den
Sikh—Schriften heißt es: Liebreich
sind die Lotesfüße des Meisters, und so Gott will, sehen wir sie; Myriaden
Segnungen folgen einer solchen Schau. Todi
M.5
Die Sufis
erklären: Und
würde ich bis in alle Ewigkeit seine zahllosen Segnungen preisen, vermöchte
ich kaum etwas darüber zu sagen. Jalalud—din
Rumi
Manche
Mystiker gehen sogar so weit, daß sie seine Stellung über diejenige Gottes
erheben: Der
Meister ist größer als Gott. Kabir
Der
Meister und Gott, beide sind offenbart; wen
nun soll ich verehren, wem Gehorsam leisten? Wahrlich
wunderbar ist der Meister, der
die Kraft Gottes im Innern enthüllt hat. Sehjo
Bai Dies
alles mag den Skeptiker zu der Annahme führen, daß es sich hier um die
Vergötterung eines Menschen handelt. Und er mag fragen: Wozu diese Vergötterung
eines menschlichen Wesens? Wozu soviel Lobpreis auf einen Sterblichen häufen?
Die Mystiker haben zuzeiten auf diese Fragen mit heiliger Gleichgültigkeit
geantwortet: Die
Menschen bezichtigen Khusro des Götzendienstes; das
tu‘ ich wirklich; aber was hat die Welt mit mir zu tun? Amir
Khusro
Doch zuweilen sind
sie ausführlicher darauf eingegangen: Ohne
die Großmütigkeit des Meisters erlangt man nichts; auch
nicht durch Millionen verdienstvoller Werke. Gurbani
Hingabe
an Gott verwickelt uns weiter in dieses (physische) Leben — bedenket das wohl. Aber Hingabe an den
Meister führt uns zurück zu Gott. Kabir
Tritt
ein in das Innere und prüfe selbst; wer
von ihnen ist größer: Gott oder der Meister? Gurbani
Gott
hat mich in die Wildnis der Welt hineingetrieben; aber der Meister hat die
endlose Kette der (Seelen-) Wanderung für mich zerbrochen. Sehjo
Brd Alle
großen spirituellen Lehrer haben betont, daß die spirituelle Reise ohne die
Hilfe eines lebenden Meisters schwer ist und sie unmöglich bis zu ihrem Ende
durchgeführt werden kann. Jalalud-din Rumi, der persische Mystiker, deutet
nachdrücklich darauf hin, wenn er sagt: Trotz
all seinem Licht und der Kraft war Moses umschleiert; so
habe acht, daß du nicht ohne Flügel fliegest! Er bringt seine
Meinung noch klarer zum Ausdruck: Suche
einen Meister—Geist; denn ohne seine tätige Hilfe und Führung ist diese Reise
voller Ängste und Gefahren. Derselbe Ton
schwingt in den Evangelien durch die Aussprüche Jesu: Keiner
kommt zum Vater denn durch mich. Joh.
14,6
Und
niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und
wem es der Sohn will offenbaren. Matth. 11,27 u. Lukas 19
Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat; und ich will ihn auferwecken am jüngsten Tage. Joh
6,44
Während er den
zwölf Jüngern das Apostelamt übertrug, sagte Jesus zu ihnen: Wer
euch aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der
nimmt den auf, der mich gesandt hat. Matth.
10,40
Weshalb
er auch in der Lage ist, sie, die durch ihn zu Gott kommen, bis aufs äußerste
zu erretten; da er ja ewig lebt, um für sie Fürsprache einzulegen. Der
Meister ist wirklich der ‘Fürsprecher‘ oder ‘Rasul‘‚ der sich zwischen uns und
Gott bewegt und uns mit dem heiligen Wort verbindet; ohne ihn gäbe es wenig
Hoffnung auf Erlösung. Keine Freundschaft ist größer als die seine, keine Liebe
wahrer als die seine und keine Gabe größer als seine Gnade. Mögen andere durch
Zufallsstürme abseits getrieben werden und mag der Tod kommen, um die treuesten
Liebenden zu trennen: er allein versagt nie, weder im Leben noch im Tode. Und
siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Matth.
28,20
Er
allein ist ein Freund, der mich auf meiner letzten Reise begleitet, und mich
vor Gottes Richterstuhl behütet. Suhi M.
1
Andere
Gaben werden vergehen und schwinden, aber seine Gabe, das Wort Gottes, ist
unvergänglich, unzerstörbar, immer leuchtend, immer süß, immer frisch, immer
nett, ein Segen im Leben und ein noch größerer im Tode. Woher
nimmt der Meister diese einzigartige und übermenschliche Kraft, die ihn Gott
nahzu gleich macht und ihn in den Augen seiner Schüler sogar über Ihn stellt?
Kann sich sterbliches Fleisch mit dem Unsterblichen messen und das Endliche ins
Unendliche übertreffen? Dies mag der Welt als ein Paradox erscheinen, aber
diejenigen, welche das innere Reich mit offenen Augen betreten haben, sehen
darin keinen Widerspruch, sondern einzig das Mysterium von Gottes Größe und
Erhabenheit. Der wahre Meister ist einer, der unter Anweisung und Führung
seines eigenen Lehrers die Seele zu analysieren gelernt hat, der den inneren
Pfad bis zum allerletzten Ende gegangen ist und den Ursprung allen Lichts und
Lebens gesehen und sich mit dem namenlosen Einen vereint hat. Und wenn er sich
mit dem Namenlosen Einen vereint hat, wird er eins mit ihm und eins mit allem
was da ist. Auf der menschlichen Ebene mag er uns so begrenzt erscheinen wie
wir es sind, aber auf der spirituellen ist er grenzenlos und unendlich wie Gott
selbst: O
mein Diener, folge mir, und ich werde dich mir gleich machen. Ich sage “Es
werde”, und es ist, und du sollst sagen “Es werde” und es wird sein. Baha
U‘llah
Und
das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Joh.
1,14
Das
Wort ist der Meister und der Prophet, voll
tiefer und inhaltsschwerer Weisheit. Rag
Ramkali M. 1
Als
ich das Meer des Körpers aufwühlte, trat eine seltsame Wahrheit zutage; Gott
ward im Meister identifiziert und Nanak vermochte keinen Unterschied zu finden. Rag Asa
M. 4
Der
Guru ist Brahma, der Guru ist Vishnu, der Guru ist Shiva, und der Guru ist
wahrhaftig Par-Brahm, dem wir unseren Gruß entbieten. Die Guru—Shishya
Beziehung wurde oftmals beschrieben als: Wer
ist der wahre Meister für einen Schüler? Shabd
ist fürwahr der Meister und Surat der Schüler des Tones (Dhun). Ramkali
M. 1
Der
Shabd-Guru ist zu tief und unergründlich; ohne (die waltende Kraft von) Shabd
würde die Welt nur eine Wildnis sein. Sorath
M. 1
Das
Wort des Meisters ist fürwahr der Meister voll des lebenspendenden Wassers. Wer
seinem Wort folgt, kann wahrlich die Ufer des Zeitlichen durchqueren. Nut M. 4 Der Schüler
Surat kann den Pfad nur mit dem Shabd—Guru gehen; während
er die himmlischen Mysterien erforscht, findet er Ruhe in der umgekehrten
Quelle (des Kopfes). Tulsi
Sahib
Nimm
es als Gewißheit, daß der Shabd—Guru der wahre Meister ist; der
Surat kann wirklich ein Schüler des Dhun werden, wenn er ein Gurmukh (Gefäß für
das Wort) ist. Bhai Gurdas Var 7
Der
Meistet weilt im ‘gagan‘ (spiritueller Bereich oben) und
der Schüler im ‘ghat‘ (zwischen den beiden Augenbrauen); wenn
die beiden, Surat und Shabd, zusammentreffen, werden sie auf ewig vereint. Es
ist eine wesentliche und unteilbare Beziehung zwischen Gott und dem
Gottmenschen; denn er dient als menschlicher Pol, durch welchen die Gotteskraft
wirkt und den Jivas zur Wiedergeburt verhilft. Es ist müßig, zwischen dem
Magnet und dem Magnetfeld einen Unterschied zu machen, und darum heißt es: Hingabe
an den Satguru ist Hingabe an den Herrn. Der Satguru sichert die Erlösung,
indem er die Verbindung mit Naam (der Gotteskraft) herstellt. Da
er weltliche Reichtümer nicht begehrt, mag er arm erscheinen, doch er ist reich
in Gottes Unendlichkeit; und sobald diese sterbliche Hülle einmal abgestreift
ist, geht er wieder in dieses stille Zentrum zurück, das keinen Begrenzungen
unterworfen ist. Das, was ihm seine einzigartige Überlegenheit gibt, ist dieses
spirituelle Einssein mit dem Absoluten; und ihn von der menschlichen Ebene aus
beurteilen zu wollen, heißt, ihn nicht zu verstehen. So sagt Maulana Rumi:
“Nimm einen Gottmenschen nie als Menschen, denn obgleich er so erscheint, ist
er doch weit mehr.” Es ist kraft seiner übermenschlichen Fähigkeiten, daß er
der Meister wird. Mit dem göttlichen Bewußtsein eins geworden, wird er als
Mensch zu Seinem Mittler und spricht nicht in seiner Eigenschaft als
Individuum, vielmehr als Sprachrohr Gottes. Seine
Hand ist Gottes Hand, und die Kraft Gottes wirkt durch ihn. Maulana
Rumi
O
mein Freund, ich spreche nichts aus mir, ich sage nur, was mir der Geliebte in
den Mund legt. Guru
Nanak
Ich
tue nichts aus mir selber, sondern wie mich mein Vater gelehret hat, so rede
ich. Joh.
8,28
Es
ist nicht überraschend, daß der Meister als das, was er ist, so hochgehalten
wird. Ihn als Werkzeug des Göttlichen zu preisen ist nur eine andere Art Gott
zu preisen, und ihn über Gott zu stellen, heißt nicht, das Endliche in
Gegensatz zum Unendlichen zu bringen, sondern aufzuzeigen, daß vom menschlichen
Standpunkt aus der Aspekt Gottes, der sich ihm zuneigt, um ihn zu Sich
emporzuheben (d. h. zentripetale) höher ist als der, welcher ihm nur erlaubt,
seine Wege in der Welt der Relativität von einer Geburt zur anderen zu gehen
(d. h. der zentrifugale). Wenn auch beide auf der übermenschlichen Ebene als eins
und unteilbar gesehen werden. Ein
System, in dem der Lehrer in Hinsicht auf die innere und äußere Schulung und
den Fortschritt des Schülers so im Mittelpunkt steht, daß nichts ohne seine
Weisung und Führung getan werden kann, muß großen Nachdruck auf das Prinzip der
Gnade legen; und die mystische Literatur verfehlt nicht diesen Aspekt zu
betonen und zu unterstreichen. Aber wenn es einerseits der Meister ist, der dem
Schüler alles gibt, darf nicht übersehen werden, daß er, indem er dies tut, nur
etwas zurückzahlt, das er seinem eigenen Meister schuldig ist, denn die Gabe,
die er verleiht, ist die, welche er selbst empfangen hat, als er auf der Stufe
des Schülers war. Und somit beruft er sich gewöhnlich niemals auf sich selbst,
sondern mißt seine Kraft der Gnade seines eigenen Lehrers zu. Von einem anderen
Gesichtspunkt aus gesehen liegt alles im Schüler selbst und der Meister fügt
dem nichts von außen her zu. Nur wenn der Gärtner die Saat gießt und pflegt,
wird sie sprießen, doch das Geheimnis des Lebens liegt in der Saat selbst und
der Gärtner kann nicht mehr tun, als die Bedingungen zu schaffen, damit sie
Frucht tragen kann. Und das ist in der Tat die Funktion des Meisters. Ein altes
indisches Gleichnis zeigt diesen Aspekt der Beziehung zwischen Meister und
Schüler sehr anschaulich. Einmal, so sagt es, fing ein Schafhirte das Junge
eines Löwen und zog es zusammen mit den Tieren seiner Herde auf. Das Löwenjunge
beurteilte sich nach denen, die es um sich sah; es lebte und bewegte sich wie
die Schafe und Lämmer, war zufrieden mit dem Gras, das sie fraßen und mit dem
schwachen Blöken, das sie von sich gaben. Die Zeit ging dahin, bis eines Tages
ein anderer Löwe seinen Artgenossen sah, der da inmitten der Herde graste. Er
ahnte, was geschehen war und da ihm das Löwenjunge in seiner Notlage leid tat,
näherte er sich ihm unbedenklich und brachte es an ein stilles Flußufer, wo er
ihm sein eigenes Spiegelbild und das seine zeigte, und stieß, als sie
zurückgingen, ein mächtiges Brüllen aus. Nun erkannte das Junge seine wahre
Natur und tat das gleiche, während seine bisherigen Gefährten vor ihm die
Flucht ergriffen. Es war nunmehr frei, sich seiner rechtmäßigen Umgebung zu
erfreuen, und streifte von da an als König des Waldes umher. Solch
ein Löwe ist in der Tat der Meister. Er kommt, um die Seele aus ihrem Schlummer
aufzustören und indem er ihr einen Sriegel vorhält, zeigt er ihr die ihr
angeborene Glorie; ohne seine Berührung bliebe sie weiterhin betäubt, aber wäre
sie nicht selbst vom Geist des Lebens, könnte sie durch nichts zum spirituellen
Bewußtsein gebracht werden. Der Meister ist jedoch ein brennendes Licht, das
die nicht leuchtenden Gefährten entzündet. Das Feuer ist da und der Docht ist
da und ergibt nur die Flamme, ohne daß er dadurch einen Verlust erleiden würde.
Gleiches berührt Gleiches und der Funke springt über, und das, was dunkel ist,
wird erhellt und was tot war, wird lebendig. Und wie beim brennenden Licht
liegt sein Vorzug nicht darin, daß es sich um ein individuelles Licht handelt,
sondern darin, daß es der Sitz der nicht-individuellen Flamme ist, die weder
von diesem noch von jenem Licht stammt, vielmehr von der Essenz allen Feuers.
Genauso ist es auch mit dem wahren Meister. Er ist nicht kraft seiner Person
ein Meister wie irgendein anderer, sondern er ist ein Meister, der das
universale Licht Gottes in sich trägt. Wiederum, gerade wie ein Licht, das noch
alleine brennt, auch andere Lichter entzünden kann — doch nicht eines, das
schon ausgebrannt ist —‚ so kann auch nur ein lebender Meister den belebenden
Anstoß geben, der notwendig ist und nicht einer, der die Welt bereits verlassen
hat. Jene, die gegangen sind, waren zwar groß und aller Achtung wert, aber sie
waren es vor allem zu ihrer Zeit, und die Aufgabe, die sie für jene, die um sie
waren, erfüllt hatten, muß für uns von einem vollbracht werden, der nunmehr
unter uns lebt und sich bewegt. Die Erinnerung an sie ist ein heiliger Schatz,
eine immerwährende Quelle der Inspiration; aber das Eine, was sie uns lehrt,
ist, daß wir in der Welt der Lebenden das suchen müssen, was sie zu ihrer Zeit
gewesen sind. Nur ein Kuß eines lebenden Prinzen (Meisters) kann die
schlummernde Prinzessin (Seele) zum Leben zurückbringen und nur die Berührung
einer atmenden Schönheit kann dem Tier die ihm angeborene ursprüngliche Glorie
wiedergeben. Wo
die Führung durch einen kompetenten lebenden Meister eine so vordringliche
Notwendigkeit ist, nimmt das Suchen und Erkennen einer solchen erhabenen Seele
eine überragende Bedeutung an. Es gibt keinen Mangel an falschen Propheten und
Wölfen im Schafspelz. Der bloße Begriff Satguru, oder wahrer Meister, deutet
auf die Existenz des Gegenteils hin; und es ist dieses Falsche, das unserem
Blick auf Schritt und Tritt begegnet. Wie schwierig es auch immer sein mag,
einen Gottmenschen zu finden (denn solche Wesenheiten sind selten,
unaufdringlich in ihrer Demut, und es widerstrebt ihnen, sich durch auffallende
Wundertaten anzukündigen oder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu
stehen) ist es dennoch nicht unmöglich, ihn unter den übrigen
herauszufinden. Er ist eine lebendige
Verkörperung dessen, was er lehrt und wenn er auch arm scheint, ist er dennoch
reich in seiner Armut: “Es mag scheinen, daß wir Bettler sind, doch unsere
Taten sind mehr als königlich.” (Shamaz-i-Tabrez). Er wird nicht durch weltliche
Dinge berührt und begehrt nichts. Er gibt seine Lehren und Weisungen als freie
Gabe der Natur und sucht nie etwas dafür zu erhalten. Er erhält sich durch
seine eigene Arbeit und lebt niemals von den Gaben anderer: Beuge
dich niemals vor einem, der sich Meister nennt, doch
von der Barmherzigkeit anderer lebt. Nur
der ist ein Meister des wahren Pfades, der
seinen Unterhalt selbst verdient und sich der Armen erinnert. Sarang War M.
4 Ferner
verwickelt ein wahrer Meistergeist unser Gemüt niemals in Widersprüche. Alle
Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen und
Bekenntnissen schwinden bei seiner Berührung, und die Einheit der Erfahrung im
Innern, die in den verschiedenen Schriften zum Ausdruck kommt, tritt klar und
deutlich zutage: “Nur das Auge des Juweliers kann den Rubin auf den ersten
Blick erkennen.” (Nand Lal). Das
eine immer wiederkehrende Thema einer solchen Meisterlehre ist, daß die innere
spirituelle Natur aller religiösen Lehren, trotz aller äußeren Unterschiede,
die uns verwirren und aus der Fassung bringen, dieselbe ist. Darum kommen sie
nicht, um neue Glaubensansichten und Dogmen zu verbreiten, sondern um das
bestehende “Gesetz” zu “erfüllen”. O
Nanak, erkenne ihn als den vollendeten Meister, der
alle in einer Herde vereint. Sri Rag M. 1
Wenn er zu bekehren, versucht, so sucht er nicht nach
äußerlichen Namen und Formen, sondern nach Taufe des Geistes im Innern. Für ihn
ist das innere Leben eine Wissenschaft, die Menschen aller Glauhensrichtungen
und Nationen zugänglich ist, und wer immer diese Schulung aufnimmt, dem werden
alle Dinge zufallen. Es
ist die innere Botschaft, die in den Lehren eines wirklichen Meisters stets das
Höchste ist. Er kann die wahre Bedeutung der Schriften am besten erklären, aber
er spricht nicht als einer, der darin gelehrt ist, sondern als einer, der das,
was die Schriften berichten selbst erfahren hat. Er mag die Schriften benutzen,
um seine Zuhörer zu überzeugen, daß das, was er lehrt, die älteste Wahrheit
ist; aber er selbst ist niemals von ihnen abhängig und seine Botschaft liegt
über der bloßen intellektuellen Ebene; sie ist durch die Lebendigkeit und
Intensität der direkten Ersthand-Erfahrung inspiriert. “Wie können wir
übereinstimmen”, sagte Kabir zu den Buchgelehrten, “wenn ich von der inneren
Erfahrung spreche und ihr nur vom Buchwissen.” Er veranlaßt den Sucher immer,
sich nach innen zu wenden, indem er ihm von den reichen inneren Schätzen
erzählt: Hältst
du dich selbst für eine winzige Form, wo in dir das Universum verborgen liegt? Ali
Das
Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; das Reich Gottes ist
inwendig in euch. Lukas
17,20-21
Er
lädt ihn ein und ermuntert ihn, die Schulung aufzunehmen, welche ihm diesen
Reichtum erschließt: Heile dir den Kopf und die Nase vom Schnupfen und atme
stattdessen das Licht Gottes ein. Jalalud-din
Rumi
Und
diese Schulung wird sich, wenn er wirklich ein vollendeter Lehrer ist, nicht
auf Hatha—Yoga oder ähnliche extreme Praktiken konzentrieren, sondern auf das
transzendente Hören und Sehen, das von einer ständigen äußeren Reinigung
unseres Denkens und Tuns begleitet ist und dies mehr durch Mäßigung und in sich
gekehrte Selbstkritik als durch Peinigung, Bußübungen oder Askese. Aber das
wichtigste und unfehlbarste Zeichen eines Satguru ist, daß seine Lehren nicht
nur immer auf diese innere Wissenschaft konzentriert sind, sondern daß er in
der Lage ist, dem Schüler bei der Initiation eine bestimmte Erfahrung des
inneren Lichtes und Tones zu geben, wie klein sie auch immer sein mag, um damit
beginnen zu können. Und wenn der Schüler gelernt hat, sich über das
Körperbewußtsein zu erheben, wird seine strahlende Form ungesucht erscheinen,
um ihn auf der langen Reise zu führen. Die
wunderbare und strahlende Form des Meisters kann nur ein wahrer Meister dem
Geist offenbaren. Nanak
Der
nicht die Dunkelheit in Licht umwandeln kann, ist kein richtiger Meister, Nanak
sagte: “Ich will meinen Meister nicht beim Wort nehmen, bis ich mit meinen
eigenen Augen sehe.” Wenn er ein wahrer Lehrer ist, wird er niemals eine
Erlösung versprechen, die erst nach dem Tode erfolgt. Demzufolge ist es für ihn
immer eine Angelegenheit von jetzt und hier. Wenn einer nicht im Leben
Befreiung erlangt hat, kann er nicht darauf hoffen, sie im Tode zu erwerben.
Und Jesus hat bei seinen Jüngern immer darauf gedrängt, die Kunst des täglichen
Sterbens (das Übersteigen des Körpers) nach seiner Art zu meistern. Er wird
weiter betonen, daß die Spiritualität eine Wissenschaft ist, wenn auch eine
subjektive, und daß jeder Einzelne ihre Wahrheit im Laboratorium seines eigenen
Körpers nachprüfen kann, vorausgesetzt, daß er die erforderlichen Bedingungen
schafft: die auf ein Ziel ausgerichtete Konzentration. Das Leben ist ein
fortlaufender Vorgang, der kein Ende kennt, wenn es auch auf verschiedenen
Seinsebenen einen jeweils unterschiedlichen Aspekt annimmt. Da einer hilflos
von einer Ebene zur anderen geht, wird angenommen, daß er auf und für diese
Ebene, von der die Seele ausgegangen war, gestorben ist, denn wir haben noch
kein Wissen und noch weniger Erfahrung vom Leben auf den anderen Ebenen, wohin
man durch die Triebkraft der karmischen Vibrationen geleitet wird. Aus dieser
Knechtschaft und diesem zwangsweisen Kommen und Gehen bereitet der Meister den
Weg zur Befreiung in diesem Leben vor, indem er die Seele (jiva) mit der
immerwährenden Lebensschnur verbindet, die ohne Ende die Schöpfung durchdringt
und gibt wahrhaftig einen Vorgeschmack von den höheren spirituellen Regionen,
sofern einer bereit ist, das Fleisch für den Geist aufzugeben. ‘Lerne zu
sterben, damit du zu leben beginnen kannst‘, heißt die Ermahnung. Selig
ist, der sich täglich zu sterben bereitet. Jene,
in denen das ewige Wort spricht, sind frei von Unsicherheit, und es ist
wahrlich des Meisters Arbeit, dem Menschen dieses ewige Wort hörbar zu machen. O Nanak! sprenge alle Bande der Welt; diene dem wahren Meister und Er
wird dir den wahren Reichtum geben. Wer
einen solchen Lehrer hat, ist in der Tat gesegnet, denn er ist wahrlich mit
Gott Selbst Freund geworden und hat einen gefunden, der ihn selbst bis zum Ende
der Welt nicht verlassen wird, weder in diesem Leben noch nach dem Tode, und
der ihn immer leiten wird, bis er seine letzte Bestimmung erreicht hat und
genauso groß und unendlich ist wie er selbst: Der
Stein der Weisen kann bestenfalls einfaches Metall in Gold verwandeln; aber
Ehre dem Meister, der in seine eigene himmlische Form umgestalten kann. Welche
Probleme einer auch immer zu bewältigen haben mag, in seiner Gesellschaft
findet er Frieden und Trost, und die Verbindung mit ihm gibt Kraft und regt zu
innerer Bemühung an. Daher die dringende Notwendigkeit für ‘Satsang‘
(Gemeinschaft mit dem Wahren) für diejenigen, die noch nicht gelernt haben,
sich mit ihm auf den inneren Ebenen zu besprechen. Ein
Sucher muß in seiner Suche nach einem vollendeten Meister sicherlich
Unterscheidungs- und Urteilskraft walten lassen, aber wenn er Erfolg hatte und
einen solchen gefunden hat (und ein echter Sucher wird ihn nie verfehlen, da
dies ein Göttlicher Ratschluß ist), welcher Art wird dann seine Beziehung zu
ihm sein? Wird er weiterhin das, was ihm gesagt wird und was er beobachtet,
kritisch aufnehmen? Wird er damit fortfahren, alles, was sein Lehrer tut, unter
dem Mikroskop seiner Unterscheidungskraft zu prüfen? Diese Haltung
beizubehalten, nachdem er sich anfangs der Echtheit des Vollendeten bereits
versichert hat, heißt, seine Größe nicht anzuerkennen und nicht auf die rechte
Weise darauf zu reagieren. Einer solchen Seele zu begegnen bedeutet, einem
unendlich Größeren zu begegnen als man selbst ist, und zu wissen, daß er eins
mit Gott ist, heißt demütig und voller Ehrfurcht zu sein. Ihn mit den eigenen
begrenzten Fähigkeiten zu beurteilen, heißt den Versuch zu machen, das Meer in
einem Reagenzglas festzuhalten; denn er wird durch Gründe bewegt, die wir
niemals begreifen können. Wenn einer den Segen, in die Herde des Satguru aufgenommen
zu sein, richtig einschätzen kann, wird er immer seine Gnade, Schönheit und
vollkommene Liebe rühmen. Wenn der Wunderbare meine wandernde Seele
unter seine Schwingen nähme, wollte ich alle Königreiche für den lieblichen
Ausdruck Seines Angesichts opfern. Hafiz
Er
wird niemals die Handlungsweise seine Meisters infrage stellen, selbst wenn er
sie nicht begreift; denn er weiß, daß selbst Wenn der ‘Kizr‘ das Schiff im Meer versenken würde, in
diesem Unrecht dennoch tausend Rechte wären. Jalalud-din
Rumi
Er
wird das Vertrauen eines Kindes entwickeln müssen, das, wenn es sich einmal
einer liebenden Hand anvertraut hat, tut wie ihm geheißen, und niemals etwas
fragt: ... wer nicht das Reich Gottet nimmt als ein Kind, der wird
nicht hineinkommen. Lukas
18,17
Selbst
wenn er von dir verlangt, den Gebetssitz mit Wein zu tränken; nimm nicht Anstoß
daran, sondern tu es. Denn Er, der dein Führer ist,
kennt die Reise und seine Stationen gut. Jalalud-din
Rumi
Die
geheimen Worte eines Gottmenschen übersteigen sehr oft das menschliche
Verständnis. Seine Gebote klingen zuzeiten als ständen sie anscheinend in
Widerspruch zu den Texten der Schriften oder den ethischen Forderungen, aber in
Wirklichkeit ist es nicht so. Man sollte sie in vollem Vertrauen befolgen, und
zu gegebener Zeit wird sich ihre wahre Bedeutung offenbaren. Und
wie des Kindes Wille sei seine Liebe voller Demut und Einfachheit. Die Reinheit
ihrer Flamme allein wird den Schmutz der Welt verbrennen. Entfache
das Feuer der Liebe und verbrenne damit alles, dann
setze deinen Fuß auf das Land der Liebenden. Baha
U‘llah
Schweiße das jetzt in tausend Stücke zerbrochene Gefäß
in eins zusammen, damit es tauglich wird, das Licht Gottes zu fassen. Es ist
das Bindeglied zwischen dem Sucher und seinem Freund und durch ihn, zwischen
dem Sucher und dem Absoluten. Wie kann einer den Namenlosen und Formlosen
anders lieben als durch den, der Seine wahre Verkörperung darstellt; denn der
Herr offenbarte dem Propheten Mohammed: Ich wohne weder im hohen Himmel noch auf der Erde unten und
auch nicht im Paradies; doch o Geliebter! glaube mir, so seltsam es auch
scheinen mag, ich wohne im Herzen des Gläubigen und dort bin ich zu finden. Rumi
Auf
diesem mystischen Pfad ist der Verstand eine Hilfe, aber er ist auch ein
Hindernis. Allein die Liebe kann den Abgrund überbrücken, die Kluft umspannen
und das Endliche mit dem Unendlichen, das Sterbliche mit Unsterblichen und das
Relative mit dem Absoluten verbinden. Eine solche Liebe ist nicht von dieser
Welt oder fleischlich. Es ist der Ruf der Seele an die Seele, vom Gleichen zum
Gleichen, dem Fegefeuer und dem Paradies. Wer vermag diesen Zustand zu beschreiben
- Sprich nicht von Layli‘s oder Majnun‘s Leid - deine Liebe
hat die Liebe von einst zunichte gemacht. S’adi
wer seinen Schmerz
wiedergeben? Lebe
frei von Liebe, denn selbst ihr Friede ist Pein. Arabisches
Sprichwort Millionen
sprechen von Liebe, doch wie wenige kennen sie; wahre Liebe heißt, das Denken
daran auch nicht für einen Augenblick zu versäumen. Kabir
Tatsächlich
ist diese Eigenschaft unaufhörlichen Gedenkens vom Wesen der Liebe. Und einer,
der sich auf diese Weise seiner Liebe erinnert, muß demzufolge in dauerndem
Gedenken an des Geliebten Gebote und in stetem Gehorsam leben. Eine solche
Liebe verbrennt mit ihrem Feuer den Unrat des Ego; das kleine Selbst wird
vergessen und der Liebende opfert seine Individualität auf dem Altar des Geliebten. Willst
du auf dem Weg der Liebe wandeln, so lerne erst, dich selbst als Staub zu
sehen. Ansari
von Herat
Liebe
wächst nicht auf dem Feld und ist auch nicht auf dem Markt zu haben; wer
sie besitzen will, sei er König oder Bettler, muß
sie mit seinem Leben bezahlen. Lege
dein Haupt auf deine Hände und opfere es, wenn
du ins Wunderland der Liebe gelangen willst. Kabir
und wieder heißt
es: Verflucht
sei das Leben, indem man der Liebe zu Gott nicht teilhaftig wird. Gib
dein Herz Seinem Diener, denn Er wird dich zu Ihm bringen. Aber
eine solche Selbsthingabe ist erst die Einleitung, um ein größeres und reineres
Selbst als wir es kennen, zu erben; denn dies ist die Macht seines Zaubers,
daß, wer auch immer an seine Tür klopft, in seine Art umgewandelt wird: Der
Liebende wird zum Geliebten - das ist die Alchemie seiner Liebe; Gott
selbst ist eifersüchtig auf einen solchen Geliebten. Dadu
Wenn
ich Ranjha anrufe, werde ich eins mit ihm. Bulleh
Shah
Von
einer solchen Liebe sprach Lord Krishna in der Gita, und die gleiche Liebe
meinte Paulus, wenn er seinen Zuhörern sagte: Ich
lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Denn was ich
jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohnes Gottes, der mich
geliebt hat, und sich selbst für mich dargegeben. Galater
2,20 Dies
beschreiben die Sufis, wenn sie von ‘fana—fil—sheikh‘ (Aufgehen im Meister)
sprechen — die ungeheure Ausdehnung meines Selbst ist so zum Überfließen vom
Dufthauch des Herrn erfüllt, daß der bloße Gedanke an mich völlig geschwunden
ist. Und dies erklären auch die christlichen Mystiker, wenn sie die
Notwendigkeit des ‘Sterbens in Christus‘ betonen. Ohne diese Selbsthingabe ist
das Wissen selbst nur von geringem Nutzen. Das
Wissen ist nur ein Kind der Schriften, doch ihre Mutter ist die Liebe. Persischer
Spruch Die
Welt verliert sich im Lesen der Schriften, doch zum Wissen kommt sie nie. Dem
aber, der nur ein Jota der Liebe kennt, wird alles offenbart. Kabir
Eine solche Liebe
allein ist der Schlüssel zum inneren Königreich: Wer
nicht liebt, kennt Gott nicht, denn Gott ist Liebe. 1. Joh. 4,8 Das
Geheimnis von Gottes Mysterien ist die Liebe. Maulana
Rumi
Durch
die Liebe wird Er erreicht und gehalten, aber niemals durch das Denken. ‘Die
Wolke der Unwissenheit‘
Wahrlich,
wahrlich ich sage euch, daß jene, die liebten, den Herrn erreicht haben. Gobind
Singh
Liebe
ist das Wesen Gottes und der Seele. Lasset uns ihn lieben, denn er hat uns erst
geliebet. 1. Joh. 4,19 Die
Beziehung der Liebe zwischen dem Satguru und seinem ‘shishya‘, dem Gottmenschen
und seinem Schüler, erfährt viele Phasen und Entwicklungsstadien. Sie beginnt
mit der Achtung für einen, der mehr weiß als man selbst. Sowie der Schüler
anfängt, des Meisters uneigennützige Sorge für sein Wohlergehen und seinen
Fortschritt zu würdigen, beginnen seine Gefühle im Tau der Liebe zu schmelzen
und er entfaltet Vertrauen, Gehorsam und Ehrfurcht. Größere Gehorsamkeit und
Vertrauen bringt größere Anstrengung mit sich, und mit der größeren Anstrengung
kommt größere Zuneigung des Meisters. Anstrengung und Gnade gehen dicht
nebeneinander und eines hilft bei der Entfaltung des anderen. So wie der Mutter
Liebe für ihre Kinder ist die des göttlichen Hirten für seine Herde. Sie
unterscheidet nicht zwischen denen, die ihrer würdig sind und denen, die ihrer
nicht würdig sind; sondern wie bei einer Mutter werden die Tiefen und der
Reichtum seiner Liebe nur von jenen erschlossen, die seine Liebe erwidern und
zurückgeben: Er
ist bei allen gleicherweise; doch jeder erhält seinen Anteil gemäß seines
eigenen Verdienstes. Sorath
M.3
Mit
dieser größeren Anstrengung und der größeren Gnade seitens des Meisters, macht
der Schüler größere Fortschritte im innern sadhan, was schließlich zum völligen
Übersteigen des Körperbewußtseins führt. Wenn dies dann erreicht ist, findet er
sich vom Meister in seiner strahlenden Form erwartet und er leitet seinen Geist
von nun an auf den inneren Ebenen. Zunächst erblickt er ihn in seiner wahren
Glorie und er erkennt die unergründlichen Dimensionen seiner Größe. Hinfort
weiß er, daß er mehr ist als ein Mensch, und sein Herz fließt über von Lobpreis
und demütiger Hingabe. Und je höher er auf seiner spirituellen Reise kommt,
umso eindringlicher werden seine Lobpreisungen; denn desto mehr erkennt er, daß
er, den er einst zum Freunde nahm, nicht nur ein solcher ist, sondern, daß Gott
Selbst herunterkam, um ihn zu Sich zu erheben. Dieses Band der Liebe samt
seinen Abwandlungen und Entwicklungsstadien wird zum Spiegel seines inneren
Fortschritts, der sich vom Endlichen zum Unendlichen bewegt: Die
Liebe beginnt im Fleisch und endet im Geist. St.
Bernhard Auf
ihren Anfangsstufen mag sie Ähnlichkeit mit der irdischen Liebe haben; die
zwischen Eltern und Kind, zwischen Freunden, zwischen Liebenden, zwischen Lehrer
und Schüler. Aber wenn einmal der Punkt erreicht ist, wo der Schüler seinen
Lehrer in seiner strahlenden Glorie in sich selbst entdeckt, lösen sich alle
Ähnlichkeiten und Vergleiche für immer auf, und alles was bleibt, ist eine
einzige Bewegung, und dann Schweigen: Laßt
uns von etwas anderem schreiben; von
den Geheimnissen der Liebe — es ist besser so. Laßt
Gezänk und Geschrei und alles das, und
sprecht nicht mehr von Shamas Tabrez. Maulana
Rumi
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